Parlamentswahlen in Italien 2018

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H2O
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(24 Oct 2018, 09:01)

Die Italiener werden sich die Folgen des Brexit genau anschauen und ihr konfrontatives Verhalten entsprechend anpassen. Einen Verlust des Stimmrechtes werden sie sicherlich nicht akzeptieren. Dann ist die Kooperation zu Ende.
Durchaus möglich, daß bei anhaltender Widerborstigkeit dieser politischen Veranstaltung dieses Ende in Kauf genommen wird. Man muß schon den Unmut bedenken, der sich in den übrigen Eurostaaten auftürmt... wenn wir uns an das griechische Theater erinnern. So etwas kommt doch mit größerer Wucht wieder!
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Orbiter1
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(24 Oct 2018, 08:55)

Der Euro kann so nicht auf Dauer weiter entwickelt werden. Wenn Schritte zur weiteren Harmonisierung der Wirtschaft & Finanzen, der Steuern, Abgaben, Sozialleistungen unterbleiben, dann wird bei einigen Teilnehmern der Euro-Gruppe doch die Frage aufkommen, ob sich dieser Schritt zur Gemeinschaftswährung wirklich gelohnt hat.
Das ist das Kernproblem der Eurozone. Man hat den 5. Schritt (Einführung einer gemeinsamen Währung) vor dem 2., 3. und 4. Schritt (Harmonisierung der Wirtschaft & Finanzen, der Steuern, Abgaben, Sozialleistungen) gemacht. Das wird früher oder später auch zu einer Auflösung der Eurozone führen. Wirkliche Schritte die auf eine Harmonisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zielen kann ich nicht erkennen. Es gibt den Stabilitäts- und Wachstumspakt, aber der regelt nur die Verschuldung der Eurostaaten.
Insofern ist vielleicht auch die augenblickliche Härte der EU-Kommission gegenüber der italienischen Haushaltsgestaltung zu verstehen. So ist das eben in der EU: Die EU-Kommission ist zuständig für die Bewertung der Haushalte in der EU, also auch der Euro-Partner.
Die EU-Kommission erfüllt ihre Aufgaben die ihr gemäß der EU-Verträge aufgetragen wurden.
Vermutlich wird es bei weiter rechtswidriger Haushaltsgestaltung der italienischen Regierung zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommen, das am Ende mit Strafzahlungen belegt wird... wenn die italienische Regierung nicht einlenken sollte. Und darauf folgt unweigerlich wieder der Verlust des Stimmrechts in der EU, wenn die übrigen Partner dem zustimmen... was ich für möglich halte.
Würde mich wundern wenn alle anderen Partner da zustimmen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Alpha Centauri »

Orbiter1 hat geschrieben:(24 Oct 2018, 11:33)

Das ist das Kernproblem der Eurozone. Man hat den 5. Schritt (Einführung einer gemeinsamen Währung) vor dem 2., 3. und 4. Schritt (Harmonisierung der Wirtschaft & Finanzen, der Steuern, Abgaben, Sozialleistungen) gemacht. Das wird früher oder später auch zu einer Auflösung der Eurozone führen. Wirkliche Schritte die auf eine Harmonisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zielen kann ich nicht erkennen. Es gibt den Stabilitäts- und Wachstumspakt, aber der regelt nur die Verschuldung der Eurostaaten.
Die EU-Kommission erfüllt ihre Aufgaben die ihr gemäß der EU-Verträge aufgetragen wurden.
Würde mich wundern wenn alle anderen Partner da zustimmen.
Genau dass ist ja das eigentliche Kernproblem der EU eine gemeinsame Währung ohne eine einheitliche europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik dass funktioniert auf Dauer eben nicht ( jeder Mitgliedsstaat kocht immer noch sein eigenes Süppchen) es braucht daher eine wirkliche Union,
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Orbiter1
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Alpha Centauri hat geschrieben:(24 Oct 2018, 12:12)

Genau dass ist ja das eigentliche Kernproblem der EU eine gemeinsame Währung ohne eine einheitliche europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik dass funktioniert auf Dauer eben nicht ( jeder Mitgliedsstaat kocht immer noch sein eigenes Süppchen) es braucht daher eine wirkliche Union,
Da würde ich schon klar zwischen EU und Eurozone trennen. Die fehlende einheitliche europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik ist das Kernproblem der Eurozone aber nicht der EU. Das Kernproblem der EU ist nach meiner Überzeugung dass sie sich durch die Aufnahme von immer mehr Mitgliedstaaten die von ihren Pflichten die sie durch die Aufnahme in die EU eingegangen sind gar nichts wissen wollen und dafür ungeeigneten EU-Verträgen vollkommen handlungsunfähig gemacht hat. Diese EU taumelt ihrem Ende entgegen. Mal sehen wie lange es noch bis zum Exitus dauert.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Senexx »

Orbiter1 hat geschrieben:(24 Oct 2018, 12:57) Diese EU taumelt ihrem Ende entgegen. Mal sehen wie lange es noch bis zum Exitus dauert.
Es wird keinen Exitus der EU geben.

Senexx dixit.
Alpha Centauri
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Alpha Centauri »

Orbiter1 hat geschrieben:(24 Oct 2018, 12:57)

Da würde ich schon klar zwischen EU und Eurozone trennen. Die fehlende einheitliche europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik ist das Kernproblem der Eurozone aber nicht der EU. Das Kernproblem der EU ist nach meiner Überzeugung dass sie sich durch die Aufnahme von immer mehr Mitgliedstaaten die von ihren Pflichten die sie durch die Aufnahme in die EU eingegangen sind gar nichts wissen wollen und dafür ungeeigneten EU-Verträgen vollkommen handlungsunfähig gemacht hat. Diese EU taumelt ihrem Ende entgegen. Mal sehen wie lange es noch bis zum Exitus dauert.

Ja gut dass ist richtig mit der Trennung EU und Eurozone. Dennoch solange man nur eine Währung aber keine europaweite Einheitlichkeit in der Finanzpolitik bei der Wirtschaft und dem Sozialsystemen. hat ( bzw. EU.weite einheitliche Sozialleistungen) wird die sogenannten.Gemeinschaftswährung ohnehin früher oder später vor die Wand fahren. Diesen Zustand beklagen einige Ökonomen.bereits seit es den Euro gibt, was hat sich seit Euroeinführung in punkto europäischer Vereinheitlichung politisch getan???


NICHTS!!!
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Nomen Nescio »

Varilion hat geschrieben:(23 Oct 2018, 20:30)

Dazu kommt auch die Idee, dass, soweit Italien Handelsüberschuss führt, der Staat kein Schuldenproblem hat, und die EU-Kommission kann alles denkbares sagen, aber faktisch nichts tun. Wer den Preis zählt, sind private Unternehmen die investieren möchten und schwieriger zugang zum Kredit haben…
hat japan nicht eine noch größere verschuldung? die ist aber ganz intern .

ich vermute, das italien damals schummelte mit den kriterien der EU, dabei denkend »dann werden die zinsen kleiner und können wir leichter unsere schuld ablösen«.
als aber die euro kam, haben sie - genau wie griechenland - keine maßnahmen getroffen. sie hielten nicht rechnung mit dem kleinen geburtzahl und mit der modernisierung. daneben kamen auch noch die aktionen der mafia, ndangreta, camorra oder wie sie auch denn heißen.
ich vermute daß nur eine rigorose geldsanierung italien wieder lebend machen kann. das bedeutet zwar daß italien dann mindestens geraume zeit aus der euro bleiben wüde. utopie also.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Nomen Nescio »

Senexx hat geschrieben:(24 Oct 2018, 13:03)

Es wird keinen Exitus der EU geben.

Senexx dixit.
statt gebieten sollst du verbieten. ;)
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Varilion »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Oct 2018, 21:57)
hat japan nicht eine noch größere verschuldung? die ist aber ganz intern .
Das ist, laut der Propaganda, auch der Ziele der italienischen Populisten, aber ich frage mich, ob sie es auch vorhaben, in zukunft auf Japanisch zu sprechen. Na, ja jetzt machen wir wie die Japaner….

Italien hat kaum mit Griechenland (oder Spanien) zu teilen. Das kann man gut beschreiben mit Tolstoi’s Worten: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“

Zwischen die Einführung des Euro und der Finanzkrise, hat Italien seine Schulden um 10% Reduziert (und 20% seit 1992; 120->100 ) - In Deutschland ... das Gegenteil. Aber leider stand eine riesige Menge von Problemen ünder diesen positiven Nummern: die unterschiedlichen Regierungen haben im Laufe der Jahre nicht sinnvolles erreicht und mit der Krise ist alles kaputt gegangen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Oct 2018, 21:57)

hat japan nicht eine noch größere verschuldung? die ist aber ganz intern .
Ja, die japanische Staatsverschuldung ist viel größer. Sie beläuft sich auf 236% des BSP (Italien 130%) und umgerechnet 10 Billionen Euro (Italien 2,3 Billionen Euro). Trotzdem muß die japanische Regierung weniger für ihre Schulden ausgeben als die italienische Regierung. In Japan liegen die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen bei 0,1%, in Italien bei 3,6%. Das hat vor allem mit der unterschiedlichen Erwartung der Anleger zu tun dass man sein Geld von der Regierung auch wieder zurückbekommt. Da ist das Vertrauen in die japanische Regierung erheblich höher.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

@Orbiter1

Irgendwo habe ich in diesem Strang gelesen, daß sich nach Auffassung von Euro-Skeptikern der Euro nur zum Vorteil der großen Staaten auswirke. Diese Anmerkung begegnete mir nicht zum ersten Male. Beim besten Willen erkenne ich diese Bevorzugung Deutschlands durch den Euro nicht. Klar der niedrige Zins begünstigt doch aber Schuldenmacher, und er erspart auch unserem Finanzminister erkleckliche Summen für die Finanzierung deutscher Anleihen.

Nun ist Italien wirklich kein wirtschaftliches Federgewicht, leider aber von unübersichtlicher Klientelwirtschaft geplagt. Und hoch verschuldet bei geringem Vertrauen von Anlegern... also müssen hohe Zinsen erwirtschaftet werden, um die Anleihen überhaupt noch verkehrsfähig halten zu können. Mit "Größe" hat das doch aber gar nichts zu tun... wie wollten sonst Länder wie Estland, Malta oder Zypern im Euro bestehen?

Leuchtet Ihnen diese Behauptung ein: "Der Euro ist nur für die Großen vorteilhaft!" ?
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(26 Oct 2018, 10:07)

Leuchtet Ihnen diese Behauptung ein: "Der Euro ist nur für die Großen vorteilhaft!" ?
Kurze Antwort - Nein! Die viel interessantere Frage ist ob die Einführung des Euro die beabsichtigten Ziele erreichen konnte. Und hier lautet die klare Antwort ebenfalls - Nein! Gemäß dem Gabler-Lexikon sollte der Euro (neben der Stabilität der Währung) "zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft beitragen, u. a. zu einer harmonischen und ausgewogenen Entwicklung des Wirtschaftslebens, zu beständigem, nichtinflationärem und umweltverträglichem Wachstum, hohem Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, hohem Beschäftigungsniveau und hohem Mass an sozialem Schutz." Da ist der Euro krachend gescheitert. Noch schlimmer, mit ihm wurde ein Keil zwischen den Ländern und Menschen der Eurozone getrieben. Und wenn ich mir die wirtschaftliche Entwicklung (gemessen am Bruttosozialprodukt) von verschiedenen EU-Ländern (in und außerhalb der Eurozone, großen und kleinen Ländern) seit der Euro-Einführung im Jahr 2000 ansehe ist klar dass die Länder ohne Euro die weitaus bessere Entwicklung genommen haben. Auch die Entwicklung von Deutschland war unter dem der EU-28. http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_ ... /abbX1.pdf

Eigentlich ist diese Entwicklung auch logisch. Denn im Kern lässt sich eine Volkswirtschaft durch 4 Parameter steuern.

1) Die Zinspolitik
2) Die Wechselkurspolitik
3) Die Haushaltspolitik
4) Die Lohnpolitik

EU-Staaten außerhalb der Eurozone können alle 4 Parameter ändern falls Handlungsbedarf besteht. Länder der Eurozone können nur den vierten Parameter, die Lohnpolitik ändern, und da sind Anpassungen (falls man als Politiker wiedergewählt werden möchte) de facto kaum umsetzbar. Die ersten 3 Parameter sind entweder gar nicht änderbar (die Wechselkurspolitik), werden für alle einheitlich geregelt was grober Unfug ist (die Zinspolitik durch die EZB) oder unterliegen starken Einschränkungen (die Haushaltspolitik, Italien ist ja das aktuell beste Beispiel dafür).

Nach meiner Überzeugung wird der Euro in absehbarer Zeit (innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre) zerbrechen. Ein Fortbestand wäre nur möglich wenn es zu einer raschen Harmonisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik kommen würde (aber das halte ich aufgrund der unterschiedlichen Mentalitäten, Traditionen und Erfahrungen der einzelnen EU-Staaten für nicht durchführbar) oder man bildet eine Transferunion. So eine Transferunion lässt sich bei kleinen EU-Staaten noch machen und auch verbergen (Griechenland hat von den Steuerzahlern der Eurozone 285 Mrd Euro an Hilfskrediten erhalten, die Tilgung dafür beginnt aber erst in den 30er Jahren (wird aber auch dann nicht möglich sein)), aber bei Staaten wie Italien stösst man da an finanzielle Grenzen und Verstecken ist auch nahezu unmöglich.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Oct 2018, 13:48)
Nach meiner Überzeugung wird der Euro in absehbarer Zeit (innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre) zerbrechen. Ein Fortbestand wäre nur möglich wenn es zu einer raschen Harmonisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik kommen würde (aber das halte ich aufgrund der unterschiedlichen Mentalitäten, Traditionen und Erfahrungen der einzelnen EU-Staaten für nicht durchführbar) oder man bildet eine Transferunion. So eine Transferunion lässt sich bei kleinen EU-Staaten noch machen und auch verbergen (Griechenland hat von den Steuerzahlern der Eurozone 285 Mrd Euro an Hilfskrediten erhalten, die Tilgung dafür beginnt aber erst in den 30er Jahren (wird aber auch dann nicht möglich sein)), aber bei Staaten wie Italien stösst man da an finanzielle Grenzen und Verstecken ist auch nahezu unmöglich.
Wirtschaftswoche 24.10.2018 Interview mit Daniel Stelter
https://www.wiwo.de/politik/europa/dani ... 6-all.html
Im Grunde sind in Brüssel alle froh, dass die EZB über die Hintertür die Sozialisierung in Europa über billige Zinsen oder den Aufkauf der Wertpapiere herbeiführt. Und logischerweise wird die EZB den Euro immer erhalten wollen und daher zu Maßnahmen greifen, die erst hinterher von Gerichten für legal erklärt werden. So gesehen halten sich die Italiener mit ihrem Defizit im Grunde sogar zurück, die könnten noch viel höhere Schulden planen. Ich glaube deshalb, dass die EZB wie Japan in immer größeren Stil Staatsanleihen und Wertpapiere aufkaufen wird, bevor es zum Schuldenschnitt oder dem Erlass von Target-Schulden kommt.
Die meisten italienischen Staatsanleihen gehören den Italienern, die würden dann massiv verlieren. Rom will deshalb keinen direkten Schuldenerlass, sondern - darauf wird es hinauslaufen – lieber mit irgendwelchen Buchhaltungstricks seine Schulden auf die EZB verschieben. Dort können sie bis in alle Ewigkeit bleiben. Schon die Spanier haben ihre Banken mit einer EZB-finanzierten Bad Bank gerettet. Die Iren haben sich mit Staatsanleihen refinanziert, die komplett von der irischen Notenbank mit frischem EZB-Geld gekauft wurden. Zudem sind das ewige Anleihen, die nie fällig werden, damit war das Problem gelöst. Warum also soll Italien das nicht dürfen?
Sollten Anleger dann nicht auch Schulden machen?
Erstens: Sparer und Anleger sollten natürlich ihr Geld international diversifiziert anlegen und nicht nur in Europa oder gar nur Deutschland. Das ist ganz entscheidend. Zweitens wissen wir nicht, welchen Abgaben uns noch drohen. Es gibt auf der Welt meines Erachtens keinen sicheren Platz. Sparen in Geldvermögen ist jedenfalls eine ziemlich dumme Idee, insbesondere heute. Also sollte man in Aktien, Unternehmensbeteiligungen sowie Immobilien investiert sein, und nicht in Anleihen und Geld. Schulden machen wäre aber nur dann richtig, wenn sicher wäre, dass morgen eine hohe Inflation – ich meine deutlich mehr als fünf Prozent – kommen würde. Kommen aber eher neue Steuern und Abgaben, kann einem eine zu hohe Verschuldung auch das Genick brechen.
"Lösen lässt sich das theoretisch nur durch einen Schuldenerlass – zum Beispiel über Abschreibungen in der EZB-Bilanz – in Kombination mit einer verkleinerten Eurozone. Das wäre rational. Aber es ist politisch nicht mehr darstellbar, dafür gibt es mit Salvini und anderen Staatschefs keine Mehrheit. Auch wird keiner zugeben, dass der Euro ein Konstrukt ist, dem die ökonomischen Grundlagen fehlen und Probleme verschleppt wurden. Also setzen alle auf das Prinzip Hoffnung bis zum Ende ihrer Amtszeit. Insbesondere solange die Bevölkerung weiter zum Euro steht, wird der Euro nicht fallengelassen."
Schöner positionierender Überblick zu dieser nicht trivialen Problematik.
siehe auch:
http://www.manager-magazin.de/politik/w ... 253-3.html
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Oct 2018, 13:48)

Kurze Antwort - Nein! Die viel interessantere Frage ist ob die Einführung des Euro die beabsichtigten Ziele erreichen konnte. Und hier lautet die klare Antwort ebenfalls - Nein! ...

...
Ja, das Gefühl hatte ich auch... daß der Hinweis, daß nur die Großen mit dem Euro Glück haben und die Kleinen draufzahlen, daß dieser Hinweis also alles andere als sachlich richtig ist. Vielen Dank für Ihre Mühe, meine Frage so umfassend zu beantworten!

Eine Anmerkung noch zur Entwicklung der Mitgliedsstaaten ohne die Gemeinschaftswährung. Die legen ja zum Teil ganz beeindruckende Zahlen vor, schon richtig. Aber ich meine, daß mit einigen ärgerlichen Ausnahmen die Gemeinschaftswährung nur dort nicht eingeführt wurde, wo der erreichte Stand nach Auffassung der Euro-Gruppe noch nicht reif für die Gemeinschaftswährung war. Kein Wunder, daß die jetzt tüchtig zulegen. Von nichts auf ein bißchen geht eben leichter als von Vollbeschäftigung auf zweifache Vollbeschäftigung... :)

Für mich als "Polen" ist es schon ärgerlich, wenn der Kurs des Zlotys mal bei 3,95 und mal bei 4,4 Zloty/Euro liegt. Da ist dann ja richtiges Geld im Spiel, wenn man Rechnungen in Polen bezahlen muß.

Wenn man die kleinen baltischen Staaten betrachtet, dann müßten die auch ganz gut zulegen... sagt mir ungeprüft mein Gefühl... und die haben ja seit einiger Zeit den Euro.

Ja, hoffen wir einmal, daß die EU die Kraft für weitere Harmonisierungen der Finanz-und Wirtschaftspolitik findet... das war vermutlich auch der Hintergedanke, der Präsident Hollande und jetzt Präsident Macron umgetrieben hatte, als sie von Kerneuropa sprachen. Klar, daß die schlechte Laune wächst, wenn den soliden Euro-Staaten von den Leichtfüßen immer neue Schulden in die Bücher geschrieben werden können, ohne daß die "Musterknaben" darüber mitbestimmen können. Vermutlich ist jetzt schon deshalb die Kommission gegenüber Italien so grantig!
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Wähler hat geschrieben:(26 Oct 2018, 16:28)

Wirtschaftswoche 24.10.2018 Interview mit Daniel Stelter
https://www.wiwo.de/politik/europa/dani ... 6-all.html
Wie man dem verlinkten Artikel entnehmen kann gibt es von Hrn. Stelter wieder ein neues Buch. Das ist dann der richtige Zeitpunkt auf sich aufmerksam zu machen und ordentlich auf den Putz zu hauen. Bei der Ursache der wirtschaftlichen Krise in Italien stimme ich ihm weitgehend zu und ja Italien ist ein reiches Land mit geringer privater Verschuldung und hohem Vermögen dass die Staatsschulden locker selbst stemmen kann, aber bei der Lösung der italienischen Staatsverschuldung sind seine Thesen extrem steil geraten. Da gibt es eine EZB die sich nicht von ihren Statuten leiten lässt sondern aus reinem Selbsterhaltungstrieb exzessiv dagegen verstößt. Und angeblich läuft es darauf hinaus dass die italienischen Staatsanleihen mit ein paar Buchhaltungstricks bei der EZB landen und dort ewig verbleiben. Dann sollen die Buchhalter in der italienischen Regierung mal loslegen und den vor Existenzangst schlotternden EZB-Bankern Staatsanleihen im Wert von 1,95 Billionen € übertragen (Staatsanleihen im Wert von 350 Mrd € hat die EZB ja bereits aufgekauft).

Zur Ergänzung, für die weitere Existenz des Euro gibt es neben dem Schaffen von wirtschaftlicher Konvergenz innerhalb der Eurozone und dem Einrichten einer Transferunion noch eine dritte Möglichkeit. Das ist die Einführung eines Prozesses zur geordneten Staatsinsolvenz, ein Schuldenerlass unter harten Auflagen ist eine Teilkomponente davon. Dazu wurden in Verbindung mit der Griechenlandkrise bereits detaillierte Pläne ausgearbeitet, aber man hat bisher gescheut so etwas als offizielles Instrumentarium aufzunehmen. Ob man das jetzt mit Italien vor der Brust nachholen kann wage ich zu bezweifeln.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von unity in diversity »

Guthaben sind ohne Schulden nicht erklärbar.
Handelsüberschüsse, ohne Handelsdefizite, auch nicht.
Des Einen Gewinn, ist des Anderen Verlust.
Des Einen Einnahme, ist des Anderen Ausgabe.
Solange sich alles im Gleichgewicht befindet, passiert nichts.
Eventuell muss man den Bezugsrahmen erweitern, um zu erkennen, wo sich Guthaben und Schulden ansammeln.
Die Wanderungsbewegungen sind interessant, weil die Versuchung gross ist, protektionistische Auswege zu finden.
Die Merkelregierung ist darin unübertroffen.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(26 Oct 2018, 16:28)
Wirtschaftswoche 24.10.2018 Interview mit Daniel Stelter
https://www.wiwo.de/politik/europa/dani ... 6-all.html
"Lösen lässt sich das theoretisch nur durch einen Schuldenerlass – zum Beispiel über Abschreibungen in der EZB-Bilanz – in Kombination mit einer verkleinerten Eurozone. Das wäre rational. Aber es ist politisch nicht mehr darstellbar, dafür gibt es mit Salvini und anderen Staatschefs keine Mehrheit. Auch wird keiner zugeben, dass der Euro ein Konstrukt ist, dem die ökonomischen Grundlagen fehlen und Probleme verschleppt wurden. Also setzen alle auf das Prinzip Hoffnung bis zum Ende ihrer Amtszeit. Insbesondere solange die Bevölkerung weiter zum Euro steht, wird der Euro nicht fallengelassen."
Schöner positionierender Überblick zu dieser nicht trivialen Problematik.
siehe auch:
http://www.manager-magazin.de/politik/w ... 253-3.html
Orbiter1 hat geschrieben:(27 Oct 2018, 09:29)
Zur Ergänzung, für die weitere Existenz des Euro gibt es neben dem Schaffen von wirtschaftlicher Konvergenz innerhalb der Eurozone und dem Einrichten einer Transferunion noch eine dritte Möglichkeit. Das ist die Einführung eines Prozesses zur geordneten Staatsinsolvenz, ein Schuldenerlass unter harten Auflagen ist eine Teilkomponente davon. Dazu wurden in Verbindung mit der Griechenlandkrise bereits detaillierte Pläne ausgearbeitet, aber man hat bisher gescheut so etwas als offizielles Instrumentarium aufzunehmen. Ob man das jetzt mit Italien vor der Brust nachholen kann wage ich zu bezweifeln.
Es gibt wenige Experten, die wie Stelter die finanzwirtschaftlichen und finanzpolitischen Mechanismen so gut zusammendenken können. Im Manager-Magazin-Artikel werden Szenarien spieltheoretisch durchdacht, die der politischen Wirklichkeit erstaunlich nahe kommen könnten.
Allerdings dürfte die finanzpolitische Idee des Euro als gemeinsamer Währung im Wettbewerb mit US-Dollar und Yuan langlebiger und zäher sein, als mittelfristig abzusehen ist.
siehe auch:
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Wähler hat geschrieben:(27 Oct 2018, 12:29)

Es gibt wenige Experten, die wie Stelter die finanzwirtschaftlichen und finanzpolitischen Mechanismen so gut zusammendenken können.
Ich hab mir mal seinen Blog angesehen. Das ist einer der üblichen EU-, Merkel- und Flüchtlingshasser. Für GB sieht er die strahlende Zukunft wenn endlich der Brexit vollzogen ist. Aber hier sind wir im Italien-Thread. Wann kommt denn nun die Übertragung der italienischen Staatsschulden per Buchhaltungstricks an die EZB? Die von Stelter angekündigten Erpressungsversuche der italienischen Regierung aus dem Euro auszutreten ("Für Italien ist es also optimal, uns zu erpressen") sind bisher nach hinten losgegangen. Nur die Erwähnung eines möglichen Euro-Ausstiegs führte zu steigenden Zinsen. Selbst Salvini betont seitdem dass Italien in der EU und im Euro bleiben wird. Man sollte Stelter an seinen Prognosen zur italienischen Staatsverschuldung messen. Von denen ist noch keine eingetroffen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Varilion »

Das Ver­mö­gen der Italiener besteht im großen Teil auf Immobilien (Italiener sind in der Regel Hausbesitzer), deren wert sehr "beliebig" ist; der zweiten großten Teil besteht einfach auf Staatsanleine...
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von unity in diversity »

Varilion hat geschrieben:(27 Oct 2018, 15:22)

Das Ver­mö­gen der Italiener besteht im großen Teil auf Immobilien (Italiener sind in der Regel Hausbesitzer), deren wert sehr "beliebig" ist; der zweiten großten Teil besteht einfach auf Staatsanleine...
Immobilien machen immobil, vor allem vor dem Hintergrund, den Arbeitsplätzen hinterher ziehen zu müssen.
Von daher das Anspruchsdenken der Italiener, Arbeitsplätze sind frei Haus zu liefern.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

unity in diversity hat geschrieben:(27 Oct 2018, 15:35)

Immobilien machen immobil, vor allem vor dem Hintergrund, den Arbeitsplätzen hinterher ziehen zu müssen.
Von daher das Anspruchsdenken der Italiener, Arbeitsplätze sind frei Haus zu liefern.
Nun würde ich da nicht zu hart urteilen: Denken Sie daran, daß wir in Deutschland aus umweltpolitischen Gründen möglichst gestern mit der Braunkohleverstromung aufhören möchten, daß aber die Menschen in der Region auch nicht unbedingt hinter der Arbeit her reisen möchten. Die Menschen dort kämpfen um ihre Arbeitsplätze, und die ganze Klimageschichte geht den Betroffenen am Allerwertesten vorbei.

So ganz abwegig ist doch diese Haltung auch wieder nicht. Vor 50 Jahren hatten noch sehr viele Menschen Arbeit und Brot vor der Haustür als Landwirte und Knechte... und plötzlich müssen die durch Europa reisen und Arbeit suchen. Eine Existenz wie in den USA mit Wohnmobil als Hauptwohnsitz, und dann dahin verlegen, wo man einen Job bekommt... an diese Lebensart müssen wir uns vielleicht noch gewöhnen.

Bei Varilions Aussage: "Halbes Vermögen im Wohngebäude/Eigentumswohnung, halbes Vermögen in Staatsanleihen" schwant mit Furchtbares. Wenn die populistischen Regierungen den Staat gegen die Wand fahren, dann haben die Leute dort kein Vermögen mehr in Staatsanleihen, und die Wohngebäude im Süden sind nichts mehr wert, weil dort kein Brot nach heutigem Standard zu verdienen ist. Da bleiben dann nur noch Rentner und Pflegekräfte... und ein paar Staatsbetriebe. Ok, die Urlauber und das Gastgewerbe an den Küsten, wenn die nicht schon zersiedelt und zerstört worden sind. In Sizilien gibt es dafür schlimme Beispiele! Dann macht Urlaub da ja auch keinen Spaß mehr.

Oder liege ich mit meinem Horrorgemälde ganz falsch?

Die nächste Schlußfolgerung ist doch, daß sich Italien am Ende so wie Griechenland verzweifelt an den Euro klammert, weil ohne den Schutz der übrigen Europartner Italien im Sturzflug in die 3. Welt abstürzt. Im Grunde kann also die EU-Kommission weiter beinhart auf einem ordentlichen Haushalt bestehen, weil die Drohung mit einer eigenen Währung eben nur eine Drohung bleibt. Die Schulden sind ja nicht plötzlich weg, nur weil man eine eigene Währung einführt. Na, das wird Theater geben... so recht nach dem Geschmack von Herrn Varoufakis... seligen Angedenkens! Finanzminister Scholz wird also den Super-Schäuble geben müssen... wenn es diese Bundesregierung bis 2021 schafft.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(27 Oct 2018, 12:29)
Es gibt wenige Experten, die wie Stelter die finanzwirtschaftlichen und finanzpolitischen Mechanismen so gut zusammendenken können. Im Manager-Magazin-Artikel werden Szenarien spieltheoretisch durchdacht, die der politischen Wirklichkeit erstaunlich nahe kommen könnten.
Allerdings dürfte die finanzpolitische Idee des Euro als gemeinsamer Währung im Wettbewerb mit US-Dollar und Yuan langlebiger und zäher sein, als mittelfristig abzusehen ist.
siehe auch:
http://www.manager-magazin.de/politik/w ... 253-3.html
Orbiter1 hat geschrieben:(27 Oct 2018, 14:28)
Die von Stelter angekündigten Erpressungsversuche der italienischen Regierung aus dem Euro auszutreten ("Für Italien ist es also optimal, uns zu erpressen") sind bisher nach hinten losgegangen. Nur die Erwähnung eines möglichen Euro-Ausstiegs führte zu steigenden Zinsen. Selbst Salvini betont seitdem dass Italien in der EU und im Euro bleiben wird. Man sollte Stelter an seinen Prognosen zur italienischen Staatsverschuldung messen. Von denen ist noch keine eingetroffen.
SZ 27. Oktober 2018 Italien riskiert den großen Knall
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... -1.4186641
Die Risikoprämie hat sich seit März von 1,2 auf 3,2 Prozentpunkte fast verdreifacht. Viele Beobachter betrachten die Vier-Prozent-Marke als absolut gefährlich. Ein gefürchteter Verstärker der Abwärtsspirale sind die Bewertungen der vier Ratingagenturen, die die Kreditwürdigkeit benoten. Italiens Staatsanleihen sind nah am Ramschniveau. Es reichen drei weitere Herabstufungen der Bonitätswächter, um Finanzinstitution zu zwingen, die Staatspapiere abzustoßen. Ad-hoc könnten so mehr als 100 Milliarden Dollar den Markt überschwemmen - ein Tsunami.
Als Lehre aus der Schuldenkrise Anfang des Jahrzehnts legte sich die Euro-Zone 2012 einen Rettungsschirm zu. Es wurde der Euro-Rettungsfonds ESM mit einer Darlehenskapazität von 500 Milliarden Euro eingerichtet, um die Zahlungsfähigkeit von überschuldeten Mitgliedstaaten zu sichern. Daneben legte sich die EZB das Programm Outright Monetary Transactions (OMT) zu, mit dem unbegrenzt Staatsanleihen gekauft werden können. Draghi zerstörte am Donnerstag die Illusion der Regierenden in Rom, er könne seinen Landsleuten zur Seite springen. Genau das verlangt Italien hartnäckig von ihm. Mit Nachdruck wies der EZB-Chef darauf hin, dass dem Land als einzige Hilfsmöglichkeit das OMT zur Verfügung steht. Für seine Aktivierung müsste die Regierung einen Rettungsantrag beim ESM stellen und sich im Gegenzug zu Reformen und Sanierungsmaßnahmen verpflichten. Sie würde den Verlust ihrer Souveränität in der Haushaltspolitik unterschreiben.
"Am Finanzmarkt hat man verstanden, dass die aktuellen Turbulenzen nicht mit der Lage im Krisenjahr 2011 vergleichbar sind. Die neue Architektur der Stabilisierungsmechanismen eliminiert die Ansteckungsgefahr für andere Euro-Länder wie Spanien und Portugal, die bisher nicht mit Zinssteigerungen zu kämpfen haben. Für Griechenland senkte sich die Zinsdifferenz zu Italien sogar um einen Prozentpunkt. "Die Annahme, dass Italien zu groß ist, um nicht gerettet zu werden, ist damit anscheinend widerlegt", sagt Bini Smaghi."
Die italienische Regierung wird sich so teuer wie möglich verkaufen. Beide Seiten werden sich bewegen müssen, da ein Rettungspaket gigantische Ausmaße haben könnte.
siehe auch:
https://www.welt.de/finanzen/article166 ... -Zone.html
"Noch sind 93 Prozent der Papiere nach heimischem Recht ausgegeben. „Das ermöglicht es den Italienern, die Papiere im Zweifelsfall auch in Lira zurückzuzahlen, sollte es zu einem Austritt kommen”, betonte Brigitte Granville, Professorin der Queen-Mary-Universität in London. "
Zuletzt geändert von Wähler am So 28. Okt 2018, 10:30, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von z4ubi »

Orbiter1 hat geschrieben:(26 Oct 2018, 09:34)

Ja, die japanische Staatsverschuldung ist viel größer. Sie beläuft sich auf 236% des BSP (Italien 130%) und umgerechnet 10 Billionen Euro (Italien 2,3 Billionen Euro). Trotzdem muß die japanische Regierung weniger für ihre Schulden ausgeben als die italienische Regierung. In Japan liegen die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen bei 0,1%, in Italien bei 3,6%. Das hat vor allem mit der unterschiedlichen Erwartung der Anleger zu tun dass man sein Geld von der Regierung auch wieder zurückbekommt. Da ist das Vertrauen in die japanische Regierung erheblich höher.
Die Japanische Regierung wird Schulden in ihrer eigenen Währung immer zurückzahlen können, weil ihr die japanische Zentralbank letztlich neue Staatsanleihen immer abnehmen kann.
Durchaus nachvollziehbar, dass Italien gerne ähnlich handeln würde (weil hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Inflation.)

Im Euro ist das aber nicht so einfach. Die EZB darf nur indirekt Staatsanleihen erwerben und der politische Druck kann sehr hoch sein, dass sie es in manchen Fällen unterlassen muss.
Aus der Sicht wirkt die Euro auf die Einzelstaaten wie eine Fremdwährung.

IMO besteht hier ein Reformbedarf. Aber wurde hier ja schon angesprochen, dass der Euroraum eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik bedarf, damit der Euro noch eine Zukunft hat.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

z4ubi hat geschrieben:(28 Oct 2018, 08:06)

Die Japanische Regierung wird Schulden in ihrer eigenen Währung immer zurückzahlen können, weil ihr die japanische Zentralbank letztlich neue Staatsanleihen immer abnehmen kann.
Durchaus nachvollziehbar, dass Italien gerne ähnlich handeln würde (weil hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Inflation.)

Im Euro ist das aber nicht so einfach. Die EZB darf nur indirekt Staatsanleihen erwerben und der politische Druck kann sehr hoch sein, dass sie es in manchen Fällen unterlassen muss.
Aus der Sicht wirkt die Euro auf die Einzelstaaten wie eine Fremdwährung.

IMO besteht hier ein Reformbedarf. Aber wurde hier ja schon angesprochen, dass der Euroraum eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik bedarf, damit der Euro noch eine Zukunft hat.
Erst einmal: "Ja, einverstanden!"

Man könnte sich auch vorstellen, daß Italien sich diese Freiheit verschafft, indem das Land aus der Gemeinschaftswährung ausscheidet. Die vertraglichen Hindernisse auf diesem Wege lassen wir einmal außen vor.

Dagegen spricht aus meiner laienhaften Sicht aber, daß Italien sich bei der Gemeinschaft verschuldet hat; daß also solide wirtschaftende und finanzierende Partner mit italienischen Schulden sitzen bleiben. Zweifellos wird Italien diese Schuld abtragen müssen, natürlich in erwirtschafteten Hartwährungen.

Das war vor einigen Jahren doch auch der Grund, weshalb sich die Griechen am Ende ziemlich verzweifelt an den Euro geklammert hatten, nachdem zu Beginn der Schuldenkrise Finanzminister Varoufakis im Duett mit MP Tsipras gedroht hatten, den Euro verlassen zu wollen. Am Ende hat dann Finanzminister Schäuble noch damit geliebäugelt, die Griechen zeitweise zur Drachme zurück kehren zu lassen. Das hat dann die Kanzlerin mit Präsident Hollande abgebogen, weil man damit Griechenland in die 3. Welt befördert hätte.

So dürften auch die Drohungen Italiens enden... wenn ich auch das wirtschaftliche Potential Italiens weitaus höher einschätze.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von z4ubi »

Ja, Italien ist da ein ganz anderes Kaliber. Spanien hat auch sein Defizit ordentlich hochfahren müssen, um die Folgen der Finanzkrise zu bekämpfen. Und die Arbeitslosigkeit ist dort immernoch sehr hoch. Es bleibt offen, ob dort der Staat künftig noch mehr investieren muss.
Um politische Stabilität zu garantieren, muss die Arbeitslosigkeit in den Ländern bekämpft werden und nicht nur, indem man Billigjobs schafft. Wenn der "freie Markt" allein das nicht macht, muss eben der Staat eingreifen.

Letztlich wird, so vermute ich, an einer Reform des Euro(-raums), nichts vorbeiführen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

z4ubi hat geschrieben:(28 Oct 2018, 11:37)

Ja, Italien ist da ein ganz anderes Kaliber. Spanien hat auch sein Defizit ordentlich hochfahren müssen, um die Folgen der Finanzkrise zu bekämpfen. Und die Arbeitslosigkeit ist dort immernoch sehr hoch. Es bleibt offen, ob dort der Staat künftig noch mehr investieren muss.
Um politische Stabilität zu garantieren, muss die Arbeitslosigkeit in den Ländern bekämpft werden und nicht nur, indem man Billigjobs schafft. Wenn der "freie Markt" allein das nicht macht, muss eben der Staat eingreifen.

Letztlich wird, so vermute ich, an einer Reform des Euro(-raums), nichts vorbeiführen.
Nun ja, allzu viele Möglichkeiten gibt es dazu aber nicht. Der Euro ist schon sehr tief verankert im Bewußtsein der Euro-Gruppe. Eine Hartwährung ohne Beispiel. In gewisser Weise auch der Stolz, dazu zu gehören dort, wo man den Euro verflucht.

Der mir sympathischste Weg wäre, auf dem Weg zum vereinten Europa durch harmonisierte Steuern, Abgaben, soziale Leistungen, Wirtschaftsweise, Verwaltung Schritt für Schritt voran zu gehen, damit irgendwann die Sorgen in Spanien, Italien und Griechenland unsere Sorgen werden, und wir aber auch auf deren Auflösung vor Ort und in der EU mit demokratischen Verfahren einwirken können.

Das augenblickliche Verfahren, daß A unabhängig entscheidet und B ohne Gegenwehr für einen Teil der Verbindlichkeiten von A gerade stehen soll, das ist doch nur geeignet, allseits Verdrossenheit zu fördern!
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

z4ubi hat geschrieben:(28 Oct 2018, 11:37)
Ja, Italien ist da ein ganz anderes Kaliber. Spanien hat auch sein Defizit ordentlich hochfahren müssen, um die Folgen der Finanzkrise zu bekämpfen. Und die Arbeitslosigkeit ist dort immernoch sehr hoch. Es bleibt offen, ob dort der Staat künftig noch mehr investieren muss.
Um politische Stabilität zu garantieren, muss die Arbeitslosigkeit in den Ländern bekämpft werden und nicht nur, indem man Billigjobs schafft. Wenn der "freie Markt" allein das nicht macht, muss eben der Staat eingreifen.
Letztlich wird, so vermute ich, an einer Reform des Euro(-raums), nichts vorbeiführen.
Vielleicht macht ja eine absehbare Bankenkrise in Italien der Gruppe der Euro-Finanzminister Beine.
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/war ... 50450.html
"Sollte sich der Spread zwischen deutschen und italienischen Anleihen auf vier Prozentpunkte erhöhen, brauchen laut der italienischen Finanzmarktvereinigung Assiom Forex einige Banken frisches Kapital."
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Wähler hat geschrieben:(28 Oct 2018, 14:33)

Vielleicht macht ja eine absehbare Bankenkrise in Italien der Gruppe der Euro-Finanzminister Beine.
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/war ... 50450.html
"Sollte sich der Spread zwischen deutschen und italienischen Anleihen auf vier Prozentpunkte erhöhen, brauchen laut der italienischen Finanzmarktvereinigung Assiom Forex einige Banken frisches Kapital."
Da müssen sich die Finanzminister der Eurozone keine Gedanken machen. Laut Salvini werden alle Probleme Italien-intern gelöst.

"Wenn eine Bank oder ein Unternehmen in Not ist, dann sind wir da", sagte Innenminister und Vize-Premier Matteo Salvini laut der Nachrichtenagentur Ansa am Donnerstag ... Zuvor hatte Salvini ausgeschlossen, dass die Regierung in Rom Russland oder andere Länder zum Kauf italienischer Staatsschulden aufrufen werde, um die Märkte zu beruhigen. "Wir brauchen keine Hilfe von außen", sagte Salvini am Rande des Eurasischen Wirtschaftsforums in Verona." Quelle: https://www.aktiencheck.de/exklusiv/Art ... it-9120229

Na endlich hat jemand das Perpetuum Mobile erfunden. Die italienischen Banken halten mit immer neuen und größeren Krediten die segensreichen Projekte der italienischen Regierung am Laufen und die italienische Regierung hält die in Not geratenen italienischen Banken am Laufen. Salvini ist ohne jeden Zweifel das größte Genie in der italienischen Geschichte. Damit bleibt Leonardo da Vinci nur noch Platz 2, aber nach 499 Jahren wurde es auch mal Zeit für eine neue Nummer 1.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Ich hoffe jetzt aber, daß der EU-Kommissar Moscovici diesen Fall sehr aufmerksm verfolgt und rechtzeitig für Gegenmaßnahmen sorgt. Das wirklich Geniale ist ja wohl, daß die Euro-Partner ungefragt einen Teil der aufgetürmten Schulden des Schuldners mit abtragen müssen, wenn der eine Staatspleite hinlegt. Wenn das so ist, dann müßte irgendwann auch unser Bundesfinanzminister Klartext reden.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von z4ubi »

H2O hat geschrieben:(29 Oct 2018, 10:08)

Ich hoffe jetzt aber, daß der EU-Kommissar Moscovici diesen Fall sehr aufmerksm verfolgt und rechtzeitig für Gegenmaßnahmen sorgt. Das wirklich Geniale ist ja wohl, daß die Euro-Partner ungefragt einen Teil der aufgetürmten Schulden des Schuldners mit abtragen müssen, wenn der eine Staatspleite hinlegt. Wenn das so ist, dann müßte irgendwann auch unser Bundesfinanzminister Klartext reden.
Die Frage ist nur, ob sie alternative Vorschläge haben (zu staatlichen Investitionen), um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Druck auf die niedrige Inflation zu machen.
Ich habe da so meine Bedenken.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

z4ubi hat geschrieben:(29 Oct 2018, 17:36)

Die Frage ist nur, ob sie alternative Vorschläge haben (zu staatlichen Investitionen), um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Druck auf die niedrige Inflation zu machen.
Ich habe da so meine Bedenken.
Diese Bedenken teile ich ja mit Ihnen. Nur kann dies ja kein Dauerzustand werden. Dazu setzt man sich vertrauensvoll zusammen und überlegt gemeinsam Lösungen; im Idealfall solche, die unumkehrbar zu "mehr Europa" führen und zur Harmonisierung unserer Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Abgabensysteme und unserer Bildungs- und Ausbildungssysteme. Will sagen zur Aufgabe unserer aller Unabhängigkeit auf diesen Feldern. Daran geht schon auf mittlere Sicht kein Weg vorbei, wenn wir den Euro und das europäische Projekt auch zukünftig haben möchten.

Wenn die italienische Seite sich dagegen verwahrt, dann haben wir wenigstens eine Gemeinschaftslösung mit geteilter Verantwortung angeboten... und wir können Italien loslassen, ohne ein rabenschwarzes Gewissen zu haben.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

ntv 2. November 2018 Die Banca Carige rutscht während der Simulation beim Kernkapital in den roten Bereich
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Italieni ... 01179.html
"Auf Basis der Bilanzen zum Jahresende 2017 mussten die Banken durchrechnen, wie viel dünner ihre Kapitaldecke innerhalb von drei Jahren werden würde, wenn die Konjunktur einbricht, die Arbeitslosenzahlen steigen und die Immobilienpreise in den Keller gehen."
Das Hauptrisiko der italienischen Staatsanleihen in den Bilanzen der italiensichen Banken wurde gar nicht getestet. Es gibt immer noch keine Eigenkapitalanforderungen an Banken für Staatsanleihen, die nahe dem Ramschstatus sind. ;)
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(03 Nov 2018, 08:51)

ntv 2. November 2018 Die Banca Carige rutscht während der Simulation beim Kernkapital in den roten Bereich
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Italieni ... 01179.html
"Auf Basis der Bilanzen zum Jahresende 2017 mussten die Banken durchrechnen, wie viel dünner ihre Kapitaldecke innerhalb von drei Jahren werden würde, wenn die Konjunktur einbricht, die Arbeitslosenzahlen steigen und die Immobilienpreise in den Keller gehen."
Das Hauptrisiko der italienischen Staatsanleihen in den Bilanzen der italiensichen Banken wurde gar nicht getestet. Es gibt immer noch keine Eigenkapitalanforderungen an Banken für Staatsanleihen, die nahe dem Ramschstatus sind. ;)
So lange das Überleben der Banken in Krisenzeiten nicht durch ausreichend Eigenkapital gesichert ist, kann dieses Land doch gar nicht an der Bankenunion teilnehmen... ist das der Sinn Ihrer Aussage? Ist es überhaupt möglich, die Bankenunion nur mit einem Teil der Banken oder Staaten auf zu bauen?
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(03 Nov 2018, 08:51)
ntv 2. November 2018 Die Banca Carige rutscht während der Simulation beim Kernkapital in den roten Bereich
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Italieni ... 01179.html
"Auf Basis der Bilanzen zum Jahresende 2017 mussten die Banken durchrechnen, wie viel dünner ihre Kapitaldecke innerhalb von drei Jahren werden würde, wenn die Konjunktur einbricht, die Arbeitslosenzahlen steigen und die Immobilienpreise in den Keller gehen."
Das Hauptrisiko der italienischen Staatsanleihen in den Bilanzen der italiensichen Banken wurde gar nicht getestet. Es gibt immer noch keine Eigenkapitalanforderungen an Banken für Staatsanleihen, die nahe dem Ramschstatus sind. ;)
H2O hat geschrieben:(03 Nov 2018, 17:40)
So lange das Überleben der Banken in Krisenzeiten nicht durch ausreichend Eigenkapital gesichert ist, kann dieses Land doch gar nicht an der Bankenunion teilnehmen... ist das der Sinn Ihrer Aussage? Ist es überhaupt möglich, die Bankenunion nur mit einem Teil der Banken oder Staaten auf zu bauen?
Mich interesiiert mehr die Frage, wie lange der italienische Staat sein Bankensystem, ohne beim ESM wie Spanien um Hilfe zu bitten, rekapitalisieren kann, wenn das Hauptrisiko in den Bankbilanzen die italienischen Staatsanleihen sind. Die Bankenunion betrifft ja nur den Vorsorgefonds für die Einlagensicherung und die Letztabsicherung durch den ESM, was die Sichteinlagensicherung im Insolvenzfall betrifft.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(03 Nov 2018, 17:48)

Mich interesiiert mehr die Frage, wie lange der italienische Staat sein Bankensystem, ohne beim ESM wie Spanien um Hilfe zu bitten, rekapitalisieren kann, wenn das Hauptrisiko in den Bankbilanzen die italienischen Staatsanleihen sind. Die Bankenunion betrifft ja nur den Vorsorgefonds für die Einlagensicherung und die Letztabsicherung durch den ESM, was die Sichteinlagensicherung im Insolvenzfall betrifft.
Das verstehe ich nur so ungefähr. Meinen Sie mit "rekapitalisieren", daß der Staat mit richtigem Geld seine Anleihen wieder aufkaufen soll, die gerade nichts mehr wert sind? Mit "Sichteinlagen" meinen Sie dann sicher Geldeinlagen in Banken als sicherem Aufbewahrungsort, die heute bis 100.000 € je Anleger garantiert sind? Und das können einige italienische Banken nicht leisten... richtig?
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(03 Nov 2018, 17:48)
Mich interesiiert mehr die Frage, wie lange der italienische Staat sein Bankensystem, ohne beim ESM wie Spanien um Hilfe zu bitten, rekapitalisieren kann, wenn das Hauptrisiko in den Bankbilanzen die italienischen Staatsanleihen sind. Die Bankenunion betrifft ja nur den Vorsorgefonds für die Einlagensicherung und die Letztabsicherung durch den ESM, was die Sichteinlagensicherung im Insolvenzfall betrifft.
H2O hat geschrieben:(03 Nov 2018, 18:27)
Das verstehe ich nur so ungefähr. Meinen Sie mit "rekapitalisieren", daß der Staat mit richtigem Geld seine Anleihen wieder aufkaufen soll, die gerade nichts mehr wert sind? Mit "Sichteinlagen" meinen Sie dann sicher Geldeinlagen in Banken als sicherem Aufbewahrungsort, die heute bis 100.000 € je Anleger garantiert sind? Und das können einige italienische Banken nicht leisten... richtig?
Rekaptialisieren bedeutet, dass die Bankaktiva ausgeglichen werden müssen, wenn die Staatsanleihen in Folge höherer Zinsen im Kurs sinken. Die Banken brauchen die Staatsanleihen als Pfänder, um bei der Nationalbank Zentralbankgeld für den Zahlungsverkehr der Banken untereinander zu bekommen. Banken akzeptieren untereinander für jede Transaktion, Überweisung von Giralbankgeld, nur Zentralbankgeld. Wenn ihre Staatsanleihen als Pfänder nicht ausreichen, brauchen sie andere Geldwertpapiere oder Sachwerte, die sie bei der Zentralbank hinterlegen können. Wenn die Staatanleihen Ramschniveau erreichen, darf sie die Zentralbank nicht mehr als Pfand annehmen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(04 Nov 2018, 07:31)

Rekaptialisieren bedeutet, dass die Bankaktiva ausgeglichen werden müssen, wenn die Staatsanleihen in Folge höherer Zinsen im Kurs sinken. Die Banken brauchen die Staatsanleihen als Pfänder, um bei der Nationalbank Zentralbankgeld für den Zahlungsverkehr der Banken untereinander zu bekommen. Banken akzeptieren untereinander für jede Transaktion, Überweisung von Giralbankgeld, nur Zentralbankgeld. Wenn ihre Staatsanleihen als Pfänder nicht ausreichen, brauchen sie andere Geldwertpapiere oder Sachwerte, die sie bei der Zentralbank hinterlegen können. Wenn die Staatanleihen Ramschniveau erreichen, darf sie die Zentralbank nicht mehr als Pfand annehmen.
Mit Zentralbank ist in der Euro-Gruppe die EZB gemeint, richtig? Dann darf Herr Draghi keine italienischen Staatsanleihen annehmen, wenn die Banken in Italien wieder Geld davon werden lassen wollen. Fast bin ich sicher, daß ich das jetzt richtig verstanden habe. :) Für finanztechnische Laien ist die finanztechnische Terminologie ein ziemliches Hindernis.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(04 Nov 2018, 07:31)
Rekaptialisieren bedeutet, dass die Bankaktiva ausgeglichen werden müssen, wenn die Staatsanleihen in Folge höherer Zinsen im Kurs sinken. Die Banken brauchen die Staatsanleihen als Pfänder, um bei der Nationalbank Zentralbankgeld für den Zahlungsverkehr der Banken untereinander zu bekommen. Banken akzeptieren untereinander für jede Transaktion, Überweisung von Giralbankgeld, nur Zentralbankgeld. Wenn ihre Staatsanleihen als Pfänder nicht ausreichen, brauchen sie andere Geldwertpapiere oder Sachwerte, die sie bei der Zentralbank hinterlegen können. Wenn die Staatanleihen Ramschniveau erreichen, darf sie die Zentralbank nicht mehr als Pfand annehmen.
H2O hat geschrieben:(04 Nov 2018, 08:10)
Mit Zentralbank ist in der Euro-Gruppe die EZB gemeint, richtig? Dann darf Herr Draghi keine italienischen Staatsanleihen annehmen, wenn die Banken in Italien wieder Geld davon werden lassen wollen. Fast bin ich sicher, daß ich das jetzt richtig verstanden habe. :) Für finanztechnische Laien ist die finanztechnische Terminologie ein ziemliches Hindernis.
Auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise war das genauso. Deswegen gab es auch Kapitalverkehrskontrollen. Die Griechen konnten nur begrenzt Giralgeld von ihren kurzfristigen Sichteinlagen als Bargeld, also Zentralbankgeld, abheben.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

@ Wähler:

Bedeutet die Verschuldung Italiens dann, daß bei einem Zusammenbruch der italienischen Banken diesen Banken dann von der EZB Kredite in Form von Bargeld zugeteilt werden, womit Italiener in Italien nur Summen von einigen hundert Euro in der Woche oder im Monat abheben können? So war das doch in Griechenland. Wobei Italien mit 65 Mio Einwohnern etwa 6-mal Griechenland sein wird.

Hat das den Italienern schon einmal jemand allgemeinverständlich erklärt? Etwa der "Corriere della Sera" oder "La Pepubblica", die ich beide für ganz vernünftige Tageszeitungen halte; jedenfalls war das so vor 15 Jahren, als ich oft und lange in Italien gearbeitet habe.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Wähler hat geschrieben:(04 Nov 2018, 09:10)

Auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise war das genauso. Deswegen gab es auch Kapitalverkehrskontrollen. Die Griechen konnten nur begrenzt Giralgeld von ihren kurzfristigen Sichteinlagen als Bargeld, also Zentralbankgeld, abheben.
Das ist alles korrekt was sie schreiben. Es sollte aber nach meiner Überzeugung nicht der Eindruck entstehen dass die Finanzkrise von Griechenland und der aktuelle Fall Italien vergleichbar wären. Dem ist nicht so.

Griechenland hat jahrelang exzessiv über seine Verhältnisse gelebt und war nach Korrektur seiner zu erwartenden Verschuldungsrate des Jahres 2009 (statt 3,7% des BSP sollten es 12,7% werden) und dem Eingeständnis dass die Statistikzahlen massiv manipuliert wurden de facto zahlungsunfähig. Niemand wollte Griechenland nach dem massiven Vertrauensverlust noch Geld leihen, die Zinsen für 10-jährige griechische Staatsanleihen stiegen im Juli 2010 auf über 18%.

Italien ist davon meilenweit entfernt. Da geht die Diskussion um eine Ausweitung der Verschuldungsrate auf 2,4% des BSP. Die Zinsen für 10-jährige italienische Staatsanleihen liegt aktuell bei 3,3%. Italien erzielt auch einen Leistungsbilanzüberschuss, verfügt über sehr hohe Durchschnittsvermögen in den Privathaushalten und kann seine Schulden locker bedienen. Der neuen italienischen Regierung geht es lediglich darum einen Dummen außerhalb Italiens zu finden der ihnen ein paar hundert Mrd Schulden abnimmt. Dann wäre wieder genügend Spielraum da um die gemachten Wahlversprechen auch umsetzen zu können.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(04 Nov 2018, 09:10)
Auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise war das genauso. Deswegen gab es auch Kapitalverkehrskontrollen. Die Griechen konnten nur begrenzt Giralgeld von ihren kurzfristigen Sichteinlagen als Bargeld, also Zentralbankgeld, abheben.
Orbiter1 hat geschrieben:(04 Nov 2018, 10:22)
Italien ist davon meilenweit entfernt. Da geht die Diskussion um eine Ausweitung der Verschuldungsrate auf 2,4% des BSP. Die Zinsen für 10-jährige italienische Staatsanleihen liegt aktuell bei 3,3%. Italien erzielt auch einen Leistungsbilanzüberschuss, verfügt über sehr hohe Durchschnittsvermögen in den Privathaushalten und kann seine Schulden locker bedienen. Der neuen italienischen Regierung geht es lediglich darum einen Dummen außerhalb Italiens zu finden der ihnen ein paar hundert Mrd Schulden abnimmt. Dann wäre wieder genügend Spielraum da um die gemachten Wahlversprechen auch umsetzen zu können.
Das wird so aber nicht funktionieren, weil der ESM für ein Rettungsprogramm Gegenleistungen verlangen wird. An einem Staatschuldenschnitt dürfte die jetzige italienische Regierung auch nicht interessiert sein. Das Spielen auf der Zeitachse dürfte ebenfalls nicht unbegrenzt weitergehen. Irgendwann wird die italienische Regierung also in den sauren Apfel beißen müssen, die Struktur ihres Staatshaushaltes zu überdenken. Nur das machen Politiker nicht so gerne. ;)
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von z4ubi »

Orbiter1 hat geschrieben:(04 Nov 2018, 10:22)
Italien ist davon meilenweit entfernt. Da geht die Diskussion um eine Ausweitung der Verschuldungsrate auf 2,4% des BSP. Die Zinsen für 10-jährige italienische Staatsanleihen liegt aktuell bei 3,3%. Italien erzielt auch einen Leistungsbilanzüberschuss, verfügt über sehr hohe Durchschnittsvermögen in den Privathaushalten und kann seine Schulden locker bedienen. Der neuen italienischen Regierung geht es lediglich darum einen Dummen außerhalb Italiens zu finden der ihnen ein paar hundert Mrd Schulden abnimmt. Dann wäre wieder genügend Spielraum da um die gemachten Wahlversprechen auch umsetzen zu können.
Das Durchschnittsvermögen hilft aber scheinbar vielen Italienern nicht, wenn man die niedrige Inflation und die hohe Arbeitslosigkeit in Italien betrachtet.
Wenn Italien die Verschuldung erhöht, macht sie auch nichts anderes als Spanien und Portugal, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern.

Alternativ könnte man natürlich auch die Reichen und Vermögenden stärker besteuern.
Habe nichts dazu gelesen, ob es solche Vorschläge aus Brüssel gibt. (Vielleicht will man nicht, dass das noch Mode macht ;) )
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

z4ubi hat geschrieben:(04 Nov 2018, 11:14)
Das Durchschnittsvermögen hilft aber scheinbar vielen Italienern nicht, wenn man die niedrige Inflation und die hohe Arbeitslosigkeit in Italien betrachtet.
Wenn Italien die Verschuldung erhöht, macht sie auch nichts anderes als Spanien und Portugal, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern.
Alternativ könnte man natürlich auch die Reichen und Vermögenden stärker besteuern.
Habe nichts dazu gelesen, ob es solche Vorschläge aus Brüssel gibt. (Vielleicht will man nicht, dass das noch Mode macht ;) )
Bei einem Staatsschuldenschnitt wie in Griechenland würden alle Besitzer, ob private Einzelpersonen oder Banken oder Versicherungen, einen Kursverlust von 25% oder 50% für jede Anleihe hinnehmen müssen. Bei insolventen Banken kämen noch die Verluste für private Sichteinlagen über 100 000 Euro hinzu, wie es in Zypern der Fall war.
Die Banken Spaniens wurden übrigens über ein Rettungspaket des ESM rekapitalisiert. Spaniens Staatsverschuldung hat sich übrigens durch die Immobllienkrise verdoppelt.
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z4ubi
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von z4ubi »

Wenn man jetzt im Euroraum mit Schuldenschnitten großer Staaten wie Italien beginnt, könnte das Vertrauen an den Finanzmärkten in andere europäische Staatsanleihen erheblich sinken.
Dann doch lieber der EZB erlauben Staatsanleihen direkt zu erwerben - komme, was wolle.

Das Herumgewurschtel im Euroraum kann letztlich nur durch eine Euroreform gelöst werden (gemeinsame, geordnete Wirtschafts- und Fiskalpolitik usw.).

ps:
Ja, richtig, was Spanien und die Immobilienkrise betrifft. Die Arbeitslosigkeit ist ja dort auch immernoch recht hoch. Es bleibt spannend, wie es dort wietergehen wird.
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Orbiter1
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Wähler hat geschrieben:(04 Nov 2018, 10:27)

Das wird so aber nicht funktionieren, weil der ESM für ein Rettungsprogramm Gegenleistungen verlangen wird.
Nach meiner Überzeugung denkt die italienische Regierung nicht im Traum daran den ESM um ein Rettungsprogramm mit Auflagen zu bitten.
An einem Staatschuldenschnitt dürfte die jetzige italienische Regierung auch nicht interessiert sein.
Die sind sogar sehr stark an einem Staatsschuldenschnitt interessiert. Es kam ja schon die Forderung die EZB soll auf die Tilgung der italienischen Staatsanleihen die sie in den letzten Jahren aufgekauft hat (350 Mrd €) verzichten. Das wäre sogar das präferierte Traumszenario. Damit würden die Steuerzahler der anderen Eurostaaten die Kosten für den Schuldenschnitt übernehmen, aber nicht die italienischen Banken und auch nicht die italienischen Bürger.
Das Spielen auf der Zeitachse dürfte ebenfalls nicht unbegrenzt weitergehen. Irgendwann wird die italienische Regierung also in den sauren Apfel beißen müssen, die Struktur ihres Staatshaushaltes zu überdenken. Nur das machen Politiker nicht so gerne. ;)
Das wird ganz sicher nicht passieren. Dafür wurde die italienische Regierung nicht gewählt.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Orbiter1 hat geschrieben:(05 Nov 2018, 08:08)
Nach meiner Überzeugung denkt die italienische Regierung nicht im Traum daran den ESM um ein Rettungsprogramm mit Auflagen zu bitten. Die sind sogar sehr stark an einem Staatsschuldenschnitt interessiert. Es kam ja schon die Forderung die EZB soll auf die Tilgung der italienischen Staatsanleihen die sie in den letzten Jahren aufgekauft hat (350 Mrd €) verzichten. Das wäre sogar das präferierte Traumszenario. Damit würden die Steuerzahler der anderen Eurostaaten die Kosten für den Schuldenschnitt übernehmen, aber nicht die italienischen Banken und auch nicht die italienischen Bürger. Das wird ganz sicher nicht passieren. Dafür wurde die italienische Regierung nicht gewählt.
Die EZB darf laut ihres Statuts gar nicht auf die Tilgung von als Pfand angenommenen italienischen Staatsanleihen verzichten, weil das unerlaubte Staatsfinanzierung durch die EZB wäre.
Bei dem Staatsschuldenschnitt für Griechenland musste die EZB aus diesem Grund auch außen vorbleiben.
siehe auch: Wie die EZB sich dem griechischem Schuldenschnitt entzieht
https://www.zeit.de/wirtschaft/2012-02/ ... ihentausch
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Varilion »

Über diesen Schuldenerlass haben die Herren nach der Wahkampagne faktisch nicht mehr geredet. Das bleibt ein gutes Argument, wenn man an der Opposition ist; Wenn man regieren muss, wird es dann problematisch.
In wirtschaftlicher oder politischer Hinsicht ist das nur Blödsinn.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Varilion hat geschrieben:(05 Nov 2018, 22:18)

Über diesen Schuldenerlass haben die Herren nach der Wahkampagne faktisch nicht mehr geredet. Das bleibt ein gutes Argument, wenn man an der Opposition ist; Wenn man regieren muss, wird es dann problematisch.
In wirtschaftlicher oder politischer Hinsicht ist das nur Blödsinn.
Der Überzeugung bin ich auch; wer sich verschuldet, der arbeitet für die Gewinne anderer Leute, oder er wettet auf deren plötzlichen Untergang. Ein Mittel, um einen "normalen" Haushalt zu führen, kann das nie und nimmer sein. Mir ist nicht klar, welche besondere politische Lage über Italien herein gebrochen sein sollte, daß es sich zur Abwendung der gröbsten Nöte derart verschulden muß. Aus meiner Sicht muß die EU sehr hart bleiben, damit Italien endlich seine überfälligen politischen Reformen einleitet. Ein so großes und mit bewundernswerten Fähigkeiten gesegnetes Land muß ganz einfach in der Lage sein, gute Regierungsführung um zu setzen!

In Deutschland waren Schulden und Steuererhöhungen für die Kosten der Wiedervereinigung nicht zu vermeiden, mit denen 40 Jahre Mißwirtschaft durch Sozialismus abgearbeitet werden mußten. Das bezahlt niemand aus der linken Westentasche.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Arcturus »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2018, 08:27)

Mir ist nicht klar, welche besondere politische Lage über Italien herein gebrochen sein sollte, daß es sich zur Abwendung der gröbsten Nöte derart verschulden muß.
Die Menschen, vor allem im Süden, sind verzweifelt. Sollten Sie doch eigentlich wissen.
Aus meiner Sicht muß die EU sehr hart bleiben, damit Italien endlich seine überfälligen politischen Reformen einleitet.
Dann ist Bella Italia raus aus der EU. Die Leute sind EU-müde. Dank an den Partito Democratico dafür.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Varilion hat geschrieben:(05 Nov 2018, 22:18)

Über diesen Schuldenerlass haben die Herren nach der Wahkampagne faktisch nicht mehr geredet. Das bleibt ein gutes Argument, wenn man an der Opposition ist; Wenn man regieren muss, wird es dann problematisch.
In wirtschaftlicher oder politischer Hinsicht ist das nur Blödsinn.
Das mag so sein. Aber wer weiß schon zu welchen Mitteln eine populistische Regierung greift wenn sie mit dem Rücken an der Wand steht. Klar ist jedenfalls dass ausschließlich die italienische Regierung darüber entscheidet ob die von der EZB aufgekauften Staatsanleihen im Volumen von 350 Mrd EUR bedient und zurückgezahlt werden. Und klar ist auch dass die italienische Regierung sich Unterstützung vom EZB-Chef Draghi erhofft(e). Letzte Woche gab es da einen Rüffel von di Maio.

"Der EZB-Chef hatte auf einer Pressekonferenz in Frankfurt erklärt, er sei besorgt über den italienischen Haushaltsplan, denn eine Neuverschuldung bedeute ein Risiko für Banken, Unternehmen und Familien. Italiens Vize-Chef di Maio kontert, er sei überrascht von Draghi's Worten. Er habe die Atmosphäre weiter vergiftet, anstatt Italien zu unterstützen. Ausserdem überrasche es ihn, dass ausgerechnet ein Italiener so spreche." Quelle: https://de.euronews.com/2018/10/26/luig ... hef-draghi

Ich halte eine temporäre Erhöhung der Staatsverschuldung durchaus für sinnvoll, aber nur wenn sie von notwendigen strukturellen Anpassungen begleitet werden. Das haben ja auch schon eine ganze Reihe von Eurostaaten so gemacht einschließlich Deutschland. Von strukturellen Anpassungen kann aber beim Programm der italienischen Regierung nicht die Rede sein.
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