Kardux » Sa 31. Jan 2015, 17:42 hat geschrieben:
Haben Sie eine emotionale Bindung zum Iran ? Also nicht das ich Ihnen in diesem Fall inhaltlich nicht zustimmen würde, aber ging es dem Iran unter dem Shah so viel besser ? Hätte die Tudeh- Bewegung den Iran eigentlich besser regiert ? Was ist das wirkliche Problem des Irans ? Sind es wirklich
nur die Mullahs ?
Das eigentliche Problem im Iran ist meines Erachtens, wie man im Iran den Staat als Instrument sozialen Wandels auffasst. Während die Pahlavis die iranische Gesellschaft zum Säkularismus und dem was man unter Moderne verstand erziehen wollten, will die Islamische Republik nun die Menschen zu besseren Moslems und Subjekten einer islamischen Moderne machen. Daraus resultierten jeweils autoritäre Staaten, die wiederum zum Herrschaftsinstrument einzelner Eliten wurden. Negativ ist das vor allem für die, die mit dieser islamischen Moderne wenig anfangen können, d.h. die religiösen Minderheiten die zumindest in Ruhe gelassen werden, mit Ausnahme der Bahai, die aber übrigens auch unter den Pahlavis keineswegs voll anerkannt waren und die mehr westlich orientierten, die mit diesem ganzen politischen Islam kulturell wenig anfangen können. Unter den Pahlavis ging es den traditionellen Bevölkerungsschichten ja nicht anders, die konnten mit den säkularen Neuerungen nicht viel anfangen.
In der Islamischen Republik ist im politischen System und Diskurs ist dazu viel mehr möglich als man denkt, sofern man nicht versucht die Macht der autoritären Eliten wie z.B. der Revolutionsgarden, die pro-Regime-Kleriker und Andere anzugreifen. Wenn man das akzeptiert, ist vor allem auf lokaler Ebene viel möglich. Denn bei regionalen Gremien wie Stadträten findet keine Vorauswahl der Kandidaten z.B. durch ein klerikales Gremium statt, so dass hier interessanterweise ein freies demokratisches System existiert. Hier gibt es dann auch Frauen die Politik betreiben, was es sonst nur vereinzelt gibt. Wenngleich bei den Reformern doch hin und wieder. Ähnlich ist es auch in dem was gesagt werden kann. Man darf unter gar keinen Umständen die Macht z.B. von Revolutionsführer Khamenei in Frage stellen. Aber es ist möglich z.B. Sozialkritik auch öffentlich zu formulieren solange nicht das gesamte System in Frage gestellt wird. Man muss wie in autoritären Systemen üblich, nach den Regeln spielen.
Ich halte es für gut möglich, dass irgendwann im historischen Vogelblick von Jahrzehnten die Islamische Republik als Zwischenstadium von einem noch monarchisch geprägtem Pahlavi-Staat hin zu einer parlamentarischen Demokratie gesehen wird. Die Demokratie ist auch in der Islamischen Republik fest verankert und auch in der Verfassung stehen viele schöne Sachen drin wie Pressefreiheit etc.. Das wird aber an anderer Stelle wieder ausgehebelt um die Interessen des Systems (=die Interessen der obersten Eliten) zu schützen oder weil man meint es würde dem Projekt der Erziehung der Menschen hin zum Islam schaden.
Auch in einem parlamentarischen System, in dem die Khomeini-Elite ganz oder teilweise entmachtet wurde, würde es ohne die Mullahs nicht gehen, weil der Iran ein schiitisches Land ist und die Mullahs die religiösen Führer dieser Religion sind. Sie werden immer erheblichen Einfluss haben. Aber ob einzelne Mullahs unbedingt in der Lage sein sollen den demokratischen Entscheidungsprozess komplett zu kontrollieren und zu domestizieren, wie es derzeit in der IRI der Fall, steht wieder auf einem völlig anderen Blatt.
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