Oswald Spengler

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aleph
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Oswald Spengler

Beitrag von aleph »

Für wen ist dieser Historiker und Schriftsteller ein Begriff? Er hat das Buch "Untergang des Abendlandes" geschrieben. Er versuchte in seiner Zeit die Zukunft Europas zu lichten, indem er Parallelen und Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte ermittelte (ähnlich wie Toynbee). Er meinte beispielsweise, dass Europa zu seiner Zeit (Anfang des 20. Jahrhunderts) in etwa da stünde, wo die Antike zur Zeit des Aufstiegs des römischen Reiches gestanden hätte. Dazu muss man wissen:
In seinem Hauptwerk Der Untergang des Abendlandes richtet sich Spengler gegen eine lineare Geschichtsschreibung, welche die Geschichte „der Menschheit“ als Geschichte des Fortschritts erzählt. Stattdessen vertritt er die Zyklentheorie, dass Kulturen immer wieder neu entstehen, eine Blütezeit erleben und nach dieser Vollendung untergehen. Er begreift Kulturen als eindeutig abgrenzbare, quasi-organische Gebilde mit einer Lebensdauer von etwa 1.000 Jahren und mit jeweils ganz charakteristischen, das Denken und Handeln der Individuen prägenden Eigenschaften. Der Titel des Werkes behauptet, dass die „Kultur des Abendlandes“ im Untergang begriffen sei.
Nach seiner These wiederhole sich die Geschichte. Das bedeutet für ihn, dass die europäische Kultur durch eine Reichsbildung ihren Abschluss und Untergang erfahren würde, genauso wie das römische Reich Abschluss und Untergang der klassischen antiken Kultur der Römer und Griechen gewesen wäre. Für die Reichsbildung sah er Preussen. Heute würde er vermutlich (nach meiner Meinung) Amerika in dieser Rolle sehen. Da sieht man auch die Schwäche seiner These: sie ist beliebig anwendbar und damit weitestgehend wertlos in der Hinsicht, dass man Jahreszahlen und Rollen identifizieren könnte.

Die Nazis versuchten natürlich, Spengler für sich zu reklamieren, er lehnte jedoch den Nationalsozialismus ab, ebenso sah er Weltreiche eher negativ.

Ich selbst habe ein Buch gelesen, das sich kritisch mit seinem Hauptwerk auseinandersetzt:
Die Imperiale Endzeit: Oswald Spengler und die Zukunft der abendländischen Zivilisation.

Ich kann es sehr empfehlen.
Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein. Walter Jens
Besser schweigen und als Narr zu scheinen, als sprechen und jeden Zweifel zu beseitigen. Abraham Lincoln
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Boraiel
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von Boraiel »

aleph hat geschrieben:(08 Sep 2016, 21:25)

Für wen ist dieser Historiker und Schriftsteller ein Begriff? Er hat das Buch "Untergang des Abendlandes" geschrieben. Er versuchte in seiner Zeit die Zukunft Europas zu lichten, indem er Parallelen und Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte ermittelte (ähnlich wie Toynbee). Er meinte beispielsweise, dass Europa zu seiner Zeit (Anfang des 20. Jahrhunderts) in etwa da stünde, wo die Antike zur Zeit des Aufstiegs des römischen Reiches gestanden hätte. Dazu muss man wissen:



Nach seiner These wiederhole sich die Geschichte. Das bedeutet für ihn, dass die europäische Kultur durch eine Reichsbildung ihren Abschluss und Untergang erfahren würde, genauso wie das römische Reich Abschluss und Untergang der klassischen antiken Kultur der Römer und Griechen gewesen wäre. Für die Reichsbildung sah er Preussen. Heute würde er vermutlich (nach meiner Meinung) Amerika in dieser Rolle sehen. Da sieht man auch die Schwäche seiner These: sie ist beliebig anwendbar und damit weitestgehend wertlos in der Hinsicht, dass man Jahreszahlen und Rollen identifizieren könnte.

Die Nazis versuchten natürlich, Spengler für sich zu reklamieren, er lehnte jedoch den Nationalsozialismus ab, ebenso sah er Weltreiche eher negativ.

Ich selbst habe ein Buch gelesen, das sich kritisch mit seinem Hauptwerk auseinandersetzt:
Die Imperiale Endzeit: Oswald Spengler und die Zukunft der abendländischen Zivilisation.

Ich kann es sehr empfehlen.
Ich lese gerade "Der Untergang des Abendlandes" von Oswald Spengler. Es ist ein grandioses Werk, ich hatte immer wieder bei der Lektüre das Gefühl in "meinem Kopf explodiert etwas", der Horizont erweitert sich. Immer wieder auch das Gefühl, dass ein Kind in mir gerade gestorben ist, aber auch ein neues geboren wurde.
Der Titel ist das schlechteste am diesem Werk, ich sehe für das Abendland die Gefahr des Unterganges nicht, wohl aber kann es durchaus sein, dass wir uns in der Nähe eines Höhepunktes befinden, diesen an einigen Orten gar schon überschritten haben. Anstelle von Zyklen würde ich beim Abendland eher von Wellen im positiven Bereich sprechen. Diese haben Berge und Täler in unterschiedlichen Höhen, vielleicht gehen wir momentan eher dem Tal entgegen (obwohl ich mich darauf nicht festlegen würde), aber dieses Tal wird im Abendland immer noch im positiven Bereich liegen und bleibt deutlich über null. Gewiss ist mir doch, dass wir den höchsten Berg noch nicht erreicht haben.

P.S.: Bist du bei Amazon? Eine Rezension zu dem verlinkten Werk dort wäre (nicht nur für mich) wohl hilfreich. :)
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aleph
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von aleph »

Boraiel hat geschrieben:(08 Sep 2016, 21:55)
P.S.: Bist du bei Amazon? Eine Rezension zu dem verlinkten Werk dort wäre (nicht nur für mich) wohl hilfreich. :)
Ich habe Spenglers Untergang auch teilweise gelesen. Zu dem verlinkten Buch: es ist schon etwas länger her, dass ich es gelesen habe. Daher fällt mir eine Rezension etwas schwer. Es ist allerdings ein gutes Buch und es ist auch bereits vergriffen. Vielleicht hat der Autor ein ähnliches Buch geschrieben oder man findet das Buch in der öffentlichen Bibliothek oder in einem Antiquariat.

Ich sehe gerade, hier gibt es das Buch noch, außerdem ist ein Inhaltsverzeichnis dabei:
http://www.kopp-verlag.de/Die-Imperiale ... i=B1891924
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Flat
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von Flat »

Moin,

ich habe sein Buch nicht gelesen.

Wie geht er mit dem Fakt des technologischen Fortschritts um?

Insbesondere durch die heutige Kommunikation und die schnelle Reisemöglichkeit, im negativen mit einer Waffentechnologie, die alles vernichten kann, ist die heutige Situation doch mit früheren Großreichen nur schwer vergleichbar.
_______
wer Rechtsradikales sagt und tut, ist rechtsradikal. Das hat nichts mit Nazikeule zu tun.
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Buchtipps

Beitrag von Fuerst_48 »

Mir ist wieder (in einem anderen Zusammenhang) bewußt geworden, wie aktuell K.R.POPPER (Gesamtwerk) nach wie vor ist.
Auch P.Weingartner und W.Stegmüller kommen mit ihren wissenschaftstheoretischen Forderungen nicht an ihm vorbei.
Also ist er ein Lesetipp.
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Boraiel
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von Boraiel »

Flat hat geschrieben:(09 Sep 2016, 07:50)

Moin,

ich habe sein Buch nicht gelesen.

Wie geht er mit dem Fakt des technologischen Fortschritts um?

Insbesondere durch die heutige Kommunikation und die schnelle Reisemöglichkeit, im negativen mit einer Waffentechnologie, die alles vernichten kann, ist die heutige Situation doch mit früheren Großreichen nur schwer vergleichbar.
Mensch und Technik ist das allerletzte Kapitel, ich weiß nicht, ob ich da dieses Jahr noch hingelange (das Buch hat über 1200 Seiten) ... :)
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Ammianus
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von Ammianus »

Es ist wahnsinnig lange her, dass ich das Buch gelesen habe. Ich erinnere mich noch an den wesentlichen Eindruck, den ich bei der Lektüre, die durchaus spannend war, hatte: Er biegt sich alles so hin, wie es zu seiner Theorie passt und was nicht passt, wird passend gemacht. Ein Beispiel war für mich die bronzezeitliche minoische Kultur auf Kreta, die so nicht in sein Schema passte. Er erklärte sie dann einfach zur ägyptischen Randkultur und wieder stimmte alles.
Große Probleme hatte er auch mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt, der auch schon zu seiner Zeit längst nicht mehr zu übersehen war. Aber den würde eine neue andersgeartete Kultur einfach beiseite schieben, legte er einfach mal so fest. Und wieder war alles im Lot.
Dann gab es wohl auch noch einige direkt mystisch-esoterische Stellen. Dazu müsste ich das Buch aber erneut lesen.
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Wasteland
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von Wasteland »

Habe Spengler vor fast 20 Jahren gelesen und obwohl es wirklich schwere Kost ist, hat es meine Weltsicht doch verändert.
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Progressiver
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von Progressiver »

Mir hatte ein Geschichtsprofessor dieses Buch anempfohlen. Er meinte aber auch gleichzeitig, es gebe keine Gesetze in der Geschichte. Der Professor bezog sich dabei auf die marxistische Sichtweise, dass es Gesetze gebe, die irgendwann zum Sieg des Kommunismus führen sollten. Wie sich das mit seiner Begeisterung für Spengler vertragen hat, der ja meiner Beobachtung nach ebenfalls an Gesetze in der Geschichte glaubte, weiß ich nicht.

Dass es aber überhaupt einen "Aufstieg und Fall der großen Mächte" gebe, konnte ich vor zwanzig Jahren aber auch bei dem gleichnamigen Klassiker von Paul Kennedy nachlesen:

https://www.amazon.de/Aufstieg-Fall-gro ... %C3%A4chte

Aber auch Herfried Münkler scheint sich in seinem Buch "Imperien. Die Logik der Weltherrschaft -vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten" mit der Frage zu befassen, "wie Imperien für Stabilität sorgen und welche Gefahren ihnen drohen, wenn sie ihre Kräfte überdehnen".

https://www.amazon.de/Imperien-Logik-We ... HT1XP3QFJZ

In politischer Hinsicht kann es also durchaus vorkommen, dass Reiche sich irgendwann überdehnen und dann dem Untergang geweiht sind.

Ich selbst hege auch die Befürchtung, dass es in kultureller Hinsicht auch mit den Gesellschaften Europas nicht immer nur vorwärts gehen könnte. Beispiele sind die Aufsplitterungen in viele Parallelgesellschaften und der Aufstieg rechter Parteien einerseits, der Islamisten andererseits. Aber noch ist Europa nicht alternativlos verloren. Geschichte wird gemacht. Und die Zukunft ist immer offen.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Friedrich Nietzsche

"Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, dem wird bald jedes Problem zum Nagel."
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Boraiel
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von Boraiel »

Der größte Kritikpunkt ist für mich bisher (habe erst wenige hundert Seiten gelesen), dass Spengler dem Leben Einzelner zu wenig Bedeutung in meinen Augen beimisst. Für ihn haben Kulturen (wenn dass richtige Wort ist !?) Lebenszyklen, gehen irgendwann unter. aber auch der Einzelne hat einen Lebensverlauf, der nicht parallel mit dem seiner Kultur sein muss. Der Einzelne kann im Wachstum begriffen sein in Zeiten, in denen die Kultur niedergeht. Er kann Impulse zur Neugestaltung, zum neuem Wachstum setzen. Dadurch verändert sich die Kultur insgesamt, sie ist im Wandel begriffen. Es mag Höhepunkte geben auf die Tiefpunkte folgen, aber der Kollaps bleibt im Falle des Abendlandes gewiss aus. Wir werden keinen kollektiven Selbstmord begehen. Auch in Ägypten, Griechenland und China leben heute Menschen. Sie haben den "Untergang" ihrer Kultur überlebt, sind in irgendeiner Weise immer noch mit der Kultur ihrer Vorfahren verbunden, haben heute aber eine veränderte, die sich weiter wandeln wird.
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HugoBettauer

Re: Oswald Spengler

Beitrag von HugoBettauer »

Die heute existente griechische Kultur und Sprache hat mit dem antiken Griechenland sehr wenig zu tun.
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conscience
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Re: Oswald Spengler

Beitrag von conscience »

Gleichzeitig würde ich empfehlen das Werk eines Österreichers zu lesen:
Egon Friedell Biografischer Abriss hier

a) Kulturgeschichte der Neuzeit.
Die Krisis der europäischen Seele von der schwarzen Pest bis zum Weltkrieg. 3 Bde. Beck, München 1927–31.
b) Kulturgeschichte des Altertums.
Leben und Legende der vorchristlichen Seele. Erster Teil: Ägypten und der Alte Orient. Helikon, Zürich 1936.
c) Kulturgeschichte Griechenlands.
Leben und Legende der vorchristlichen Seele. Vorbemerkung von W. Schneider, Beck, München 1949.
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