H2O hat geschrieben:(20 Feb 2017, 12:35)
Für mich ist und bleibt russisches Gas so brennbar wie norwegisches, wenn mir auch eine Abhängigkeit von Norwegen lieber wäre. Das russische Gas wird mit Sicherheit im Wettbewerb vermarktet... womöglich sogar aus Deutschland weiter verkauft. Und wenn der Preis nicht paßt, dann wird es eben LNG aus Swinemünde oder Triest. Dazu müßten aber erst einmal einige Holzköpfe zur Vernunft kommen.
Ja, und russische Bomben sind genauso explosionsfähig wie andere.
Die Idee der Energie-Union wäre jene, wonach das Gas gemeinschaftlich zum günstigen Preis eingekauft, aber auch gemeinschaftlich wieder verteilt wird. Davon könnte die Ukraine sogar profitieren, in dem sie günstigeres EU-Gas importiert anstatt direkt von Russland - ausgerechnet dem Kriegsgegner - abhängig zu sein.
Nur, gerade das wird Gazprom / Russ. Föderation nicht wollen.
Im Kern steht eine grundsatzpolitische Frage an:
Angesichts der neuen Einkaufsmöglichkeiten für Energie sehen sich auch Deutschland und die Europäische Union insgesamt vor die Wahl gestellt: Will man Teil des neuen, per Tankerflotte versorgten Weltmarktes für Flüssiggas werden? Oder bindet man sich durch den Bau der neuen Pipeline weiter langfristig vor allem an Russland – ausgerechnet in einer Zeit, in der Moskau eine aggressive Außenpolitik betreibt?
https://www.welt.de/wirtschaft/article1 ... eigen.html
Hinzu kommt, dass die Ostsee-Anrainer nicht nur Einspruch erheben, so wie das EU-Parlament, sondern auch handfester opponieren.
Uniper und Wintershall bekamen in Polen keine kartellrechtliche Erlaubnis für die Gründung eines Pipeline-Konsortiums mit Gazprom.
Die Ostsee-Pipeline führt unmittelbar an den Küsten Finnlands, baltischer Staaten, Schwedens und Polens vorbei.
Der Punkt ist hier die Frage der Langfristigkeit. Man kann nicht einfach tagesaktuell auf LNG setzen, dann mal wieder auf Nordstream 2 und dazwischen noch einen Windpark aufbauen. Wir sprechen hier über Festlegungen für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte und über Kosten, die gut und gerne 10 Milliarden Euro ausmachen können.
Das heißt schlicht, die Politik muss sich entscheiden, welche Risiken und Nebenwirkungen sie für die nächsten 10 Jahre eingehen möchte und welche nicht.
Völlig richtig, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik muß her: Dann aber bitte sofort der Verzicht auf nationale Außenminister und Verteidigungsminister, Wirtschaftsminister und Finanzminister; oder besser noch: Diese Minister müssen auf Außendarstellung völlig verzichten. Gibt es bei uns schon auf der Ebene der Bundesländer. Eine gemeinsame Außenpolitik der 28 unabhängigen Staaten der EU ist ein Widerspruch in sich. Deshalb auch "Kerneuropa"!
Ein Kerneuropa wird es nicht geben, Staaten haben Interessen, auch Deutschland, auch ökonomische. Daher wird man die Auffassung des EU-Parlamentes wohl zur Kenntnis nehmen, mehr aber auch nicht. Weder Berlin noch Warschau oder sonst wer wird seine Energiepolitik der nächsten 10, 20 Jahre von einer fernen Institution abhängig machen. Es gibt auch gar keine Verträge, die eine Auflösung der Souveränitäten vorsehen würden.
Hier sei also nochmals, bei aller Liebe, der Gang in den Freizeitpark Rust empfohlen - dort ist Kerneuropa als theoretisches Konstrukt gegeben und man muss vor allem nichts entscheiden, nichts Wichtiges jedenfalls.
Ergänzung
Die "neue EU" hat beste Chancen, wenn sie sich klar strategisch ausrichtet. Die Energie- und Sicherheitspolitik ist davon untrennbar.