Europawahl 2019

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unity in diversity
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von unity in diversity »

Europa2050 hat geschrieben:(02 Jun 2018, 11:38)

Offensichtlich war aber doch die nach Regionalproporz aufgebaute Zusammensetzung des EP bisher das Problem, wegen dem die demokratische Legitimation des EP abgesprochen werden sollte.

Natürlich sollte dereinst der Beitritt der einzelnen Staaten zu den VSE demokratisch legitimiert sein - durch Volksabstimmungen oder Verfassungsändernde Mehrheiten in den Staatsparlamenten.

Ist momentan nicht abzusehen, wo nationale Egoismen und faschistisches Gedankengut fröhliche Urstände feiern. Sollte aber der Nationalismus irgendwann wieder auf die Schnauze fallen, kann es ganz schnell gehen, das Rechtsstaat und Multilateralismus wieder „sexy“ werden.

Und die UdSSR und Jugoslawien waren Imperien, keine Staatenbünde. Die verlieren schon seit Jahrtausenden in Krisen ihre Peripherie....
Unter Obama hatten die USA, als Reich des Bösen, ihr Reich überdehnt und unter Trump versucht man aktuell, strategische Frontbegradigung.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von LiberalKonservativ »

Europa2050 hat geschrieben:(02 Jun 2018, 11:38)

Offensichtlich war aber doch die nach Regionalproporz aufgebaute Zusammensetzung des EP bisher das Problem, wegen dem die demokratische Legitimation des EP abgesprochen werden sollte.

Natürlich sollte dereinst der Beitritt der einzelnen Staaten zu den VSE demokratisch legitimiert sein - durch Volksabstimmungen oder Verfassungsändernde Mehrheiten in den Staatsparlamenten.

Ist momentan nicht abzusehen, wo nationale Egoismen und faschistisches Gedankengut fröhliche Urstände feiern. Sollte aber der Nationalismus irgendwann wieder auf die Schnauze fallen, kann es ganz schnell gehen, das Rechtsstaat und Multilateralismus wieder „sexy“ werden.

Und die UdSSR und Jugoslawien waren Imperien, keine Staatenbünde. Die verlieren schon seit Jahrtausenden in Krisen ihre Peripherie....
Die Zusammensetzung des EP ist doch erst das nachgelagerte Problem. Primär ginge es darum eine klare demokratische Legitimation zu verschaffen, dass das EP überhaupt über etwas zu bestimmen hat, sprich eine Legitimation der Kompetenzübertragungen weg von den Nationalstaaten nach Brüssel.

Bisher ist man aber immer nach der "Juncker-Doktrin" vorgegangen. Nichts mit demokratischer Legitimation.
Juncker hat geschrieben: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."
Bezgl. Nationalismus: Ihnen ist schon klar, dass United States of Europe ebenso eiskalter Nationalismus ist? Mal sehen welche Nationalisten als erstes "auf die Schnauze fallen".
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Orbiter1
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Re: Europawahl 201

Beitrag von Orbiter1 »

LiberalKonservativ hat geschrieben:(02 Jun 2018, 11:54)

Bisher ist man aber immer nach der "Juncker-Doktrin" vorgegangen. Nichts mit demokratischer Legitimation.
Das ist doch Unsinn. In jahrelangen Verhandlungen, an denen alle Mitgliedstaaten mitgewirkt haben, wurde aus dem Maastricht-Vertrag der Lissabon-Vertrag, der dann auch von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Was genau soll daran undemokratisch sein?

Jetzt geht es um die Entscheidung wie es mit der EU weitergehen soll. Dazu gibt es von der EU-Kommission 5 Vorschläge.

1. Weiter wie bisher:
Die Europäische Union konzentriert sich auf die Umsetzung ihrer positiven Reformagenda.

2. Schwerpunkt Binnenmarkt:
Die Europäische Union wird schrittweise wieder auf den Binnenmarkt ausgerichtet.

3. Wer mehr will, tut mehr:
Die Europäische Union ermöglicht es Mitgliedstaaten, die dies wünschen, in bestimmten Bereichen mehr gemeinsam zu machen.

4. Weniger, aber effizienter:
Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Politikbereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen, unternimmt in anderen
Bereichen aber weniger.

5. Viel mehr gemeinsames Handeln:
Die Mitgliedstaaten beschließen, auf allen Politikfeldern viel mehr gemeinsam zu machen.

Nach meiner Überzeugung wird das auf Szenario 1 hinauslaufen. Ganz einfach deswegen weil man sich nicht auf ein anderes Szenario einigen kann. In Volksabstimmungen darüber abstimmen zu lassen ist Schwachsinn. Was macht man wenn 5 Länder für Szenario 1, 5 Länder für Szenario 2, usw. stimmen?
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(02 Jun 2018, 10:37)
in welcher Zone des Friedens und Wohlstandes wir Europäer uns mit großer Mehrheit einrichten konnten. Keiner fühlt sich vom Nachbarn bedroht oder verfolgt, unsere Staatsgrenzen sind offen für jene Europäer, die bei uns leben und arbeiten möchten, weil bei uns manches dann doch ganz gut entwickelt ist, was anderswo noch aufgebaut werden muß.
Gerade wenn alles so wunderbar ist, muß man auch darauf hinweisen können, daß die Wahl zum EU-Parlament nicht den demokratischen Anforderungen entspricht.

Vielleicht ist es ja ein "Geheimnis" des Erfolges der EU, die Grundregeln demokratischer Wahlen nicht einzuhalten.
Vielleicht entwickelt die EU damit sogar eine bessere Regierungsform als die Demokratie.
Dann sollten unsere Politiker aber auch dazu stehen.

Im übrigen bin ich der Meinung, daß wir den Frieden eher der oft negativ gesehenen NATO verdanken, incl. Bedrohung durch Atombomben; den Wohlstand verdanken wir in erster Linie der "bösen" Marktwirtschaft.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Europa2050 »

Maikel hat geschrieben:(02 Jun 2018, 15:10)

Im übrigen bin ich der Meinung, daß wir den Frieden eher der oft negativ gesehenen NATO verdanken, incl. Bedrohung durch Atombomben; den Wohlstand verdanken wir in erster Linie der "bösen" Marktwirtschaft.
Beides ist nicht falsch.

Und doch ist es für beides langfristig viel entscheidender gewesen, dass die EU und ihre Institutionen ein verlässliches Regelwerk und die Verpfichtung schufen, dieses über nationale Einzelinteressen zu stellen.
Nicht immer und nicht perfekt, aber für den einzelnen Menschen, das einzelne Wirtschaftssubjekt besser als ohne. Das rechtliche und wirtschaftliche Risiko beim Verlassen der Landesgrenze sank einfach und das brachte für 500 Mio. Menschen Vorteile. Bis hin zum Euro, der vormals immense Wechselkursrisiken abschaffte und damit grenzüberschreitendes Arbeiten und Handeln vergünstigte.
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Orbiter1
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Orbiter1 »

Maikel hat geschrieben:(02 Jun 2018, 15:10)

Gerade wenn alles so wunderbar ist, muß man auch darauf hinweisen können, daß die Wahl zum EU-Parlament nicht den demokratischen Anforderungen entspricht.
Ihre fast schon krankhafte Auffassung von Demokratie (jede Stimme zählt gleich viel) wird durch die Regelungen in vielen demokratischen Staaten widerlegt. Da gibt es eben Regelungen um benachteiligte Wählergruppen einen angemessenen Stimmenanteil zu ermöglichen. Das Wahlrecht des EU-Parlaments wurde von allen Mitgliedstaaten genehmigt und ist deswegen voll legitimiert. Wenn ihnen das nicht passt, werden sie Politiker und überzeugen sie die 27 Mitgliedstaaten das Wahlrecht für das EU-Parlament zu ändern. Oder starten sie ein Europäisches Bürgerbegehren. Dafür benötigen sie 1 Mio Unterschriften in einem Viertel der Mitgliedstaaten.
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Der Neandertaler
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Der Neandertaler »

Maikel hat geschrieben:..., daß die Wahl zum EU-Parlament nicht den anerkannten Grundsätzen für eine demokratische Wahl entspricht.
Es mag ja sein, daß ein demokratisches Modell in der EU aktuell nicht durchsetzbar ist; das ändert aber nichts daran, daß das verwendete undemokratisch ist. Demnach kann das EU-Parlament nur undemokratisch zustanden kommen.
[...]
Dann ist das Optimum also undemokratisch, mag ja sein.
Mir scheint, Dir ist gerade die Definition von demokratisch ... von dem Wort: Demokratie abhanden gekommen?
Demokratie kann vielfältig ausgestaltet sein. Demokratie ist immer eine Volksherrschaft - also kein politisches Gekungel der Eliten unter sich, nur weil die Eliten als Eliten geboren wurden. Das Volk bestimmt, wer es regiert. Eine Gesellschaft, die ihr Parlament nach einem Mehrheitswahlsystem bestimmt, à la Großbritannien, ist ebenso demokratisch, wie auch eines nach einem Verhältniswahlsystem. Oder, im Gegensatz dazu: direkte Demokratie (Beispiel: Schweiz)
  • Nebenbei:
    • Wir wählen in Deutschland nach dem sogenannten personalisierten Verhältniswahlrecht - wir haben also weder ein reines Mehrheits-, noch ein reines Verhältniswahlsystem ... wir besitzen ein Zwittersystem.
Erststimme, Zweitstimme, Direktkandidaten, Überhangmandate, Prozent-Hürde, ... dies alles kann in eine Demokratie einfließen - hauptsache die Wahl ist frei und geheim und folgt allgemeinen demokratischen Grundsätzen - sie ist also unabhängig von Konfession, Bildung, Geschlecht, Sprache, Einkommen, Beruf oder politischer Überzeugung.
  • Jeder EU-Wähler kann frei und geheim wählen - also ist die Wahl demokratisch!
  • Jeder EU-Wähler kann gleichermaßen bestimmen, wer sein Land und dessen Interessen im EU-Parlament vetritt - also ist die Wahl demokratisch!
Darüberhinaus:
  • Hast Du Dich jemals mit der Eurpoäischen Union auseinandergesetzt?
    • ... außer, in dem Du Kritik äußerst, die zwar im Grunde genommen berechtigt ist, die aber mit falscher Begründung ... mit falsch plazierten Argumenten geführt wird.
    Was die EU ist? Warum sie gegründet wurde? Wie die EU aufgebaut ist? Warum die EU so aufgebaut ist, wie sie aufgebaut ist? Warum so und nicht anders?
Ich würde vorschlagen, laß Dir erstmal einen Grundkursus ... einen Schnellkursus in Sachen Eurpoäischer Union geben. Du versuchst nämlich Sachen miteinander zu vergleichen, die nicht miteinander nicht verglichen werden können.

Die Eurpoäische Union und deren Vorläufer ist nämlich nicht mit einem "normalen" Staat vergleichbar. Die EU ist weder ein (loser) Staatenbund - wie ihn letztendlich und im äußersten Fall etwa Großbritannien akzeptieren wollte. Sie ist aber auch (noch) kein Bundesstaat (Stichwort: Vereinigten Staaten von Europa) - wie ihn etwa Deutschland und Frankreich propagieren. Unser Bundesverfassungsgericht sprach in diesem Zusammenhang lieber von einem "Staatenverbund". Soll heißen:
  • die Union besitzt zwar supranationale Souveränitätsrechte, diese können aber durch zwischenstaatliche Verträge der Mitgliedstaaten geändert werden. Die EU ist zumindest eine Wertegemeinschaft!
Die EU ist ein Bund souveräner und demokratischer Staaten - diese haben die EU gegründet. So haben teilweise auch noch die Regierungschefs dieser Länder das letzte Wort. Die EU besitzt demnach auch keine Regierung im klassischen Sinn. Bei Gründung der EU ist man vom Grundsatz: ein Land - eine Stimme ausgegangen und hat dies auf die Kommission übertragen: ein Land - ein Kommissar! Da das Parlament aber zunehmend mehr Rechte bekommt ... bekommen soll, und dann folglich nicht kleinere Länder regelmäßig von größeren Ländern überstimmt ... und somit fremdbestimmt werden, setzt sich das EU-Parlament aus Abgeordneten der EU-Mitgliedsstaaten so zusammen, daß nur wenige kleinere Länder ihre Interessen im Zusammenschluß mit anderen (kleineren) Ländern ausreichend zu Gehör bringen können. Das mag ungerecht erscheinen - JA! ... ist aber wohl unumgänglich, um auch die Interessen kleinerer Länder zu berücksichtigen.

Es wird schon längst gefordert - auch von einzelnen Abgeordneten, daß nicht nur das Europaparlament mit allen Rechten ausgestaltet und gestattet werden soll und muß, sondern auch, daß die Abgeordneten in Regionen gewählt werden ... und nicht in Nationen. Zudem soll das Parlament die Kommissare wählen - und diese nicht lediglich auf Vorschlag der Regierungschefs zu bestätigen.
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H2O
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Maikel hat geschrieben:(02 Jun 2018, 15:10)

Gerade wenn alles so wunderbar ist, muß man auch darauf hinweisen können, daß die Wahl zum EU-Parlament nicht den demokratischen Anforderungen entspricht.
Wenn Demokratie nur die Befragung der Volksversammlung auf dem Marktplatz bedeutet, dann gibt es nur in der Schweiz solche Verfahren der direkten Demokratie. Andere Staaten behalten solche Befragungen nur ganz bestimmten Themen vor, und wieder andere nur ganz bestimmten Verantwortungsbereichen. Keinen dieser Staaten würde ich deshalb als undemokratisch brandmarken. Wichtig und entscheidend ist aber, daß ein Bürger oder eine Gruppe betroffener Bürger auf dem Rechtsweg selbst das Ergebnis einer Volksabstimmung anfechten und aus Rechtsgründen zu Fall bringen kann.
Vielleicht ist es ja ein "Geheimnis" des Erfolges der EU, die Grundregeln demokratischer Wahlen nicht einzuhalten.
Vielleicht entwickelt die EU damit sogar eine bessere Regierungsform als die Demokratie.
Dann sollten unsere Politiker aber auch dazu stehen.
Sie müssen sich schon festlegen, ob die EU ein Staat ist (ist sie nicht!), der nach einheitlichen Gesichtspunkten regiert wird, oder ein Bund demokratischer Rechtsstaaten, die im Rahmen geschlossener Verträge jeder für sich über die Annahme von Verträgen auf Gemeinschaftsebene entscheiden können... sie also ratifizieren, will sagen in nationales Recht überführen. Nur so ist so gewährleistet, daß Gerichtsbeschlüsse zu bestimmten strittigen Fragen zwischen Bürgern und Institutionen in der EU so einigermaßen gleich ausfallen müssen.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß wir den Frieden eher der oft negativ gesehenen NATO verdanken, incl. Bedrohung durch Atombomben; den Wohlstand verdanken wir in erster Linie der "bösen" Marktwirtschaft.
Die NATO hat unseren demokratischen Rechtsstaaten in Zeiten des Ost-West-Konflikts Freiheit und Sicherheit erhalten. Dazu wäre kein europäischer Staat allein in der Lage gewesen. Dafür ist den USA mit ihrer überlegenen militärischen und wirtschaftlichen Macht bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu danken. Den USA und ihrer Einsichtsfähigkeit ist auch zu verdanken, daß in Europa unsere Wirtschaft nach den Verheerungen des 2. Weltkriegs wieder Fuß fassen konnte, daß unser Fleiß auch Früchte tragen konnte. Die Marktwirtschaft haben wir dann aber weiter entwickelt, indem wir in Europa auch die Verantwortung des Eigentümers für die Gemeinschaft "erfunden" haben. Daß es immer wieder Menschen gibt, die sich darum nicht scheren, tut dieser Errungenschaft keinen Abbruch. Man sollte diese Verantwortung von Zeit zu Zeit ins Gedächtnis rufen, schon weil internationale Unternehmen sich von ihr lösen wollen. Die Zeiten ändern sich. Aber Frieden und Wohlstand in Europa sind schon mit dem völlig unterschiedlichen Miteinander in der EU zu erklären. Staaten als Partner und eben nicht als natürliche Gegner. Das ist neu nach den Erfahrungen vergangener Zeiten.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

Orbiter1 hat geschrieben:(02 Jun 2018, 15:31)

Ihre fast schon krankhafte Auffassung von Demokratie (jede Stimme zählt gleich viel) wird durch die Regelungen in vielen demokratischen Staaten widerlegt.
Aber meines Wissens nach nirgendwo so extrem (1:12) wie bei der Wahl zum EU-Parlament.

Gerade in D wird sonst "krankhaft"(?) versucht, das Prinzip "Jede Stimme zählt gleich viel" durchzusetzen; mit Ausgleichsmandaten für Überhangmandate im Bundestag; selbst an den praktizierten Regelungen dazu hatte das BVG etwas auszusetzen.

Die Behauptung "krankhafte Auffassung von Demokratie" könnte auch die Antwort von Putin, KimJong-un, Chinas Xi Jinping usw. sein auf Vorhaltungen westlicher Politiker bzgl. deren Demokratie.
Oder auch eine passende Ausrede für die Regierungen von Polen und Ungarn.

Aber wie ich bereits schrieb, vielleicht entwickelt die EU ja gerade ein besseres politisches System als das, bei dem die demokratischen Regeln eingehalten werden.
Ich finde es eher "krankhaft", trotz der krassen Regelverletzung von "demokratischer Wahl" zu reden.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

Der Neandertaler hat geschrieben:(02 Jun 2018, 15:53)
Mir scheint, Dir ist gerade die Definition von demokratisch ... von dem Wort: Demokratie abhanden gekommen?
Da waren wir schon mal weiter. Wir hatten die Grundprinzipien, also die Definition, für demokratische Wahlen zitiert.
Es ist also nichts abhanden gekommen.
Demokratie kann vielfältig ausgestaltet sein.
So eine Feststellung könnte auch von Putin, KimJong-un, Chinas Xi Jinping usw. kommen auf Vorhaltungen westlicher Politiker bzgl. deren Demokratie.
Oder auch von den Regierungen Polens und Ungarns.
Jeder EU-Wähler kann frei und geheim wählen - also ist die Wahl demokratisch!
Nein; aber das hatten wir schon mal in diesem Thread.
Jetzt ist dir scheinbar das bereits genannte dritte Grundprinzip für demokratische Wahlen abhanden gekommen.
in dem Du Kritik äußerst, die zwar im Grunde genommen berechtigt ist,
Danke.
die aber mit falscher Begründung
Was ist an den Grundprinzipien für demokratische Wahlen falsch? Was wäre die "richtige" Begründung?
Die Eurpoäische Union und deren Vorläufer ist nämlich nicht mit einem "normalen" Staat vergleichbar.[...]
Das mag ungerecht erscheinen - JA! ... ist aber wohl unumgänglich, um auch die Interessen kleinerer Länder zu berücksichtigen.
Sicherlich. Aber dann halte ich es für verlogen, von einer "demokratischen Wahl" zu reden.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Der Neandertaler »

Maikel hat geschrieben:Aber meines Wissens nach ... trotz der krassen Regelverletzung von "demokratischer Wahl" zu reden.
Maikel, unterscheide doch erstmal zwischen der Wahl ansich und dem "Erfolg" ... der Parlamentszusammensetzung - beides hat erstmal nichts miteinander zu tun. Die Wahl läuft nach demokratischen Richtlinien ab. Dort zählt jede Stime gleichviel - etwas anderes wäre auch mit mir nicht machbar ... ich würde es nicht gestatten. Wie die Stimmen ... bzw. die Abgeordneten in der Anzahl gewertet werden ... gewichtet werden, liegt nicht mehr in meinem Entscheidungsbereich.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(02 Jun 2018, 17:15)
Sie müssen sich schon festlegen, ob die EU ein Staat ist (ist sie nicht!), der nach einheitlichen Gesichtspunkten regiert wird, oder ein Bund demokratischer Rechtsstaaten, die im Rahmen geschlossener Verträge jeder für sich über die Annahme von Verträgen auf Gemeinschaftsebene entscheiden können... sie also ratifizieren, will sagen in nationales Recht überführen.
Nein, eine solche freie Entscheidung haben die Mitgliedsstaaten nicht. Sie sind gezwungen, Beschlüsse der EU, und somit auch die Beschlüsse des EU-Parlaments in nationales Recht umzusetzen, ansonsten drohen Anklagen vor dem EuGH, gefolgt von saftigen Strafen.

Die Souveränität, Beschlüsse nicht umzusetzen, haben die Mitgliedsstaaten längst an die EU abgegeben.

Gerade deshalb, also weil das EU-Parlament verpflichtend für alle EU-Bürger entscheidet, wäre es wichtig, daß die Wahlen zum EU-Parlament nach allen demokratischen Grundsätzen durchgeführt werden.

Es sei denn, die EU hat ein besseres politisches System als die Demokratie "erfunden"; mag ja sein. Aber dann sollte man die Wahlen nicht demokratisch nennen.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Der Neandertaler »

Maikel hat geschrieben:Nein, eine solche freie Entscheidung haben die Mitgliedsstaaten nicht. Sie sind gezwungen, ...
Ich sag's doch, Du hast Dich anscheinend noch nie mit der EU ... mit deren Zusammensetzung ... mit deren Beschlüssen und dergleichen auseinandergesetzt!

Die EU hat 28 Mitgliedstaaten ... souveräne Staaten. Die EU ist eine Länderkonföderation, aber kein Bundesstaat. Sie hat bekanntlich keine Regierung im klassischen Sinn, das beinhaltet auch, daß dort keine Gesetze im klassischen Sinn erlassen werden ... erlassen werden können. Einige dieser Rechtsakte sind verbindlich, andere nicht. Es gibt Richtlinien und Verordnungen. Manche gelten für alle EU-Länder, andere nur für bestimmte Länder.

Eine Richtlinie ist, wie der Name schon sagt, ein Rechtsakt, der nicht direkt verbindlich ist, sondern etwas, worin lediglich das zu erreichende Ziel festgelegt wird. Es ist jedoch Sache der einzelnen Länder, eigene Rechtsvorschriften zur Verwirklichung dieses Ziels zu erlassen. Das heißt: jedes Land kann sich an dieser Richtlinie orientieren, aber letztlich auch noch etwas weitergehen. Richtlinien sind also lediglich Rahmengesetze - deren Ziele müssen erst noch in nationale Gesetze eingebunden werden ... also: Richtlinien müssen entweder national ratifiziert werden, oder es müssen eigene nationale Gesetze erlassen werden, um die in den Richtlinien genannten Ziele zu erreichen.

Verordnungen besitzen dagegen allgemeine und unmittelbarer Gültigkeit und Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten. Sie werden allgemein dann gülig, wenn sie erlassen werden, bzw.: indem sie im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden oder eben mit Gültigkeits-Datum versehen sind.
  • Beispiel: Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO)
Du kannst noch so vermeintlich kluge Antworten geben oder versuchen, mit ebensolchen Ansichten Deine suborientierte Meinung zu vertreten und zu begründen,
  • ... es hilft alles nichts: Wir diskutieren nicht auf dem gleichen Level ... vom selben erst gar nicht zu reden.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Maikel hat geschrieben:(03 Jun 2018, 10:03)

Nein, eine solche freie Entscheidung haben die Mitgliedsstaaten nicht. Sie sind gezwungen, Beschlüsse der EU, und somit auch die Beschlüsse des EU-Parlaments in nationales Recht umzusetzen, ansonsten drohen Anklagen vor dem EuGH, gefolgt von saftigen Strafen.

Die Souveränität, Beschlüsse nicht umzusetzen, haben die Mitgliedsstaaten längst an die EU abgegeben.

Gerade deshalb, also weil das EU-Parlament verpflichtend für alle EU-Bürger entscheidet, wäre es wichtig, daß die Wahlen zum EU-Parlament nach allen demokratischen Grundsätzen durchgeführt werden.

Es sei denn, die EU hat ein besseres politisches System als die Demokratie "erfunden"; mag ja sein. Aber dann sollte man die Wahlen nicht demokratisch nennen.
Hier endet jede Diskussion, weil die Tatsachen eben anders gelagert sind als Sie sie trotz vieler Hinweise weiter behaupten. Da kann unsereins nichts machen. Schade!
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

Der Neandertaler hat geschrieben:(03 Jun 2018, 11:00)Du hast Dich anscheinend noch nie mit der EU ... mit deren Zusammensetzung ... mit deren Beschlüssen und dergleichen auseinandergesetzt!
Danke, gleichfalls.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(03 Jun 2018, 14:27)

Hier endet jede Diskussion,
Den Eindruck habe ich auch.
weil die Tatsachen eben anders gelagert sind als Sie sie trotz vieler Hinweise weiter behaupten.
Danke gleichfalls.
Schade!
Ja.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

Maikel hat geschrieben:(04 Jun 2018, 14:47)

Danke, gleichfalls.
Einen habe ich noch:
Die EU hat 28 Mitgliedstaaten ... souveräne Staaten. Die EU ist eine Länderkonföderation, aber kein Bundesstaat. Sie hat bekanntlich keine Regierung im klassischen Sinn, das beinhaltet auch, daß dort keine Gesetze im klassischen Sinn erlassen werden ... erlassen werden können. Einige dieser Rechtsakte sind verbindlich, andere nicht. Es gibt Richtlinien und Verordnungen.
Das ist ja alles formal nicht falsch.
Aber damit argumentierst du mit formalen Kriterien, während mir vorgeworfen wird, daß ich den Aspekt "demokratische Wahl" an formalen Kriterien messe.

In der Praxis ist es so, daß inzwischen etwa 2/3 aller nationalen Gesetze auf zwingenden Vorgaben der EU, und somit dem EU-Parlament beruhen.
Das sind nicht nur Glühbirnen-Verbote und Staubsauger-Beschränkungen, sondern z.B. aktuell auch die DSGVO und die NO2-Grenzwerte für die Städte.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Maikel hat geschrieben:(04 Jun 2018, 14:58)

...

In der Praxis ist es so, daß inzwischen etwa 2/3 aller nationalen Gesetze auf zwingenden Vorgaben der EU, und somit dem EU-Parlament beruhen.
Von der Anzahl her vermutlich zutreffend, vom "Zwang" her ziemlich daneben. In einfacher Sprache:

Der EU Ministerrat (die Versammlung der Regierungsvertreter der einzelnen Staaten) behandelt ein gemeinsames Problem und sucht nach einer gemeinsamen Lösung. Der Ministerrat schlägt zu diesem Zweck ein Gesetz vor. Nur der Ministerrat der EU hat dieses Vorschlagsrecht!

Die EU-Kommission (die periodisch vom EU-Ministerrat personell besetzt und vom EU-Parlament bestätigt wird... oder abgelehnt wird) erarbeitet mit ihrer Administration aus dem Gesetzesvorschlag des Ministerrats ein Gesetz, dessen Text rechtlichen Ansprüchen genügt und das keinen Widerspruch zu schon bestehenden Gesetzen enthält. Dieses Gesetz muß vom Sprachendienst der EU-Verwaltung in die vielen offiziellen Sprachen der EU übersetzt werden. Die EU-Kommission hat kein Vorschlagsrecht für EU-Gesetze!

Die Gesetzestexte werden an die Regierungen der Mitgliedsstaaten versandt mit der Bitte um Ratifizierung. Die Gesetzestexte werden den nationalen Parlamenten vorgelegt, die darüber beraten und inhaltliche/sprachliche Mängel bereinigen. Der endgültige Text wird in den nationalen Gesetzesvorrat übernommen (ratifiziert)... oder mit Mehrheit der Abgeordneten zur Beratung an die EU-Kommission zurück gewiesen. Es gibt keinen Zwang zur Übernahme; das sollte aber schon im Ministerrat ausgeräumt worden sein.

Die unabhängigen Gerichte der Partnerstaaten sprechen nun weitestgehend einheitliches Recht auf der Grundlage der gemeinsamen Gesetze... was ja der Zweck der Übung ist. Wie soll denn Zusammenarbeit in Rechtsgeschäften über Grenzen hinweg funktionieren, wenn übereinstimmende Sachverhalte in den einzelnen Staaten unterschiedlich bewertet werden können?
Das sind nicht nur Glühbirnen-Verbote und Staubsauger-Beschränkungen, sondern z.B. aktuell auch die DSGVO und die NO2-Grenzwerte für die Städte.
Kein Wunder, wenn die Klimaschutzbestimmungen, die in allen EU-Staaten ratifiziert wurden, nun zur Verwendung von Energiesparlampen und LEDs mit einem Fünftel des Leistungsverbrauchs von Glühlampen führen. Was ist denn daran schlecht? Was ist daran schlecht, daß international aufgestellte Unternehmungen sich den Gerichten der Partnerstaaten stellen müssen, und daß dort gemeinsames Rechtsverständnis hergestellt wird?
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von garfield336 »

H2O hat geschrieben:(04 Jun 2018, 16:05)

Von der Anzahl her vermutlich zutreffend, vom "Zwang" her ziemlich daneben. In einfacher Sprache:

Der EU Ministerrat (die Versammlung der Regierungsvertreter der einzelnen Staaten) behandelt ein gemeinsames Problem und sucht nach einer gemeinsamen Lösung. Der Ministerrat schlägt zu diesem Zweck ein Gesetz vor. Nur der Ministerrat der EU hat dieses Vorschlagsrecht!

Die EU-Kommission (die periodisch vom EU-Ministerrat personell besetzt und vom EU-Parlament bestätigt wird... oder abgelehnt wird) erarbeitet mit ihrer Administration aus dem Gesetzesvorschlag des Ministerrats ein Gesetz, dessen Text rechtlichen Ansprüchen genügt und das keinen Widerspruch zu schon bestehenden Gesetzen enthält. Dieses Gesetz muß vom Sprachendienst der EU-Verwaltung in die vielen offiziellen Sprachen der EU übersetzt werden. Die EU-Kommission hat kein Vorschlagsrecht für EU-Gesetze!

Die Gesetzestexte werden an die Regierungen der Mitgliedsstaaten versandt mit der Bitte um Ratifizierung. Die Gesetzestexte werden den nationalen Parlamenten vorgelegt, die darüber beraten und inhaltliche/sprachliche Mängel bereinigen. Der endgültige Text wird in den nationalen Gesetzesvorrat übernommen (ratifiziert)... oder mit Mehrheit der Abgeordneten zur Beratung an die EU-Kommission zurück gewiesen. Es gibt keinen Zwang zur Übernahme; das sollte aber schon im Ministerrat ausgeräumt worden sein.

Die unabhängigen Gerichte der Partnerstaaten sprechen nun weitestgehend einheitliches Recht auf der Grundlage der gemeinsamen Gesetze... was ja der Zweck der Übung ist. Wie soll denn Zusammenarbeit in Rechtsgeschäften über Grenzen hinweg funktionieren, wenn übereinstimmende Sachverhalte in den einzelnen Staaten unterschiedlich bewertet werden können?

Kein Wunder, wenn die Klimaschutzbestimmungen, die in allen EU-Staaten ratifiziert wurden, nun zur Verwendung von Energiesparlampen und LEDs mit einem Fünftel des Leistungsverbrauchs von Glühlampen führen. Was ist denn daran schlecht? Was ist daran schlecht, daß international aufgestellte Unternehmungen sich den Gerichten der Partnerstaaten stellen müssen, und daß dort gemeinsames Rechtsverständnis hergestellt wird?
Es gibt auch Dinge wie Glyphosat wo der deutsche Minister bei der Abstimmung über das Verbot mit NEIN gestimmt hat.

Kurz darauf sieht man dann Posting in soziale Medien: Die EU gegen ein Verbot von Glyphosat. SKANDAL. Scheiss EU.... :)
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

garfield336 hat geschrieben:(04 Jun 2018, 16:41)

Es gibt auch Dinge wie Glyphosat wo der deutsche Minister bei der Abstimmung über das Verbot mit NEIN gestimmt hat.

Kurz darauf sieht man dann Posting in soziale Medien: Die EU gegen ein Verbot von Glyphosat. SKANDAL. Scheiss EU.... :)
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von garfield336 »

H2O hat geschrieben:(04 Jun 2018, 16:47)

Gegen geistige und politische Trägheit kann man wenig machen. Bildung ist eine Angelegenheit aller Mitbürger; nur manche wollen davon nichts wissen.

Ich halte das derzetige Modell für undemokratisch.

Ein Minister entscheidet. Das Parlament wird nicht konsultiert. Der Ministerrat hat zuviel Macht.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(04 Jun 2018, 16:05)

Die EU-Kommission (die periodisch vom EU-Ministerrat personell besetzt und vom EU-Parlament bestätigt wird... oder abgelehnt wird) erarbeitet mit ihrer Administration aus dem Gesetzesvorschlag des Ministerrats ein Gesetz, dessen Text rechtlichen Ansprüchen genügt und das keinen Widerspruch zu schon bestehenden Gesetzen enthält. Dieses Gesetz muß vom Sprachendienst der EU-Verwaltung in die vielen offiziellen Sprachen der EU übersetzt werden. Die EU-Kommission hat kein Vorschlagsrecht für EU-Gesetze!

Die Gesetzestexte werden an die Regierungen der Mitgliedsstaaten versandt mit der Bitte um Ratifizierung. Die Gesetzestexte werden den nationalen Parlamenten vorgelegt, die darüber beraten und inhaltliche/sprachliche Mängel bereinigen. Der endgültige Text wird in den nationalen Gesetzesvorrat übernommen (ratifiziert)... oder mit Mehrheit der Abgeordneten zur Beratung an die EU-Kommission zurück gewiesen. Es gibt keinen Zwang zur Übernahme; das sollte aber schon im Ministerrat ausgeräumt worden sein.
Das hatte Neandertaler etwas weiter oben anders, mMn realitätsnäher beschrieben.
Wie bist du auf deine Version gekommen?

Neandertaler hatte die Beschreibung allerdings in einem Punkt geschönt: Richtlinien sind Rahmengesetze, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen, soweit ok. Aber diese Rahmengesetze stellen die Mindestanforderungen dar. Die einzige Freiwilligkeit bei der Umsetzung besteht also darin, das Gesetz noch schärfer zu fassen als in den Vorgaben der EU.
Was ist denn daran schlecht?
Von gutem oder schlechtem Inhalt der Gesetze war überhaupt nicht die Rede.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

garfield336 hat geschrieben:(04 Jun 2018, 17:05)

Ich halte das derzetige Modell für undemokratisch.

Ein Minister entscheidet. Das Parlament wird nicht konsultiert. Der Ministerrat hat zuviel Macht.
Das ist schon wahr; besonders demokratisch ist das nicht. Aber wir müssen sehen, daß die EU zunächst gar kein Parlament hatte, und daß ihre Zusammenarbeit auf Beschlüssen der Regierungen gründeten. Da waren diese Minister im EU-Ministerrat eben die Vertreter der Regierungen von Volksvertretungen. Das war niemals anders zu machen, und so schon ganz sinnvoll. Es ist ja auch nicht so, daß ein Minister oder ein Präsident/Kanzler/Ministerpräsident da einfach so entscheidet. Am Ende käme ein Ergebnis aus dem Abseits als Gesetz an und würde in nationalen Parlamenten scheitern. Was dann?

Ich stimme Ihnen zu, daß allmählich die gesetzgeberische Macht auf das Parlament der EU übergehen sollte, Gesetze dort auf europäischer Ebene diskutiert werden sollten. Der EU-Ministerrrat sollte danach als Filter und Genehmigungsorgan wirken, das ein Gesetze einmal oder zweimal zur Beratung an das Parlament zurückweisen kann, bevor es als rechtswirksam verabschiedet werden kann. Dann sollte die EU aber auch eine echte Föderation geworden sein!

Aber wir sollten bedenken, daß mit dem Verfahren der qualifizierten Mehrheit ebenfalls ein sehr wirksames Filter im Ministerrat geschaffen wurde, das allzu forschen Zeitgenossen schon den Schneid abkaufen kann. Das Parlament könnte auch wieder als "undemokratisch" bezeichnet werden, weil die Stimmengewichte der Bürger der EU so ungleich verteilt sind. Warum soll eine luxemburger Stimme ein Vielfaches einer deutschen Stimme wiegen? Bei 500 Mio Europäern dürfte der Wahlkreis Luxemburg nur einen Abgeordneten stellen. Ob ein solches Parlament die Gegenliebe der Luxemburger fände? Ein Parlament mit 5.000 Volksvertretern wäre wohl auch nicht so lustig...

Mit anderen Worten: Das europäische Projekt lebt vom Großmut und von der Vernunft seiner Bürger. Fingen wir an, blindwütig die Maßśtäbe der altgriechischen Agora um zu setzen, dann hätte sich dieses Projekt sehr schnell erledigt.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Maikel hat geschrieben:(04 Jun 2018, 18:16)

Das hatte Neandertaler etwas weiter oben anders, mMn realitätsnäher beschrieben.
Wie bist du auf deine Version gekommen?

Neandertaler hatte die Beschreibung allerdings in einem Punkt geschönt: Richtlinien sind Rahmengesetze, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen, soweit ok. Aber diese Rahmengesetze stellen die Mindestanforderungen dar. Die einzige Freiwilligkeit bei der Umsetzung besteht also darin, das Gesetz noch schärfer zu fassen als in den Vorgaben der EU.


Von gutem oder schlechtem Inhalt der Gesetze war überhaupt nicht die Rede.
Ich erinnere an die Verfahrensweise bei der Entwicklung des Vertrags von Lissabon. Der sollte als EU-Verfassung gelten, wurde dann aber in Volksabstimmungen zurück gewiesen, weil in einigen EU-Staaten Verfassungen mit Volksabstimmung bestätigt werden müssen. Dann hat die Kanzlerin in einem Gewaltmarsch daraus einen neuen EU-Vertrag gestaltet und den den Regierungen der EU zur Ratifizierung vorgelegt. Jedes Land konnte den Vertrag zurück weisen. Am Ende waren alle Widersacher weich geknetet worden... der Vertrag steht.

Ich kann nur sagen, daß ein EU-Gesetz scheitert, wenn es in einem EU-Staat nicht ratifiziert wird. Damit geht es in nationales Gesetz über. Die vorgeschalteten Entscheidungswege im Ministerrat machen aber das Scheitern eines Gesetzes auf der Ziellinie beliebig unwahrscheinlich.

Ob ein Gesetz gut oder schlecht ist, das ist hier überhaupt kein Thema. Hier geht es um den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens. Wir sollten schon noch mit einem Ziel diskutieren.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(04 Jun 2018, 20:06)

Ich kann nur sagen, daß ein EU-Gesetz scheitert, wenn es in einem EU-Staat nicht ratifiziert wird.
Das gilt nur in ganz wenigen Fällen, und der Begriff "Gesetz" ist hier nicht zutreffend.

TTIP sollte letztlich durch die Mitgliedsländer ratifiziert werden, auch wenn sich Brüssel mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatte.
So etwas Grundlegendes wie der Lissabonner Vertrag von 2008 mußte in allen Mitgliedsländern ratifiziert werden.

Für die von mir früher genannten Beispiele, von Glühbirnen über DSGVO bis NO2-Verordnung gilt das aber nicht.
Wie auch viele andere sogenannte "Richtlinien" der EU wurden die von Brüssel, und somit auch dem EU-Parlament, beschlossen, und müssen zwingend in den Mitgliedsstaaten in Gesetze umgesetzt werden, ansonsten drohen Strafen.

Ansonsten wäre es ja z.B. für die Briten nicht "notwendig", die EU zu verlassen; sie bräuchten einfach nur ihnen nicht passende Gesetze nicht zu ratifizieren.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo garfield.
garfield336 hat geschrieben:Ich halte das derzetige Modell für undemokratisch.
Das ist schon richtig ... bzw.: nicht ganz falsch! Dies hat z.B. auch unser BVerfG festgestellt. Hier wurde aber immer bestritten, daß die EU-Wahlen undemokratisch sein ... bzw.: nicht nach demokratischen Richtlinien abliefen. Das aber ist etwas anderes!

"... bzw.: nicht ganz falsch!":
  • Wie gesagt:
    • die EU ist ein Verbund einzelner souveräner Staaten. Die EU hat deshalb auch keine Regierung, wie sie etwa sonstige Staaten haben - schon das kann man als undemokratisch ansehen. Allerdings:
      • da die jeweiligen Staatschefs nationalen Parteien angehören, die in den jeweiligen Ländern demokratisch legitimiert sind - zumindest nach allgemein anerkannten Demokratie-Grundsätzen, kann man durchaus sagen, der EU-Rat ist schon ein stückweit demokratisch legitimiert.
      Was aber gänzlich keine demokratische Legimitation erhält, ist die Kommission. Sie nimmt vor allem Aufgaben der Exekutive wahr und entspricht damit ungefähr der Regierung in einem staatlichen System - ist aber lediglich von den jeweiligen Regierungschefs benannt und vom EU-Parlament bestätigt worden. Die einzige demokratische Institution ist das EU-Parlament. Deren Abgeordneten werden in den einzelnen EU-Mitgliedsländern nach deren allgemein anerkannten demokratischen Spielregeln gewählt.
Es mag ungerecht erscheinen, daß kleinere Länder, im Gegensatz zu größeren und bevölkerungsreicheren Ländern, überrepräsentiert sind, das hat aber wohl eher damit zu tun, weil man nicht in den Verdacht geraten will, daß einige wenige größere Länder - oder sogar nur eines, ... daß diese somit mehrere kleinere Länder überstimmen (können) und verhindern will, daß diese dann das Gefühl bekommen, fremdbestimmt zu werden.

Nochmal:
  • die EU ist ein stückweit undemokratisch - JA! Aber die EU-Wahl zum EU-Palament ansich läuft per definitionem nach allgemein anerkannten und demokratischen Spielregeln ab.
    • ... auch wenn es einige zum Verrecken nicht anerkennen wollen!
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Der Neandertaler »

Maikel hat geschrieben:Neandertaler hatte die Beschreibung allerdings in einem Punkt geschönt: ...
Maikel: ich habe gar nichts "geschönt"!
Ich hasse Wiederholungen - aber nochmal:
  • Richtlinien sind lediglich Rahmengesetze ... Leitlinien ... Zielsetzungen. EU-Richtlinien werden zumeist immer dann erlassen, wenn man sich innerhalb der EU (Rat und/oder Kommission) nicht auf eine einheitliche Vorgehensweise einigen kann, sondern lediglich auf das Ziel dessen. Wenn also zum Erreichen der Ziele etwas anderes in nationale Gesetze einfließen kann und soll, um diese Ziele zu erreichen ... bitte, dann obliegt es dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber, dies hineinzuschreiben ... und somit dies Gesetz werden zu lassen.
Wenn also etwa Plastik verbannt werden soll, nach EU-Richtlinie soll allerdings schon die Herstellung verboten werden - weil die Mehrheit der Regierungschefs der Meinung ist, nur so ließe sich der Plastik-Berg eindämmen, aber zumindest einer ist anderer Meinung, ... so steht's dann auch in der EU-Richtlinie. Sollte allerdings irgendein nationaler Gesetzgeber die Meinung vertreten, daß etwa mit einer (höheren) Steuer auf Plastik-Artikel könnte es ebenso gehen - dann wird eben das nationales Gesetz.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Maikel hat geschrieben:(05 Jun 2018, 07:59)

Das gilt nur in ganz wenigen Fällen, und der Begriff "Gesetz" ist hier nicht zutreffend.

TTIP sollte letztlich durch die Mitgliedsländer ratifiziert werden, auch wenn sich Brüssel mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatte.
So etwas Grundlegendes wie der Lissabonner Vertrag von 2008 mußte in allen Mitgliedsländern ratifiziert werden.

Für die von mir früher genannten Beispiele, von Glühbirnen über DSGVO bis NO2-Verordnung gilt das aber nicht.
Wie auch viele andere sogenannte "Richtlinien" der EU wurden die von Brüssel, und somit auch dem EU-Parlament, beschlossen, und müssen zwingend in den Mitgliedsstaaten in Gesetze umgesetzt werden, ansonsten drohen Strafen.

Ansonsten wäre es ja z.B. für die Briten nicht "notwendig", die EU zu verlassen; sie bräuchten einfach nur ihnen nicht passende Gesetze nicht zu ratifizieren.
Den Briten ging es um das Grundsätzliche, nämlich daß sie sich bei Streitigkeiten dem Urteil des EuGH unter zu ordnen haben und ihre Gesetze zum größeren Teil aus der Gemeinschaft heraus entstehen. Jetzt stehen die Briten vor der Aufgabe, die "EU-Gesetze" nach dem BREXIT so in ihr nationales Recht einbauen zu müssen, daß ihr Staat weiter funktioniert... Allerdings finde ich es witzig, auf der Ebene des Ministerrats einen Gesetzesvorschlag zu unterstützen, den man dann als ratifizierendes Land ablehnt. Aber Ablehnung ist möglich. Wer will denn einen souveränen Staat zwingen, ein neues Gesetz zu erlassen, das ihm überhaupt nicht paßt? Wer redet Ihnen denn so etwas ein?
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von garfield336 »

Der Neandertaler hat geschrieben:(05 Jun 2018, 12:06)

Hallo garfield.Das ist schon richtig ... bzw.: nicht ganz falsch! Dies hat z.B. auch unser BVerfG festgestellt. Hier wurde aber immer bestritten, daß die EU-Wahlen undemokratisch sein ... bzw.: nicht nach demokratischen Richtlinien abliefen. Das aber ist etwas anderes!

"... bzw.: nicht ganz falsch!":
  • Wie gesagt:
    • die EU ist ein Verbund einzelner souveräner Staaten. Die EU hat deshalb auch keine Regierung, wie sie etwa sonstige Staaten haben - schon das kann man als undemokratisch ansehen. Allerdings:
      • da die jeweiligen Staatschefs nationalen Parteien angehören, die in den jeweiligen Ländern demokratisch legitimiert sind - zumindest nach allgemein anerkannten Demokratie-Grundsätzen, kann man durchaus sagen, der EU-Rat ist schon ein stückweit demokratisch legitimiert.
Nicht unbedingt. Die Minister die hier entscheidungen treffen, treffen legislative Entscheidungen zu denen sie nicht befugt sein dürften.

Und das sie demokratisch legitimiert sind stimmt nur zum Teil. Ein Minister wird in der Regel ja nicht gewählt sondern ernannt.
Das ist aber kein Problem, solange er keine Legislative Befugnisse hat.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

garfield336 hat geschrieben:(05 Jun 2018, 14:42)

Nicht unbedingt. Die Minister die hier entscheidungen treffen, treffen legislative Entscheidungen zu denen sie nicht befugt sein dürften.

Und das sie demokratisch legitimiert sind stimmt nur zum Teil. Ein Minister wird in der Regel ja nicht gewählt sondern ernannt.
Das ist aber kein Problem, solange er keine Legislative Befugnisse hat.
Da muß ich aber heftig schlucken! Ein Minister im EU-Ministerrat wird nie und nimmer ein Gesetz vorschlagen, das er nicht mit seiner Regierung zuvor beraten hat. Regierungen sind nach meinem Kenntnisstand immer von der Volksvertretung gewählt worden. Die Regierungsmitglieder müssen dazu nicht unbedingt einer Partei oder dem Parlament angehören. Sie besitzen aber das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten.

Regierungen schlagen auch Gesetze vor, die im Parlament beraten, bearbeitet und verabschiedet werden. Denn Gesetze brauchen Sachkundige, die sich mit dem Inhalt und der rechtlichen Verknüpfung mit bestehenden Gesetzen auskennen. Das kann eine Volksvertretung so gar nicht leisten. Außerdem können Gesetze vom Verfassungsgericht kassiert werden, wenn sie wider Erwarten im Widerspruch zu bestehenden Gesetzen stehen.

Und dieses Gesetzgebungsverfahren soll nun "undemokratisch" dadurch sein, daß eine sehr große Zahl daran beteiligter Menschen nicht unmittelbar vom Wähler durch Stimmenabgabe dazu berufen wurde? Ich meine, daß Sie sich mit dem Begriff demokratisch ein wenig festgefahren haben.

Ich gehe davon aus, daß ein der EU angehörender Staat von Regierungen geführt wird, die das mehrheitliche Vertrauen der Volksvertretung und damit des Volkes genießen... auch wenn sie dann im EU-Ministerrat ein Gesetz vorschlagen, das ohnehin "zu Hause" für notwendig gehalten wurde.
Dieser Vorschlag wird im Ministerrat der 27 EU-Partner beraten, notfalls ergänzt und der EU-Kommission zugeleitet, die daraus einen Gesetzestext erzeugt. Die EU-Administration tritt in der Hinsicht an die Stelle einer Ministerialbürokratie "zu Hause".

Das Gesetz wird danach von der EU-Kommission den 27 Regierungen zur Ratifikation in ihren Parlamenten zugeleitet. Das Gesetz wird dort in seinen nationalen Auswirkungen bewertet und notfalls mit Änderungswünschen an die EU zurück überwiesen.

Was ist an diesem Verfahren "undemokratisch"? Man landet dann automatisch bei der großen Volksversammlung, die ihre Angelegenheiten von der Wiege bis zur Bahre selbst bestimmt und Gesetze selbst formuliert und zugleich auch noch Recht spricht. Das stelle man sich auf der Ebene einer Bevölkerung von 500 Mio Menschen vor. Ohne Entsendung und die Zusammenarbeit von gewähltem Personal einerseits und administrativem Personal andererseits geht da doch gar nichts mehr. Man kann anzweifeln, ob so große Staaten so gesehen überhaupt demokratisch geführt werden können. Ich meine: Ja!... aber ich kann mir vorstellen, daß andere dabei zusammen zucken.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(05 Jun 2018, 13:31)

Den Briten ging es um das Grundsätzliche, nämlich daß [...] ihre Gesetze zum größeren Teil aus der Gemeinschaft heraus entstehen.
s.u.
Allerdings finde ich es witzig, auf der Ebene des Ministerrats einen Gesetzesvorschlag zu unterstützen, den man dann als ratifizierendes Land ablehnt.
Das ist die Gewaltenteilung in einer Demokratie. Der Minister ist Teil der Exekutive; was der vorschlägt und/oder aushandelt wird von der Legislative, dem Parlament ggf. abgelehnt.
Leider verschwimmt dieses Prinzip immer mehr, da die Abgeordneten meistens der "Koalitionsdisziplin" folgen.
Aber Ablehnung ist möglich.
Wie paßt das zu deiner Äußerung bzgl. der Briten oben?
Wer will denn einen souveränen Staat zwingen, ein neues Gesetz zu erlassen, das ihm überhaupt nicht paßt?
Letztlich der EuGH.
Aktuelles Bsp.: https://www.tagesschau.de/inland/eu-kom ... g-101.html

Anderes Bsp.: https://derstandard.at/2000069793042/EU ... rgaberecht
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(05 Jun 2018, 13:31)

Den Briten ging es um das Grundsätzliche [...]. Wer will denn einen souveränen Staat zwingen, ein neues Gesetz zu erlassen, das ihm überhaupt nicht paßt? Wer redet Ihnen denn so etwas ein?
Maikel hat geschrieben:(05 Jun 2018, 20:19)

Letztlich der EuGH.
Deswegen ist der Brexit für Britannien und für andere EU-Länder so wichtig, weil er zeigt, dass ein Land, sofern es keine Lust mehr hat auf Zugehörigkeit zu einer EU, deren Politik es bevormundend findet, den Gesellschaftsvertrag kündigen kann.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(05 Jun 2018, 20:32)

Deswegen ist der Brexit für Britannien und für andere EU-Länder so wichtig, weil er zeigt, dass ein Land, sofern es keine Lust mehr hat auf Zugehörigkeit zu einer EU, deren Politik es bevormundend findet, den Gesellschaftsvertrag kündigen kann.
Aber dennoch ist es eben so, daß die Briten grundsätzlich ihre Gesetze selbst erzeugen wollen; daß sie dann nur in GB gelten und durchgesetzt werden können, also von Natur aus keine Rechtsgemeinschaft herstellen können, das ist ihnen Wurst. Klare Sache: Schluß mit dem Verein, der sich nicht britischem Recht unterwerfen will. :D

An die Möglichkeit einer Kündigung könnten auch andere Partner denken, die die vereinbarten gemeinsamen Grundlagen nicht mehr anerkennen wollen. Das würde in der EU vieles vereinfachen.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Hier geht es aber nicht um zu erlassende Gesetze, sondern um deren Anwendung nach Ratifizierung. Dann gilt die Rechtsgemeinschaft. Wäre ja noch lustiger, ein Gesetz durch Ratifizierung für anwendbar und sinnvoll zu erklären, um es dann nicht anwenden zu wollen. Dann gibt es Haue vom EuGH... was denn sonst? Eigentlich hätte es zuvor schon Haue durch das eigene Rechtssystem geben müssen. Denn diese Gesetze sind durch Ratifizierung auch nationale Gesetze geworden.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(05 Jun 2018, 20:49)

Aber dennoch ist es eben so, daß die Briten grundsätzlich ihre Gesetze selbst erzeugen wollen; daß sie dann nur in GB gelten und durchgesetzt werden können, also von Natur aus keine Rechtsgemeinschaft herstellen können, das ist ihnen Wurst. Klare Sache: Schluß mit dem Verein, der sich nicht britischem Recht unterwerfen will. :D

An die Möglichkeit einer Kündigung könnten auch andere Partner denken, die die vereinbarten gemeinsamen Grundlagen nicht mehr anerkennen wollen. Das würde in der EU vieles vereinfachen.
Nein, die Briten wollten die EU nicht unterwerfen. Viel eher ging es den Briten (mehrheitlich) darum, wieder mehr Distanz zur EU zu gewinnen, weil sie meinen, ihre Interessen würden in der und durch die EU nicht ausreichend gewahrt.

Eine Kündigung des Gesellschaftsvertrages ist nämlich der Notausgang, um den Schrecken ohne Ende in ein Ende mit Schrecken zu verkürzen. Insofern weist die Option, den Gesellschaftsvertrag zu kündigen, auf einen wichtigen Punkt in der Vertragstheorie von John Locke hin: "Für Locke ist ein Individuum nur dann zum Gehorsam gegenüber der politischen Autorität verpflichtet, wenn diese für den Schutz seines Lebens, seiner Gesundheit, seiner Freiheit und seines Eigentums sorgt, denn das Individuum ist den Gesellschaftsvertrag ja eingegangen, um diese natürlichen Rechte zu schützen" (Eberhard Wesche, Ethik-Werkstatt, Artikel zu Klassische Theoretiker des Gesellschaftsvertrages – Hobbes, Locke, Rousseau, 2009).

Geht es um die EU, treten die EU-Länder an die Stelle der Individuen und die EU an die Stelle des Staates, der von den Ländern bzw. Individuen durch Gesellschaftsvertrag gegründet worden ist.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo garfield.
garfield336 hat geschrieben:Nicht unbedingt. Die Minister die hier entscheidungen treffen, treffen legislative Entscheidungen zu denen sie nicht befugt sein dürften.

Und das sie demokratisch legitimiert sind stimmt nur zum Teil. Ein Minister wird in der Regel ja nicht gewählt sondern ernannt.
Das ist aber kein Problem, solange er keine Legislative Befugnisse hat.
Einspruch, Euer Ehren!
Erstens habe ich gesagt: "... ein stückweit demokratisch legitimiert" und zweitens: H2O hat es recht gut zusammengefaßt - allerdings bezogen sich seine Ausführungen auf den Ministerrat - ich hingegen sprach vom EU-Rat ... dem Europäischen Rat ... also den Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsstaaten. Dies ist verwirrend, ich weiß - ist allerdings entscheident! Ich habe trotzdem noch einige Ergänzungen!

Da es anscheinend immer noch einige gibt, die unseren allgemeinen Ausführungen keinen Glauben schenken wollen oder können - zur allgemeinen Information ... wenn man bereit ist, und den Ausführungen der Bundesregierung Glauben schenkt: Erläuterung:
  • Du mußt Dir den EU-Rat zwar als festumrißenes Organ vorstellen, aber nicht mit den ständig gleichen Ministern - es sind vielmehr die jeweiligen Fachminister (der jeweiligen nationalen Regierung) die zusammenkommen - je nachdem welches Thema gerade behandelt wird.
Außerdem:
  • Da das EU-Parlament vergangenheitlich zunehmend mehr und mehr Kompetenzen bekommen hat ... es sich diese erstritten hat, werden Richtlinien und Verordnungen auch zunehmend zusätzlich im Parlament beraten und notfalls abgeändert, bevor diese endgültig erlassen werden. Das EU-Parlament hat also gleich mehrere Aufgaben:
    • einerseits ist es Parlament - das Richtlinien und Verordnungen beraten und eventuell blockieren kann. Es hat aber (nach unseren nationalen Spielregeln) andererseits quasi die Funktion eines Vermittlungsausschußes - der Richtlinien und Verordnungen auch zwischen den Länderinteressen abändern kann. Zumeist werden diese "Bedenken" auch vom Ministerrat berücksichtigt, bevor Richtlinien oder Verordnungen erlassen werden.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Europa2050 »

Fliege hat geschrieben:(05 Jun 2018, 20:32)

Deswegen ist der Brexit für Britannien und für andere EU-Länder so wichtig, weil er zeigt, dass ein Land, sofern es keine Lust mehr hat auf Zugehörigkeit zu einer EU, deren Politik es bevormundend findet, den Gesellschaftsvertrag kündigen kann.
Richtig.

Und deshalb ist die EU eine Union und kein Imperium, wie die vergangenen britischen, französischen... Weltreiche oder das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn oder die UdSSR.

Deshalb hat sie auch immer eine Chance, zu anderen Grsellschaftsmodellen konkurrenzfähig zu bleiben.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(05 Jun 2018, 21:09)

Nein, die Briten wollten die EU nicht unterwerfen. Viel eher ging es den Briten (mehrheitlich) darum, wieder mehr Distanz zur EU zu gewinnen, weil sie meinen, ihre Interessen würden in der und durch die EU nicht ausreichend gewahrt.

Eine Kündigung des Gesellschaftsvertrages ist nämlich der Notausgang, um den Schrecken ohne Ende in ein Ende mit Schrecken zu verkürzen. Insofern weist die Option, den Gesellschaftsvertrag zu kündigen, auf einen wichtigen Punkt in der Vertragstheorie von John Locke hin: "Für Locke ist ein Individuum nur dann zum Gehorsam gegenüber der politischen Autorität verpflichtet, wenn diese für den Schutz seines Lebens, seiner Gesundheit, seiner Freiheit und seines Eigentums sorgt, denn das Individuum ist den Gesellschaftsvertrag ja eingegangen, um diese natürlichen Rechte zu schützen" (Eberhard Wesche, Ethik-Werkstatt, Artikel zu Klassische Theoretiker des Gesellschaftsvertrages – Hobbes, Locke, Rousseau, 2009).

Geht es um die EU, treten die EU-Länder an die Stelle der Individuen und die EU an die Stelle des Staates, der von den Ländern bzw. Individuen durch Gesellschaftsvertrag gegründet worden ist.
Mir als Rechtslaien ist diese Angehensweise zu theoretisch. Ich würde die Sache mit meinen Bordmitteln kürzer fassen: Wenn ich einem Verein beitrete, dann erkenne ich seine Satzungen an und bewege mich in diesem Verein danach. Als Mitglied kann ich auch daran mitwirken, die Satzung zu aktualisieren. Darüber stimmt dann die Gemeinschaft der Mitglieder ab... und gilt.

Wenn mir die Regeln des Vereins danach nicht gefallen, dann suche ich mir einen netteren Verein. Das genau haben die Briten so entschieden, und nun spielt niemand mit ihnen nach ihren Regeln. So ein Mist! :eek:
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Fliege »

Europa2050 hat geschrieben:(05 Jun 2018, 22:11)

Richtig.

Und deshalb ist die EU eine Union und kein Imperium, wie die vergangenen britischen, französischen... Weltreiche oder das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn oder die UdSSR.

Deshalb hat sie auch immer eine Chance, zu anderen Gesellschaftsmodellen konkurrenzfähig zu bleiben.
Ja, der Brexit zeigt, dass die EU, um konkurrenzfähig zu bleiben, Reformen nötig hat. Meines Erachtens sollten diese Reformen die Problemlösungsfähigkeit der EU über das bisherige Maß hinaus deutlich steigern.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(05 Jun 2018, 22:15)

Mir als Rechtslaien ist diese Angehensweise zu theoretisch. Ich würde die Sache mit meinen Bordmitteln kürzer fassen: Wenn ich einem Verein beitrete, dann erkenne ich seine Satzungen an und bewege mich in diesem Verein danach. Als Mitglied kann ich auch daran mitwirken, die Satzung zu aktualisieren. Darüber stimmt dann die Gemeinschaft der Mitglieder ab... und gilt.

Wenn mir die Regeln des Vereins danach nicht gefallen, dann suche ich mir einen netteren Verein. Das genau haben die Briten so entschieden [...]
Ja, genau so verhält es sich und so habe ich es gemeint. :-)
H2O hat geschrieben:(05 Jun 2018, 22:15)

[...] und nun spielt niemand mit ihnen nach ihren Regeln. So ein Mist! :eek:
Und dein Nachschlag verfehlt meines Erachtens insofern den Punkt, als die Briten keine Bestimmer sein wollen, also nicht jammern, dass sie nicht mehr die Chefs sind, die sie schon vorher nicht waren.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(05 Jun 2018, 22:28)

Ja, genau so verhält es sich und so habe ich es gemeint. :-)


Und dein Nachschlag verfehlt meines Erachtens insofern den Punkt, als die Briten keine Bestimmer sein wollen, also nicht jammern, dass sie nicht mehr die Chefs sind, die sie schon vorher nicht waren.
Ich lege gar keinen Wert darauf, in diesem Punkt Recht zu haben. Die Sache ist entschieden, und nun hocken die Briten da mit einem dicken Kopf. Mir kam der britische Ansatz unter Cameron so vor, als ob ein Mitglied, nämlich GB, den künftigen Kurs der EU bestimmen wollte. Und da hat die EU sich nicht erschüttern lassen... vernünftigerweise. Den Briten bleibt der Trost, daß die EU aus anderen Gründen arg zerstritten ist, und uns EU-Partnern bleibt der Trost, daß die EU ansonsten doch ganz ordentlich funktioniert.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(05 Jun 2018, 23:36)

Die Sache ist entschieden, und nun hocken die Briten da mit einem dicken Kopf.
Womöglich wird Britannien, wenn Euro und EU zusammen brechen, zur Keimzelle eines Nordbundes, der eine regional-europäische Wirtschaftsgemeinschaft neu begründet.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(05 Jun 2018, 23:43)

Womöglich wird Britannien, wenn Euro und EU zusammen brechen, zur Keimzelle eines Nordbundes, der eine regional-europäische Wirtschaftsgemeinschaft neu begründet.
Nein, der eine "Nordbund" EFTA ist fruchtlos verdorrt. Da war GB so etwas wie die Führungsmacht. Das würde dem nächsten Nordbund wohl kaum besser gehen. Bleiben wir lieber bei der EU und beim Euro; das ist uns bisher recht gut bekommen. Ich rechne ohnehin damit, daß GB nach diesem Ausflug in die große freie Welt wieder Lust bekommt, sich in der Enge der EU ein zu richten.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Fliege »

Fliege hat geschrieben:(05 Jun 2018, 23:43)

Womöglich wird Britannien, wenn Euro und EU zusammen brechen, zur Keimzelle eines Nordbundes, der eine regional-europäische Wirtschaftsgemeinschaft neu begründet.
H2O hat geschrieben:(06 Jun 2018, 00:33)

Nein, der eine "Nordbund" EFTA ist fruchtlos verdorrt. Da war GB so etwas wie die Führungsmacht. Das würde dem nächsten Nordbund wohl kaum besser gehen. Bleiben wir lieber bei der EU und beim Euro; das ist uns bisher recht gut bekommen. Ich rechne ohnehin damit, daß GB nach diesem Ausflug in die große freie Welt wieder Lust bekommt, sich in der Enge der EU ein zu richten.
Ich schlage vor: Wir behalten beide Prognosen (kleine Prognosen mit Wenns und Abers) im Hinterkopf und kramen sie bei Zeiten wieder hervor. :-)
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(06 Jun 2018, 00:36)

Ich schlage vor: Wir behalten beide Prognosen (kleine Prognosen mit Wenns und Abers) im Hinterkopf und kramen sie bei Zeiten wieder hervor. :-)
In der Not wird man immer nach einem Ausweg suchen; aber zunächst mit aller Kraft darauf hinarbeiten, daß die Not gar nicht erst entsteht. Das wäre mein Handlungskonzept. :)
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(05 Jun 2018, 20:56)

Hier geht es aber nicht um zu erlassende Gesetze,
Doch, genau um die geht es.

Am Bsp. Vergaberecht Österreich:
Die EU, incl. EU-Paralament, gibt die Bedingungen vor, wie das Vergaberecht gestaltet werden muß.
Die Mitgliedsländer müssen jeweils für ihr Land entsprechende Gesetze, Verordnungen etc. erlassen.

Wenn die EU feststellt, daß diese nationalen Gesetze, bzw. die sich daraus ergebene Praxis, nicht (mindestens) der vorgegebenen "Richtlinie" entspricht, dann folgt auf Verwarnung o.ä. eine Klage vor dem EuGH mit ggf. folgender Strafe.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von H2O »

Maikel hat geschrieben:(06 Jun 2018, 14:13)

Doch, genau um die geht es.

Am Bsp. Vergaberecht Österreich:
Die EU, incl. EU-Paralament, gibt die Bedingungen vor, wie das Vergaberecht gestaltet werden muß.
Die Mitgliedsländer müssen jeweils für ihr Land entsprechende Gesetze, Verordnungen etc. erlassen.

Wenn die EU feststellt, daß diese nationalen Gesetze, bzw. die sich daraus ergebene Praxis, nicht (mindestens) der vorgegebenen "Richtlinie" entspricht, dann folgt auf Verwarnung o.ä. eine Klage vor dem EuGH mit ggf. folgender Strafe.
Das sind durch Ratifizierung nationale Gesetze geworden. Da müßte in Österreich eigentlich die eigene Verwaltung tätig werden. Das tut sie nicht, vermutlich aufgrund politischer Anweisungen, und dann schaltet sich die EU-Kommission ein. Ganz ohne Nachricht an die EU-Kommission läuft das bestimmt nicht. Vielleicht ein zu kurz gekommener Wettbewerber. Die EU-Kommission hätte ja viel zu tun, wenn sie allen 27 Mitgliedern ständig über die Schulter gucken wollte.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Maikel »

H2O hat geschrieben:(06 Jun 2018, 15:22)

Das sind durch Ratifizierung nationale Gesetze geworden.
Nein.
"Handelt es sich dabei um eine Richtlinie, so haben die nationalen Parlamente diesen gesetzlichen Rahmen durch ein eigenes innerstaatliches Gesetz umzusetzen." Quelle: https://www.parlament.gv.at/PERK/PE/EU/EUGesetzgebung/
Diese nationalen Gesetze fallen, alleine schon wg. der unterschiedlichen Gegebenheiten (andere nationale Gesetze) in den Ländern unterschiedlich aus.
Es gibt kein "vorformuliertes" Gesetz aus Brüssel, das nur noch "ratifiziert" werden müßte.
Ganz ohne Nachricht an die EU-Kommission läuft das bestimmt nicht. Vielleicht ein zu kurz gekommener Wettbewerber. Die EU-Kommission hätte ja viel zu tun, wenn sie allen 27 Mitgliedern ständig über die Schulter gucken wollte.
Ja, da hast du Recht; vielleicht hatte ich mich da zu kurz ausgedrückt.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Fliege »

Wie steht es derzeit in Europa um die Stärke der beiden großen Altparteien, nämlich Sozialisten und Volksparteiler (in Deutschland sind das CDU/CSU)? Reicht es nach der Wahl womöglich nicht mehr zur großen Koalition?
Zuletzt geändert von Fliege am Mi 6. Jun 2018, 18:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Europawahl 2019

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo H2O.
H2O hat geschrieben:Das sind durch Ratifizierung nationale Gesetze geworden. Da müßte in Österreich eigentlich die eigene Verwaltung tätig werden. Das tut sie nicht, vermutlich aufgrund politischer Anweisungen, und dann schaltet sich die EU-Kommission ein. Ganz ohne Nachricht an die EU-Kommission läuft das bestimmt nicht. Vielleicht ein zu kurz gekommener Wettbewerber. Die EU-Kommission hätte ja viel zu tun, wenn sie allen 27 Mitgliedern ständig über die Schulter gucken wollte.
Nun muß ich Maikel mal ein Lob aussprechen! Anscheinend ist er doch nicht ganz lern-resistend - er ist zumindest auf dem richtigen Weg.
Maikel hat geschrieben:Wenn die EU feststellt, daß diese nationalen Gesetze, bzw. die sich daraus ergebene Praxis, nicht (mindestens) der vorgegebenen "Richtlinie" entspricht, dann folgt auf Verwarnung o.ä. eine Klage vor dem EuGH mit ggf. folgender Strafe.
Anhand der Feinstaub- oder Luftqualitätsrichtlinie (2008/50/EG) kann man es recht gut aufzeigen.

Die Feinstaubrichtlinie trat 2008 in Kraft - sie ersetzte die bis dahin gültige Luftqualitätsrahmenrichtlinie (über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität). In beiden Richtlinien waren feste Grenzwerte für bestimmte Luftschadstoffe festgesetzt worden - neben Schwefeldioxid (SO2) auch Stickstoffdioxid (NO2) und Stickstoffoxide (NOx), sowie Feinstaub mit einer Partikelgröße bis 10 µm (PM10), Blei, Benzol, Kohlenmonoxid und Ozon. Daneben waren aber ebenfalls auch Vorgaben zu einem differenzierteren Vorgehen enthalten. Da es aber eben nur eine Richtlinie ist und diese auch nicht nach den Verursachern der Luftverschmutzung differenzierte, war es den jeweiligen nationalen Gesetzgeber überlassen, welche erforderlichen Maßnahmen sie für notwendig erachten und welche maßgeblichen Verursacher sie zur Verbesserung der Luftqualität heranzogen - z. B. Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft, Haushalte oder den Verkehr. Nur die genannten Ziele (sauberere Luft) mußten erreicht werden. Wie, egal!

2016 traten dann neue Regeln bzw.: Grenzwerte in Kraft, auf die sich alle 28 EU-Staaten einigten. Nach vollständiger Umsetzung durch die 28 EU-Staaten sollten mit diesen Verpflichtungen die gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung wie Atemwegserkrankungen und vorzeitige Todesfälle bis 2030 um fast 50 Prozent verringern werden. Diese Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten bis zum 30. Juni 2018 in nationales Recht umsetzen und darüberhinaus sollten sie bis 2019 ein nationales Luftreinhalteprogramm ausarbeiten. Mit den darin enthaltenen Maßnahmen sollten die Emissionen der fünf wichtigsten Luftschadstoffe bis 2020 bzw. 2030 um die vereinbarten Prozentsätze verringert werden.

Lange Rede - kurzer Sinn:
  • es ist nicht buchstabengetreu die Feinstaubrichtlinie (2008/50/EG) ratifiziert worden, sondern lediglich die Grenzwerte, sowie das Ziel (sauberere Luft), sind anerkannt und festgeschrieben worden. Wo etwa Frankreich seine Autohersteller verpflichtete, zur Feinstaub-Reduzierung Rußpartikelfilter einzubauen, setzte Deutschland auf eine elegantere Methode: Vorsprung durch Technik - Stichwort: AdBlue. Da nun aber feststeht, daß (deutsche) Autohersteller geschummelt haben, und somit Deutschland die selbstverpflichtende Feinstaub-Grenzwert-Reduzierung nicht einhalten kann und wird, muß die EU-Kommission Deutschland beim EuGH verklagen - wegen nicht eingehaltener (selbstverplichtender) Grenzwerte.
@H2O:
  • Du redest in Verbindung mit der EU immer von "Gesetzen". Die EU erläßt aber keine "Gesetze". Wenn Du "Gesetze" etwa im Sinne von "Richtlinien" gebrauchst, ist es schon verständlich - diese müssen, zumindest der Ziele nach, in nationale Gesetze überführt werden. Verordnungen treten aber automatisch in Kraft - entweder mit Veröffentlichung im EU-Amtsblatt oder eben nach einem bestimmten Datum. Richtlinie werden ebenfalls, buchstabengetreu, irgendwann nationales Gesetz - STIMMT! ... nämlich dann, wenn der einzelne nationale Gesetzgeber es versäumt, in der genannten Zeit zu handeln.
    Solltest Du aber mit "Gesetze" Verordnungen meinen, wird's unverständlich. Denn diese müssen nicht ratifiziert werden - sie müssen lediglich (sofort) in nationale Gesetze eingebunden werden.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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