Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Euractiv 6. Dezember 2018 Gestern und heute kommen die regionale Vertreter der 28 Mitgliedstaaten zusammen, um über den mehrjährigen Finanzplan der EU ab 2021 abzustimmen
https://www.euractiv.de/section/europak ... ushalt-ab/
Mit 365 Milliarden Euro in der derzeitigen Förderperiode sind die Strukturfonds der größte Ausgabenpunkt der EU, noch vor der Landwirtschaft.
Doch von nun an soll gekürzt werden. 47 Milliarden Euro weniger soll es ab 2021 für die Regionen geben, denn der Brexit und neue Prioritäten wie Verteidigung und Innovation wollen finanziert werden. Für das wohlhabende Deutschland, so hat es die Bundesregierung kürzlich errechnet (LINK), würde das knapp 21 Prozent weniger bedeuten.
Zwar steht der Vorschlag der Kommission, den Asyl- und Migrationsfonds auszubauen, heute nicht auf der Abstimmungsagenda der Regionalvertreter, doch das Thema ist für sie von größter Bedeutung. Sie fordern, dass die Kommission deutlich mehr Geld für die Integration von Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden einplant, als bisher vorgesehen, statt die Mittel für das Grenzmanagement zu vervierfachen.
"So sollen die Strukturfonds teilweise eingefroren werden können, wenn ein Mitgliedsstaat gegen die Haushaltsdisziplin der EU verstoßen, ähnlich wie derzeit im Fall Italiens. Dieser Punkt müsse aus der neuen Verordnung gestrichen werden, verlangt der AdR, da sonst Regionen für das Fehlverhalten ihrer nationalen Regierungen gerade stehen müssten."
Struktur- und Regionalfonds der EU dienen der regionalen Kohäsion von Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg. Beim Euro-Budget ginge es wohl mehr um Industriepolitik und Modernisierung von Wirtschaftsbranchen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(12 Dec 2018, 07:45)

Euractiv 6. Dezember 2018 Gestern und heute kommen die regionale Vertreter der 28 Mitgliedstaaten zusammen, um über den mehrjährigen Finanzplan der EU ab 2021 abzustimmen
https://www.euractiv.de/section/europak ... ushalt-ab/


"So sollen die Strukturfonds teilweise eingefroren werden können, wenn ein Mitgliedsstaat gegen die Haushaltsdisziplin der EU verstoßen, ähnlich wie derzeit im Fall Italiens. Dieser Punkt müsse aus der neuen Verordnung gestrichen werden, verlangt der AdR, da sonst Regionen für das Fehlverhalten ihrer nationalen Regierungen gerade stehen müssten."
Struktur- und Regionalfonds der EU dienen der regionalen Kohäsion von Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg. Beim Euro-Budget ginge es wohl mehr um Industriepolitik und Modernisierung von Wirtschaftsbranchen.
Ich finde es auch sehr bedrückend, daß der Schutz der EU-Außengrenzen mit mehr Beamten und Ausrüstung so plötzlich keine besondere Rolle mehr spielt. Lange Zeit war das doch die gezielte Gegenmaßnahme gegen unerwünschte Zuwanderer. Aber offenbar will keiner der "Frontstaaten" EU-Truppen an seinen Grenzen sehen. Dann kann man die geplanten Mittel streichen.

Regionalfonds für den grenzüberschreitenden Wiederaufbau benachbarter Gebiete zu Regionen sind eine sehr gute Sache, wie man im östlichen Mecklenburg-Vorpommern, im östlichen Brandenburg und Sachsen sehen kann. Wenn die Leute aus Mangel an Spachkenntnissen nicht miteinander reden, so wagen sich doch immer mehr Leute "auf die andere Seite". Da dürften sich beiderseits so manche Verspannungen lösen. Es wäre schon schade, wenn man das Programm kürzte.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

14. Dezember 2018 EU-Gipfel - Staats- und Regierungschefs wollen Reformpaket
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... -1.4253402
So hatten sich die Niederlande bereits auf Ebene der EU-Finanzminister damit durchgesetzt, dass die Mittel eines Euro-Zonen-Budgets nicht für in wirtschaftliche Not geratene Staaten verwendet werden dürfen. Macron hatte so eine Funktion für die Stabilisierung gefordert, fand dafür aber keine Mehrheit.
Der Zweck des Haushalts sei es, "die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.Ob es zu einem Haushalt für die Euro-Zone kommt, wird sich also in den Verhandlungen über den nächsten EU-Haushaltsrahmen der Jahre 2021-2027 entscheiden.
"Bei ihrem Gipfeltreffen billigten die Staats- und Regierungschefs zudem das Euro-Reformpaket, das die Finanzministern vereinbart hatten. Demnach soll der Rettungsfonds ESM künftig eine stärkere Rolle beim Entwurf und der Überwachung von Kreditprogrammen für Krisenländer bekommen...Der Rettungsfonds soll künftig auch bei der Abwicklung maroder Banken tätig werden können. Beim ESM wird die sogenannte Letztsicherung (Backstop) für den Bankenabwicklungsfonds SRF angedockt."
Die Weiterentwicklung des ESM wird wieder auf Basis zwischenstaatlicher Verträge erfolgen, während ein mögliches Euro-Budget nach den Europawahlen zur Wiedervorlage ansteht.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

z4ubi hat geschrieben:(15 Dec 2018, 23:21)

...
Frankreich und Italien kritisieren ist der einfache Weg und man lenkt vom eigentlichen Problem ab. Dass der Euro so nicht zukunfstfähig zu sein scheint und man ihn entweder reformieren muss oder andere Konsequenzen ziehen sollte.
Na, ohne fachliche Hilfe bringen wir die Geschichte mit dem Wert einer Währung nicht ins Reine.

Sie richten den Blick schon auf den wesentlichen Punkt: Der Euro scheint so wie jetzt nicht zukunftsfähig zu sein, weil eben einige bekannte Sünder den Wert der gemeinsamen Währung anknabbern, weil sie sich aus der gemeinsamen Schatulle
bedienen, ohne dort entstandene Lücken wieder aus zu füllen oder ausfüllen zu können. Und wenn die gemeinsame Währung gegen die Wand gefahren wurde, dann sind wir Deutschen an den entstandenen Schäden zu 28% beteiligt.

Die notwendige Reform des Euros ist doch völlig klar: Man darf keinem Teilnehmer gestatten, aus eigenem Ermessen seinen nationalen Haushalt zu gestalten. Man nimmt den Teilnehmern das sogenannte Königsrecht der Verfügung über Steuereinnahmen und Staatsverschuldung. Der gemeinsame Finanzminister muß her, der gemeinsame Wirtschaftsminister, harmonisierte Steuern und Abgaben, harmonisierte Sozialleistungen. Harmonisiert heißt hier nicht Angleichung absolut, sondern prozentual. Natürlich geht es mit unterschiedlichem Wohlstand in dieses neue Abenteuer hinein.

Erst dann kann man aus meiner betont europäischen Sicht daran gehen, die aufgelaufenen Schieflagen Stück für Stück ab zu tragen... wer viel hat, kann viel geben, aber dazu beitragen müssen alle nach Maßgabe des Finanzministers. Damit ist eine Teilantwort auch auf Ihre Frage "Wie soll man in Italien investieren?" möglich.
Natürlich nur nach Plan und mit Erfolgskontrolle durch den Investor... hier unserem gemeinsamen Finanzminister.

Präsident Macron hatte diesen Weg im Sinn. Ich halte ihn für möglich, wenn er in europäischer Solidarität beschritten wird und Abweichungen von den gemeinsam gefaßten Beschlüssen der Wirtschaftsregierung schon im Keim erstickt werden.

Wenn sich dieser Rettungseinsatz für die Gemeinschaftswährung nicht durchsetzen läßt, dann wird dieses Abenteuer Euro mit einem schlimmen Streit enden... vielleicht im kleineren Kreis Gleichgesinnter und Gutwilliger neu damit begonnen. Allerdings meine ich, daß man nie wieder eine Gemeinschaftswährung ohne Durchgriff in die Haushaltsgestaltung der Teilnehmer einführen sollte. Was also den "alten" Euro retten soll, gleich von Anfang an im kleineren Kreis einführen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(16 Dec 2018, 03:18)
Dieses Weggeben der Entscheidungs- und Gestaltungsmacht über den nationalen Haushalt wäre klar verfassungswidrig in Deutschland.
Und nach meinem verfassungsrechtlichen Wissensstand gehört die Bestimmungs- und Gestaltungshoheit über den Bundeshaushalt in der Hand des Bundestages als allein bestimmende Instanz zu den unveränderbaren GG-Gesetzen.
Das Problem ist kein juristisches, weil das Budgetrecht des Bundestages auf das EU-Parlament übergehen könnte, wenn Deutschland einem europäischen Bundesstaat, wie die DDR damals, beitreten würde.
Die EU ist sich wenigstens der Außenwert-Problematik einer Währung bewußt, während Japan und die USA die Geduld der inländischen, beziehungsweise ausländischen Staatsanleihenhalter über die Maßen strapazieren. Das dürfte auf Dauer ohne erheblichen Außenwertverlust vor allem für die Geldwertbesitzer nicht ohne Konsequenzen bleiben. Der Beschluss des EU-Gipfels vom Freitag für ein kleines Euro-Budget geht in die richtige Richtung, weil es die notwendige Austeritätspolitik um das Instrument einer gemeinsamen Wirtschafts- und Industriepolitik ergänzen könnte. Eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik beinhaltet eine Annäherung der unterschiedlichen Mentalitäten zwischen "protestantischem Norden und katholischem Süden". Die zunehmende Binnenmigration innerhalb der EU dürfte die Annäherung beschleunigen.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

@Eulenwölfchen & @Wähler

Ja, so macht ein Gespräch im Forum Freude. Vielen Dank... und der Humor soll auch nicht zu kurz kommen!

Vielen Dank auch für Ihre Erläuterungen zum Wert einer Währung! Diese Dinge waren mir bewußt, aber ich konnte sie nicht gut darlegen. z4ubi wird nun nachfühlen können, wie ich zusammengezuckt bin, als er meinte die EZB sei völlig frei in der Gestaltung des Werts der Währung.

An einer Stelle kommt bei Eulenwölfchen noch hervor, daß Italien Euros drucken könne "ohne Ende". Ich meine, daß Italien zwar technisch so etwas machen kann... in Neapel wird die eine oder andere Werkstatt helfen können... aber das wäre wohl ein arger Vertragsbruch. Natürlich darf Italien nur Geld drucken nach Absprache mit der EZB. Das war doch auch der Klemmer in Griechenland... daß die Banken schließen mußten, weil sie keine Euros mehr ausgeben konnten. Die durften ja auch keinen Drucker anwerfen (Vielleicht haben die Griechen auch nicht diese technisch Möglichkeit; Italien aber mit Sicherheit!) Will sagen, die EZB läßt nur eine bestimmte Geldmenge zu. Wenn dann die Teilnehmer am Euro nicht spuren, dann erzeugen sie Falschgeld und ruinieren die Gemeinschaftswährung.

Da habe ich Sie wohl erschreckt... den nationalen Parlamenten das Haushaltsrecht nehmen zu wollen. Ich vermute, daß der zugehörige Mechanismus auch wieder über die EZB und ihre Hoheit über die ausgegebenen Kredite laufen würde. Wenn ein Land über die Stränge schlägt, dann... siehe Griechenland: Nichts geht mehr. Oder man ist draußen. Die gemeinsame Pleite werden die Partner nicht gerade beschließen.

@Eulenwölfchen... Unser Grundgesetz will mit Sicherheit nicht die europäische Einigung bis hin zu einer Föderation der Euro-Staaten verhindern. Universelle Werte wie die Menschenrechte sind nicht gestaltbarer Anteil des Grundgesetzes... sie sind aber auch Bestandteil der Verfassungen unserer Partnerstaaten. Das ist ja die Besonderheit der EU, daß wir gemeinsame Werte vertreten und Partner vor den EuGH zerren, wenn die diese gemeinsame europäische Grundlage nachträglich ändern möchten. Wenn es also jemals dazu kommen wird, daß ein europäisches Parlament auch über deutsche Steuergelder verfügen kann, dann ist das so zu sehen, wie wenn der Bund über sächsische oder bayerische Steuereinnahmen bestimmt. Dazu werden sich rechtlich belastbare Konstruktionen finden lassen. Aber, leider, leider, sind wir noch lange nicht so weit.

Der Weg zur Reform des Umgangs mit dem Euro wird aber an einer gesamtstaatlichen Konstruktion nicht vorbei kommen, wie wir schon durch unser Gespräch zeigen. Und das war doch auch die Absicht, als dann der Euro als Gemeinschaftswährung endgültig eingeführt wurde. Wir alle wissen, daß dann gegen Geist und Buchstaben der heiligen Schwüre verstoßen wurde. Dagegen müssen wir den Euro sichern; wenn es denn sein muß mit harten Strafen. In der Bundesrepublik Deutschland klappt das... so muß auch die Europäische Föderation sich zusammen raufen, hilft doch alles nichts! Tja, wann wird uns das wohl gelingen?

Als ich 25 Jahre alt war, glaubte ich ernstlich, daß wir zu meinem 50. Geburtstag im gemeinsamen europäischen Staat leben würden (die Gründungsstaaten der EU). Jetzt ist die Gemeinschaft angeschwollen und Einigungen dieser Art sind schwieriger zu erreichen... das Ergebnis aber auch nahezu unfaßbar in seinen Ausmaßen. Dafür lohnt der Kampf, Enttäuschungen und neue Anläufe.

Dann werden wir Europäer gemeinsam mit den italienischen Europäern auch Mittel und Wege finden, den Mezzogiorno zu einem liebenswerten Landstrich zu entwickeln. Tatsächlich sind dazu eiserne Fäuste notwendig, und wir alle wissen auch, warum das so ist!
Eulenwoelfchen

Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Eulenwoelfchen »

@H2O,
es ist bereits Fakt, dass die EU in Brüssel über deutsche Steuergelder verfügt bzw. über deren Verwendung alleine bestimmt. Aber natürlich in viel zu geringem Umfang und sehr eingeschränkt hinsichtlich gesamteuropäischer Gestaltungs- und Wirkungsmöglichkeiten.

Schwieriger sind wesentlich hartnäckigere und auch verfassungsrechtliche Frage wie die generelle, per GG festgeschriebene Budgethoheit des Bundestages voll ausgeschaltet werden könnte. Ich halte das für ausgeschlossen aufgrund unseres Grundgesetzes und seiner zwingenden, verfassungsrechtlichen Bindungen. Die andere Frage, wie man dies alles dennoch zielführend gestalten könnte..., andere sagen, umgehen könnte, ist eng mit der Frage und Bereitschaft umfassender europäischen Solidarität verknüpft. Die im Endeffekt in einer gesamtschuldnerischen Solidarität enden muss. Damit realiter natürlich auch eine gesamtschuldnerische Haftung gegeben wäre.

Mittel und Wege dahin gibt es mit verschiedensten Lösungsansätzen. Einer davon wäre ja der Macronvorschlag eines eigenen Europäischen Finanzministers, der über einvon den einzelnen Nationalstaaten (und deren Zustimmung) unabhängiges und nicht nur dem Namen nach, bedeutendes und wirkmächtiges EU-Haushaltsbudget hätte. Mit dem er, auch als Stärkung und Demokratisierungsfortschritt der Vision Europäische Föderation nur dem Parlament und dessen Zustimmung verantwortlich wäre. Und ebenso eine dem EU-Parlament verantwortliche EU-Regierung. Die als sog. EU-Kommission (Quasi-Regierung der EU) bisher nicht, wie die EU-Abgeordneten per geheimer und demokratischer Wahl von den wahlberechtigten Menschen der EU gewählt und legitimiert würde, sondern per odre mufti der 27 EU-Regierungschefs und -innen bestimmt wird.

Diese Pseudo-EU-Regierung, Europäische Kommission genannt, ist auch nicht an Beschlüsse und Weisungen des EU-Parlaments gebunden. Sondern ausschließlich dem Wohl und Wehe der Nationalen Regierungen und deren Zustimmung ausgesetzt bzw. rechenschaftspflichtig verantwortlich. Im Prinzip ist dieser aktuelle Machtverteilungs- und Machtbestimmungszustand eine Lachnummer par excellence. In einem Europa, das fast schon nicht mehr gehen kann, so schwer wiegt dessen Demokratie-Sendungsbewusstsein. Aber das fast schon monstranzartig vorgetragene und bei jeder Gelegenheit gezeigte Demokratieverständnis macht offenbar zuweilen so schwere Beine in den politisch verantwortlichen Köpfen, die sich dann gegenseitig den Fuß legen. Wie bei einem May-Tanz vor Ureinwohnern. :D - Ein demokratiebesoffenes Europa, das darauf hofft, die Menschen in Europa übersehen genauso besoffen diese Demokratur mehrheitlich als unwichtig.

Solange die Verantwortlichen Staaten der EU für diese Europäische Union nur demokratisches Wasser predigen und in Wirklichkeit antidemokratischen Wein saufen, können Sie von den Menschen nicht erwarten, dass diese die Demokratie für die gesamte EU als etwas Verbindendes empfinden und erkennen:
Als einen essentiellen, elementaren und universell gültigen Lebensgrundwert, für den es sich lohnt einzutreten, geradezustehen und ihn auch als etwas zu verteidigen, das die Rechte und Chancen der Menschen wie keine andere Staatsform gewährleistet und sicherstellt. Und damit verbunden auch das höchste Gut menschlichen Miteinanders garantiert: FRIEDEN, Freiheit und Unversehrtheit an Leib und Leben.

Es wäre natürlich schon viel gewonnen, wenn es gelänge, eine sogenannte Transferunion ins Werk zu setzen, die ähnlich dem föderalen Prinzip hierzulande mit einem Länderfinanzausgleich wirtschaftlich schwächere Staaten genauso stützt, wie das in D ökonomisch sehr starke Staaten wie Bayern, BaWü oder Hessen leisten ("dürfen" :D ). Auch wenn sie regelmäßig darüber recht unsolidarisch maulen...Oder die Uneinigkeit bzw. die Widerstände in der Frage von Eurobonds oder wenigstens einem gesamteuropäischen Inverstitionsfonds, der selbstständig dort Investitionen anschiebt, wo nationale Haushaltsdisziplin und staatlich zu enge Finanzierungsspielräume einfach zu wenig für die Menschen im jeweiligen Land tun können. Das würde auch den Menschen mehr und besser erfahrbar zeigen, dass man sie nicht vergißt. Besonders nicht die EU, die ja für alles, was schief oder nicht so gut läuft, nur zu gerne verantwortlich gemacht wird. Über die bereits heute wirkenden Segnungen dieses einmalige, politische Friedens- und Lebensprojekt wird wie selbstverständlich und nicht der Erwähnung wert einfach hinweggegangen.

Und ja, eine Europäische Föderation wäre ein Traum, ein Bundesstaat, dessen "Bundesländer" die jeweiligen Nationen wären, mit einer - wie von Ihnen angesprochenen - gemeinsamen, harmonisierten Sozialgesetzgebung, Besteuerung und Bildungspolitik usw. - Ein Ziel, von dem nicht nur sie als junger Mann träum(t)en. Ein einiges, (Grundwerte)selbstbewusstes Europa ohne Grenzen. Als prosperierender und innovativer Standort für Wissenschaft, Forschung und Unternehmen. Mit breitgestreuten Möglichkeiten und fairer Chancengleichheit EU-weit für künftige Generationen, die über ihr Lebens- und Berufsglück innerhalb dieses grandiosen und rechtssicheren Lebens- und Wirtschaftsraums selbstbestimmt und frei von bürokratischer Maßregelung bestimmen und entscheiden könnten. A melting pot of people, der nicht mehr die Nation, sondern den Menschen in den Vordergrund stellt. Menschen, die sich gentechnisch sowieso nur um 0,1 % voneinander unterscheiden, egal ob sie Chinesen, Afrikaner, Nordamerikaner oder Europäer sind. Oder welcher sonstigen Nationalität angehörend, deren explizite Nichterwähnung keineswegs deminuierend gemeint war und auch bitteschön so nicht verstanden werden möge.

Wie sagte einst Martin Luther King: I had a dream...
Aber es wird sehr schwierig und langwierig. Und ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Der Mensch ist halt leider zuallererst an sich selbst und seinen Vorteilen interessiert.

Schönen Restsonntag noch!
Eulenwoelfchen

Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2018, 09:31)

Das Problem ist kein juristisches, weil das Budgetrecht des Bundestages auf das EU-Parlament übergehen könnte, wenn Deutschland einem europäischen Bundesstaat, wie die DDR damals, beitreten würde.
Diese Lösung würde allerdings ein Verschwinden des Staates Bundesrepublik Deutschland in der aktuellen Form beinhalten, so wie ja der Staat DDR und seine Verfassung auch liquidiert wurde. Deuschland als Nationalstaat mit einer eigenen Verfassung (Grundgesetz) würde damit zwingend und rechtsentgültig abgeschafft werden müssen. Sonst geht Ihr angeblich - nichtjuristisches - Prolem in die Hose bzw. wird im Gegenzug der Nichtzerstörung des Staates Bundesrepublik Deutschland zu einem sehr großen und juristisch, besser staats- bzw. verfassungsrechtlich, sogar unlösbarem Problem. Wie ich schon zu erläutern versuchte.

Meine Ausführungen dazu gingen nicht von einer Abschaffung und Selbstauflösung des Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland und seiner Verfassung und deren zwingenden grundgesetzlichen Vorgaben aus.

Ihr Szenario ist theoretisch zwar denkbar, aber in meinen Augen eine völlig unrealistische Lösung. Die zudem jede nationale Identität und das Gefühl dafür, woher ich komme oder meine Eltern kamen, sprich das Gefühl von Heimat,
zerstört. Ob das für Menschen so gut ist, sie in ihrem Ursprungsempfinden so sehr zu entwurzeln, so quasi die Menschheit - zumindest die in einem künftigen Europäischen Bundesstaat - zu patriotischen Atheisten zu machen...ich weiss nicht? Mein persönliches Gefühl sagt klar "NEIN". Ich fände diesen Verlust nationaler Identität verheerend. Den das Verschwinden eines Deutschen Nationalstaats im Wesenskern dieser Lösung mit sich brächte. Den Verlust seines individuellen Selbstverständnisses, seiner positiven patriotischen Eigenheiten, seiner Traditionen und geistig-kulturellen Vermächtnisse. Gleiches gilt natürlich genauso für alle anderen, aktuellen Staaten und Nationen Europas.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2018, 09:31)
Das Problem ist kein juristisches, weil das Budgetrecht des Bundestages auf das EU-Parlament übergehen könnte, wenn Deutschland einem europäischen Bundesstaat, wie die DDR damals, beitreten würde... Der Beschluss des EU-Gipfels vom Freitag für ein kleines Euro-Budget geht in die richtige Richtung, weil es die notwendige Austeritätspolitik um das Instrument einer gemeinsamen Wirtschafts- und Industriepolitik ergänzen könnte. Eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik beinhaltet eine Annäherung der unterschiedlichen Mentalitäten zwischen "protestantischem Norden und katholischem Süden". Die zunehmende Binnenmigration innerhalb der EU dürfte die Annäherung beschleunigen.
Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2018, 09:31)
Ihr Szenario ist theoretisch zwar denkbar, aber in meinen Augen eine völlig unrealistische Lösung. Die zudem jede nationale Identität und das Gefühl dafür, woher ich komme oder meine Eltern kamen, sprich das Gefühl von Heimat, zerstört.
Es geht eher um eine historische Entwicklung, vergleichbar der Entstehung des deutschen Nationalstaates im 19. Jahrhundert. Mit dem EU-Haushalt und dem ESM hat der deutsche Bundestag bereits einen Teil seiner Hoheitsrechte an supranationale Institutionen abgegeben.
Unsere Kinder, Enkel und Urenkel werden das mit dem Heimatgefühl wahrscheinlich anders empfinden. Drei meiner Neffen und Nichten leben in einer binationalen Ehe in der EU. Europa befindet sich bereits in einem Prozess der grenzüberschreitenden Durchmischung. Die Binnenmigration in der EU hat seit der Weltfinanzkrise von 2008 deutlich zugenommen. Jede Generation sollte für sich entscheiden, ob und in welchem Maß sie an diesem Prozess teilnimmt oder nicht.
Zuletzt geändert von Wähler am So 16. Dez 2018, 16:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

@Eulenwölfchen

Wenn die Dinge so geplant würden, wie Sie sie befürchten, dann wäre ich auch kein Freund der stetig sich vertiefenden Zusammenarbeit in Europa.

Aus meiner Sicht bleibt das deutsche Volk doch weitgehend selbständig auf seinem Staatsgebiet, das in der Föderation Europa die Rolle eines mächtigen und einflußreichen Bundesstaats spielt. Über unserem Bundesstaat steht die Europäische Union, die ziemlich sicher von vielen deutschen Politikern mit verantwortet wird. Die werden selbstverständlich das Wohl der Gemeinschaft verfolgen. Wäre das denn nicht auch unser Wohl?

Ihre Heimat bleibt Ihnen erhalten, Ihre alltägliche Muttersprache, die Menschen, die Sie lieben. Wer will Ihnen die nehmen? Einige Dienste werden besser, weil sie nicht innerhalb der EU vernetzt sind... andere bleiben auf das alte Staatsgebiet begrenzt... etwa Schulen und Berufsbildung... Landespolizei, Meldeämter... Solche Dinge werden von Zeit zu Zeit nachgebessert, dem Bedarf angepaßt. Auf Gemeinschaftsebene wäre dafür das EU-Parlament zuständig, auf Landesebene der Bundestag. Als Normalverbraucher bemerken Sie alltäglich kaum, daß sie einem vergrößerten Gemeinwesen angehören. So soll das ja auch sein.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von z4ubi »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(16 Dec 2018, 14:58)
Ihr Szenario ist theoretisch zwar denkbar, aber in meinen Augen eine völlig unrealistische Lösung. Die zudem jede nationale Identität und das Gefühl dafür, woher ich komme oder meine Eltern kamen, sprich das Gefühl von Heimat,
zerstört.
Es gibt aber immernoch Raum für einen Kompromiss.
Die nationalen Parlamente behalten ihr Budgetrecht und ein demokratisch legitimiertes Euro-Finanz-/Wirtschaftsministerium (mit klaren Vorgaben) erhält sein eigenes Budgetrecht.
Für die Einzelstaaten wäre es dann realistischer sich an den Stabilitätspakt zu halten, wenn das Euro-Ministerium dann investiert wenn nötig. (Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit usw.)

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(16 Dec 2018, 03:18)
Die japan. Währung YEN sogar zu einer sog. "save heaven" - Währung macht. Neben der Schweiz, die mit Abstand den unanständigsten Negativleitzins vorweist: -0,75 %. Japans Notenbank begnügt sich immerhin mit nur -0,1 % Leitzins, gefolgt von der Sparerverarschungszentrale der EZB mit dem ihr vorstehenden Roß- und Mäusetäuscher Mario Draghi.
Es gibt aber nachvollziehbare Gründe, warum die Notenbänker so handeln. Die FED hat nach der Finanzkrise auch eine lockere Geldpolitik betrieben.
Die Frage ist eher, wieso die FED auf dem Weg ist diese Phase zu beenden (sofern es gelingen wird) und andere nicht.

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(16 Dec 2018, 03:18)
***Inhaber bzw. Eigentümer des US-Dollar ist nicht der amerikanische Staat, sondern ein Bankenkonsortium. Auch das ist ein Unterschied zu anderen Leitwährungen. Böse Zungen behaupten, JFK wäre vor allem deshalb liquidiert worden, weil er das ändern wollte= den USD in das Eigentum der USA überführen wollte.
Warum hätte er an der Konstruktion der FED etwas ändern wollen? Die Gewinne der FED fließen an das US-Finanzministerium und die USA können sich direkt bei der FED verschulden, wenn nötig. Was will man mehr von einer Zentralbank?

H2O hat geschrieben:(16 Dec 2018, 11:13)
Vielen Dank auch für Ihre Erläuterungen zum Wert einer Währung! Diese Dinge waren mir bewußt, aber ich konnte sie nicht gut darlegen. z4ubi wird nun nachfühlen können, wie ich zusammengezuckt bin, als er meinte die EZB sei völlig frei in der Gestaltung des Werts der Währung.
Was ich so nur nicht behauptet habe.
Vertrauen, Wirtschaftskraft usw. spielt alles eine Rolle, aber jede Zentralbank hat Werkzeuge, um die jeweilige Währung ab- oder aufzuwerten. Man erinnere sich nur an die Entscheidung der Schweizer Nationalbank 2015 die Eurobindung aufzuheben. Der Kurs des Franken
ist schlagartig nach oben gestiegen.
Eulenwoelfchen

Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2018, 15:55)
Mit dem EU-Haushalt und dem ESM hat der deutsche Bundestag bereits einen Teil seiner Hoheitsrechte an supranationale Institutionen abgegeben.
Zwischen persönlicher Interpretation und der tatsächlichen Faktenlage klafft mitunter ein beträchtlicher Unterschied, den man kurz zusammengefasst,
bezüglich Ihrer vorstehend zitierten Aussage als falsch bezeichnen kann. Sowohl der ESM als auch der Anteil Deutschlands waren oder sind Bereiche,
die nachwievor der mehrheitlichen Zustimmung des Bundestags bedürfen. Hier wurden qua Abstimmung keinerlei Abgaben des Hoheitsrechts
des Deutschen Bundestages beschlossen. Sowohl die Mittel für den ESM als auch die Einzahlungen Deutschlands in den EU-Haushalt sind
hoheitliche Entscheidungen des Bundestages, die in Ihrer Höhe eindeutig begrenzt sind und keineswegs automatisches EU-Verfügungsrecht über den
Bundeshaushalt bedeuten. Vor allem dann nicht, wenn der Bundestag etwaige Mittelverwendung bzw. -bereitstellung mehrheitlich ablehnen würde.

Diese Aufgabe seiner Hoheitsrechte wäre im übrigen verfassungswidrig und längst vor dem BVG gelandet. Selbst wenn die Bundesregierung dem
zugestimmt hätte. Es wäre nicht das erstemal, dass sie vom BVG wegen verfassungswidriger Maßnahmen deutlich korrigiert wurde, sprich klar
verfassungswidrig handelte.

Und solange sich Deutschland, wie auch immer sich das Land vielleicht künftig innerhalb einer Europäischen Union verstehen mag oder existent sein will,
als nicht mehr vorhandener Nationalstaat (dem familiären Wunsch ihrer Kinder und Enkelkinder entsprechend ja angeblich das, was die künftige Generation
so haben will) ...oder als neugegründete Republik EUland, oder wie immer sie dann heissen mag, ist das Grundgesetz dieses Landes maßgebend.
Natürlich kann sich ein neugegründeter Deutscher Staat auch eine neue Verfassung geben.

Zum Beispiel eine dann vielleicht Europäische Verfassung, die allerdings aktuell wohl weder in ITA - schon gar nicht in FRA - eine Chance hätte.
Gerade Frankreich - angeblich eines der Zugpferde einer vertieften Europäischen Union - lehnte eine Europäische Verfassung deutlich ab. Wie ja sattsam
bekannt sein dürfte. Und die schon seit längerem, wenn auch irrationale, antieuropäische Stimmung und Stimmungsmache kann auch nur negieren,
wer anfällig für Phantasiewelten ist und weniger für die knallharte Realität.

Auch wenn in D die Leute in der Summe nicht so bekloppt sind wie in GB, ITA und FRA, um die EU als permanenten Sündenbock und
Ursache für all die negativen Entwicklungen anzusehen, oder zumindest für sich als negativ empfinden, sondern durchaus das Land mit
bedeutendem politischen Gewicht sind, das klar proeuropäisch tickt, wage ich die Behauptung, dass selbst in diesem an sich mehrheitlich
proeuropäisch-positiv eingestellten Deutschland eine Aufgabe der Nationalen Identität incl. Aufgabe seines Grundgesetzes keine Chance auf Realisierung
hätte. Nicht die nächsten 50 Jahre, sofern diese friedlich bleiben.

Und solange Deutschland als Staat besteht, wie seit der Neugründung im vorigen Jahrhundert, wird auch diese Verfassung, sein Grundgesetz
die Meßlatte sein, gerade auch für elementare Gesetze des GG, die nicht ohne Grund so massiv geschützt=höchrangig innerhalb des GG sind, wie eben auch
das alleinige Hoheitsrecht über den Bundeshaushalt in der alleinigen Verfügungs- und Entscheidungsmacht des Bundestages.
Eulenwoelfchen

Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Eulenwoelfchen »

z4ubi hat geschrieben:(16 Dec 2018, 16:59)

Warum hätte er an der Konstruktion der FED etwas ändern wollen? Die Gewinne der FED fließen an das US-Finanzministerium und die USA können sich direkt bei der FED verschulden, wenn nötig. Was will man mehr von einer Zentralbank?
Ganz einfach, die USA haben für die Nutzung des USD an bestimmte Banken - nennen wir es Nutzungsgebühren :D - für jeden USD zu bezahlen. Weil er weder der FED noch dem amerikanischen Staat gehört, sondern eben im Eigentum von Banken ist. Und wenn mir etwas nicht gehört, ich das aber gerne nutzen möchte, wird meist eine Gebühr fällig. Sofern man es mit Banken und nicht dem Samariterbund zu tun hat. JFK hatte wohl keine Lust mehr, die USA für die Nutzung des USD an Banken blechen zu lassen... Mit Gewinnen der FED hat das nichts zu tun. ;)
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Nomen Nescio »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(17 Dec 2018, 01:27)

JFK hatte wohl keine Lust mehr, die USA für die Nutzung des USD an Banken blechen zu lassen... Mit Gewinnen der FED hat das nichts zu tun. ;)
ist es aber geändert geworden ??
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2018, 15:55)
Mit dem EU-Haushalt und dem ESM hat der deutsche Bundestag bereits einen Teil seiner Hoheitsrechte an supranationale Institutionen abgegeben.
Eulenwoelfchen hat geschrieben:(17 Dec 2018, 01:15)
Diese Aufgabe seiner Hoheitsrechte wäre im übrigen verfassungswidrig und längst vor dem BVG gelandet. Selbst wenn die Bundesregierung dem zugestimmt hätte. Es wäre nicht das erstemal, dass sie vom BVG wegen verfassungswidriger Maßnahmen deutlich korrigiert wurde, sprich klar verfassungswidrig handelte.
Und solange Deutschland als Staat besteht, wie seit der Neugründung im vorigen Jahrhundert, wird auch diese Verfassung, sein Grundgesetz die Meßlatte sein, gerade auch für elementare Gesetze des GG, die nicht ohne Grund so massiv geschützt=höchrangig innerhalb des GG sind, wie eben auch das alleinige Hoheitsrecht über den Bundeshaushalt in der alleinigen Verfügungs- und Entscheidungsmacht des Bundestages.
Für diese komplizierten juristischen Fragen gibt es als Orientierungspunkt das sogenannte Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2009:
https://de.wikipedia.org/wiki/Maastricht-Urteil
Mit dem Vertrag von Maastricht, der am 7. Februar 1992 unterzeichnet wurde, wurde die Europäische Union gegründet, die die bis dahin existierenden Europäischen Gemeinschaften überwölben sollte. Außerdem sah der Vertrag eine Abtretung bestimmter nationaler Souveränitätsrechte an die europäische Ebene vor. Dies betraf insbesondere die Währungspolitik, da im Vertrag von Maastricht die Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen wurde (die später zur Einführung des Euro führte).
„Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.“ – Art. 23 GG
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(17 Dec 2018, 01:15)


Und die schon seit längerem, wenn auch irrationale, antieuropäische Stimmung und Stimmungsmache kann auch nur negieren,
wer anfällig für Phantasiewelten ist und weniger für die knallharte Realität.
Na ja, knallharte Realität ist dass die Zustimmung zur EU in allen EU-Staaten gesamt aktuell den höchsten Wert seit 25 Jahren erreicht. http://www.bilder-hochladen.net/i/m0rw-3x-9ba0.jpg Fakt ist aber auch dass hier Frankreich schon seit langer Zeit unter dem EU-Durchschnitt und Italien auf den letzten Plätzen liegt (nur 42% der Italiener betrachten die EU-Mitgliedschaft als eine gute Sache für ihr Land). Einen EU-Austritt könnte man den italienischen Wählern vermutlich relativ problemlos verkaufen. http://www.bilder-hochladen.net/i/m0rw-3y-1cc1.jpg Beim Euro sieht das aber anders aus. Hinter dem stehen 2/3 Der Italiener. http://www.bilder-hochladen.net/i/m0rw-40-3c3b.jpg Und das eine (der Euro) geht nicht ohne das andere (EU-Mitgliedschaft).
Auch wenn in D die Leute in der Summe nicht so bekloppt sind wie in GB, ITA und FRA, um die EU als permanenten Sündenbock und
Ursache für all die negativen Entwicklungen anzusehen, oder zumindest für sich als negativ empfinden, sondern durchaus das Land mit
bedeutendem politischen Gewicht sind, das klar proeuropäisch tickt, wage ich die Behauptung, dass selbst in diesem an sich mehrheitlich
proeuropäisch-positiv eingestellten Deutschland eine Aufgabe der Nationalen Identität incl. Aufgabe seines Grundgesetzes keine Chance auf Realisierung hätte. Nicht die nächsten 50 Jahre, sofern diese friedlich bleiben.
Soweit mir bekannt gab es noch nie eine Umfrage die in irgendeinem EU-Land eine Mehrheit für die Vereinigten Staaten von Europa gezeigt hätte. Ist vielleicht was für das nächste Jahrhundert.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von H2O »

Dazu zwei Anmerkungen:

Natürlich sind politische Vereinigungen, die gewohnheitsmäßig ein Feindbild brauchen, sehr glücklich, daß sie mit der EU eine Reibungsfläche finden. Die Leute fallen eher auf als jene, die ganz einfach ihre Arbeit machen, ihr Gemeinwesen und die EU so still und heimlich voran bringen. EU-Gegner sind unangenehm lautstarke Mehrheiten im Bereich 10% bis 25%.

Vorstellungen, daß die Europäische Föderation von heute auf morgen entsteht, wird wohl kein erdverbundener Mitbürger hegen. Dazu sind also Umfragen nicht erforderlich, weil das nicht auf der Tagesordnung steht. Was aber klammheimlich abläuft, das sind Vereinbarungen, die mal hier mal da nahe liegen, um eine besser aufgestellte Gemeinschaft zu erreichen. Die Linie ist doch vorgezeichnet: Die stetig sich vertiefende Zusammenarbeit. Dabei gibt es auch Rückschläge, siehe BREXIT, siehe "Visegrad". Aber an der Grundlinie ändert sich wenig. Am Ende des Weges steht das, worüber man überhaupt nicht abstimmen muß.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Wähler hat geschrieben:(17 Dec 2018, 07:35)

Für diese komplizierten juristischen Fragen gibt es als Orientierungspunkt das sogenannte Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2009:
https://de.wikipedia.org/wiki/Maastricht-Urteil

„Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.“ – Art. 23 GG
Ihnen ist bekannt, dass sich das BVG bezüglich der Verfassungskonformität bei der Frage der Übertragung der Budgethoheit weg vom Bundestag und hin zur EU bisher erfolgreich herumgedrückt hat. Y/N?
Eine diesbezügliche höchstrichterliche Entscheidung gibt es nicht. Egal, was sie hier zitieren. Und diese Entscheidung würde im Falle solcher weitgehenden Theoriemodells einer künftigen EU mit mehr Kompetenzen
und die nationale Gestaltungssouveränität einschränkenden überragenden Hoheitsrechte zwangsläufig erfordern und auch nötig werden. Und hier sieht für die meisten Verfassungsrechtler ebend die Sache nicht so einfach
aus, wie ihr zitierte §23 GG glauben machen möchte. Ich behaupte nachwievor, dass das Budgethoheitsrecht des Bundestages, der im GG verankert ist, ein sog. höchstrangiger Grundgesetzartikel ist, der nicht abgeschafft oder
für faktisch nicht bindend erkärt werden kann, sofern man nicht gegen die Verfassung verstoßen will.

Und damit das BVG zwangsläufig in dieser Frage, sofern sie irgendwann tatsächlich zur Entscheidung ansteht, hier der Abgabe der Budgethoheit des Bundeshaushalts an die EU einen klaren Riegel (zwingend) vorschieben müsste.

Im übrigen sind die Anmerkungen, Bemerkungen und Hinweise hier mehr eine theoretische Trockenübung zu einer künfigen Ausgestaltung des Modells EU. Was sein könnte, aber nicht ist. Noch lange nicht. Und auch angesichts der grassierenden Europa- bzw. EU-Skepsis auch nicht (so schnell) sein wird. Sofern es überhaupt zu solchen "Reformen" kommt und nicht zum weiteren Zerfall oder einer zunehmenden Aufweichung des Vereinigungsgedankens zugunsten von mehr nationaler Souveränität und Entscheidungshoheit.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Orbiter1 hat geschrieben:(17 Dec 2018, 08:37)
Soweit mir bekannt gab es noch nie eine Umfrage die in irgendeinem EU-Land eine Mehrheit für die Vereinigten Staaten von Europa gezeigt hätte. Ist vielleicht was für das nächste Jahrhundert.
Das hat auch niemand behauptet. Wie soll es auch eine solche Umfrage zu den "Vereinigten Staaaten von Europa" auch geben. Dazu müsste man ja ersteinmal ein nachvollziehbares Gesamtmodell entworfen und vorgestellt haben, wie dieses Utopie aussehen könnte. Ein Modell "Vereinigte Staaten von Europa" gibt es vielleicht in manchen Wunschvorstellungsköpfen. Als diffuses Schlagwort. Nicht einmal halbwegs konkret erkennbare Detailumrisse eines solchen Europäischen Föderationsstaatsmodells oder supraeuropäischen Bundesstaates existieren.

Die Umfragen bzw. Zustimmungswerte beziehen sich auf die aktuelle EU-Konstruktion, der unstrittig nicht nur z.B. durch die Ablehnung einer Europäischen Verfassung wie in FRA
das Leben ausgehaucht wurde und damit auch die negative Haltung zur EU dokumentierten bzw. weitergehender Bindung an diese unter gleichzeitiger Aufgabe nationaler Souveränität.
Die EU-Skepsis ist signifikant ansteigend. Und in Ländern wie FRA oder ITA als Schwergewichte und sog. EU-Urgesteine ist die ablehnende oder mehrheitlich negative Grundstimmung gegenüber der
EU evident. Anders als in Deutschland, wo die EU und die EU-Mitgliedschaft Deutschlands in ihrer derzeitigen Ausformung mit einer deutlichen Mehrheit positiv gesehen wird.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Orbiter1 »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(17 Dec 2018, 12:05)

Die EU-Skepsis ist signifikant ansteigend.
Woran machen sie das fest? Die regelmäßig durchgeführten Umfragen sagen was anderes.
Und in Ländern wie FRA oder ITA als Schwergewichte und sog. EU-Urgesteine ist die ablehnende oder mehrheitlich negative Grundstimmung gegenüber der EU evident.
Vielleicht macht es ja Sinn mit den starken EU-Befürwortern weitere Schritte der Vertiefung einzugehen. Sind aber mit Ausnahme von Spanien nur relativ kleine Staaten. Ob die mit dem Riesen Deutschland das wagen wollen ist zu bezweifeln. Ist jetzt alles OT und kann im Europa-Thread weiter besprochen werden.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Ja, lieber Orbiter1, da wären wir dann bei der Gemeinschaft der Willigen, die also ihre Zusammenarbeit immer weiter vertiefen, obwohl andere Mitglieder der Gemeinschaft das schon Erreichte wieder aufgeben möchten zugunsten von mehr Selbstbestimmung auch gegen die Interessen anderer Mitglieder.

Man könnte ein Stufenmodell der europäischen Einigung entwerfen, das in jeder Stufe einige in sich stimmige Gemeinsamkeiten enthält, und wo die nächsthöhere Stufe natürlich diese Gemeinsamkeiten enthält und weitere darauf aufbauende Gemeinsamkeiten hinzu kommen... bis man in der letzten Stufe den europäischen Zentralstaat entwickelt, der aus einem europäischen Bundesstaat hervor gehen könnte. Diese letzte Vereinigungsstufe lehne ich innerlich ab!

Dieses Stufenmodell könnte jedem EU-Partner vorgelegt werden, und jeder EU-Partner entscheidet sich für seine Stufe der Zusammenarbeit, die ja alle vorangehenden Stufen enthält und nachkommende Erweiterungen ausschließt. Dann könnte man erkennen, mit welchen Partnern das Gespräch über weitergehende Gemeinschaftlichkeit gar nicht erst geführt werden müßte.

Gar nicht so einfach, weil man davon ausgehen muß, daß in jedem Partnerstaat Liebhaber einer jeden Stufe zu finden sein könnten. Immerhin könnte man aber erkennen, bis zu welcher Stufe eine klare Mehrheit eines Partnerlandes gesprächsbereit wäre. Meinungen und Stimmungen sind wandelbar... diese Befragung müßte also mit jeder Europawahl erneut durchgeführt werden. Dann müßte ja etwas Gemeinschaftliches ganz furchtbar schief gegangen sein, wenn bei unveränderter Zahl der Partner das Gesamtbild zu geringeren Stufen der Zusammenarbeit abrutschte!

Mit mir kann jeder Europäer über einen europäischen Bundesstaat sprechen, in dem die Bundesländer so ungefähr die Eigenständigkeit eines autonomen Gebiets haben, etwa so wie in der Schweiz, Österreich oder Deutschland oder in den USA. Um in einer solchen Entscheidung nicht mit einem Riesen mit 85 Mio Menschen verhandeln zu müssen, könnte ich mir vorstellen, daß deutsche Bundesländer auf europäischer Ebene weiter so behandelt werden wie kleinere europäische Staaten, allerdings mit der Freiheit einer vertieften Zusammenarbeit, wenn sie jeweils erwünscht sein sollte.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von z4ubi »

Die ganze Mühe einer Verfassungsänderung kann man sich ganz einfach sparen, indem man ein supranationales Eurobudget parallel zu denen der Einzelstaaten installiert.
Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2018, 09:31)
Die EU ist sich wenigstens der Außenwert-Problematik einer Währung bewußt, während Japan und die USA die Geduld der inländischen, beziehungsweise ausländischen Staatsanleihenhalter über die Maßen strapazieren. Das dürfte auf Dauer ohne erheblichen Außenwertverlust vor allem für die Geldwertbesitzer nicht ohne Konsequenzen bleiben.
In Japan läuft das ja schon eine ganze Weile länger und ich denke solange dort (und in den USA) die Wirtschaftsleistung stimmt, wird das ganze ohne Konsequenzen bleiben.
Wieso sollte es denn welche geben?
Wieso sollte man sich um die US-Staatsverschuldung sorgen machen, aber nicht um die US-Unternehmensverschuldung?
Was die EU nicht begriffen hat, ist, dass man Staatsverschuldung nicht isoliert betrachten sollte.

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(17 Dec 2018, 01:27)

Ganz einfach, die USA haben für die Nutzung des USD an bestimmte Banken - nennen wir es Nutzungsgebühren :D - für jeden USD zu bezahlen. Weil er weder der FED noch dem amerikanischen Staat gehört, sondern eben im Eigentum von Banken ist. Und wenn mir etwas nicht gehört, ich das aber gerne nutzen möchte, wird meist eine Gebühr fällig. Sofern man es mit Banken und nicht dem Samariterbund zu tun hat. JFK hatte wohl keine Lust mehr, die USA für die Nutzung des USD an Banken blechen zu lassen... Mit Gewinnen der FED hat das nichts zu tun. ;)
Das würde ich gerne etwas genauer wissen. Ist damit 6% Dividende gemeint, die an die Anteilseigner ausgezahlt wird?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von frems »

Mal zwei aktuelle Artikel zum Ursprungsthema. Clark bringt recht interessante Perspektiven hinein:
„Europa kann auch wieder schrumpfen“

Christopher Clark gehört zu den renommiertesten Historikern der Welt. Im Interview spricht er über das Ende des Fortschritts, die große Verlangsamerin Angela Merkel und Europa nach dem Brexit. [...]

WELT: Warum beschwören die Populisten die Vergangenheit so sehr?

Clark: Weil sie meinen, dass der Fortschritt seine Grenzen erreicht hat. Weil sie das gesamtgesellschaftliche Fortschrittsbild nicht mehr wollen. Gleichgeschlechtliche Paare, Immigration, Aufhebung des Nationalstaats, das alles sind Fragen, die ihnen zu weit gehen. George Orwell lässt in seinem utopischen Roman „1984“ den Parteifunktionär O’Brian die Formel prägen: „Wer die Vergangenheit kontrolliert, beherrscht auch die Zukunft.“ Das wissen die Populisten. Sie machen sich zielbewusst an die Geschichte ran und versuchen, neue Geschichtsbilder zu prägen. Da sind sie sehr aktiv. [...]

WELT: Könnte der Brexit in irgendeiner Form auch positive Effekte auf Europa haben?

Clark: Ich persönlich hoffe immer noch, dass er einfach nicht passiert. Aber ich weiß, das ist Wunschdenken. Mit Großbritannien verlässt ein ambivalentes Mitglied die EU. Eines, das immer einen Sonderstatus haben wollte, nie vollkommen drin war. Was dann übrig bleibt, ist vielleicht leichter zu koordinieren. Wichtig ist vor allem das deutsch-französische Verhältnis. Wenn es unbedingt sein muss, dann kann Europa auch wieder schrumpfen auf den westeuropäischen Kern, in dem die Wertegemeinschaft gewährleistet ist – also, Spanien, Portugal, Italien mit einem kleinen Fragezeichen versehen, weil die politische Führung dort so unberechenbar ist, Benelux natürlich, Skandinavien. Das wäre nicht die schlimmste aller möglichen Welten. Natürlich ist mein frommer Wunsch, dass Polen, Ungarn, die Tschechische Republik und Slowakei, dass alle dabei bleiben. Aber wenn es nicht mehr geht, weil kein Konsens mehr herzustellen ist, dann muss man pragmatisch sein und bereit, sich wie ein Schiff im 19. Jahrhundert auf hoher See, von einem Teil der Ladung befreien. Die EU ist ein Staatsgebilde, das sich im Laufe der Jahrzehnte stets freiwillig vergrößert hat, nie durch Eroberung. Ich sehe das, vielleicht auch, weil ich Australier bin, sehr positiv. Interessanterweise hat die australische Regierung sich klar gegen den Brexit ausgesprochen, obwohl sie in den 70ern den Eintritt der Briten in die EG mit einer gewissen Enttäuschung zur Kenntnis genommen hat.
https://www.welt.de/kultur/literarische ... mpfen.html (WELT-Plus-Paywall)
Europa ist in der Krise, Europa verliert den Zusammenhalt, Europa muss jetzt endlich die Kurve kriegen, ansonsten ist es bald aus. Wer sich durch Zeitungen, Twitter und Facebook wühlt, der mag den Eindruck gewinnen, dass die da oben in Brüssel zurzeit alles falsch machen. Ansonsten wäre die Bevölkerung doch nicht so unzufrieden, richtig? Falsch! Die von vielen so verwünschte Europäische Union eilt gerade von Sieg zu Sieg. Nur merkt das kaum einer.

Auch in guten Zeiten wäre es nicht einfach, 28 Mitgliedsstaaten zusammenzuhalten. In schlechten Zeiten ist es umso schwieriger. Und ja, es sind schlechte Zeiten für Europa. Nicht nur weil mit Großbritannien einer der größten Quertreiber endgültig die Nase voll hat und aus dem Bund aussteigen will. Sondern weil andere Länder Parteien in Regierungsfunktionen gehoben haben, die für Europa nicht so viel übrig haben. Da können selbst die fähigsten Polit-Dompteure eher selten glänzen. Und ja, Jean-Claude Juncker ist bei aller Kritik einer der fähigsten Dompteure, die in Europa so herumlaufen. Und ja, es ist erstaunlich, mit welch großem Geschick seine Kommission die vielen Krisen meistert.
https://www.businessinsider.de/das-euro ... es-2018-12
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Meine Vermutung:

Sowie das Duo D&F den Grundgedanken "Schrumpfen wir uns zurück zur Handlungsfähigkeit!" laut äußert und durchblicken läßt, wer in diesem Zusammenhang nicht mehr dazu gehören sollte, wird ein lautes Wehklagen einsetzen und unverlangte Treueschwüre werden geleistet.

Eine solche Stoßrichtung geht weit über das übliche Gemeckere hinaus und sie dürfte auch in einigen Fällen den politischen Frieden in EU-Mitgliedsstaaten gefährden. Denn so mancher Vertreter der nationalen Unabhängigkeit sitzt doch nicht so fest im Sattel, wie man in Brüssel glaubte...siehe Orbán und auch die rumänischen "Sozialdemokraten".

Man sollte also diesen Gedanken erst dann vortragen, wenn man von der bestehenden EU endgültig "die Faxen dicke" hat, man also die politischen Folgen für vertretbar hält.
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Re: Parlamentswahlen in Italien 2018

Beitrag von Wähler »

z4ubi hat geschrieben:(17 Dec 2018, 18:14)
In Japan läuft das ja schon eine ganze Weile länger und ich denke solange dort (und in den USA) die Wirtschaftsleistung stimmt, wird das ganze ohne Konsequenzen bleiben.
Wieso sollte es denn welche geben?
Wieso sollte man sich um die US-Staatsverschuldung sorgen machen, aber nicht um die US-Unternehmensverschuldung?
Was die EU nicht begriffen hat, ist, dass man Staatsverschuldung nicht isoliert betrachten sollte.
Währungskursentwicklungen verlaufen in Schüben. Die Nettoauslandsschulden spielen schon eine Rolle für den Außenwert einer Währung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Auslandsverm%C3%B6gen
Beim Dollar kommt hinzu, dass die asiatischen Staaten in Zukunft mehr grenzüberschreitende Geschäfte nicht mehr in Dollar abwickeln wollen.
Beim Euro-Raum gibt es das Problem möglicher Austritte aus der EWU. Italien kann sich keinen höheren Zinsrisikozuschlag auf seinen riesigen Schuldenberg mehr leisten, ohne das die italienischen und französischen Banken in akute Insolvenzgefahr geraten. Unterschätzen sollte man die Verschuldungsproblematik auf keinen Fall, auch wenn im Fall Italiens nur eine geringe Nettoauslandsverschuldung dem gegenüber steht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

frems hat geschrieben:(17 Dec 2018, 19:23)

Mal zwei aktuelle Artikel zum Ursprungsthema. Clark bringt recht interessante Perspektiven hinein:


https://www.welt.de/kultur/literarische ... mpfen.html (WELT-Plus-Paywall)


https://www.businessinsider.de/das-euro ... es-2018-12
Vor allem letzterer Artikel ist schon ganz verständlich. Pragmatismus sollte angesagt sein. Weniger "Kultur"-Aufgeladenheit. Alle gegenwärtigen politischen Tendenzen Richtung "rechts" sind mit Kultur-Aufgeladenheit verbunden. Lassen wir das mal endlich!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von schokoschendrezki »

Es gibt zwei wichtige konkrete Projekte, die Macron in seiner berühmten Sorbonne-Rede als Kernbestandteile eines erneuerten Kerneuropas auf den Weg bringen wollte: Das Eurozonen-Budget und die Digital-Präsenz-Steuer. In einem aktuellen Kommentar des Deutschlandradios heißt es dazu bilanzierend:
Die Bundesregierung tauchte Macrons Sorbonne-Vorschläge stattdessen in ein politisches Salzsäurebad, in dem sie sich nach und nach auflösten.
https://www.deutschlandfunk.de/deutsch- ... _id=436051
Und weiterhin, dass nach dem Ausscheiden UKs nun mehrere rivalisierende Kraftzentren innerhalb der EU miteinander konkurrieren werden. Neben Frankreich/Deutschland, den V4+Ö+I auch die sogenannte "Hanseliga" (also Benelux+Skandinavien+Baltikum) und dann die großen Südstaaten. Ist das schlmm? Eigentlich nicht. Weil es nicht um Identitäten und Zugehörigkeiten und "Kultur" geht sondern pragmatisch um Problemlösungen. Es ist völlig klar, dass freier Waren- und Personenverkehr, Zollfreiheit eine Win-Win-Situation schafft und dabei bleibt es auch. Ein identitäres Kerneuropa ... wäre das nicht einfach ein neuer Rechtsnationalismus, nur sozusagen eine Ebene höher?
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Dec 2018, 08:31)

Es gibt zwei wichtige konkrete Projekte, die Macron in seiner berühmten Sorbonne-Rede als Kernbestandteile eines erneuerten Kerneuropas auf den Weg bringen wollte: Das Eurozonen-Budget und die Digital-Präsenz-Steuer. In einem aktuellen Kommentar des Deutschlandradios heißt es dazu bilanzierend:
https://www.deutschlandfunk.de/deutsch- ... _id=436051
Und weiterhin, dass nach dem Ausscheiden UKs nun mehrere rivalisierende Kraftzentren innerhalb der EU miteinander konkurrieren werden. Neben Frankreich/Deutschland, den V4+Ö+I auch die sogenannte "Hanseliga" (also Benelux+Skandinavien+Baltikum) und dann die großen Südstaaten. Ist das schlmm? Eigentlich nicht. Weil es nicht um Identitäten und Zugehörigkeiten und "Kultur" geht sondern pragmatisch um Problemlösungen. Es ist völlig klar, dass freier Waren- und Personenverkehr, Zollfreiheit eine Win-Win-Situation schafft und dabei bleibt es auch. Ein identitäres Kerneuropa ... wäre das nicht einfach ein neuer Rechtsnationalismus, nur sozusagen eine Ebene höher?
Kommt eben ganz darauf an, was man erreichen will. Das Kerneuropa sollte einen einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum mit harmonisierten Regeln für Wirtschafts- und Sozialwesen schaffen, wo weitgehend gleiche Möglichkeiten für die Bewohner erreicht werden... vielleicht eines Tages auch eine Föderation.

Man kann natürlich auch eine Gemeinschaft mit nationalem Wettbewerb auf fast allen Gebieten schaffen wollen. So lange diese Gemeinschaft ihren Mitgliedern Vorteile verschafft, wird sie auch halten. Eine Solidarität im Wettbewerb... außer warmen Worten... ist dann eher nicht zu erwarten. Schließlich steht man im Wettbewerb. So richtig sehe ich den Sinn einer solchen Gemeinschaft nicht. Eine Freihandelszone?

Genau genommen stehen die Gemeinsamkeiten dann in der gemeinsamen Vergangenheit in einer EU, die eigentlich mehr wollte. Die wird dann Stück für Stück abgewickelt, weil gemeinsame Ziele fehlen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Ich sehe diese ganzen Diskussionen um ein sog. Kerneuropa für reichlich unrealistische Politträumerei. Wie will man das realisieren, ohne gegen Statuten, Verträge und die gegebenen Rechtsgrundlagen der bestehenden EU NICHT zu verstoßen? - Oder etwa erreichen, dass diesem Kerneuropa
nur gewisse Länder angehören bzw. sich die EU auf solche "einigen" Länder reduzieren müsste. Mitgliedsländer können nicht zum Austritt gezwungen werden, und ich glaube auch kaum, dass es verschiedenes EU-Recht für Sozial- und Steuerstandards usw. geben kann. Auf der einen Seite die gehobene
Variante der reichen oder potenten und wirtschaftskräftigen Kerneuropäer und auf der anderen Seite die EU-Standards einer "EU-Hartz IV"-Rechtslage,
für die armen oder weniger leistungsstarken Länder, die sich so hohe Sozial- Lohn- und Rentenstandards als bindende und rechtsgültige Grundlage nicht leisten können.

In meinen Augen wäre schon viel gewonnen, wenn
a) Generalunternehmen bei Bauprojekten in einem Hochlohnland wie D voll haftbar und verantwortlich für die Einhaltung der derzeit geltenden Lohnstandards wären und auch dafür, was oft aus dem EU-Billiglohnraum agierende Subunternehmenskonstrukte mit in D beschäftigen anstellen
und dabei natürlich auch inländische Firmen mit dubiosem Lohndumping ausbremsen. Und teils gotterbärmlich diese Beschäftigten um den mit ehrlicher Arbeit verdienten Lohn prellen.
Wie kann es sein, dass ein Generalunternehmen hier einfach sagen kann, das haben wir nicht zu verantworten? Einfach lächerlich, so eine Begründung und ein himmelschreiender Schandfleck für alle politisch Verantwortlichen hierzulande.

b) Diese sog. Leiharbeiterfirmen in D gemeldet sein müssen mit Firmensitz, und hier auch die Steuern zu entrichten sind. In dem Land, in dem diese Firmen die Gewinne erwirtschaften und nicht die Steuern in einem obskuren Karpatennest entrichten können. Auch die Sozialabgaben und
korrekte Entlohnung** genauso stringent überwacht und bzw. kontrolliert werden könnte wie bei inländischen Firmen. Und bei Verstößen die
Sanktionen genauso stringent wären, wie das inländischen Firmen im Fall von Lohn- oder Sozialbetrug oder Nichtabführung von Lohnsteuer- und Sozialbeiträgen blüht.
**Eine Entlohnung, die nach Abzug der Profitmarge der Leiharbeitsfirmen den jeweiligen gesetzlichen Mindestlohn der Beschäftigungsbranche
zwingend in der gesetzlich vorgesehenen vollen Höhe zu erbringen hat. Und ebenso diese Unternehmen, und übergeordnet hauptverantwortlich der Generalunternehmer, der Gewerke an solche Firmen vergibt, dafür sorge zu tragen hat, dass diese temporär Beschäftigten, die aus EU-Ländern rekrutiert werden, während ihrer Beschäftigung auch in Unterkünften untergebracht werden müssen, die wenigstens nicht hinter dem gesetzlich vorgeschriebenen "Wohnraum" eines deutschen Schäferhundes hinterherhinken, sprich einen Mindeststandard an menschenwürdiger oder zivilisierter Unterbringung gewährleisten.

Wenn das EU-weit harmonisiert würde, wäre schon viel gewonnen. Hier in D, aber auch in ITA (siehe die fast schon verbrecherische Behandlung der
Tomatenerntearbeiter in Süditalien. Wo leider auch noch arbeitswillige Flüchtlinge aus nicht EU-Ländern regelrecht versklavt werden. Wie der letzte Zwangsarbeiterdreck bedroht, beschissen und in ihrer Notlage ausgenützt werden. Damit nicht zuletzt uns in D das Tomatenmark oder die gewürfelten, aromatischen Dosentomaten für 20 Cent 5 Kilo Pasta versüßen).

Manchmal wäre es sinnreicher, konkrete, jederzeit machbare kleinere Schritte zu diskutieren, als das ganz Große. Dieses schlagwortartige Kerneuropa.
Wenn nicht einmal die minimalsten Mondestandards eingehalten oder als selbstverständlich angesehen werden. Weder in den gedachten Ländern dieses obskuren Kerneuropa wie in D. Noch in den "kleineren" oder "nicht so leistungsstarken "Reste-EU" Ländern.
Die natürlich - wie der Hund vor der Fleischereieingangstüre - nicht rein dürften. Ausserhalb dieser Kern-EU angeleint werden.
Was soll das?

Und Wettbewerb wird es immer geben innerhalb der EU und seines Binnenmarkts. Auch wird sich kaum vermeiden lassen, dass eine Volkswirtschaft wie die deutsche, die immerhin (noch) unter den "big five" der Welt rangiert, auch ein lukrativer Absatzmarkt für andere EU-Länder ist, Die genauso wie das D ja im Falle des US-Marktes macht, von der enorme Kauf- und Konsumkraft eines solchen Handelsraums profitieren wollen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(20 Dec 2018, 01:38)
Manchmal wäre es sinnreicher, konkrete, jederzeit machbare kleinere Schritte zu diskutieren, als das ganz Große. Dieses schlagwortartige Kerneuropa.
Wenn nicht einmal die minimalsten Mindestandards eingehalten oder als selbstverständlich angesehen werden. Weder in den gedachten Ländern dieses obskuren Kerneuropa wie in D. Noch in den "kleineren" oder "nicht so leistungsstarken "Reste-EU" Ländern.
Und Wettbewerb wird es immer geben innerhalb der EU und seines Binnenmarkts. Auch wird sich kaum vermeiden lassen, dass eine Volkswirtschaft wie die deutsche, die immerhin (noch) unter den "big five" der Welt rangiert, auch ein lukrativer Absatzmarkt für andere EU-Länder ist, Die genauso wie das D ja im Falle des US-Marktes macht, von der enorme Kauf- und Konsumkraft eines solchen Handelsraums profitieren wollen.
Es werden doch konkrete Schritte angestrebt, zum Beispiel eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung im Rahmen einer Verteidigungsunion, oder ein kleines Euro-Budget, um gemeinsame Industriepolitik in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 anstoßen zu können. Das Kerneuropa-Konzept ist doch nur Marketing.
Sicherlich brauchen die Klärungsprozesse innerhalb der demokratisch verfassten EU zu viel Zeit. Die Alternative wäre allerdings ein autokratisches China, welches seine Bürger mit künstlicher Intelligenz so flächendeckend überwacht, wie es in Orwells 1984 beschrieben ist.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(20 Dec 2018, 07:04)

Es werden doch konkrete Schritte angestrebt, zum Beispiel eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung im Rahmen einer Verteidigungsunion, oder ein kleines Euro-Budget, um gemeinsame Industriepolitik in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 anstoßen zu können. Das Kerneuropa-Konzept ist doch nur Marketing.
Sicherlich brauchen die Klärungsprozesse innerhalb der demokratisch verfassten EU zu viel Zeit. Die Alternative wäre allerdings ein autokratisches China, welches seine Bürger mit künstlicher Intelligenz so flächendeckend überwacht, wie es in Orwells 1984 beschrieben ist.
Jetzt verschwimmt ein wenig das Projekt "Kerneuropa". Das war von Präsident Hollande schon so angedacht, daß die Euro-Gruppe sich zu etlichen Schritten in Richtung einer europäischen Föderation aufraffen sollte. Das hatte er so in Gegenwart der Kanzlerin ins Spiel gebracht, als PM Cameron mit dem BREXIT drohte. Die Kanzlerin schien dem Gedanken zu zu stimmen.

Kommissionspräsident Juncker stellte daraufhin seine 5 Entwicklungspläne für die EU vor. Kerneuropa war dann eine denkbare Variante davon. Als denn diese Vorschläge für einiges Aufsehen sorgten, nahm Präsident Juncker immer mehr Kurs auf die Gemeinschaft der 28, unabhängig von dem Richtungsstreit, der von der Visegrad-Gruppe aus ging. Und dabei wurde er von der Kanzlerin unterstützt.

Im Präsidentschaftswahlkampf nahm der Bewerber Macron den Gedanken von Präsident Hollande wieder als Teil seines europa-politischen Plans auf. Nach seinem Wahlsieg ging er damit auf die Kanzlerin zu... erfuhr aber auf der Ebene des Bundeskabinetts nur lauwarmes Hinhalten. Während des Bundestagswahlkampf war dann erst einmal Ruhe damit, und als endlich wieder Treffen auf Regierungsebene zustande kamen, folgten neue hinhaltende Manöver und eine klare Abgrenzung des Finanzministers Scholz, was die Mittel und Ausgestaltung dieser Kerngruppe um den Euro herum betraf.

Ich meine, daß die Kanzlerin diesen Weg in Absprache mit Kommissionspräsident Juncker nicht wollte. Fliegt die EU nun durch fortbestehende Uneinigkeit auseinander, dann gibt es auch den Kern nach französischer Lesart nicht mehr.

An der Stelle ist es jetzt richtig, mit Ihren Beispielen von Gemeinschaftsprojekten in der Verteidigungspolitik und Wirtschaftspolitik zu beginnen. Das sind selbstverständlich auch gute und richtige Schritte zu mehr Gemeinschaft, aber das Kerneuropa wird damit nicht angesteuert.

Aus meiner Sicht hat die EU sich damit in eine weitere Warteschleife geführt, in der auf jeden Fall das Ziel der EU nicht mehr besonders klar erscheint. Irgendwie wurstelt man sich als EU durch die Tagespolitik hindurch. Die EU hat europapolitisch eine gute Chance vertan
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(20 Dec 2018, 07:04)
Es werden doch konkrete Schritte angestrebt, zum Beispiel eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung im Rahmen einer Verteidigungsunion, oder ein kleines Euro-Budget, um gemeinsame Industriepolitik in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 anstoßen zu können. Das Kerneuropa-Konzept ist doch nur Marketing.
Sicherlich brauchen die Klärungsprozesse innerhalb der demokratisch verfassten EU zu viel Zeit. Die Alternative wäre allerdings ein autokratisches China, welches seine Bürger mit künstlicher Intelligenz so flächendeckend überwacht, wie es in Orwells 1984 beschrieben ist.
H2O hat geschrieben:(20 Dec 2018, 16:20)
Kommissionspräsident Juncker stellte daraufhin seine 5 Entwicklungspläne für die EU vor. Kerneuropa war dann eine denkbare Variante davon. Als denn diese Vorschläge für einiges Aufsehen sorgten, nahm Präsident Juncker immer mehr Kurs auf die Gemeinschaft der 28, unabhängig von dem Richtungsstreit, der von der Visegrad-Gruppe aus ging. Und dabei wurde er von der Kanzlerin unterstützt.
Aus meiner Sicht hat die EU sich damit in eine weitere Warteschleife geführt, in der auf jeden Fall das Ziel der EU nicht mehr besonders klar erscheint. Irgendwie wurstelt man sich als EU durch die Tagespolitik hindurch. Die EU hat europapolitisch eine gute Chance vertan
Die EU-Kommission sollte weniger Zukunftskonzeptionen entwickeln. Macron hat wenigsten konkrete Ziele genannt, von denen leider nur ein minimaler gemeinsamer Nenner übrig geblieben ist. Neben der Visegrad-Gruppe hat sich die Hanse-Gruppe gebildet. Frankreich vertritt nach wie vor auch Interessen der Südländer. Deutschland steht, wie im 19. Jahrhundert, in der Mitte Europas und tut sich schwer, die deutsch-französische Achse am Laufen zu halten. Ich kann beim besten Willen keinerlei Kerneuropa erkennen, das über das Konzept einer recht und schlecht funktionierenden deutsch-französischen Achse hinausgeht.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(20 Dec 2018, 18:44)

Die EU-Kommission sollte weniger Zukunftskonzeptionen entwickeln. Macron hat wenigsten konkrete Ziele genannt, von denen leider nur ein minimaler gemeinsamer Nenner übrig geblieben ist. Neben der Visegrad-Gruppe hat sich die Hanse-Gruppe gebildet. Frankreich vertritt nach wie vor auch Interessen der Südländer. Deutschland steht, wie im 19. Jahrhundert, in der Mitte Europas und tut sich schwer, die deutsch-französische Achse am Laufen zu halten. Ich kann beim besten Willen keinerlei Kerneuropa erkennen, das über das Konzept einer recht und schlecht funktionierenden deutsch-französischen Achse hinausgeht.
Völlig klar! Wenn die Schickalsgemeinschaft D&F zu keinem überzeugenden Gemeinschaftskonzept findet... vom wem soll es denn dann kommen? Das sind nun einmal die beiden Schwergewichte in der EU und auch in Europa. Wir dürfen doch nicht im Ernst glauben, daß von Portugal oder Finnland plötzlich ein Schub auf den Rest der Mannschaft ausgeübt wird, wo es dann kein Halten mehr gibt. ;)

Ich gehe so weit, daß ich behaupte, daß die Bundesregierung kein europäisches Konzept hat, außer dem ererbten "Weiter so!" Anstatt sich mitreißen zu lassen von Macrons jugendlichem Schwung, haben sich alle Bedenkenträger der Volksparteien abwehrend aufgestellt. "Die wollen ja alle nur unser Geld!" Etwas weniger Hasenfüßige hätten vielleicht auch gefragt: "Und was erreichen wir gemeinsam damit?" und möglicherweise eigene Vorstellungen dazu entwickelt, daß Präsident Macron kaum noch hätte nachkommen können. ;)

Ich bin völlig ratlos, wie man diese griesgrämige Ansammlung von Politikern für das europäische Projekt in Bewegung setzen könnte. Wenn ich zu meinen Lebzeiten das europäische Projekt nicht entstehen sehen kann, dann möchte ich wenigstens auch nicht erleben, wie das alles wieder zerfällt, was mit so viel Idealismus aufgebaut worden ist.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(20 Dec 2018, 19:35)

Völlig klar! Wenn die Schickalsgemeinschaft D&F zu keinem überzeugenden Gemeinschaftskonzept findet... vom wem soll es denn dann kommen?
Aus Sicht der polnischen Regierung von Polen.

"Polens Außenminister Jacek Czaputowicz hat Frankreich als "kranken Mann Europas" bezeichnet. Im polnischen Fernsehsender Polsat News warf der Minister Frankreich am Montag vor, "Europa auszubremsen, während Polen ein Lichtblick ist". Quelle: https://www.zeit.de/news/2018-12/17/pol ... doc-1bo24c

Ein Stück Wahrheit ist da dran. Mal sehen ob es Frankreich (so wie Italien) gelingt an einem Defizitverfahren vorbeizukommen. Mag sein dass Macron ein glühender Europäer ist, die Franzosen sind es ganz gewiß nicht. In Polen ist es leider genau umgekehrt. Da sind die Polen glühende Europäer, aber nicht Kaczynski. Deutschland tut gut daran weder dem einen noch dem anderen zu weit entgegenzukommen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Dazu muß man wissen, daß Frankreichs Europapolitik Polen sehr hart als Trittbrettfahrer der EU wegen der Verweigerungshaltung in der Verteilung von Zuwanderern gerüffelt hat... nicht einmal, sondern ziemlich regelmäßig. Das hier ist jetzt die Retourkutsche, wobei das vor Gesundheit strotzende Polen sich keineswegs geniert, sich vom kranken Nettozahler Frankreich mit Geld für seine Infrastruktur versorgen zu lassen.

Wir Deutschen sollten sehr treu an der Seite Frankreichs stehen, wenn Frankreich angegriffen wird. Ich unterstütze jeden Schritt, der zu mehr Europa führt; wenn der von Polen vorgelegt wird, dann ist mir dieser Schritt ebenso willkommen wie ein französischer Vorschlag. Ist Ihnen ein polnischer Vorschlag bekannt geworden, der die EU voran bringen könnte?

Völlig richtig, die Polen sind sehr aufgeschlossene Europäer... ich wohne ja dort lange Zeit im Jahr... aber leider haben die sich eine Regierung gewählt, die man europapolitisch in der Pfeife rauchen kann. Immerhin fürchtet diese Regierungen Strafzahlungen an die EU, und sie hebt knurrend Gesetze wieder auf, mit denen die Rechtsstaatlichkeit Polens ausgehöhlt worden war... allen freundlichen Bitten und Warnungen zum Trotz. Erst ein Urteil des EuGH bringt sie zur Vernunft.

Ich meine schon, daß eine so enge Zusammenarbeit auf Ebene der Ministerien von D&F viel gegenseitiges Vertrauen rechtfertigt. Da könnte schon einmal etwas Schubkraft von Deutschland in Richtung Ausgestaltung der EU ausgehen. Die Franzosen würden ja mit schieben!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(21 Dec 2018, 09:34)

Dazu muß man wissen, daß Frankreichs Europapolitik Polen sehr hart als Trittbrettfahrer der EU wegen der Verweigerungshaltung in der Verteilung von Zuwanderern gerüffelt hat... nicht einmal, sondern ziemlich regelmäßig. Das hier ist jetzt die Retourkutsche, wobei das vor Gesundheit strotzende Polen sich keineswegs geniert, sich vom kranken Nettozahler Frankreich mit Geld für seine Infrastruktur versorgen zu lassen.

Wir Deutschen sollten sehr treu an der Seite Frankreichs stehen, wenn Frankreich angegriffen wird.
Aus meiner Sicht sollten wir das nur tun wenn Frankreich zu unrecht angegriffen wird. Das kann ich in diesem Fall nicht erkennen. Haushaltkommissar Oettinger fordert wegen der Verletzung der Defizitregeln ein Verfahren gegen Frankreich.

"Wegen der milliardenschweren Zusagen der französischen Regierung an die „Gelbwesten“ und der dadurch wachsenden Neuverschuldung fordert EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) ein EU-Defizitverfahren gegen Frankreich. Das Land verstoße mit Ausnahme des Jahres 2017 „das elfte Jahr hintereinander gegen die Neuverschuldungsregel“, sagte Oettinger …. Oettinger stellte sich im „Focus“ gegen den französischen EU-Währungskommissar Pierre Moscovici, der sich gegen ein Defizitverfahren gegen Frankreich ausspricht. „Ich bin da völlig anderer Meinung als mein Kollege“, sagte Oettinger. „Man kann Frankreich nicht so leichterhand abtun.“ Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 52880.html

Es sollte hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Ich fürchte Moscovici hat bei Italien nur deswegen die Augen beim nun vereinbarten Haushalt (2,04% Defizit statt ursprünglich vereinbarter 0,8% Defizit, trotzdem kein Defizitverfahren) zugedrückt weil er gleiches mit Frankreich im Sinn hat. Da hat man eigentlich Besserung gelobt, aber es gibt selbstverständlich immer 1.000 Gründe ein Auge zuzudrücken und kein Defizitverfahren einzuleiten.
Ich unterstütze jeden Schritt, der zu mehr Europa führt; wenn der von Polen vorgelegt wird, dann ist mir dieser Schritt ebenso willkommen wie ein französischer Vorschlag. Ist Ihnen ein polnischer Vorschlag bekannt geworden, der die EU voran bringen könnte?
Ich denke die polnische Regierung will wie einige weitere Staaten in Sachen EU wieder ein paar Schritte zurückgehen. Das ist Szenario 2 im Weißbuch der EU-Kommission. "Schwerpunkt Binnenmarkt – Die EU27 konzentriert sich wieder auf den Binnenmarkt, da die 27 Mitgliedstaaten in immer mehr Politikbereichen nicht in der Lage sind, eine gemeinsamen Haltung zu finden."
Völlig richtig, die Polen sind sehr aufgeschlossene Europäer... ich wohne ja dort lange Zeit im Jahr... aber leider haben die sich eine Regierung gewählt, die man europapolitisch in der Pfeife rauchen kann. Immerhin fürchtet diese Regierungen Strafzahlungen an die EU, und sie hebt knurrend Gesetze wieder auf, mit denen die Rechtsstaatlichkeit Polens ausgehöhlt worden war... allen freundlichen Bitten und Warnungen zum Trotz. Erst ein Urteil des EuGH bringt sie zur Vernunft.

Ich meine schon, daß eine so enge Zusammenarbeit auf Ebene der Ministerien von D&F viel gegenseitiges Vertrauen rechtfertigt. Da könnte schon einmal etwas Schubkraft von Deutschland in Richtung Ausgestaltung der EU ausgehen. Die Franzosen würden ja mit schieben!
Habe eher den Eindruck viele Staaten würden sich davor fürchten wenn Deutschland und Frankreich vorgeben wo es hingehen soll.
Ger9374

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Ger9374 »

Ein Motor sollte etwas antreiben. Dafür stand die D/F Partnerschaft Jahrzehnte in der E.U.
Nun bestimmt Zögern und Stagnation das Politische Umfeld in Brüssel.Ein Teil des D/F Motors wird bewusst in seiner Leistung gebremst.Ich sehe da die Merkel Regierung als Bremser.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(21 Dec 2018, 10:45)

Aus meiner Sicht sollten wir das nur tun wenn Frankreich zu unrecht angegriffen wird. Das kann ich in diesem Fall nicht erkennen. Haushaltkommissar Oettinger fordert wegen der Verletzung der Defizitregeln ein Verfahren gegen Frankreich.

"Wegen der milliardenschweren Zusagen der französischen Regierung an die „Gelbwesten“ und der dadurch wachsenden Neuverschuldung fordert EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) ein EU-Defizitverfahren gegen Frankreich. Das Land verstoße mit Ausnahme des Jahres 2017 „das elfte Jahr hintereinander gegen die Neuverschuldungsregel“, sagte Oettinger …. Oettinger stellte sich im „Focus“ gegen den französischen EU-Währungskommissar Pierre Moscovici, der sich gegen ein Defizitverfahren gegen Frankreich ausspricht. „Ich bin da völlig anderer Meinung als mein Kollege“, sagte Oettinger. „Man kann Frankreich nicht so leichterhand abtun.“ Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 52880.html

Es sollte hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Ich fürchte Moscovici hat bei Italien nur deswegen die Augen beim nun vereinbarten Haushalt (2,04% Defizit statt ursprünglich vereinbarter 0,8% Defizit, trotzdem kein Defizitverfahren) zugedrückt weil er gleiches mit Frankreich im Sinn hat. Da hat man eigentlich Besserung gelobt, aber es gibt selbstverständlich immer 1.000 Gründe ein Auge zuzudrücken und kein Defizitverfahren einzuleiten.

Ich denke die polnische Regierung will wie einige weitere Staaten in Sachen EU wieder ein paar Schritte zurückgehen. Das ist Szenario 2 im Weißbuch der EU-Kommission. "Schwerpunkt Binnenmarkt – Die EU27 konzentriert sich wieder auf den Binnenmarkt, da die 27 Mitgliedstaaten in immer mehr Politikbereichen nicht in der Lage sind, eine gemeinsamen Haltung zu finden."
Habe eher den Eindruck viele Staaten würden sich davor fürchten wenn Deutschland und Frankreich vorgeben wo es hingehen soll.
Na ja, ich finde den polnischen Kommentar zu "Frankreich der kranke Mann Europas" wirklich verfehlt. Ich kann nur immer wieder darauf bestehen, doch die Verdienste Polens um das europäische Projekt zu nennen. Da kommt weniger als nichts, nämlich Störfeuer. Bitte die Reihenfolge beachten: Zuerst Visegrad und Zank, dann die 5 Zukunftsbilder des EU-Kommissionspräsidenten... wobei die Kommission mit Unterstützung der Bundeskanzlerin den Laden zusammenhalten will. Ob das so aufgehen wird, das bezweifele ich.

Der Vorhalt des Wirtschaftskommissars Oettinger ist ganz in Ordnung; Frankreich darf kein Gewohnheitsrecht eingeräumt werden, seinen Haushalt ständig zu überziehen. Das bekommt der EU nicht gut, und dem Euro sicher auch nicht. Von deutscher Seite würde ich erwarten, daß sie sich freundschaftlich mit Frankreich um Abhilfe bemüht, anstatt Frankreich zu bedrängen. Insofern ist es unglücklich, daß Herr Oettinger ein deutscher EU-Kommissar ist. Der muß natürlich seine Pflicht tun!

Ich sehe das so, daß D&F gar nichts vorgeben, sondern als Duo voran gehen mit der vertieften Zusammenarbeit, und daß sie dafür werben, daß andere Partner sich diesem Vorgehen anschließen. Mir wären darum herum aufgebaute Schauergeschichten völlig Wurst. Die kommen von jenen, die eben nur den Binnenmarkt wollen. Darüber kann man zu gegebener Zeit nachdenken; erst einmal muß es mit dem europäischen Projekt weiter gehen und nicht zurück!

Ich erinnere an den Ausspruch des ehemaligen polnischen Verteidigungsministers: "Ich fürchte eine deutsche Führungsrolle in Europa weniger als das deutsche Nichtstun!" Ich meine, daß schon einige EU-Partner etwas mehr Bewegung erhoffen... aber ein kraftvoller Schub kann kaum von ihnen ausgehen. Da sind die beiden Schwergewichte gefragt!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Eulenwoelfchen »

H2O hat geschrieben:(20 Dec 2018, 19:35)
Ich gehe so weit, daß ich behaupte, daß die Bundesregierung kein europäisches Konzept hat, außer dem ererbten "Weiter so!"
Nichts vorantreiben wollen, und stattdessen den status quo pflegen, ist auch ein Konzept. :D - Ich nehme aber an, eines, das ihnen nicht
genehm ist...

Die deutsche Bundesregierung blockiert(e) in personam von Kanzlerin Merkel m.M.n. gezielt. Deutschland geht bzw. ging es mit der vorhandenen
EU-Situation prächtig. Die Finanzkrise bzw. der "kranke Mann Griechenland" usw. bescherten sogar Überraschungszinsen, mehrere Jahre
hintereinander stetig wachsende Steuereinnahmen und eine "schwarze Null" beim Haushalt. Neben Exportrekorden, nicht nur weltweit,
sondern auch in der EU. Siehe auch den enormen letztjährigen Handelsbilanzüberschuß von 85 zu 18 Mrd. zum Beispiel zwischen der zweitgrößten
EU-Volkswirtschaft GB und dem absoluten ökonomischen EU-"Big Block" (oder "BIP Block" :D ) Deutschland. Wieso sollte man an dieser
lukrativen Lage aus deutscher Sicht etwas ändern. Läuft und lief doch prächtig zu unseren Gunsten. Wirtschaftlich machen wir alles platt,
und zahlen brav und anteilig das, was die anderen entsprechend dem EU-Verteilungsschlüssel auch zahlen. Aber im Fall von D
geht das aus der Hosentasche... :cool:

Im übrigen, noch zu Hollandes Zeiten, ich glaube es war das Jahr 2011 oder 2012, als Griechenland, POR, Irland, Spanien, ITA etc.
gewaltig durchhingen, besonders die Arbeitslosigkeit extrem hoch war, besonders bei jungen und gut ausgebildeten Leuten,
sprach Angela Merkel vollmundig und einig mit der EU, besonders auch mit Herrn Hollande, das es neben der Bankenstützung
und finanziellen Unterstützung für kränkelnde Staaten, unbedingt auch ein Europäisches Investitionsprogramm geben müsse, das vor allem
den Staaten, die etwa wie Griechenland vor lauter Sparen kein Geld mehr für Investionen / Infrastrukturprogramme usw. hatten, neue und zukunftsfähige
wirtschaftliche Felder zu erschließen, damit die jungen Leuten in ihren Heimatländern Jobs und eine Zukunft finden.

Es gab dazu einen sogenannten Wirtschaftsgipfel in jenem Jahr, ich glaube es Nov. 2012? Mailand. Ergebnis: Leere Worte. Dieses dringend benötigte Projekt
eines Europäischen Investitionsfonds verlief im Sande. Vermutlich hat man Kanzlerin Merkel von deutscher Wirtschaftsseite bedeutet,
das man sich nicht unnötig viel Konkurrenz schaffen müsse. *okay, ist spekulativ, aber wie ich finde, durchaus schlüssig

Nicht erst seit Macron gibt oder gab es durchaus realisierbare und vor allem auch nützliche Ideen bzw. Projekte,
die man längst hätte umsetzen können. Zum Beispiel dieses Investitionsprojekt an bedürftige Staaten, das nicht als Kredit gelaufen wäre,
sondern als Sonderhilfe, solidarische Unterstützung der besser situierten, der stinkreichen Länder wie D, hätten die Menschen sicherlich auch bemerkt.
Und ich bin sicher, gerade auch in südeuropäischen Ländern eine weitaus bessere Meinung von der EU.

Und für FRA wäre es auch besser gewesen, statt einfach ständig die 3%-Defizitgrenze zu reissen. Und zwar mit Neuverschuldungsraten von
weit über 4%, sogar teils 5%. Übrigens nicht direkt nach der sog. Finanzkrise 2008. Sondern Jahre später und das regelmäßig.
Da wirkt es fast schon wie Hohn, jetzt ITA wegen einer Neuverschuldungsquote von 2,4% ans EU-Kreuz zu nageln.
Ein Wert, der ohnehin unterhalb der Defizitgrenze von 3% liegt.

Frankreich war da weniger zimperlich und scherte sich einen feuchten Kehricht um diese Kriterien.
Vive La France...usw.

Oder: Als es unter Lachen und Singen in der EU Abend wurde. :cool:
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(22 Dec 2018, 02:52)
Nichts vorantreiben wollen, und stattdessen den status quo pflegen, ist auch ein Konzept.
Wieso sollte man an dieser lukrativen Lage aus deutscher Sicht etwas ändern. Läuft und lief doch prächtig zu unseren Gunsten. Wirtschaftlich machen wir alles platt, und zahlen brav und anteilig das, was die anderen entsprechend dem EU-Verteilungsschlüssel auch zahlen. Aber im Fall von D geht das aus der Hosentasche... :cool:
Es gab dazu einen sogenannten Wirtschaftsgipfel in jenem Jahr, ich glaube es Nov. 2012? Mailand. Ergebnis: Leere Worte. Dieses dringend benötigte Projekt eines Europäischen Investitionsfonds verlief im Sande.
Es gibt diesen Europäischen Investitionsfonds bereits und ein Eurozonen-Budget wird vielleicht folgen:
https://www.euractiv.de/section/binnenm ... ktioniert/
Euractiv 19. Juli 2018 315 Milliarden zusätzlicher Investitionen sollte der Europäische Investitionsfonds auslösen. Laut EU-Kommission wird dieses Ziel übererfüllt.
Mittel- und langfristig sollte Deutschland daran interessiert sein, dass die Südländer wieder auf die Beine kommen, da der Binnenmarkt vor allem für Maschinenbau und Industrie 4.0 für Deutschland ein entscheidender Heimatmarkt werden könnte. Bei Industrie 4.0 ist Infrastrukturvernetzung wesentlich.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(22 Dec 2018, 07:24)

Es gibt diesen Europäischen Investitionsfonds bereits und ein Eurozonen-Budget wird vielleicht folgen:
https://www.euractiv.de/section/binnenm ... ktioniert/
Euractiv 19. Juli 2018 315 Milliarden zusätzlicher Investitionen sollte der Europäische Investitionsfonds auslösen. Laut EU-Kommission wird dieses Ziel übererfüllt.
Mittel- und langfristig sollte Deutschland daran interessiert sein, dass die Südländer wieder auf die Beine kommen, da der Binnenmarkt vor allem für Maschinenbau und Industrie 4.0 für Deutschland ein entscheidender Heimatmarkt werden könnte. Bei Industrie 4.0 ist Infrastrukturvernetzung wesentlich.
Diese Entwicklungen sind Balsam für meine verwundete europäische Seele. Warum so spät und so wenig? Wo bleibt das deutsche Konzept für die Weiterentwicklung des europäischen Projekts? Mein Empfinden: Die deutsche Seite ist gut für einen Plausch in Schloß Meeseberg, aber unfähig eine Richtung vor zu geben, über die man freundschaftlich mit Frankreich streiten könnte.

Es ist zum Mäusemelken! Erst kommt die deutsche Seite nicht in Gang wegen der Regierungsbildung und Horsts Purzelbäumen, jetzt faßt die deutsche Seite Tritt, beginnt zu arbeiten, da mischen die Gelben Westen Frankreich auf und Präsident Macron muß ganz kleine Brötchen backen.

Aber gut, Politik ist so, wenn sie in freiheitlichen Gemeinschaften zu Ergebnissen kommen will: Kleine Schritte, und furchtbar mühselig. Wirtschaft X.0 ist wichtig, aber wichtiger wären die Vorstellungen der Menschen, wie sie sich Europa vorstellen. Macrons Gespräch mit den europäischen Bürgern hat noch gar nicht begonnen. Oder der Präsident hält seine Reden vor akademischem Publikum für ein Gespräch. So wird das nichts.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(22 Dec 2018, 07:24)
Es gibt diesen Europäischen Investitionsfonds bereits und ein Eurozonen-Budget wird vielleicht folgen:
https://www.euractiv.de/section/binnenm ... ktioniert/
Euractiv 19. Juli 2018 315 Milliarden zusätzlicher Investitionen sollte der Europäische Investitionsfonds auslösen. Laut EU-Kommission wird dieses Ziel übererfüllt.
Mittel- und langfristig sollte Deutschland daran interessiert sein, dass die Südländer wieder auf die Beine kommen, da der Binnenmarkt vor allem für Maschinenbau und Industrie 4.0 für Deutschland ein entscheidender Heimatmarkt werden könnte. Bei Industrie 4.0 ist Infrastrukturvernetzung wesentlich.
H2O hat geschrieben:(22 Dec 2018, 09:22)
Aber gut, Politik ist so, wenn sie in freiheitlichen Gemeinschaften zu Ergebnissen kommen will: Kleine Schritte, und furchtbar mühselig. Wirtschaft X.0 ist wichtig, aber wichtiger wären die Vorstellungen der Menschen, wie sie sich Europa vorstellen. Macrons Gespräch mit den europäischen Bürgern hat noch gar nicht begonnen. Oder der Präsident hält seine Reden vor akademischem Publikum für ein Gespräch. So wird das nichts.
Das Gespräch der EU-Regierungschefs von oben mit den Bevölkerungen des jeweils anderen EU-Mitgliedes sind die eine Seite. Soziale Bewegungen von unten in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten grenzübergreifend oder nicht die andere Seite.
Europäische Innenpolitik lässt sich nicht wie ein multinationaler Konzern steuern. Grenzüberschreitende Meinungsbildungsprozesse innerhalt der EU sind mühseelig und schmerzhaft, wie der Brexit gerade zeigt. Es ist halt eine Generationsaufgabe, in diesem Fall unsere. ;)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(22 Dec 2018, 09:39)

Das Gespräch der EU-Regierungschefs von oben mit den Bevölkerungen des jeweils anderen EU-Mitgliedes sind die eine Seite. Soziale Bewegungen von unten in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten grenzübergreifend oder nicht die andere Seite.
Europäische Innenpolitik lässt sich nicht wie ein multinationaler Konzern steuern. Grenzüberschreitende Meinungsbildungsprozesse innerhalt der EU sind mühseelig und schmerzhaft, wie der Brexit gerade zeigt. Es ist halt eine Generationsaufgabe, in diesem Fall unsere. ;)
Ja, weitgehend einverstanden! Nur von den europäischen Sonntagsreden haben wir gar nichts. Das Gespräch darf sich eben nicht auf Durchsagen und Kreuzchen am Wahltag eindampfen lassen. Eine überparteiliche Bewegung wie "Pulse of Europe" kann nie die Kräfte nationaler Parteien entwickeln. Umso wichtiger wäre es aber, daß Parteipolitiker ihre europapolitischen Vorstellungen dort mit den Bürgern entwickeln und verteidigen, sich auch auf der Ebene international treffen und austauschen.

"Pulse of Europe" braucht organisatorische Hilfe von der EU-Kommission, denn Organisation bedeutet viel zeitlichen Einsatz und Hilfskräfte. Wie soll eine solche Bewegung das mit ihren Menschen schaffen? Sie könnte aber das meinungsbildende und überparteiliche Standbein der Gemeinschaft in den EU-Ländern sein.

Die EU als Gemeinschaft sollte versuchen, Pulse of Europe wieder Leben ein zu hauchen und diese überparteiliche Bewegung "von unten" ihre Themen selbst bestimmen lassen. Letztendlich ist die EU doch die Gemeinschaft der Bürger Europas und nicht ihr Willensbilder.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(22 Dec 2018, 09:39)
Das Gespräch der EU-Regierungschefs von oben mit den Bevölkerungen des jeweils anderen EU-Mitgliedes sind die eine Seite. Soziale Bewegungen von unten in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten grenzübergreifend oder nicht die andere Seite.
Europäische Innenpolitik lässt sich nicht wie ein multinationaler Konzern steuern. Grenzüberschreitende Meinungsbildungsprozesse innerhalt der EU sind mühseelig und schmerzhaft, wie der Brexit gerade zeigt. Es ist halt eine Generationsaufgabe, in diesem Fall unsere. ;)
H2O hat geschrieben:(22 Dec 2018, 10:02)
Ja, weitgehend einverstanden! Nur von den europäischen Sonntagsreden haben wir gar nichts. Das Gespräch darf sich eben nicht auf Durchsagen und Kreuzchen am Wahltag eindampfen lassen. Eine überparteiliche Bewegung wie "Pulse of Europe" kann nie die Kräfte nationaler Parteien entwickeln. Umso wichtiger wäre es aber, daß Parteipolitiker ihre europapolitischen Vorstellungen dort mit den Bürgern entwickeln und verteidigen, sich auch auf der Ebene international treffen und austauschen.
Vielleicht verstehen die sozialdemokratischen Parteien, die überall in der EU mit dem Rücken an der Wand stehen, endlich, dass sie sich grenzüberschreitend mehr austauschen und gemeinsame Initiativen entwickeln sollten. Die Attraktivität populistischer Parteien spiegelt das entstandene politische Vakuum in der Mitte der Gesellschaften wider. Das nächste Jahr wird mit darüber entscheiden, ob es zu einer Renaissance der sachorientierten Politik kommt, oder wir uns weiter nur ängstlich an unseren wirtschaftlichen Wohlstand klammern. Wir leben wirklich in politisch spannenden Zeiten, die allerdings unangenehmer zu werden drohen.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Ja, lieber Wähler; aus meiner Sicht aber nur unangenehm, wenn wir die Notwendigkeit eigener politischer Entscheidungen für unangenehm halten. Ich sehe darin eine neue Freiheit, auf die unser Land aus guten Gründen lange Zeit verzichtet hatte. Diese abwartende Vorsicht wird jetzt gefährlich.

Wir wollen, wir werden und wir können... Bangebüxen hinter uns lassen!
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Wähler hat geschrieben:(22 Dec 2018, 07:24)

Es gibt diesen Europäischen Investitionsfonds bereits und ein Eurozonen-Budget wird vielleicht folgen:
https://www.euractiv.de/section/binnenm ... ktioniert/
Euractiv 19. Juli 2018 315 Milliarden zusätzlicher Investitionen sollte der Europäische Investitionsfonds auslösen. Laut EU-Kommission wird dieses Ziel übererfüllt.
Mittel- und langfristig sollte Deutschland daran interessiert sein, dass die Südländer wieder auf die Beine kommen, da der Binnenmarkt vor allem für Maschinenbau und Industrie 4.0 für Deutschland ein entscheidender Heimatmarkt werden könnte. Bei Industrie 4.0 ist Infrastrukturvernetzung wesentlich.
Dieses Projekt hat mit dem damals angedachten Investitionsprogramm rein gar nichts zu tun. Damals, speziell bei der Griechenlandkrise ging es darum,
wie man Ländern, die faktisch von einer Staatsfinanzierung des weltweiten, privaten Kredit- und Investitionssektors ausgeschlossen waren, weil diesem Staat
kein privater Investor mehr Geld leihen wollte, helfen könne? Sprich diesen Ländern, die ohnehn einem unsäglichen Spar- und Reduzierungsdiktat ausgeliefert waren,
dennoch Spielraum für staatliche Investitionen zu geben:
Die erstens) nicht als rückzahlbare Kredite behandelt würden und somit auch nicht den Verschuldungsgrad
der Staatshaushalte belasten sollten.
Und zweitens) auch tatsächlich als solidarische Transferleistung des gemeinsamen Hauses EU anzusehen sind.

Nicht als vorgeschobene Alibi-Förderung, die wie in ihrem zitierten Juncker-Projekt läppische 12 Mrd. eines Gesamtumfanges von 335 Mrd. durch
private Investoren anstoßen soll. Privatinvestitionen, die z.B. Griechenland damals in die Tonne kloppen konnte. Man bekam ja nicht einmal mehr
Geld auf dem freien Markt, um das Notwendigste des Staatshaushalts aufrecht zu erhalten. Von tatsächlichen Möglichkeiten des Staates,
nennenswert Investitionen im Land zu tätigen, ist da noch gar nicht die Rede.

Siehe einen Auszug aus Ihrem verlinkten Artikel:
"So klar messen lässt sich das konkrete EFSI-Ergebnis allerdings nicht. Schließlich handelt es sich bei lediglich zwölf Milliarden um zusätzliche öffentliche Mittel. Der Rest soll sich durch eine Hebelwirkung ergeben – also dass die geringen öffentlichen Investitionen in großem Stil private Investitionen nach sich ziehen".

Zwölf Mrd. öffentlicher Investitionsmittel, verteilt auf 27 Mitgliedsstaaten, ergibt summa summarum nicht einmal eine halbe Mrd. Euro an staatlichen Investitionsmitteln je Land. Selbst für Griechenland, POR oder andere damals sehr in der Krise steckende Staaten ein geradezu lächerlicher Investitionsanschub für Infrastruktur und andere Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum und den Aufbau zukunftsfähiger Wirtschaftsfelder und deren wettbewerbstauglicher Tragfähigkeit anschieben könnten.

Reine Augenwischerie in meinen Augen. ;)
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Orbiter1
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(22 Dec 2018, 15:55)

Selbst für Griechenland, POR oder andere damals sehr in der Krise steckende Staaten ein geradezu lächerlicher Investitionsanschub für Infrastruktur und andere Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum und den Aufbau zukunftsfähiger Wirtschaftsfelder und deren wettbewerbstauglicher Tragfähigkeit anschieben könnten.

Reine Augenwischerie in meinen Augen. ;)
Soll das ein Witz sein? Alleine Griechenland hat 286 Mrd Euro an Hilfskrediten (bezahlt von den Steuerzahlern der Eurozone) zu symbolischen Mini-Zinsen und jahrzehntelanger Null-Tilgung erhalten. Hilft aber nichts. Die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands nimmt immer weiter ab. Dazu müssten sich erst einmal die Griechen ändern und notwendige Reformen nicht nur zusagen sondern auch durchführen. Davon kann aber auch nach 7 Jahren Krise nicht die Rede sein. Investitionen ohne passende Rahmenbedingungen ist sinnlos aus dem Fenster geworfenes Geld. Deswegen investiert auch kaum ein Unternehmen in Griechenland.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(22 Dec 2018, 07:24)
Es gibt diesen Europäischen Investitionsfonds bereits und ein Eurozonen-Budget wird vielleicht folgen:
https://www.euractiv.de/section/binnenm ... ktioniert/
Euractiv 19. Juli 2018 315 Milliarden zusätzlicher Investitionen sollte der Europäische Investitionsfonds auslösen. Laut EU-Kommission wird dieses Ziel übererfüllt.
Mittel- und langfristig sollte Deutschland daran interessiert sein, dass die Südländer wieder auf die Beine kommen, da der Binnenmarkt vor allem für Maschinenbau und Industrie 4.0 für Deutschland ein entscheidender Heimatmarkt werden könnte. Bei Industrie 4.0 ist Infrastrukturvernetzung wesentlich.
Eulenwoelfchen hat geschrieben:(22 Dec 2018, 15:55)
Zwölf Mrd. öffentlicher Investitionsmittel, verteilt auf 27 Mitgliedsstaaten, ergibt summa summarum nicht einmal eine halbe Mrd. Euro an staatlichen Investitionsmitteln je Land. Selbst für Griechenland, POR oder andere damals sehr in der Krise steckende Staaten ein geradezu lächerlicher Investitionsanschub für Infrastruktur und andere Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum und den Aufbau zukunftsfähiger Wirtschaftsfelder und deren wettbewerbstauglicher Tragfähigkeit anschieben könnten.
Sie vergessen die Regional- und Strukturfonds des Europäischen Haushaltes, der übrigens aus nationalen Steuergeldern finanziert wird und keine Schulden machen darf.
Es bleibt dann nur der Weg über Kreditfinanzierung der Europäischen Entwicklungsbank, die dafür etwas Eigenkapital bei der EZB hinterlegen muss, um Giralgeldwertschöpfung per Kredit betreiben zu können.
Der ESM wird auch mit Eigenkapital aus nationalen Steuern gesichert, um Bürgschaften für Umschuldungen nationaler Staatsverschuldungen leisten zu können.
Für Ihren Investitionsanschub bleiben dann nur Umschichtungen in den nationalen Haushalten oder im EU-Haushalt - Euro-Budget - oder Steuererhöhungen. Da bin ich einmal gespannt auf ihre zusätzlichen Vorschläge. ;)
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Eulenwoelfchen »

@Orbiter1 und Wähler,
Sie können sich gerne weiter darin überbieten, sich die Welt der sog. Investionen und überreichlichen "EU-Geschenke" z.B. an Griechenland schönzureden, und dem Rest der Welt,
wieviele Mittel tatsächlich für echte Infrastrukturinvestitionen diesen Staaten zur Verfügung standen. Mit Staatshaushaulten, denen ein rigoroser Sozialabbau, incl. Spar- bzw. Kürzungszwang für den Staatshaushalt auferlegt wurde.
Es ist einfach lächerlich, mit den regionalen Struktur- und Förderfonds zu protzen. Klar, bei mir um die Ecke wurden aus diesem Strukturfonds der EU Prachtstraßenwege für vereinzelte Radfahrer- und innen
parallel zu Landstraßen in die dörflichen Pampa breitflächig betoniert...ähm...geteert. Toll! - Sieben Dörfer wurden so für Radfahrer miteinander verbunden. Meistens sind sie leer. Kein einziger Mensch per Rad unterwegs.
Über den Sinn und Nutzen solcher Projekte und EU-Fonds kann man streiten. Auch wenn 70% der Mittel die EU bezahlte, den Rest müssen die Gemeindehaushalte selber stemmen und verschulden sich dafür auch
noch weiter. Bei Gemeindekassen, die ohnehin fehlende Einnahmen beklagen und bei jeder anderen Gelegenheit betonen, es sei einfach kein Geld da. Zum Beispiel für soziale Verbesserungen wie Ganztagskindergarten,
weil man keine weitere Kindergartenkraft finanzieren könne und der kirchliche Träger auch nicht bereit ist, jemanden zusätzlich einzustellen. Working nine to five.

Es ist einfach lachhaft, wie hier die Welt verdreht wird. Die EU hat Griechenland rein gar nichts geschenkt. Sondern verlangt Zinsen, Kreditrückzahlung, Staatschuldenreduzierung und Verkleinerung des Staatshaushaltes, scharfe Maßnahmen mit tiefen Sozialeinschnitten, die die Masse der Leute betrafen und betreffen. Da soll im Gegenzug Geld für langfristige staatliche Investitionen in bessere Infrastrukturen bleiben? Das ist und war einfach lachhaft und jenseits der tatsächlichen Realität.
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Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(23 Dec 2018, 11:02)
Über den Sinn und Nutzen solcher Projekte und EU-Fonds kann man streiten. Auch wenn 70% der Mittel die EU bezahlte, den Rest müssen die Gemeindehaushalte selber stemmen und verschulden sich dafür auch
noch weiter. Bei Gemeindekassen, die ohnehin fehlende Einnahmen beklagen und bei jeder anderen Gelegenheit betonen, es sei einfach kein Geld da.
Konsum an Sozialleistungen kann aus sozialstaatlichen Steuern finanziert werden, für private oder öffentliche Investitionen müssen Schulden tragbar sein. Unsere Wohnungsbaugenossenschaft muss auch Zinsen und Tilgung finanzieren, um die Miete konstant über Jahrzehnte zu halten. Sie haben übrigens noch nicht die Frage beantwortet, wie die zusätzlichen Wünsche finanziert werden sollen. ;)
Zuletzt geändert von Wähler am So 23. Dez 2018, 17:27, insgesamt 1-mal geändert.
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