Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

Senexx hat geschrieben:(10 Mar 2018, 09:56)

Es wurde nur etwas Zeit gewonnen. Die Vielvölkerschlacht ist noch nicht geschlagen. Sie ist aber unausweichlich. Es gilt Verbündeten zu suchen.
Wozu Verbündete? Einer Erweiterung der bestehenden Transferunion wurde doch bereits im Koalitionsvertrag zugestimmt. Da geht es nur noch darum ob zusätzlich 5 Mrd € deutscher Steuergelder pro Jahr oder 30 Mrd € pro Jahr in Fässern ohne Boden versenkt werden.

„Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann. Dafür werden wir bei der Erstellung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens Sorge tragen. Dabei befürworten wir auch spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz und für die Unterstützung von Strukturreformen in der Eurozone, die Ausgangspunkt für einen künftigen Investivhaushalt für die Eurozone sein können. Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit.“

Strukurreformen, vor der sich die üblichen Verdächtigen bisher ziemlich erfolgreich gedrückt haben, sind der Bevölkerung nur in Krisensituationen vermittelbar. Hier wird alles getan um die Krise abzufedern (so wie das die EZB auch mit ihrer Nullzinspolitik macht). Strukturreformen wird es deswegen auch nicht geben, nur eine Umverteilung.

Einer Vergemeinschaftung der Schulden wurde im Koalitionsvertrag bereits ebenfalls zugestimmt. Hier ist nur noch zu klären in welcher Höhe.

„Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wollen wir zu einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln, der im Unionsrecht verankert sein sollte.“

Mir ist nicht klar wozu Verbündete gut sein sollen wenn man (sinngemäß) der Kapitulation bereits zugestimmt hat.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Nach so viel Bedenken erinnere ich daran, daß sich die Nordstaaten der EU zusammengetan haben, um die Veränderungen in der EU mitgestalten zu können. Ich werde den Verdacht nicht los, daß sie sich so aufgestellt haben, daß es Deutschland leicht gemacht wird, sich diesem Geleitzug an zu schließen. Aber erst einmal muß der Schulterschluß der Kanzlerin mit Präsident Macron eingeübt werden.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

Haben Sie zum Bündnis der Nordstaaten nähere Informationen?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(11 Mar 2018, 08:45)

Haben Sie zum Bündnis der Nordstaaten nähere Informationen?
Ja, muß ich heraussuchen. War in der vorigen Woche das große Thema, mit dem Niederländer Rutte als Wortführer: Irland, Niederlande, Dänemark, Schweden, Finnland, Estland , Lettland, Litauen... und nun fehlen mir 2 bis zu 10. ?Luxemburg und Belgien?

Na, hier: http://www.freiewelt.net/nachricht/acht ... -10073771/

Es waren auch "nur" 8; habe ich also maßlos übertrieben! Aber auch die allgemeine Tagespresse hatte darüber berichtet bis hin nach Polen (Rzeczpospolita).
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(11 Mar 2018, 08:40)

Nach so viel Bedenken erinnere ich daran, daß sich die Nordstaaten der EU zusammengetan haben, um die Veränderungen in der EU mitgestalten zu können. Ich werde den Verdacht nicht los, daß sie sich so aufgestellt haben, daß es Deutschland leicht gemacht wird, sich diesem Geleitzug an zu schließen. Aber erst einmal muß der Schulterschluß der Kanzlerin mit Präsident Macron eingeübt werden.
Es gibt doch bereits klare Zugeständnisse im Koalitionsvertrag gegenüber Frankreich (s. oben). Der "Aufstand" der Nordstaaten wird dann eben dazu führen dass sie nicht Teil der Transferunion werden. Dann marschieren Frankreich und Deutschland (und vermutlich die Nehmerländer im Süden) voran.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 10:05)
Es gibt doch bereits klare Zugeständnisse im Koalitionsvertrag gegenüber Frankreich (s. oben). Der "Aufstand" der Nordstaaten wird dann eben dazu führen dass sie nicht Teil der Transferunion werden. Dann marschieren Frankreich und Deutschland (und vermutlich die Nehmerländer im Süden) voran.
Es wird auf absehbare Zeit kein Euro-Budget geben. Die Bundesregierung ist doch schon dabei, wieder zurückzurudern.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 10:05)

Es gibt doch bereits klare Zugeständnisse im Koalitionsvertrag gegenüber Frankreich (s. oben). Der "Aufstand" der Nordstaaten wird dann eben dazu führen dass sie nicht Teil der Transferunion werden. Dann marschieren Frankreich und Deutschland (und vermutlich die Nehmerländer im Süden) voran.
Ich werde den Verdacht aber nicht los, daß die beiden sich gegenseitig "abholen" und dann durch Notwendigkeit dahin kommen, wo die Nordstaaten stehen. Den Braten hatte ein Redakteur der Rzeczpospolita vor einigen Tagen auch schon gerochen; daß nämlich der nördliche Standpunkt den Segen der deutschen Politik hat.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(11 Mar 2018, 10:15)

Ich werde den Verdacht aber nicht los, daß die beiden sich gegenseitig "abholen" und dann durch Notwendigkeit dahin kommen, wo die Nordstaaten stehen. Den Braten hatte ein Redakteur der Rzeczpospolita vor einigen Tagen auch schon gerochen; daß nämlich der nördliche Standpunkt den Segen der deutschen Politik hat.
Das heißt dieser Passus im Koalitionsvertrag ist nur ein Täuschungsmanöver der GroKo?

"Die Erneuerung der EU wird nur gelingen, wenn Deutschland und Frankreich mit ganzer Kraft gemeinsam dafür arbeiten. Deshalb wollen wir die deutsch-französische Zusammenarbeit weiter stärken und erneuern. Ein neuer Élysée-Vertrag ist hierzu ein erster und wichtiger Schritt, der insbesondere auch die europapolitische Zusammenarbeit weiter stärken sollte. Deutschland und Frankreich müssen insbesondere auch Innovationsmotor sein und werden dies in Vorhaben wie der Erforschung Künstlicher Intelligenz unter Beweis stellen. Wir wollen gemeinsame Positionen möglichst zu allen wichtigen Fragen der europäischen und internationalen Politik entwickeln und in Bereichen, in denen die EU mit 27 Mitgliedstaaten nicht handlungsfähig ist, vorangehen. ...

Wir werden mit Frankreich konkrete Schritte zur Verwirklichung eines deutsch-französischen Wirtschaftsraums mit einheitlichen Regelungen vor allem im Bereich des Unternehmens-und Konkursrechts und zur Angleichung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer vereinbaren. Gemeinsam mit Frankreich werden wir uns für eine entsprechende Harmonisierung der Regelungen zur Vollendung des europäischen Binnenmarkts einsetzen. ..."

Das wäre dann Verrat an Frankreich. Wird Deutschland mit 100%iger Sicherheit nicht verüben. Da brechen sie schon eher mit den 8 Nordstaaten.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

Diesen Koalitionsvertrag haben Menschen geschrieben, die von Wirtschaft nicht den blassesten Schimmer haben. Da kann es einem Angst und Bange werden. Ein gemeinsames Konkursrecht, bei völlig unterschiedlichen Rechtssystemen und Unternehmensrecht.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 10:43)

Das heißt dieser Passus im Koalitionsvertrag ist nur ein Täuschungsmanöver der GroKo?

"Die Erneuerung der EU wird nur gelingen, wenn Deutschland und Frankreich mit ganzer Kraft gemeinsam dafür arbeiten. Deshalb wollen wir die deutsch-französische Zusammenarbeit weiter stärken und erneuern. Ein neuer Élysée-Vertrag ist hierzu ein erster und wichtiger Schritt, der insbesondere auch die europapolitische Zusammenarbeit weiter stärken sollte. Deutschland und Frankreich müssen insbesondere auch Innovationsmotor sein und werden dies in Vorhaben wie der Erforschung Künstlicher Intelligenz unter Beweis stellen. Wir wollen gemeinsame Positionen möglichst zu allen wichtigen Fragen der europäischen und internationalen Politik entwickeln und in Bereichen, in denen die EU mit 27 Mitgliedstaaten nicht handlungsfähig ist, vorangehen. ...

Wir werden mit Frankreich konkrete Schritte zur Verwirklichung eines deutsch-französischen Wirtschaftsraums mit einheitlichen Regelungen vor allem im Bereich des Unternehmens-und Konkursrechts und zur Angleichung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer vereinbaren. Gemeinsam mit Frankreich werden wir uns für eine entsprechende Harmonisierung der Regelungen zur Vollendung des europäischen Binnenmarkts einsetzen. ..."

Das wäre dann Verrat an Frankreich. Wird Deutschland mit 100%iger Sicherheit nicht verüben. Da brechen sie schon eher mit den 8 Nordstaaten.
Ihre Gedanken sind viel zu fest gefügt. Lesen Sie den Satz der GroKo: Dort steht nicht, daß Deutschland einer französischen Weisung folgt, sondern daß man gemeinsam etwas entwickeln will.

Und wenn Sie dann die Vorstellungen der Nordstaaten lesen, dann sind auch die dafür zu gewinnen, nationale Bereiche auf zu geben, wenn dabei ein greifbarer Mehrwert heraus kommt. Solche Gedanken finde ich konstruktiv und unterstützenswert.

Wenn Sie dann wieder lesen, daß wir die Rahmenbedingungen der deutschen und französischen Wirtschaft harmonisieren wollen, dann kann daraus ja nur ein Mehrwert entstehen.

Ich bin ziemlich froh, daß Präsident Macron das europäische Projekt voran bringen will. Als Politiker wird ihm aber klar sein, daß vermutlich an jedem seiner Vorschläge mehr oder weniger Anpassungsarbeit geleistet werden muß, wenn er gemeinsam unterstützte Vorschläge erreichen will.

Richten wir unseren Blick auf Griechenland und Italien als derzeit besonders schwierige Partner. Deutschland wird nie und nimmer die Erwartungshaltung bedienen können, beide Partner zu versorgen. Dann fliegen hier im Lande die Fetzen. Schon um ihr Überleben zu sichern, wird die GroKo nur das vereinbaren können, was das Leben in Deutschland nicht fühlbar erschwert. Das wird auch Frankreichs Politikern klar sein... oder klar gemacht werden, wenn wir den gemeinsamen Weg suchen.

Ich unterstütze deshalb auch das deutsch-französische Gespräch über mögliche Ziele und Abläufe im europäischen Projekt. Ein Palaver gleichzeitig mit allen Partnern, das wird doch nichts. Das kann doch erst am Ende der deutsch-französischen Vereinbarungen stehen. Klar wird man sich zwischendurch in Einzelgesprächen unter Nachbarn beraten, damit nichts zu weit ab von möglichen Einigungen angelegt wird. Aber die Hauptlast sollten schon Frankreich und Deutschland allein abarbeiten. Dann wird auch etwas daraus.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(11 Mar 2018, 11:11)

Ihre Gedanken sind viel zu fest gefügt. Lesen Sie den Satz der GroKo: Dort steht nicht, daß Deutschland einer französischen Weisung folgt, sondern daß man gemeinsam etwas entwickeln will.

Und wenn Sie dann die Vorstellungen der Nordstaaten lesen, dann sind auch die dafür zu gewinnen, nationale Bereiche auf zu geben, wenn dabei ein greifbarer Mehrwert heraus kommt. Solche Gedanken finde ich konstruktiv und unterstützenswert.
Da empfehle ich ihnen mal das Originaldokument der Nordstaaten zu lesen. Sind nur 6 Statements auf 2 Seiten. Das ist eine glasklare Absage an die Pläne von Macron und eine glasklare Absage an einen französisch-deutschen Alleingang. Hier ist der Link: http://vm.fi/documents/10623/6305483/Po ... en.pdf.pdf

Die Mitgliedstaaten sollen geflälligst ihr Hausaufgaben machen. Und was neue Themen betrifft bleibt die Bankenunion und der Europäische Währungsfonds, sonst nichts. Damit wäre Macron komplett gescheitert.
Wenn Sie dann wieder lesen, daß wir die Rahmenbedingungen der deutschen und französischen Wirtschaft harmonisieren wollen, dann kann daraus ja nur ein Mehrwert entstehen.

Ich bin ziemlich froh, daß Präsident Macron das europäische Projekt voran bringen will. Als Politiker wird ihm aber klar sein, daß vermutlich an jedem seiner Vorschläge mehr oder weniger Anpassungsarbeit geleistet werden muß, wenn er gemeinsam unterstützte Vorschläge erreichen will.

Richten wir unseren Blick auf Griechenland und Italien als derzeit besonders schwierige Partner. Deutschland wird nie und nimmer die Erwartungshaltung bedienen können, beide Partner zu versorgen. Dann fliegen hier im Lande die Fetzen. Schon um ihr Überleben zu sichern, wird die GroKo nur das vereinbaren können, was das Leben in Deutschland nicht fühlbar erschwert. Das wird auch Frankreichs Politikern klar sein... oder klar gemacht werden, wenn wir den gemeinsamen Weg suchen.

Ich unterstütze deshalb auch das deutsch-französische Gespräch über mögliche Ziele und Abläufe im europäischen Projekt. Ein Palaver gleichzeitig mit allen Partnern, das wird doch nichts. Das kann doch erst am Ende der deutsch-französischen Vereinbarungen stehen. Klar wird man sich zwischendurch in Einzelgesprächen unter Nachbarn beraten, damit nichts zu weit ab von möglichen Einigungen angelegt wird. Aber die Hauptlast sollten schon Frankreich und Deutschland allein abarbeiten. Dann wird auch etwas daraus.
Eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich werden die anderen Mitglieder mit Argusaugen verfolgen. Da können ganz schnell mächtige Allianzen entstehen. Die Nordstaaten haben sich ja bereits gefunden, sind aber nicht so mächtig. Die haben gerade mal 48 Mio Einwohner. Aber Polens Premierminister hat schon die Hand gehoben und signalisiert dass auch die 4 Visegradstaaten viele dieser Ziele teilen und sich gegen die Pläne von Frankreich und Deutschland wehren. https://www.express.co.uk/news/world/92 ... l-Brussels Die 4 Visegradstaaten haben 63 Mio Einwohner. Die kommen dann mit den Nordstaaten auf 111 Mio Einwohner, Deutschland und Frankreich auf 150 Mio Einwohner.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 18:05)

Da empfehle ich ihnen mal das Originaldokument der Nordstaaten zu lesen. Sind nur 6 Statements auf 2 Seiten. Das ist eine glasklare Absage an die Pläne von Macron und eine glasklare Absage an einen französisch-deutschen Alleingang. Hier ist der Link: http://vm.fi/documents/10623/6305483/Po ... en.pdf.pdf

Die Mitgliedstaaten sollen geflälligst ihr Hausaufgaben machen. Und was neue Themen betrifft bleibt die Bankenunion und der Europäische Währungsfonds, sonst nichts. Damit wäre Macron komplett gescheitert.


Eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich werden die anderen Mitglieder mit Argusaugen verfolgen. Da können ganz schnell mächtige Allianzen entstehen. Die Nordstaaten haben sich ja bereits gefunden, sind aber nicht so mächtig. Die haben gerade mal 48 Mio Einwohner. Aber Polens Premierminister hat schon die Hand gehoben und signalisiert dass auch die 4 Visegradstaaten viele dieser Ziele teilen und sich gegen die Pläne von Frankreich und Deutschland wehren. https://www.express.co.uk/news/world/92 ... l-Brussels Die 4 Visegradstaaten haben 63 Mio Einwohner. Die kommen dann mit den Nordstaaten auf 111 Mio Einwohner, Deutschland und Frankreich auf 150 Mio Einwohner.
Alles schön und gut. Nun sollen die Beteiligten, meinetwegen jede Gruppe für sich, erst einmal überhaupt etwas Belastbares "zum Anfassen" auf die Beine stellen. Wenn sich dann "interessante Bündnisse" heraus schälen, dann umso besser. Die Geschichte wird im weiteren Verlauf lehren, ob die engere Zusammenarbeit erfolgreicher ist als die etwas lockerere.

Ich selbst neige mehr der sehr engen Zusammenarbeit zu, wenn sie sich denn harmonisch herstellen läßt. Wenn sich darin für mich unerwartet gegenseitige Beherrschungsgelüste ausleben sollten, dann bleibt immer noch der Rückzug auf weniger ehrgeizige Formen der Zusammenarbeit. Mit anderen Worten: Wir machen jetzt erst einmal den sehr ernst gemeinten Versuch einer umfassenden deutsch-französischen Zusammenarbeit... und mir wäre schnurz, was der Rest Europas davon hält. Der hat nämlich in der europäischen Sache bisher gar nichts geleistet. Er kann aber jetzt zeigen, daß er es besser kann. Ich sehe diese Anstrengungen mit viel Wohlwollen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(11 Mar 2018, 18:25)

Alles schön und gut. Nun sollen die Beteiligten, meinetwegen jede Gruppe für sich, erst einmal überhaupt etwas Belastbares "zum Anfassen" auf die Beine stellen. Wenn sich dann "interessante Bündnisse" heraus schälen, dann umso besser. Die Geschichte wird im weiteren Verlauf lehren, ob die engere Zusammenarbeit erfolgreicher ist als die etwas lockerere.
Wie soll,das funktionieren? 19 Länder haben die gleiche Währung. Die einen arbeiten enger zusammen und harmonisieren ihr Steuer- und Rechtssystem, die anderen nicht. Die einen machen ihre Hausaufgaben und führen Struktureformen durch, die anderen nicht. Da muß die nächste Euro-Krise zwangsläufig kommen.
Ich selbst neige mehr der sehr engen Zusammenarbeit zu, wenn sie sich denn harmonisch herstellen läßt.
Das sich die Zusammenarbeit harmonisch auf den Weg bringen lässt glaube ich gerne, aber eine harmonische weitere Entwicklung würde mich extrem wundern. Ich wurde vor 15 Jahren durch eine Übernahme für 6 Jahre zu einem Mitarbeiter eines sehr großen deutsch-französischen Konzerns und habe dort Einblick in mehrere Fachbereiche gewonnen. Ohne ins Detail gehen zu wollen, dass mit der engeren deutsch-französischen Zusammenarbeit, womöglich auch noch mit Personal aus Deutschland und Frankreich im gleichen Bereich, wird ganz sicher nicht funktionieren.
Wenn sich darin für mich unerwartet gegenseitige Beherrschungsgelüste ausleben sollten, dann bleibt immer noch der Rückzug auf weniger ehrgeizige Formen der Zusammenarbeit. Mit anderen Worten: Wir machen jetzt erst einmal den sehr ernst gemeinten Versuch einer umfassenden deutsch-französischen Zusammenarbeit.
Das würde zu massenhaft zerschlagenen Porzellan führen, das sollte man sich ersparen.
.. und mir wäre schnurz, was der Rest Europas davon hält. Der hat nämlich in der europäischen Sache bisher gar nichts geleistet.
Das meinen sie hoffentlich nicht im Ernst.
Er kann aber jetzt zeigen, daß er es besser kann. Ich sehe diese Anstrengungen mit viel Wohlwollen.
Der Rest hat doch klargemacht dass er keine engere Zusammenarbeit, d. h. eine Vertiefung der EU will. Die wollen keine weiteren Themen an die EU abgeben, im Gegenteil die wollen wieder mehr selbst bestimmen. Extremfall sind die Briten. Wer, außer Frankreich und ein Teil von Deutschland (die Union gehört sicher nicht dazu) will denn überhaupt eine engere Zusammenarbeit?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 19:26)

Wie soll,das funktionieren? 19 Länder haben die gleiche Währung. Die einen arbeiten enger zusammen und harmonisieren ihr Steuer- und Rechtssystem, die anderen nicht. Die einen machen ihre Hausaufgaben und führen Struktureformen durch, die anderen nicht. Da muß die nächste Euro-Krise zwangsläufig kommen.
Die Krise kommt ohnehin, weil sich Italien zum Totalausfall entwickelt. Den Glauben an regelmäßige Wunder habe ich mir gar nicht erst angewöhnt.
Das sich die Zusammenarbeit harmonisch auf den Weg bringen lässt glaube ich gerne, aber eine harmonische weitere Entwicklung würde mich extrem wundern. Ich wurde vor 15 Jahren durch eine Übernahme für 6 Jahre zu einem Mitarbeiter eines sehr großen deutsch-französischen Konzerns und habe dort Einblick in mehrere Fachbereiche gewonnen. Ohne ins Detail gehen zu wollen, dass mit der engeren deutsch-französischen Zusammenarbeit, womöglich auch noch mit Personal aus Deutschland und Frankreich im gleichen Bereich, wird ganz sicher nicht funktionieren. Das würde zu massenhaft zerschlagenen Porzellan führen, das sollte man sich ersparen.
Das kommt ganz auf den Charakter der Kollegen an. Ich war sogar Auftragnehmer eines französischen Staatsunternehmens... und bin dort freundlich und pfleglich auf Augenhöhe behandelt worden. Die Vorhersagen waren auch so Schwarz in Schwarz... und doch hat es dann ganz wunderbar geklappt. Ok, Französisch sollte man gut verstehen und sprechen, und schon öffnen sich die Herzen.
Das meinen sie hoffentlich nicht im Ernst.
Doch, wortwörtlich. Bitte mir den Druck hin zu Integrationsleistungen beschreiben, der von dieser Seite in der Vergangenheit gekommen ist und auch in der Gegenwart dahin strebt.
Der Rest hat doch klargemacht dass er keine engere Zusammenarbeit, d. h. eine Vertiefung der EU will. Die wollen keine weiteren Themen an die EU abgeben, im Gegenteil die wollen wieder mehr selbst bestimmen. Extremfall sind die Briten.
Genau so ist es. Und genau das ist unverbindlich und ohne Zukunft. Will ich nicht, schon gar nicht dafür etwas bezahlen oder meine Zeit vertun.
Wer, außer Frankreich und ein Teil von Deutschland (die Union gehört sicher nicht dazu) will denn überhaupt eine engere Zusammenarbeit?
Kann ich Ihnen sagen: Ich! Und vielleicht auch noch ein paar mehr übrig gebliebene Europäer... nicht nur in Deutschland. Dafür lohnt sich der Kampf!
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(11 Mar 2018, 19:58)

Die Krise kommt ohnehin, weil sich Italien zum Totalausfall entwickelt.
Falls sich Italien tatsächlich zum Totalausfall entwickelt muß man sich um eine Euro-Zone keine Gedanken machen. Die wird es dann nicht mehr geben und das Thema einer gemeinsamen Währung ist für mehrere Generationen vom Tisch.
Das kommt ganz auf den Charakter der Kollegen an. Ich war sogar Auftragnehmer eines französischen Staatsunternehmens... und bin dort freundlich und pfleglich auf Augenhöhe behandelt worden. Die Vorhersagen waren auch so Schwarz in Schwarz... und doch hat es dann ganz wunderbar geklappt. Ok, Französisch sollte man gut verstehen und sprechen, und schon öffnen sich die Herzen.
Klar, wenn man sich den Franzosen unterordnet oder die Franzosen den Deutschen (extrem unwahrscheinlich) kann es klappen.
Doch, wortwörtlich. Bitte mir den Druck hin zu Integrationsleistungen beschreiben, der von dieser Seite in der Vergangenheit gekommen ist und auch in der Gegenwart dahin strebt.
Aus meiner Sicht hat sich die große Mehrheit der EU-Staaten hervorragend verhalten und damit den Erfolg der EU begründet. Die haben die gemeinsamen Regeln angenommen und erfolgreich umgesetzt. Die baltischen Staaten haben auf diesem Weg die brutalsten Anpassungen abarbeiten müssen, und haben es auch geschafft. Leider gab und gibt es auch hoffnungslose Fälle wie Griechenland die nicht reformierbar sind und Staaten wie Ungarn und Polen die sich aus dem Regelwerk verabschieden und Autokratie anstreben.
Genau so ist es. Und genau das ist unverbindlich und ohne Zukunft. Will ich nicht, schon gar nicht dafür etwas bezahlen oder meine Zeit vertun. Kann ich Ihnen sagen: Ich! Und vielleicht auch noch ein paar mehr übrig gebliebene Europäer... nicht nur in Deutschland. Dafür lohnt sich der Kampf!
Von so einer kleinen Minderheit dürfen sich die Bürger der EU ihr Recht auf Selbsbestimmtheit nicht nehmen lassen. Keine engere Zusammenarbeit wenn es dafür keine Mehrheiten gibt. Und die gibt es nicht.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 21:11)
Von so einer kleinen Minderheit dürfen sich die Bürger der EU ihr Recht auf Selbsbestimmtheit nicht nehmen lassen. Keine engere Zusammenarbeit wenn es dafür keine Mehrheiten gibt. Und die gibt es nicht.
Quelle?

Die schon mal nicht:
Mehr als die Hälfte der EU-Bürger wünscht sich einer Umfrage zufolge mehr europäische Integration - unabhängig davon, ob sie Globalisierung positiv oder negativ sieht. 56 Prozent der Bürger sehen Globalisierung als Chance
https://www.merkur.de/politik/europaeer ... 15741.html
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 21:11)

...

Klar, wenn man sich den Franzosen unterordnet oder die Franzosen den Deutschen (extrem unwahrscheinlich) kann es klappen.
So funktionierte mein gesamtes Berufsleben nicht; wir Kollegen haben unser Ziel gesehen und sind gemeinsam darauf zu gegangen. Das war mit "meinen" Franzosen nicht anders. Sie müssen ein ausgesprochener Pechvogel sein.
Aus meiner Sicht hat sich die große Mehrheit der EU-Staaten hervorragend verhalten und damit den Erfolg der EU begründet. Die haben die gemeinsamen Regeln angenommen und erfolgreich umgesetzt. Die baltischen Staaten haben auf diesem Weg die brutalsten Anpassungen abarbeiten müssen, und haben es auch geschafft. Leider gab und gibt es auch hoffnungslose Fälle wie Griechenland die nicht reformierbar sind und Staaten wie Ungarn und Polen die sich aus dem Regelwerk verabschieden und Autokratie anstreben.
Sie weichen aber meiner Nachfrage aus. Ich hatte gefragt, welches dieser Partnerländer "Dampf" gemacht hat, damit aus der EU das wird, was aus ihr geworden ist. Es geht nicht um die bekannten Störenfriede, sondern um jene, die sich durchaus wohl verhalten. Wer also hat gestaltet? Zur Erinnerung: Mir war schnurz, was die zu den deutsch-französischen Bemühungen sagen. Erst einmal machen.
Von so einer kleinen Minderheit dürfen sich die Bürger der EU ihr Recht auf Selbsbestimmtheit nicht nehmen lassen. Keine engere Zusammenarbeit wenn es dafür keine Mehrheiten gibt. Und die gibt es nicht.
Darüber entscheiden zunächst einmal Mehrheiten in D & F für ihre Zusammenarbeit... die Sache mit "schnurz" hatten wir schon. Und danach werden Partner eingeladen, ihre Wünsche und Vorstellungen ein zu bringen, wenn die das europäische Projekt voran bringen. Niemand muß müssen, wie bisher auch schon. Aber auch D & F müssen nichts müssen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

Brainiac hat geschrieben:(11 Mar 2018, 21:51)

Quelle?
Die Wahlergebnisse in den EU-Staaten. Das Statement der 8 Nordstaaten (die sicher keine Positionen vertreten, die der Mehrheit ihrer Bevölkerung zuwiderläuft). Bei den 4 Visegradstaaten dürfte es eh klar sein.
Da sollte man aber schon einen genaueren Blick darauf werfen. Es gibt Leute die tun sowas. Und dann sieht das etwas anders aus. https://www.tichyseinblick.de/meinungen ... ulzens-eu/
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(11 Mar 2018, 22:04)

So funktionierte mein gesamtes Berufsleben nicht; wir Kollegen haben unser Ziel gesehen und sind gemeinsam darauf zu gegangen. Das war mit "meinen" Franzosen nicht anders. Sie müssen ein ausgesprochener Pechvogel sein.
Das halte ich für unwahrscheinlich. http://www.handelsblatt.com/unternehmen ... 34010.html
Sie weichen aber meiner Nachfrage aus. Ich hatte gefragt, welches dieser Partnerländer "Dampf" gemacht hat, damit aus der EU das wird, was aus ihr geworden ist.
Was dachten sie denn wie die bisherige Weiterentwicklung der EU erfolgte? Deutschland und Frankreich erarbeiten einen Vertragstext und der Rest nickt ihn ab? Das ist nicht der Fall. Der Lissabonvertrag (um den letzten Vertrag zu nennen) ist eine Änderung des Maastrichtvertrages (nachdem ausgerechnet ihre Franzosen in einem Referendum eine EU-Verfassung abgelehnt haben) und wurde von allen Staaten gemeinsam erarbeitet. Dabei werden in einer Konferenz der Vertreter der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, kurz Regierungskonferenz genannt, Änderungen an den Verträgen verhandelt und vereinbart. Jetzt aber will Macron davon abweichen. Ist auch logisch, für seine Pläne gibt es keine Mehrheiten. Aber das hatten wir schon.
Darüber entscheiden zunächst einmal Mehrheiten in D & F für ihre Zusammenarbeit... die Sache mit "schnurz" hatten wir schon. Und danach werden Partner eingeladen, ihre Wünsche und Vorstellungen ein zu bringen, wenn die das europäische Projekt voran bringen. Niemand muß müssen, wie bisher auch schon. Aber auch D & F müssen nichts müssen.
Warten sie mal ab was bei der engeren deutsch-französischen Zusammenarbeit am Ende wirklich rauskommt. Die Union wird sich hier als massiver Bremsklotz erweisen, egal was im Koalitionsvertrag steht.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 23:30)

Das halte ich für unwahrscheinlich. http://www.handelsblatt.com/unternehmen ... 34010.html
Was hat der Konkurrenzneid zwischen Firmen mit dem Umgang von Mitarbeitern zu tun, die an einer Aufgabe arbeiten? Da ist es sogar Wurscht, ob die aus einem oder aus drei Ländern stammen.
Was dachten sie denn wie die bisherige Weiterentwicklung der EU erfolgte? Deutschland und Frankreich erarbeiten einen Vertragstext und der Rest nickt ihn ab? Das ist nicht der Fall. Der Lissabonvertrag (um den letzten Vertrag zu nennen) ist eine Änderung des Maastrichtvertrages (nachdem ausgerechnet ihre Franzosen in einem Referendum eine EU-Verfassung abgelehnt haben) und wurde von allen Staaten gemeinsam erarbeitet. Dabei werden in einer Konferenz der Vertreter der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, kurz Regierungskonferenz genannt, Änderungen an den Verträgen verhandelt und vereinbart.
Nö; es geht darum, wer dahinter Dampf gemacht hat; Abnicker hatte ich nicht gemeint
Jetzt aber will Macron davon abweichen. Ist auch logisch, für seine Pläne gibt es keine Mehrheiten. Aber das hatten wir schon.
Darüber wird zwischen Deutschen und Franzosen verhandelt und eine gemeinsame Meinung gebildet. Ich finde es gut, das Präsident Macron mit Vorschlägen und Meinungen kommt. Diese Offenheit vermisse ich auf der deutschen Seite.
Warten sie mal ab was bei der engeren deutsch-französischen Zusammenarbeit am Ende wirklich rauskommt. Die Union wird sich hier als massiver Bremsklotz erweisen, egal was im Koalitionsvertrag steht.
Das können wir doch ganz ohne einen drohenden Unterton abwarten. Ich erwarte nur Gutes. :)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(11 Mar 2018, 22:58)

Die Wahlergebnisse in den EU-Staaten. Das Statement der 8 Nordstaaten (die sicher keine Positionen vertreten, die der Mehrheit ihrer Bevölkerung zuwiderläuft). Bei den 4 Visegradstaaten dürfte es eh klar sein.


Da sollte man aber schon einen genaueren Blick darauf werfen. Es gibt Leute die tun sowas. Und dann sieht das etwas anders aus. https://www.tichyseinblick.de/meinungen ... ulzens-eu/
Richtig, man sollte genauer hinsehen. Das tue ich zB bei deiner Behauptung, dass es in der EU-Bevölkerung "keine Mehrheiten für eine engere Zusammenarbeit" gebe. Du kannst dies also nicht belegen; warum die von dir aufgeführten Punkte das nicht hergeben, ist dir hoffentlich selbst klar.

Klar mag die Bertelsmann-Studie in ihren Fragestellungen tendenziös sein ("manipuliert" wird übrigens durch den Artikel nicht belegt und ist nur eine polemische Übertreibung, der offensichtlichen politischen Einstellung des TE-Autors - "Schulzens Horrorkabinett" - geschuldet). Ich habe nur das erste beste Suchergebnis zum Thema gegriffen, was zu finden war. Bring halt andere, bessere Quellen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(11 Mar 2018, 23:47)

Was hat der Konkurrenzneid zwischen Firmen mit dem Umgang von Mitarbeitern zu tun, die an einer Aufgabe arbeiten? Da ist es sogar Wurscht, ob die aus einem oder aus drei Ländern stammen.
In der Realität wird aber halt nicht nur abgearbeitet, da müssen vorher auch Entscheidungen getroffen werden. Z.B. welcher Vorschlag denn nun in die Umsetzung kommt, der von den Franzosen oder der von den Deutschen? Fakt ist jedenfalls dass es zwischen deutsch-französischen Unternehmen auffällig häufig knirscht.
Nö; es geht darum, wer dahinter Dampf gemacht hat; Abnicker hatte ich nicht gemeint
Dass der Kern der EU auf die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Krieg zurückgeht ist doch unbestritten. Das ändert aber nichts daran dass die bisherigen Verträge aber auch die Projekte die über den Lissabon-Vertrag hinaus vereinbart wurden (EURO-Einführung, Schengen-Abkommen, PESCO) immer von einer deutlichen Mehrzahl der Mitgliedsländer mitgetragen und mitgestaltet wurden. Die von Macron und Teilen der deutschen Politik angestrebte engere deutsch-französische Zusammenarbeit weicht davon deutlich ab.
Darüber wird zwischen Deutschen und Franzosen verhandelt und eine gemeinsame Meinung gebildet. Ich finde es gut, das Präsident Macron mit Vorschlägen und Meinungen kommt. Diese Offenheit vermisse ich auf der deutschen Seite.
Da konnte doch realistisch nur wenig darauf reagiert werden. Macron wurde während des deutschen Bundestagswahlkampf Präsident und er hat während der Koalitionsverhandlungen seine europapolitischen Vorschläge unterbreitet.
Das können wir doch ganz ohne einen drohenden Unterton abwarten. Ich erwarte nur Gutes. :)
Ich nicht. Für die Ungleichgewichte in der EURO-Zone gibt es 2 Möglichkeiten sie zu beseitigen. Strukturreformen oder Transferunion. Bisher habe ich den Eindruck dass man über Strukturreformen nur reden möchte, aber in Wirklichkeit eine Transferunion anstrebt. Die Union wird hoffentlich darauf achten dass Deutschland hier nicht ausgetrickst wird.

Was mir vollkommen bei der ganzen Geschichte fehlt ist die Teilhabe des Bürgers. Das wird ein Projekt der Eliten ohne Mitspracherecht der Bürger. Hierzulande konnten Ausländer über eine Regierungskoalition entscheiden, sofern sie Mitglied der SPD waren, aber dass die Deutschen mal über herausragende Projekte (wie z. B. die Euro-Einführung, usw.) entscheiden dürfern, werden wir sicher nicht mehr erleben. Ob sich die Franzosen das gefallen lassen wird man sehen. Die haben auch die EU-Verfassung abgelehnt. Insgesamt scheinen mir die Voraussetzungen nicht sehr gut. Es lernen immer weniger Kinder in Deutschland Französisch und umgekehrt ist Deutsch in Frankreich sowieso eine eher exotische Sprache die weit hinter Englisch oder Spanisch liegt.

Brainiac hat geschrieben:(12 Mar 2018, 06:36)

Richtig, man sollte genauer hinsehen. Das tue ich zB bei deiner Bahauptung, dass es in der EU-Bevölkerung "keine Mehrheiten für eine engere Zusammenarbeit" gebe. Du kannst dies also nicht belegen; warum die von dir aufgeführten Punkte das nicht hergeben, ist dir hoffentlich selbst klar.

Klar mag die Bertelsmann-Studie in ihren Fragestellungen tendenziös sein ("manipuliert" wird übrigens durch den Artikel nicht belegt und ist nur eine polemische Übertreibung, der offensichtlichen politischen Einstellung des TE-Autors - "Schulzens Horrorkabinett" - geschuldet). Ich habe nur das erste beste Suchergebnis zum Thema gegriffen, was zu finden war. Bring halt andere, bessere Quellen.
Noch bessere Quellen als die Wahlergebnisse in den EU-Staaten, das Statement der Nordstaaten und die Position der Visegradstaaten kann es doch gar nicht geben. Reicht das denn nicht aus um die Abneigung gegenüber einer Vertiefung der EU zum Ausdruck zu bringen?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Mar 2018, 08:54)

In der Realität wird aber halt nicht nur abgearbeitet, da müssen vorher auch Entscheidungen getroffen werden. Z.B. welcher Vorschlag denn nun in die Umsetzung kommt, der von den Franzosen oder der von den Deutschen? Fakt ist jedenfalls dass es zwischen deutsch-französischen Unternehmen auffällig häufig knirscht.
Diese manchmal unangenehme Entscheidungsnot gibt es doch auch national zwischen Unternehmen, die durch einen Vertrag mit einem gemeinsamen Auftraggeber verbunden sind. In der Art habe ich das in Italien, Frankreich, Großbritannien, Schweden und den USA erlebt. Mir hat dann immer Gelassenheit und Humor weiter geholfen. Wenn es viel Zusammenarbeit mit Franzosen gibt, dann knirscht es auffällig häufig in dieser Paarung.
Dass der Kern der EU auf die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Krieg zurückgeht ist doch unbestritten. Das ändert aber nichts daran dass die bisherigen Verträge aber auch die Projekte die über den Lissabon-Vertrag hinaus vereinbart wurden (EURO-Einführung, Schengen-Abkommen, PESCO) immer von einer deutlichen Mehrzahl der Mitgliedsländer mitgetragen und mitgestaltet wurden. Die von Macron und Teilen der deutschen Politik angestrebte engere deutsch-französische Zusammenarbeit weicht davon deutlich ab.
Es ist schon richtig, daß es jetzt erst einmal eine besonders enge Abstimmung geben muß zwischen Franzosen und Deutschen. Das ist doch aber nichts Neues unter der Sonne. Hier entscheiden sich die Möglichkeiten für ein weiteres gemeinsames Vorgehen... nirgendwo sonst. Wenn dann die notwendigen Groschen gefallen sind, dann sind alle anderen Partner eingeladen, an der endgültigen Ausgestaltung mit zu wirken. Auch nichts Neues! Nachdem Sie nun erneut die Entstehung des Lissabonvertrags als Paradebeispiel für eine umfassende Zusammenarbeit der 28 Partnerländer angeführt haben: Der Vertrag sollte als Verfassung durchgehen, ist aber in Irland, Niederlanden und Frankreich abgeschmettert worden. Damit wäre dieses Thema "durch" gewesen, wenn nicht die Kanzlerin Merkel mit der EU-Administration so lange daran herum gefeilt hätte, daß sie zum Schluß ohne Volksabstimmung und nach Drohung mit Nichtbeachtung der Polen das Ding durchprügeln konnte. Das nenne ich "Dampf machen!" Sehen Sie da andere "Dampfmacher"? Jetzt sehe ich an der Stelle erst einmal den Präsidenten Macron am Werk.
Da konnte doch realistisch nur wenig darauf reagiert werden. Macron wurde während des deutschen Bundestagswahlkampf Präsident und er hat während der Koalitionsverhandlungen seine europapolitischen Vorschläge unterbreitet.
Tja, fällt Ihnen denn gar nicht auf, daß kein Italiener, kein Spanier, kein Schwede, kein Deutscher... zuvor vergleichbare Vorschläge auf den Tisch geknallt hat? Das "So nicht!" der 8 Nordlichter ist doch kein Konzept, das die EU zusammen bindet. Es ist die reine Reaktion auf Macrons Vorschlag, sonst nichts. Jetzt ist die Bundesregierung am Zuge. Wenn sie gut ist, dann nimmt sie die besten Brocken auf und baut davon ein gemeinsames Konzept.
Ich nicht. Für die Ungleichgewichte in der EURO-Zone gibt es 2 Möglichkeiten sie zu beseitigen. Strukturreformen oder Transferunion. Bisher habe ich den Eindruck dass man über Strukturreformen nur reden möchte, aber in Wirklichkeit eine Transferunion anstrebt. Die Union wird hoffentlich darauf achten dass Deutschland hier nicht ausgetrickst wird.
Bisher haben die Bundesregierungen jedenfalls einen tüchtigen Beitrag dazu geleistet, daß die EU wenigstens das werden konnte, was sie heute ist. Ich bin ganz überzeugt davon, daß ihr das auch weiter gelingt... in der üblichen Vorgehensweise.
Was mir vollkommen bei der ganzen Geschichte fehlt ist die Teilhabe des Bürgers. Das wird ein Projekt der Eliten ohne Mitspracherecht der Bürger. Hierzulande konnten Ausländer über eine Regierungskoalition entscheiden, sofern sie Mitglied der SPD waren, aber dass die Deutschen mal über herausragende Projekte (wie z. B. die Euro-Einführung, usw.) entscheiden dürfern, werden wir sicher nicht mehr erleben. Ob sich die Franzosen das gefallen lassen wird man sehen. Die haben auch die EU-Verfassung abgelehnt. Insgesamt scheinen mir die Voraussetzungen nicht sehr gut. Es lernen immer weniger Kinder in Deutschland Französisch und umgekehrt ist Deutsch in Frankreich sowieso eine eher exotische Sprache die weit hinter Englisch oder Spanisch liegt.
Das halte ich für das übliche Genörgele. "Die Bürger" können doch beliebig viel ihrer freien Zeit in Sachen Europa in Parteien und Vereinen verbringen und sich die Köpfe dort heiß reden, vielleicht sogar Vorschläge ausarbeiten und durchbringen. Denn beim Nörgeln wissen alle, daß es eine europäische Anlaufstelle gibt; beim Gestalten gibt es die doch auch! Wo bleibt denn der besorgte Bürger da? Bei "Pulse of Europe" sind leider nur wenige der besorgten Bürger an zu treffen.

Tja, ob unsere Kinder eine bestimmte Fremdsprache lernen, das entscheiden letztendlich doch wir Eltern, oder? Und wenn sich am Ende Griechen, Franzosen, Deutsche, Balten, Polen und Kroaten auf Englisch austauschen... ist das etwa nichts? Und das reicht weit über Europa hinaus!
Noch bessere Quellen als die Wahlergebnisse in den EU-Staaten, das Statement der Nordstaaten und die Position der Visegradstaaten kann es doch gar nicht geben. Reicht das denn nicht aus um die Abneigung gegenüber einer Vertiefung der EU zum Ausdruck zu bringen?
Nein, reicht nicht aus; das sind Stimmungsbilder, die bei genügend guter Gesprächsführung auch wieder ins Wanken geraten. Schon die Aussicht, daß notfalls zwei Partner besonders eng zusammen rücken, wird dabei Wirkung zeigen. Wer möchte, der kann ja mitmachen. Wer nicht möchte, kann einen eigenen Club eröffnen, etwa die EFTA wiederbeleben.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Brainiac »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Mar 2018, 08:54)
Noch bessere Quellen als die Wahlergebnisse in den EU-Staaten, das Statement der Nordstaaten und die Position der Visegradstaaten kann es doch gar nicht geben. Reicht das denn nicht aus um die Abneigung gegenüber einer Vertiefung der EU zum Ausdruck zu bringen?
Nein, mitnichten.

1. In D war das Thema der EU-Integration nur am Rande Wahlkampfthema (weil Schulz sich nicht so richtig getraut hat). Mithin ist das Wahlergebnis keine Aussage zu diesem Thema, im übrigen kann man aus dem Wahlergebnis in Summe auch wohl kaum eine Ablehnung einer vertieften Integration herleiten. In F wurde Macron gewählt. In NL war EU-Gegner Wilders klarer Verlierer. Von den letzten Ergebnissen kann man m.E. nur Italien als eine Bestätigung deiner These heranziehen, und auch dort bleibt die Frage, warum denn M5S primär gewählt wurde - das war wohl nicht die EU-Thematik, sondern eher nationale Themen wie Korruption, Bürgereinkommen etc. Siehe Italien-Thread.
2. Die acht Finanzminister aus dem Norden sind Vertreter ihrer nationalen Regierungen und damit der Exekutive der jeweiligen Nationalstaaten. Wie hoch ist wohl deren Motivation, sich selbst zu entmachten? Das ist ja gerade das Problem mit dem Exekutivföderalismus innerhalb der EU. Wie die jeweiligen Bevölkerungen dazu stehen, kann man daraus nicht ableiten. Ich bin daher - wie an anderer Stelle in diesem Strang schon diskutiert - für Volksbefragungen in allen europäischen Ländern, wo es geht gern auch Volksabstimmungen, zu diesem Thema. An der Stelle kommen wir ja vielleicht auch zusammen, wenn ich deine Texte lese.
3. Selbst in den Visegrad-Staaten ist es nicht so klar, ob die dortigen Regierungen in der EU-Frage den Mehrheitswillen der Bevölkerung vertreten. Kollege H2O kennt Polen gut und berichtet von dort, so wie ich ihn verstehe, dass die Simmung im Lande deutlich positiver zur EU sei, als es das Auftreten der PiS vermittelt.

Das alles reicht nur für folgende Aussage, und in der würde ich dir recht geben: Es dürfte in Summe eine mehrheitliche Abneigung der aktuellen europäischen Regierungen gegenüber einer vertieften EU-Integration vorliegen. Über die Bevölkerungen wissen wir das nicht.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Wir dürfen aber auch wieder nicht vergessen, daß nationale Regierungen um ihre Bedeutung und ganz platt um ihre persönlichen Einkünfte ringen. Da mag es also durchaus sein, daß im arbeitenden Volk eine Sehnsucht nach mehr Europa zu erkennen ist. Nur ihre Wortführer, vielleicht sogar jene, die für Europa in Sonntagsreden einstehen, die werden sich nicht selbst entsorgen... es sei denn, sie hätten allergrößte Aussicht, den ganzen europäischen Haufen zu führen. 27 Führer Europas wird man aber schlecht einsetzen können. Das ist ja schon mit den Kommissaren für 27 Länder verzwickt genug.

Ich vermute daher, daß ganz erheblicher wirtschaftlicher Druck entstehen muß, ehe sich diese kleineren Königreiche dazu bereit finden, sich dem Kaiser unter zu ordnen. ;)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 13:06)

Und das ist gut so.
... für die Einkünfte der Amtsinhaber. :D
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(12 Mar 2018, 13:10)

... für die Einkünfte der Amtsinhaber. :D
Nein, für die Völker.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 13:11)

Nein, für die Völker.
...man muß es ihnen nur oft genug einbläuen! ;)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(12 Mar 2018, 13:13)

...man muß es ihnen nur oft genug einbläuen! ;)
Bezüglich der weiteren Entwicklung der EU bedarf es viel Augenmaßes und nüchternen Realimus'.

Unkritisches "Immer weiter, immer schneller" ist fehl am Platze.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 13:16)

Bezüglich der weiteren Entwicklung der EU bedarf es viel Augenmaßes und nüchternen Realimus'.

Unkritisches "Immer weiter, immer schneller" ist fehl am Platze.
Völlig richtig; vor allem die Chancen dann wahrnehmen, wenn sie sich bieten. Jetzt ist eine solche Zeit der allgemeinen Verunsicherung; jetzt muß man entschlossen voran gehen, dann trottet der Rest der Herde hinterher.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

WELT: Bulgarien will in die Euro-Zone. Warum?

Wladislaw Goranow: Unsere Währung, der Lew, ist schon seit 1996 fest an zunächst die D-Mark, jetzt an den Euro gebunden, und das war eine Erfolgsgeschichte bis heute. Es war aber auch immer das Ziel Bulgariens, dann, wenn es die Kriterien erfüllt, einen Schritt weiter zu gehen und den Euro einzuführen. Und wir erfüllen alle Kriterien: Unsere Verschuldung beträgt gerade mal 25 Prozent der Wirtschaftsleistung, das ist weit weniger als in vielen Euro-Staaten, unser Haushalt ist ausgeglichen, die Inflation im Griff.

WELT: Wie Sie selbst sagen, ist der Lew an den Euro gebunden. Damit haben Sie letztlich aber auch schon fast alle Vorteile des Euro, auch ohne einen Beitritt zur Euro-Zone.

Goranow: Ja, aber wir sind in gewissem Sinne immer noch außen vor. Wenn wir die EU wie drei konzentrische Kreise sehen, wo in der Mitte die Euro-Zone, darum herum die Schengenzone und ganz außen die EU ist, dann sind wir immer noch ganz außen. Wir wollen uns aber weiter in die EU integrieren, auch um klarzumachen, dass wir ein integraler Bestandteil davon sind. Außerdem: Unsere Notenbank macht seit 1996 keine eigenständige Geldpolitik mehr, wenn wir Mitglied der Euro-Zone sind, können wir aber zumindest mitreden, wenn es um die Geldpolitik geht.

WELT: Manche fürchten aber gerade das: Das noch einer am Tisch sitzt und mitredet.

Goranow: Wer sich an die Regeln der Euro-Zone hält, wer die Stabilitätskriterien erfüllt, muss Bulgariens Beitritt nicht fürchten. Wir sind ein harter Verfechter einer stabilen Finanzpolitik. Das haben wir seit zwei Jahrzehnten bewiesen. Fürchten müssen unseren Beitritt daher allenfalls jene, die sich nicht an die Regeln halten, die nicht ein solches Niveau an konservativer und vorsichtiger Finanzpolitik haben wie wir. Durch uns würde der Euro somit noch stabiler.

WELT: Bulgarien mag die formellen Kriterien erfüllen, die Wirtschaftskraft ist aber noch weit vom Rest der Euro-Zone entfernt.

Goranow: Wir sind derzeit ungefähr da, wo auch die baltischen Länder waren, als sie den Beitrittsprozess zur Euro-Zone begannen. Es war auch stets so, dass durch diesen Prozess die Konvergenz noch zunahm. Und was die Preiskonvergenz angeht: Die Preise für Waren sind hierzulande schon längst auf dem Niveau der Euro-Zone, nur bei Dienstleistungen sieht das noch anders aus, diese sind deutlich günstiger. Aber ich sehe keinen Grund, warum deren Preise durch den Beitritt deutlich steigen sollten, was ja manche Bulgaren fürchten.

Bei den baltischen Ländern war übrigens auch ein Argument für den Beitritt, dass so der russische Einfluss zurückgedrängt wurde. Genau wie diese Länder sind auch wir eine Erfolgsgeschichte für die EU-Osterweiterung – wir gehören beispielsweise auch nicht zu den Visegrad-Staaten (Anm.: ein inoffizieller Bund der EU-Länder Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei), sondern fühlen uns voll den EU-Werten verpflichtet.

WELT: Der Beitritt zur Euro-Zone birgt ja nicht nur Chancen. Sie könnten auch Gefahr laufen, irgendwann einem anderen Land, das finanziell in Schieflage gerät, helfen zu müssen.

Goranow: Wir haben Chancen und Risiken gut abgewogen. Und wir wollen ganz klar eine Vertiefung der EU und unseren Beitrag dazu leisten. [...]
https://www.welt.de/wirtschaft/article1 ... er-EU.html

Längst überfällig. :thumbup:
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 13:16)
Bezüglich der weiteren Entwicklung der EU bedarf es viel Augenmaßes und nüchternen Realimus'.
Unkritisches "Immer weiter, immer schneller" ist fehl am Platze.
Was heißt das denn jetzt konkret in Bezug auf einen möglichen Europäischen Währungsfonds nach EU-Recht, die Vorantreibung der Bankenunion und ein Euro-Budget mit gemeinsamen EU-Finanzminster. Ich konzetriere mich bewußt auf die gemeinsame Finanzpolitik, weil der neue Finanzminister nicht mehr Wolfgang Schäuble ist.?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(12 Mar 2018, 10:09)

Es ist schon richtig, daß es jetzt erst einmal eine besonders enge Abstimmung geben muß zwischen Franzosen und Deutschen. Das ist doch aber nichts Neues unter der Sonne.
Ich empfinde das schon als etwas Neues. Wann sind denn Frankreich und Deutschland gemeinsam voranmarschiert, der Rest hat sich das angesehen und ist dann später beigetreten? Selbst bei der Montanunion waren von Beginn an 6 Länder dabei. Bei Schengen waren es 5, beim EURO waren es 11, bei PESCO waren es 25.
Nachdem Sie nun erneut die Entstehung des Lissabonvertrags als Paradebeispiel für eine umfassende Zusammenarbeit der 28 Partnerländer angeführt haben: Der Vertrag sollte als Verfassung durchgehen, ist aber in Irland, Niederlanden und Frankreich abgeschmettert worden. Damit wäre dieses Thema "durch" gewesen, wenn nicht die Kanzlerin Merkel mit der EU-Administration so lange daran herum gefeilt hätte, daß sie zum Schluß ohne Volksabstimmung und nach Drohung mit Nichtbeachtung der Polen das Ding durchprügeln konnte.
Der Lissabon-Vertrag und sein Entstehen ist doch ein wunderbares Beispiel für die Europamüdigkeit und das Mißtrauen der EU-Staaten hinsichtlich einer tieferen Integration. In Irland ist das dazugehörige Referendum beim ersten mal gescheitert, der zweite Versuch hat dann geklappt. In vielen EU-Staaten gab es Klagen vor den Verfassungsgerichten ob das denn alles noch mit der Selbstbestimmung der Landesparlamente zusammenpasst. Das hat dann gerade nochmal geklappt. Das was Macron nun will ist eine ganz andere Nummer. Das was da jetzt zwischen D und F ausgearbeitet werden soll landet mit 100%iger Sicherheit vor dem BVG. Dann wird man sehen wie das ausgeht.
Das nenne ich "Dampf machen!" Sehen Sie da andere "Dampfmacher"?
Das kann ja zwangsläufig nur von einem der ganz großen EU-Staaten ausgehen. Wie soll denn Estland mit seinen 1,3 Mio Einwohnern oder Malta mit wenigen Hunderttausend Einwohnern Druck machen?
Jetzt sehe ich an der Stelle erst einmal den Präsidenten Macron am Werk.
Soll er mal, wird man sehen wie lange und wie weit er noch übers Wasser laufen kann.
Tja, fällt Ihnen denn gar nicht auf, daß kein Italiener, kein Spanier, kein Schwede, kein Deutscher... zuvor vergleichbare Vorschläge auf den Tisch geknallt hat?
Mit vergleichbar meinen sie vermutlich Vorschläge die bei der Mehrheit der EU-Mitglieder auf Ablehnung stoßen. Nein, damit ist nur Macron aufgefallen. Gemäßigtere Vorschläge gab es von der EU-Kommission und von den Fraktionen des Europaparlaments. Das sollte dann doch an Vorschlägen ausreichen.
Das "So nicht!" der 8 Nordlichter ist doch kein Konzept, das die EU zusammen bindet. Es ist die reine Reaktion auf Macrons Vorschlag, sonst nichts.
Das stimmt nicht. Die wollen z. B. die Bankenunion weiterentwickeln und den ESM in einen Europäischen Währungsfonds umwandeln und ansonsten keine weiteren Themen an Brüssel abtreten, wenn damit nicht klare Vorteile verbunden sind. So etwas nennt man vernünftig.
Jetzt ist die Bundesregierung am Zuge. Wenn sie gut ist, dann nimmt sie die besten Brocken auf und baut davon ein gemeinsames Konzept.
Da wird es noch große Enttäuschungen bei Macron geben, aber da muß er durch.
Das halte ich für das übliche Genörgele. "Die Bürger" können doch beliebig viel ihrer freien Zeit in Sachen Europa in Parteien und Vereinen verbringen und sich die Köpfe dort heiß reden, vielleicht sogar Vorschläge ausarbeiten und durchbringen.
Unsinn, niemand bringt da Vorschläge durch. Die Verhandlungen führt ein kleiner elitärer Zirkel. Von den 450.000 SPD-Mitgliedern hat auch nur eine handvoll am Koalitionsvertrag mitgearbeitet, aber zumindest durften dann alle 450.000 Mitglieder das Werk einsehen und darüber abstimmen. Bei der engeren D-F-Zusammenarbeit wird es das nicht geben.
Denn beim Nörgeln wissen alle, daß es eine europäische Anlaufstelle gibt; beim Gestalten gibt es die doch auch! Wo bleibt denn der besorgte Bürger da? Bei "Pulse of Europe" sind leider nur wenige der besorgten Bürger an zu treffen.
Warum auch? Mitsprache wird doch dort gar nicht angestrebt.
Nein, reicht nicht aus; das sind Stimmungsbilder, die bei genügend guter Gesprächsführung auch wieder ins Wanken geraten.
Ein wirklisch schlechtes Totschlagargument. Alles nur eine Momentaufnahme, kann sich alles wieder ändern.
Schon die Aussicht, daß notfalls zwei Partner besonders eng zusammen rücken, wird dabei Wirkung zeigen. Wer möchte, der kann ja mitmachen. Wer nicht möchte, kann einen eigenen Club eröffnen, etwa die EFTA wiederbeleben.
Dass mit dem eigenen Club wird auch früher oder später kommen. Einer Alternativ-EU könnten neben den 8 Nord- und den Visegradstaaten sicher auch die Briten beitreten. Die haben sich ja auch sehr stark an der zunehmenden Machtfülle von Brüssel gestört. Das wären dann 180 Mio. Einwohner. Damit wird man sicher andernorts ernst genommen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

Ja, klar. Die Einführung des Euro würde die Geldwäsche für die weitverbreitete organisierte Kriminalität in Osteuropa sicher deutlich erleichtern.

"Die Bulgaren leben mit dem Wissen, dass die Politik eng mit der organisierten Kriminalität vernetzt ist, seit der demokratischen Wende 1989. Seither gab es mindestens 150 Auftragsmorde, aufgeklärt wurden höchstens fünf. Kein einziger Politiker, der mit dem organisierten Verbrechertum gemeinsame Sache macht, ist je vor Gericht gestanden. Der Rechtsstaat in Bulgarien hat sich kaum weiterentwickelt. Auf eine Justizreform, Dutzende Male von der EU angemahnt, wartet das Land seit dem Beitritt 2007." https://www.schwaebische.de/ueberregion ... 01442.html
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

Wähler hat geschrieben:(12 Mar 2018, 14:36)

Was heißt das denn jetzt konkret in Bezug auf einen möglichen Europäischen Währungsfonds nach EU-Recht, die Vorantreibung der Bankenunion und ein Euro-Budget mit gemeinsamen EU-Finanzminster. Ich konzetriere mich bewußt auf die gemeinsame Finanzpolitik, weil der neue Finanzminister nicht mehr Wolfgang Schäuble ist.?
3: Klare Ablehnung.

2: Was sollte das konkret bedeuten?

1: ambivalent, kommt auf die Ausgestaltung an.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(12 Mar 2018, 14:36)
Was heißt das denn jetzt konkret in Bezug auf einen möglichen Europäischen Währungsfonds nach EU-Recht, die Vorantreibung der Bankenunion und ein Euro-Budget mit gemeinsamen EU-Finanzminster. Ich konzetriere mich bewußt auf die gemeinsame Finanzpolitik, weil der neue Finanzminister nicht mehr Wolfgang Schäuble ist.?
Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 15:25)
3: Klare Ablehnung.
2: Was sollte das konkret bedeuten?
1: ambivalent, kommt auf die Ausgestaltung an.
Können Sie zu 3 bitte begründen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Mar 2018, 15:04)

Ja, klar. Die Einführung des Euro würde die Geldwäsche für die weitverbreitete organisierte Kriminalität in Osteuropa sicher deutlich erleichtern.

"Die Bulgaren leben mit dem Wissen, dass die Politik eng mit der organisierten Kriminalität vernetzt ist, seit der demokratischen Wende 1989. Seither gab es mindestens 150 Auftragsmorde, aufgeklärt wurden höchstens fünf. Kein einziger Politiker, der mit dem organisierten Verbrechertum gemeinsame Sache macht, ist je vor Gericht gestanden. Der Rechtsstaat in Bulgarien hat sich kaum weiterentwickelt. Auf eine Justizreform, Dutzende Male von der EU angemahnt, wartet das Land seit dem Beitritt 2007." https://www.schwaebische.de/ueberregion ... 01442.html
Sie erwecken den Anschein, als gäbe es im Rest der EU nur Saubermänner, die sich mit diesen bulgarischen Dunkelmännern nicht gemein machen sollten. Am besten also den Verein auflösen, und alle sind glücklich... oder so ähnlich.

Durch die sich immer weiter vertiefende Zusammenarbeit bekommen EU-Behörden den Durchgriff, den sie ganz offenbar brauchen. Nicht nur nach Bulgarien.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Mar 2018, 15:04)

Ja, klar. Die Einführung des Euro würde die Geldwäsche für die weitverbreitete organisierte Kriminalität in Osteuropa sicher deutlich erleichtern.
Da Deutschland das Mekka für Geldwäsche in Europa ist, sollte man nicht immer mit dem moralischen Zeigefinger herumwedeln. Das ist ziemlich arrogant, so oder so.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Mar 2018, 14:51)
...

...

...Dass mit dem eigenen Club wird auch früher oder später kommen. Einer Alternativ-EU könnten neben den 8 Nord- und den Visegradstaaten sicher auch die Briten beitreten. Die haben sich ja auch sehr stark an der zunehmenden Machtfülle von Brüssel gestört. Das wären dann 180 Mio. Einwohner. Damit wird man sicher andernorts ernst genommen.
Vielleicht läßt sich auf diese Weise auch Rußland mitsamt der eurasischen Union ins Boot holen? :)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

Wähler hat geschrieben:(12 Mar 2018, 15:27)

Können Sie zu 3 bitte begründen.
Das Budgetrecht liegt beim Bundestag. Um die Gelder zu verwalten, die nach Brüssel fließen und dort umverteilt werden, genügt ein Haushaltskommissar. Das Prinzip hat sich bewährt.

Welche Vorteile sollte denn ein europäischer "Finanzminister" bieten?

Und was wäre das Neue an einem EU-Budget?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 16:03)
Das Budgetrecht liegt beim Bundestag. Um die Gelder zu verwalten, die nach Brüssel fließen und dort umverteilt werden, genügt ein Haushaltskommissar. Das Prinzip hat sich bewährt.
Welche Vorteile sollte denn ein europäischer "Finanzminister" bieten?
Und was wäre das Neue an einem EU-Budget?
Das Haushaltsrecht für das EU-Budget liegt dort:
http://ec.europa.eu/budget/mff/introduc ... dex_de.cfm
"Die Verordnung zur Festlegung des MFR wird von der Europäischen Kommission vorgeschlagen und muss vom Rat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig angenommen werden."
Der ESM soll in einen Fonds nach Europäischem Recht überführt werden. Bisher ist es ein mulitlateraler supranationaler Vertrag.
https://ec.europa.eu/info/business-econ ... and-how_de
"Rolle der EU-Länder
Die Regierungen der EU-Länder entscheiden selbst, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen treffen."
Der Haushaltskommissar hat keinerlei Durchgriffsrecht auf nationale Haushalte im Gegensatz zur Troika, die aus dem Rat der EU-Finanzminister, dem ESM und dem IWF besteht.
Die ganze Konstruktion ermöglicht also bisher keinerlei gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Länder, die vom EU-Parlament kontrolliert wird. Das könnte einmal zum Nachteil werden, wenn Italien oder Spanien in so große finanzielle Schwierigkeiten wie Irland oder Portugal geraten.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

Es kann kein Durchgriffsrecht in nationale Haushalte geben. Das Budgetrecht für den Bundeshaushalt liegt beim Bundestag. Das BVerfG hat dazu längst alles Notwendige gesagt.

Ich wundere mich immer, wie leichtfertig manche Selbstbestimmungsrechte aufgeben würden.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 16:43)

Es kann kein Durchgriffsrecht in nationale Haushalte geben. Das Budgetrecht für den Bundeshaushalt liegt beim Bundestag. Das BVerfG hat dazu längst alles Notwendige gesagt.

Ich wundere mich immer, wie leichtfertig manche Selbstbestimmungsrechte aufgeben würden.
Man kann aber nicht alles haben; entweder gibt es den gemeinsamen Finanzminister mit Durchgriffsrecht in nationale Haushalte bei Verletzung der Haushaltsdisziplin, oder es gibt den sofortigen Rausschmiß aus der Gemeinschaftswährung. Eins von beiden muß beschlossen und verkündet werden. Kein Partnerland hat das Recht, die Gemeinschaftswährung durch sein unverantwortliches Tun zu zerstören.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(12 Mar 2018, 17:06)

Man kann aber nicht alles haben; entweder gibt es den gemeinsamen Finanzminister mit Durchgriffsrecht in nationale Haushalte bei Verletzung der Haushaltsdisziplin, oder es gibt den sofortigen Rausschmiß aus der Gemeinschaftswährung. Eins von beiden muß beschlossen und verkündet werden. Kein Partnerland hat das Recht, die Gemeinschaftswährung durch sein unverantwortliches Tun zu zerstören.
Was reden Sie da? Hatte schon mal jemand die Idee, Bremen aus der DM zu werfen?
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frems
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

So langsam kommt auch beim Arbeitsmarkt Bewegung ins Spiel. Vergangenes Jahr von unserem Kommissionspräsidenten gefordert und möglicherweise im nächsten Jahr schon am Start:
Bereits 17 Millionen Menschen arbeiten im Ausland. Künftig soll eine neue europäische Arbeitsagentur ihnen helfen, Jobs zu finden. Auch Mindestlohn und Sozialstandards sollen geprüft werden. [...] Laut Thyssen soll auch eine einheitliche europäische Sozialversicherungsnummer eingeführt werden: „Sie wird ähnlich sein wie die IBAN-Nummer im Bankensektor. Sie soll nationale Systeme nicht ersetzen, sondern Arbeitnehmern und Touristen helfen, im Ausland unter anderem leichter Zugang zu medizinischen Leistungen zu erhalten.“
https://www.welt.de/politik/ausland/art ... erden.html

Dann kann man wohl auch in einigen Jahren wieder das Projekt Sozialunion angehen, auch wenn es derzeit noch wichtigere Fragen gibt, u.a. im Militärwesen, bei der Außenpolitik und beim digitalen Binnenmarkt.
Labskaus!

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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 17:11)

Was reden Sie da? Hatte schon mal jemand die Idee, Bremen aus der DM zu werfen?
Klar; zwar nicht so direkt, aber über einen Staatskommissar, der anstelle eines Bremer Senats den Haushalt gestalten sollte. Diese Drohung hing viele Jahre wie ein Damoklesschwert über dem Bremer Haushalt. Man kann also nicht alles zugleich haben... wie weiter oben schon gesagt.

Mit einem ähnlichen Gedankenmodell hatte man auch in Griechenland gespielt. Aber das ging wohl nicht, weil das Land kein Bundesland ist. Und dann wollte man das Land aus dem Euro werfen... ging auch nicht, weil... Am Ende hatte Mutti Merkel denn zusammen mit Präsident Hollande ein Einsehen. Aber das Grundsatzproblem in der Euro-Zone muß dringend gelöst werden.
Zuletzt geändert von H2O am Mo 12. Mär 2018, 17:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(12 Mar 2018, 17:06)

Man kann aber nicht alles haben; entweder gibt es den gemeinsamen Finanzminister mit Durchgriffsrecht in nationale Haushalte bei Verletzung der Haushaltsdisziplin, oder es gibt den sofortigen Rausschmiß aus der Gemeinschaftswährung. Eins von beiden muß beschlossen und verkündet werden.
Diese Fragen stellen sich doch gar nicht. Der EU-Finanzminister bekommt eine Position ähnlich wie sie Federica Mogherini innehat. Die ist Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, hat aber in Wirklichkeit nichts zu melden. Die EU-Kommission möchte dass dieser EU-Finanzminister zugleich Eurogruppenvorsitzender und Vizepräsident der EU-Kommission ist (damit er auch schön brav im Einflußbereich der EU-Kommission bleibt). Macron möchte dann noch dass der EU-Finanzminister ein Budget erhält das er in den 19 EURO-Ländern verbraten darf. Wer hier wieder Nettozahler werden soll dürfte ja allen klar sein.
Kein Partnerland hat das Recht, die Gemeinschaftswährung durch sein unverantwortliches Tun zu zerstören.
Sie haben Humor. Das passiert doch laufend.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(12 Mar 2018, 17:35)

Diese Fragen stellen sich doch gar nicht. Der EU-Finanzminister bekommt eine Position ähnlich wie sie Federica Mogherini innehat. Die ist Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, hat aber in Wirklichkeit nichts zu melden. Die EU-Kommission möchte dass dieser EU-Finanzminister zugleich Eurogruppenvorsitzender und Vizepräsident der EU-Kommission ist (damit er auch schön brav im Einflußbereich der EU-Kommission bleibt). Macron möchte dann noch dass der EU-Finanzminister ein Budget erhält das er in den 19 EURO-Ländern verbraten darf. Wer hier wieder Nettozahler werden soll dürfte ja allen klar sein. Sie haben Humor. Das passiert doch laufend.
Sie bringen da einiges durcheinander. Was die EU-Kommission möchte, das ist etwas völlig anderes als das, was Präsident Macron allein für die Euro-Gruppe vorschlägt. Ja, ich habe Humor; das hindert mich aber nicht daran, Lösungen für verkorkste Konstruktionen zu suchen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

Senexx hat geschrieben:(12 Mar 2018, 17:11)
Was reden Sie da? Hatte schon mal jemand die Idee, Bremen aus der DM zu werfen?
Bremen kann aber durch ein Bundesgesetz auf gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht zur Einhaltung der Schuldenbremse, die ab 2020 auch für die Bundeländer gilt, verpflichtet werden.
http://www.stabilitaetsrat.de/DE/Organi ... _node.html
"Art. 109 GG – Grundsätze der Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern
(4) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden."
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

H2O hat geschrieben:(12 Mar 2018, 17:30)
Klar; zwar nicht so direkt, aber über einen Staatskommissar, der anstelle eines Bremer Senats den Haushalt gestalten sollte. Diese Drohung hing viele Jahre wie ein Damoklesschwert über dem Bremer Haushalt. Man kann also nicht alles zugleich haben... wie weiter oben schon gesagt.
Ein Staatskommissar kann von einem Bundesland für eine Kommune eingesetzt werden, zum Beispiel Bremerhaven. Auf Bundesebene heißt das Bundeskommissar, dessen Rechte allerdings ziemlich schwammig im Grundgesetz geregelt sind. Da hilft GG 109 Artikel 4 schon eher weiter.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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