Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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schokoschendrezki
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(10 Dec 2017, 11:56)

Mehr Europa? Wie sollte das gehen? Dazu müsste man ja Landmasse anderer Kontinente herankarren oder extraterrestrischen Mondstaub aus dem All herholen. Schwierig. Wenn, dann wollen die Menschleins auf europäischen Boden allenfalls ein anderes Europa, genauer: ihre Beziehungen untereinanander verändern, und das ist dann nun eher eine Frage von Qualitäten denn Quantitäten. Also anders, nicht mehr. Und die bevorzugten Geschmacksrichtungen fallen da höchst unterschiedlich aus. Im Wesentlichen ein Regenbogen, der sich über zentralistische Einfalt bis zur feingliedrigen beweglichen Vielfalt spannt.

Und ich hab gerade noch einmal aus dem Fenster geguckt, um mich zu vergwissern: Die Wintersonne lacht und Europa ist immer noch da. Morgen und in 10 Jahren vermutlich auch noch. Und immer noch, wenn die Macrons und Schulzens längst im kontinentalen Mutterboden schlummern und wieder wirklicher Teil Europas werden. Kein Abschied in Sicht. Und gleich welche politischen Verhältnisse auf der dünnen Erdoberfläche herrschen, Europa wird das kaum stören. Da interessieren Europa eher kilometerhohe Eismassen, die ihre Gestalt zu Gebirgen und Moränen zusammenfalten. Und durch den steigenden Meeresspiegel werden die Füßchen nass und ein bisschen sichtbare Erdmasse geht verloren. Aber das sind eher kosmetische Probleme, denn existentielle. Frauen halt.
:) "Mehr Europa wagen" ist wirklich eine ziemlich dumme Phrase. In 20 Millionen Jahren wird sich (vermutlich) infolge der Kontinentaldrift die Iberische Halbinsel von Europa trennen. Und in 40 Millionen Jahren wird Europa (vermutlich) in der Mitte entlang des Rheingrabens auseinanderbrechen. Weniger Europa.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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schokoschendrezki
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Rein von den Wirtschaftszahlen her liegen die Wachstumsraten der EU-Länder Osteuropas mit 3-4 Prozent (mit Ausnahme von Kroatien) deutlich über dem EU-Durchschnitt (2,2 2017). Von daher kann der Angleichsprozess zwar noch eine Weile dauern aber für ein weiteres (ökonomisches) Auseinanderdriften spricht das nicht.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

schelm hat geschrieben:(07 Dec 2017, 19:50)

Ungarn kann sich nicht gegen Europa entscheiden, Ungarn ist Teil von Europa. Wogegen man sich aber entscheiden kann, sind dämliche Visionen, deren Zeit noch nicht gekommen ist, man kann sich gegen die dreiste Deutungshoheit entscheiden, wer oder was " Europa " sei.
Bitte nicht wieder vermeintlich politisch korrekte Sprachdiktate, nur weil Dir freie Menschen nicht gehorchen und so sprechen wie Du es gerne hättest. Du kriegst vermutlich auch Panikattacken, wenn Trump "America first" sagt, obwohl er ja nur die USA meint, die in den Amerikas viel kleiner (Fläche, Wirtschaft, Einwohner, ...) ist als die EU in Europa. :rolleyes:
Sextus Ironicus hat geschrieben:(07 Dec 2017, 18:24)

Es geht in diesem Fall nicht um Schulz, sondern um Juncker.
... und seine Rolle als nationaler Politiker. Ein sehr gelungener Einwand pro Nationalstaat.
Ist der Gedanke, ob nun richtig oder falsch, in sich nachvollziehbar?
Er ist sehr wirr, da ein demokratisches Parlament viele Ausgestaltungen haben kann. Auf nationaler Ebene ist insb. in föderalen Staaten eine degressive Proportionalität völlig normal, z.B. in der Schweiz oder bei der Präsidentschaftswahl der USA. Zum anderen war diese Dominanz schon in den 90ern ein großes Streitthema und würde sich bei einem postnationalen Staat von selbst erledigen. Die Nationalität spielt heute schon eine untergeordnete Rolle im EU-Parlament, obwohl wir bisher noch 28 (27) nationale Wahlliste haben und noch keine europäische. Deutsche Konservative schließen sich halt mit ungarischen, irischen oder portugiesischen Konservativen zusammen, nicht mit Linken, Grünen, Liberalen, Rechtsextremisten oder Sozialdemokraten aus Deutschland. Das ist aber vermutlich nicht nachvollziehbar, wenn der Blick an der "Grenze" endet, oder?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:07)



Er ist sehr wirr, da ein demokratisches Parlament viele Ausgestaltungen haben kann. Auf nationaler Ebene ist insb. in föderalen Staaten eine degressive Proportionalität völlig normal, z.B. in der Schweiz oder bei der Präsidentschaftswahl der USA. Zum anderen war diese Dominanz schon in den 90ern ein großes Streitthema und würde sich bei einem postnationalen Staat von selbst erledigen. Die Nationalität spielt heute schon eine untergeordnete Rolle im EU-Parlament, obwohl wir bisher noch 28 (27) nationale Wahlliste haben und noch keine europäische. Deutsche Konservative schließen sich halt mit ungarischen, irischen oder portugiesischen Konservativen zusammen, nicht mit Linken, Grünen, Liberalen, Rechtsextremisten oder Sozialdemokraten aus Deutschland. Das ist aber vermutlich nicht nachvollziehbar, wenn der Blick an der "Grenze" endet, oder?
Mein Blick als Niederländer oder Schwede oder Ungar ginge eben über die Grenze hinaus. Und ich wollte mich nicht in die Hände Deutschlands begeben, so einfach ist das.

Und ich halte ein demokratisches Europa für nicht durchsetzbar. Käme es demokratisch zustande, müssten wir hier nach 146 GG eine europäische Verfassung durchwinken, die anstelle des GG träte. Ich halte das für unrealistisch, also würde wieder getrickst werden oder man würde die Zustimmung nicht bekommen.

Der andere Punkt ist: Kennst du eine Demokratie dieser Größenordnung, die funktioniert? Unter sozialstaatlichen Vorzeichen ist Deutschland die größte Demokratie, die den Namen verdient, die USA sind unter anderen Voraussetzungen entstanden und funktionieren unter ganz anderen Voraussetzungen. Und nach wie vor wüsste ich nicht, was die VSE bringen sollten, was jetzt nicht schon möglich wäre.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schelm »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:07)

Bitte nicht wieder vermeintlich politisch korrekte Sprachdiktate, nur weil Dir freie Menschen nicht gehorchen und so sprechen wie Du es gerne hättest. Du kriegst vermutlich auch Panikattacken, wenn Trump "America first" sagt, obwohl er ja nur die USA meint, die in den Amerikas viel kleiner (Fläche, Wirtschaft, Einwohner, ...) ist als die EU in Europa. :rolleyes:
Bitte was ? Das Sprachdiktat und der Anspruch der Deutungshoheit über Europa kommen doch aus deiner politischen Ecke. Kurzfassung : Wer den Visionen nicht folgt, ist " antieuropäisch ". Auch wenn deine Ecke das so beansprucht, so wird aus EU, sowie eurer Vorstellung über die EU, im Ergebnis nicht der Begriff Europa, sondern ausschließlich eure Projektion davon.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

schelm hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:42)

Bitte was ? Das Sprachdiktat und der Anspruch der Deutungshoheit über Europa kommen doch aus deiner politischen Ecke. Kurzfassung : Wer den Visionen nicht folgt, ist " antieuropäisch ". Auch wenn deine Ecke das so beansprucht, so wird aus EU, sowie eurer Vorstellung über die EU, im Ergebnis nicht der Begriff Europa, sondern ausschließlich eure Projektion davon.
Du heulst aufgrund des Sprachgebrauchs bzw. Wortwahl eines Menschen auf, obwohl Dir im Kontext ohne Nachfrage sofort klar war, was gemeint ist. Das ist sehr albern. Willst Du nun zur russischen Botschaft rennen und meckern, wenn Putin von "russisch-europäischen Beziehung" spricht? Oder in Kiew demonstrieren, wenn die Leute "nach Europa" wollen? Die Definition Europas war stets politisch, religiös, linguistisch, kulturell oder auch agrarisch definiert und wandelte sich in den letzten Jahrhunderten etliche mal. Mal endete es an der Weichsel, mal reichte es bis zur Mongolei. Kommt noch etwas Sachliches zum Thema oder wolltest Du nur wieder Dein gewaltiges Wissen über Europa kundtun, Herr NVA-Offizier? Na also. Du jammerst über Sprachdiktate, obwohl Dir niemand etwas hier diktieren will, aber forderst sie selber ohne es zu merken. Irre. :rolleyes:
Zuletzt geändert von frems am Mi 13. Dez 2017, 15:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:29)
Mein Blick als Niederländer oder Schwede oder Ungar ginge eben über die Grenze hinaus. Und ich wollte mich nicht in die Hände Deutschlands begeben, so einfach ist das.
Spricht also für weniger Nationalstaat. Geht doch.
Und ich halte ein demokratisches Europa für nicht durchsetzbar. Käme es demokratisch zustande, müssten wir hier nach 146 GG eine europäische Verfassung durchwinken, die anstelle des GG träte. Ich halte das für unrealistisch, also würde wieder getrickst werden oder man würde die Zustimmung nicht bekommen.
Das ist auch wieder eine Prämisse ohne Grundlage. Wieso sollte das GG abgeschafft werden? Es verpflichtet uns als Staatsbürger geradezu zu einer fortschreitenden Integration Europas. Eine Verfassung eines Bundeslandes, das Eigenstaatlichkeit genießt, wird auch nicht rechtlich wertlos, nur weil wir eine Verfassung auf Bundesebene haben. Alles sehr skurril. Mal ist Demokratie nur "one man, one vote", nun sollen Verfassungen abgeschafft werden... herje.
Der andere Punkt ist: Kennst du eine Demokratie dieser Größenordnung, die funktioniert? Unter sozialstaatlichen Vorzeichen ist Deutschland die größte Demokratie, die den Namen verdient, die USA sind unter anderen Voraussetzungen entstanden und funktionieren unter ganz anderen Voraussetzungen. Und nach wie vor wüsste ich nicht, was die VSE bringen sollten, was jetzt nicht schon möglich wäre.
Es gibt viele Konzepte, die sich hinter dem Begriff VSE verbergen. Andere sprechen von einer Republik Europas, die nächsten von einer Europäischen Föderation. Gemein haben sie meist nur, dass sie nicht die Kopie eines Nationalstaats auf Europaebene sind. Das heißt natürlich nicht, dass man sich als sui generis nicht auch an anderen orientieren könnte. Und die genannten USA funktionieren durch ihre Dezentralität ja recht gut, zumal das heutige Europa noch (kon-)föderaler strukturiert ist als jeder existiertende föderale Staat, da wir die Machtverteilung nicht nur auf mehreren vertikalen, sondern auch auf einer horizontalen Ebene haben. Dass Europa etwas eigenes, spezielles ist, wird ja niemand absprechen. Es ist nur nicht so schwarz-weiß wie Du annimmst und verbal-argumentativ sehr schwach als Konklusion, wenn man nur darauf verweist, dass es bei X funktioniert, aber Unterschiede existieren, weshalb diese unbenannten Unterschiede der Grund seien, weshalb es bei Y nicht klappt. Demnach müsste es einen Kriterienkatalog geben, wo man zahlreiche Häkchen setzt und ein Staat erst dann "funktioniert", wenn es überall positiv ist. So funktioniret aber kein Staatswesen dieser Welt.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 14:29)

Mein Blick als Niederländer oder Schwede oder Ungar ginge eben über die Grenze hinaus. Und ich wollte mich nicht in die Hände Deutschlands begeben, so einfach ist das.

Und ich halte ein demokratisches Europa für nicht durchsetzbar. Käme es demokratisch zustande, müssten wir hier nach 146 GG eine europäische Verfassung durchwinken, die anstelle des GG träte. Ich halte das für unrealistisch, also würde wieder getrickst werden oder man würde die Zustimmung nicht bekommen.

Der andere Punkt ist: Kennst du eine Demokratie dieser Größenordnung, die funktioniert? Unter sozialstaatlichen Vorzeichen ist Deutschland die größte Demokratie, die den Namen verdient, die USA sind unter anderen Voraussetzungen entstanden und funktionieren unter ganz anderen Voraussetzungen. Und nach wie vor wüsste ich nicht, was die VSE bringen sollten, was jetzt nicht schon möglich wäre.
Ach was, gesponnen wird überall: Da sind wir Europäer uns ganz einig. Aber Sie übertreiben jetzt wirklich ihr Mißtrauen gegen die 83 Mio Menschen, die Ihnen Heimat, Wohnung, Einkommen (hoffentlich ein gutes!) und Sicherheit bieten. Das sind so ziemlich die Wünsche, die meine polnischen Nachbarn haben und meine französischen und italienischen Kollegen hatten. Angesichts der erkennbaren Spannungen und Unsicherheiten, die sich in Gewalt entladen, ist vielen davon klar, daß dieser gute Zustand nur zu erhalten ist, wenn wir unsere Kräfte bündeln, politisch, wirtschaftlich und militärisch. Da gibt es nichts geschenkt. Daß Kräfte bündeln auf diesen Gebieten das Ende gemeinschaftsschädigender Sonderwege bedeutet, den Zusammenschluß zu einem Bundesstaat mit autonomen Teilstaaten, das dürfte der Gang der Welt sein. Und wenn wir uns gemeinsam anstrengen, dann erreichen wir auch das gemeinsame Ziel, nämlich Heimat, Wohnung, Einkommen und Sicherheit für uns und unsere Familien... die auch heute schon Grenzen überschreiten.

Eigentlich hätte die Katastrophe zweier Weltkriege genug Anlaß zu dieser Entwicklung sein sollen. Aber vielleicht brauchen wir an unseren Rändern noch einmal eine Flammenhölle, bevor die letzten Vorbehalte auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 15:41)


Das ist auch wieder eine Prämisse ohne Grundlage. Wieso sollte das GG abgeschafft werden? Es verpflichtet uns als Staatsbürger geradezu zu einer fortschreitenden Integration Europas. Eine Verfassung eines Bundeslandes, das Eigenstaatlichkeit genießt, wird auch nicht rechtlich wertlos, nur weil wir eine Verfassung auf Bundesebene haben. Alles sehr skurril. Mal ist Demokratie nur "one man, one vote", nun sollen Verfassungen abgeschafft werden... herje.
Was ist skurril an Forderungen (one man, one vote), wie sie auch Ulrike Guérot vertritt, die nun wirklich pro-europäisch wie sonst kaum jemand auftritt?

Und wo verpflichtet uns das GG zu einer fortschreitenden Integration Europas? Wo steht das? Art 23 (1) enthält eine Feststellung der Mitwirkung und dass die Bundesregierung dazu etwas kann, von einer Verpflichtung ist also nicht die Rede. Die Bundesregierung verzichtet auf ihre Gesetzgebungskompetenz, überträgt sie aber nicht. Und Art. 79 GG gilt ebenfalls. Was also ist skurril?

Skurril ist für mich eher, dass man ein disfunktionales Projekt durch weitere Aufblähung retten möchte, statt ein paar aktuelle Probleme zu lösen. Ist die EU erfolgreich wird sie ganz "natürlich" zusammenwachsen. Aber als administratives Projekt wird es die Missgeburt bleiben, als die sie sich entpuppt hat. Da braucht man keine Schwäche fürs Symbolisch-Nationale zu haben, da reicht eine Schwäche für wendigere und manövrierfähige kleinere Schiffe.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

H2O hat geschrieben:(13 Dec 2017, 15:50)

Ach was, gesponnen wird überall: Da sind wir Europäer uns ganz einig. Aber Sie übertreiben jetzt wirklich ihr Mißtrauen gegen die 83 Mio Menschen, .
:?

Ach bitte, das ist doch jetzt albern. Der Niederländer (oder wer auch immer) misstraut nicht 83 Mio. Menschen, sondern er fürchtet die politische Einflussmöglichkeit, die sich aus dem deutschen Stimmgewicht gibt. Das auf Menschen runterzuziehen ist doch jetzt wrgf.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 16:13)

Was ist skurril an Forderungen (one man, one vote), wie sie auch Ulrike Guérot vertritt, die nun wirklich pro-europäisch wie sonst kaum jemand auftritt?
Nicht die Forderung ist skurril, sondern die Aussage, dass nur ein solches System "demokratisch" ist.
Und wo verpflichtet uns das GG zu einer fortschreitenden Integration Europas? Wo steht das? Art 23 (1) enthält eine Feststellung der Mitwirkung und dass die Bundesregierung dazu etwas kann, von einer Verpflichtung ist also nicht die Rede. Die Bundesregierung verzichtet auf ihre Gesetzgebungskompetenz, überträgt sie aber nicht. Und Art. 79 GG gilt ebenfalls. Was also ist skurril?
Skurril ist die Aussage, dass das GG nicht mehr existiere bzw. gelte, wenn man eine europäische Verfassung hätte; zumal eine Republik gar keine Verfassung für ihre Existenz gar nicht benötigt, weshalb hier nicht nur zwei falsche Prämissen, sondern auch noch eine unschlüssige Konklusion auf dem Tisch sind.
Skurril ist für mich eher, dass man ein disfunktionales Projekt durch weitere Aufblähung retten möchte, statt ein paar aktuelle Probleme zu lösen. Ist die EU erfolgreich wird sie ganz "natürlich" zusammenwachsen. Aber als administratives Projekt wird es die Missgeburt bleiben, als die sie sich entpuppt hat. Da braucht man keine Schwäche fürs Symbolisch-Nationale zu haben, da reicht eine Schwäche für wendigere und manövrierfähige kleinere Schiffe.
Sie wächst ja natürlich zusammen, wenn wir die schrittweise Integration hierfür festhalten. Erst kürzlich gab es großartige Fortschritte bei der Verteidigungspolitik, selbiges für die Außen- und Handelspolitik (heute erst verlinkt).
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(13 Dec 2017, 16:26)

:?

Ach bitte, das ist doch jetzt albern. Der Niederländer (oder wer auch immer) misstraut nicht 83 Mio. Menschen, sondern er fürchtet die politische Einflussmöglichkeit, die sich aus dem deutschen Stimmgewicht gibt. Das auf Menschen runterzuziehen ist doch jetzt wrgf.
Nee, so nicht! Was hat denn ein Niederländer oder Malteser von unserem Stimmengewicht zu fürchten? Weder er noch wir sind doch allein in der Arena. Da streiten oder reden 27 Mitglieder im Ministerrat miteinander, und am Ende des Liedes wird abgestimmt. Ich gehe davon aus, daß weiterhin die qualifizierte Mehrheit für Entscheidungen auf Gemeinschaftsebene gilt. Diese Form der Stimmgewichtung kommt mir jedenfalls ganz vernünftig vor... sonst hätten die ewig kritischen Briten dem niemals zugestimmt. Ich stelle mir vor, daß der heutige Ministerrat eine zweite Kammer der EU sein wird, die Gesetze des EU-Parlaments prüft und erforderlichenfalls mit der Bitte um Nachbesserung an das EU-Parlament zurück verweist... oder das Gesetz zuläßt.

Für mich ist klar, daß ein Mitglied oder ein europäischer Mitbürger, das/der sich im ungerechtfertigten Nachteil sieht, dieses Gesetz auch vor dem EuGH prüfen lassen kann. Mehr Fairness finden wir im eigenen Lande auch nicht!

Im EU-Parlament hat man mit der degressiven Zuordnung "nationaler" Abgeordneter ebenfalls versucht, das deutsche Stimmengewicht... oder, viel freundlicher ausgedrückt: das Stimmengewicht der großen Staaten Italien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien... in ein faires Gleichgewicht mit den ganz kleinen Staaten wie Malta oder Zypern zu bringen. Im EU-Parlament sind nach meinem Kenntnisstand noch nie die nationalen Fetzen geflogen, wenn wir von hämischen Anmerkungen der UKIP absehen.

Was aber auf gar keinen Fall in der Gemeinschaft zugelassen werden kann, das sind gesetzeshemmende Vetos einzelner Mitglieder. Ein Mitglied, das diesen Weg beschreitet, sollte damit zugleich seinen Austritt aus der Gemeinschaft beschließen. Denn ganz offenbar will die Gemeinschaft ja seine lebenswichtigen Interessen nicht beachten. Was soll dann eine Mitgliedschaft? So mein Vorschlag für die Verfassung der vertieften Gemeinschaft in einer Föderation.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(13 Dec 2017, 17:09)

Nee, so nicht! Was hat denn ein Niederländer oder Malteser von unserem Stimmengewicht zu fürchten?
und doch denke ich, daß er recht hat. ich erinnere mich noch lebendig wie damals kohl (zusammen mit den franzosen) bestimmte ideen durchdrückte.
geschweige vom tandem schröder-giskard. noch immer leiden wir unter den folgen davon (schlechte finanzielle kontrolle).

nicht idealismus, sondern realismus soll hier führend sein. auch der EZB-direktor muß evt durchs EU-hof zurückgepfiffen werden können.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(14 Dec 2017, 08:03)

und doch denke ich, daß er recht hat. ich erinnere mich noch lebendig wie damals kohl (zusammen mit den franzosen) bestimmte ideen durchdrückte.
geschweige vom tandem schröder-giskard. noch immer leiden wir unter den folgen davon (schlechte finanzielle kontrolle).

nicht idealismus, sondern realismus soll hier führend sein. auch der EZB-direktor muß evt durchs EU-hof zurückgepfiffen werden können.
Aus meiner Sicht geht die Sache höchst einfach: Der Niederländische Premier greift zum Telefonhörer, bittet den Kanzler um ein Gespräch über das Thema, das ihn auf europäischer Ebene bewegt, und schon beginnt das gemeinsame Nachdenken. Ich bin davon überzeugt, daß, wenn Herr Zipras meint, daß die deutsche Seite oder ein größenwahnsinniger anderer Partner griechische Anliegen mißachtet, das Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu einer tragbaren Lösung führt. Natürlich kann keine Bundesrepublik Deutschland sich in innere Angelegenheiten der Niederlande einmischen... das müssen Niederländer oder Malteser oder Griechen schon selbst ausfechten.

Eine andere Lösung wäre sicherlich, daß die Niederlande erst einmal an der vertieften Union nicht teilnehmen, aber später dazu stoßen. Meine ganz bescheidene Idee war ohnehin, daß zunächst Deutsche und Franzosen abklären, was aus ihrer Sicht möglich ist. Danach muß aus meiner Sicht das öffentliche Gespräch mit den EU-Bürgern folgen und auch eine allgemeine Meinungsbildung. Dort, wo viel Zustimmung zur vertieften Zusammenarbeit zu erkennen ist, beginnt man mit weiteren Maßnahmen zur vertieften Gemeinschaft. Damit werden Querulanten erst einmal sich selbst überlassen, und der kleine feine Club baut seine gemeinsame Zukunft aus.

Ich sehe keine vernünftige Gemeinschaft der verweigerten Solidarität, der Chauvinisten und Regelbrecher. Daran geht die derzeitige EU in die Knie!
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:20)

Eine andere Lösung wäre sicherlich, daß die Niederlande erst einmal an der vertieften Union nicht teilnehmen, aber später dazu stoßen. Meine ganz bescheidene Idee war ohnehin, daß zunächst Deutsche und Franzosen abklären, was aus ihrer Sicht möglich ist.
und gerade das ist unerwunscht. denn dann kommt etwas wovon sie sagen können »take it or leave it«.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(13 Dec 2017, 17:01)

Nicht die Forderung ist skurril, sondern die Aussage, dass nur ein solches System "demokratisch" ist.


Skurril ist die Aussage, dass das GG nicht mehr existiere bzw. gelte, wenn man eine europäische Verfassung hätte; zumal eine Republik gar keine Verfassung für ihre Existenz gar nicht benötigt, weshalb hier nicht nur zwei falsche Prämissen, sondern auch noch eine unschlüssige Konklusion auf dem Tisch sind.


Sie wächst ja natürlich zusammen, wenn wir die schrittweise Integration hierfür festhalten. Erst kürzlich gab es großartige Fortschritte bei der Verteidigungspolitik, selbiges für die Außen- und Handelspolitik (heute erst verlinkt).
Hat ja auch niemand was gegen letzteres einzuwenden und das wird nicht alles bleiben, was gesamteuropäisch gelöst werden muss bzw. nur gesamteuropäisch gelöst werden kann. Am dringlichsten wäre ein einheitliches europäisches Asylrecht, Einwanderungsgesetze dagegen mögen die Länder nach ihren Notwendigkeiten machen.

Was die Skurrilitäten angeht, so nehmen wir dann eben auch die Behauptung dazu, das GG verpflichte uns als Staatbürger zu einer fortschreitenden Integration Europas. Das ist nicht der Fall, das GG regelt den Verzicht auf Kompetenzen. Und dabei gibt es auch Dinge, die, wenn sie abgegeben würden, mit Verfassungsmehrheit abgesegnet werden müssten.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:27)

und gerade das ist unerwunscht. denn dann kommt etwas wovon sie sagen können »take it or leave it«.
Nein, lieber NN, dann kommt etwas, worüber die europäischen Bürger in Gesprächen befinden können. Ein langer Abstimmungsvorgang, aber vermutlich fruchtbar! Friß Vogel, oder stirb, das kommt erst später, wenn sich einmal eine gleichgesinnte Gemeinschaft gebildet hat. Dann können Neuzugänge natürlich nicht gleich mit Forderungen zur Veränderung auftreten. Dann müssen sie schon ihren eigenen Club bilden. So gesehen ist es besser, gleich von Anfang an mit zu wirken.

Ich halte es für unmöglich, daß aus dem Nichts ein Gerüst und ein Konzept für die vertiefte Gemeinschaft besprochen werden kann. Das ist aus meiner Sicht eine Dienstleistung unserer Politiker. Aber ohne die Willensbildung der EU-Bürger darf gar nichts festgelegt werden!
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:30)

Hat ja auch niemand was gegen letzteres einzuwenden und das wird nicht alles bleiben, was gesamteuropäisch gelöst werden muss bzw. nur gesamteuropäisch gelöst werden kann. Am dringlichsten wäre ein einheitliches europäisches Asylrecht, Einwanderungsgesetze dagegen mögen die Länder nach ihren Notwendigkeiten machen.

Was die Skurrilitäten angeht, so nehmen wir dann eben auch die Behauptung dazu, das GG verpflichte uns als Staatbürger zu einer fortschreitenden Integration Europas. Das ist nicht der Fall, das GG regelt den Verzicht auf Kompetenzen. Und dabei gibt es auch Dinge, die, wenn sie abgegeben würden, mit Verfassungsmehrheit abgesegnet werden müssten.
Wenn ich mich richtig erinnere, dann sind diese Regelungen aber ausdrücklich mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Europäischen Einigung gestaltet worden. Ist doch klar, daß dazu das Grundgesetz geändert werden muß mit den entsprechenden Mehrheiten in Parlament und Bundesrat.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

H2O hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:41)

Wenn ich mich richtig erinnere, dann sind diese Regelungen aber ausdrücklich mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Europäischen Einigung gestaltet worden. Ist doch klar, daß dazu das Grundgesetz geändert werden muß mit den entsprechenden Mehrheiten in Parlament und Bundesrat.
Ja, mit Blick auf die stattfindende Weiterentwicklung. Doch aus dem Fließen des Baches ergibt sich keine Verpflichtung zum Fließen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 10:30)

Hat ja auch niemand was gegen letzteres einzuwenden und das wird nicht alles bleiben, was gesamteuropäisch gelöst werden muss bzw. nur gesamteuropäisch gelöst werden kann. Am dringlichsten wäre ein einheitliches europäisches Asylrecht, Einwanderungsgesetze dagegen mögen die Länder nach ihren Notwendigkeiten machen.
Wieso soll das Asylrecht am dringlichsten sein? Oder meinst Du nur persönliche Präferenzen?
Was die Skurrilitäten angeht, so nehmen wir dann eben auch die Behauptung dazu, das GG verpflichte uns als Staatbürger zu einer fortschreitenden Integration Europas. Das ist nicht der Fall, das GG regelt den Verzicht auf Kompetenzen. Und dabei gibt es auch Dinge, die, wenn sie abgegeben würden, mit Verfassungsmehrheit abgesegnet werden müssten.
Nicht Verzicht, sondern Verlagerung. Und da geht's um den Einigungsprozess Europas. Aber da Du nicht mehr auf den vorigen Quark mit dem Wahlsystem oder der GG-Abschaffung eingehst, gehe ich mal davon aus, dass Du nun bei den Fakten bleiben möchtest. Das freut mich. Denn da ist Europa schon weiter als es manch NVA-Genosse im Forum -- nein, Du bist nicht gemeint -- es eingestehen möchte: http://www.tagesspiegel.de/meinung/essa ... 79848.html
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:03)

Ja, mit Blick auf die stattfindende Weiterentwicklung. Doch aus dem Fließen des Baches ergibt sich keine Verpflichtung zum Fließen.
In dem Falle schon, da es die Partizipation an der Integration der ever closer union festlegt. Das gilt nicht nur für die Einleitung (Präambel), die symbolisch den hohen Stellenwert dieser Staatsaufgabe darstellt, sondern die geltenden Artikel, an die sich jede Bundesregierung zu halten hat, so lange unsere Verfassung unverändert gilt.
(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_23.html
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:30)

In dem Falle schon, da es die Partizipation an der Integration der ever closer union festlegt. Das gilt nicht nur für die Einleitung (Präambel), die symbolisch den hohen Stellenwert dieser Staatsaufgabe darstellt, sondern die geltenden Artikel, an die sich jede Bundesregierung zu halten hat, so lange unsere Verfassung unverändert gilt.
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_23.html
Wie ich sagte: Die Tatsache des Fließens enthält und schafft keine Verpflichtung. Und als der 23er in den 90ern eingeführt wurde, gab es keine "ever closer union" - das ist ein späterer Begriff. Deutschland ist souverän und kann sich für oder gegen die EU entscheiden. Verfassungsrechtlich verzichtet die Regierung lediglich zugunsten europäischen Handlens auf die Ausübung bestimmter Kompetenzen. Dsas ist inzwischen geklärt.

Was das Asylrecht angeht: Das sind zwar auch Präferenzen, aber wie die aktuelle Lage und die Situation in Afrika zeigt, kann Europa diese Frage nur zentral lösen. Alles, was passiert ist in den letzten Jahren, wusste man schon lange vor 2015. Und wenn man das nicht schafft, braucht man den Rest gar nicht angehen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:56)

Wie ich sagte: Die Tatsache des Fließens enthält und schafft keine Verpflichtung. Und als der 23er in den 90ern eingeführt wurde, gab es keine "ever closer union" - das ist ein späterer Begriff. Deutschland ist souverän und kann sich für oder gegen die EU entscheiden. Verfassungsrechtlich verzichtet die Regierung lediglich zugunsten europäischen Handlens auf die Ausübung bestimmter Kompetenzen. Dsas ist inzwischen geklärt.
Die Einheit Europas ist spätestens seit den Römischen Verträgen eins der höchsten Staatsziele Deutschlands. Wie man das Kind nennt, ist natürlich zweitrangig und war nicht vorherzusehen. Selbst ein reaktionärer Sack wie Strauß machte damals klar, dass Europa unsere Zukunft ist, während die Überwindung der Nationalstaaterei nicht einmal ein offenes Geheimnis war. Die Einigung ist noch nicht abgeschlossen. Davon abgesehen: souverän sind Bürger, nicht Staaten. Da ist der inflationär verwendete Begriff ziemlich schlecht. (Mal abgesehen davon: selbst nach einer Personifizierung eines Staates wäre kein Staat dieser Erde "souverän" im eigentlichen Sinne)
Was das Asylrecht angeht: Das sind zwar auch Präferenzen, aber wie die aktuelle Lage und die Situation in Afrika zeigt, kann Europa diese Frage nur zentral lösen. Alles, was passiert ist in den letzten Jahren, wusste man schon lange vor 2015. Und wenn man das nicht schafft, braucht man den Rest gar nicht angehen.
Also die Angst vor der Zukunft als Maßstab. Ich hatte es schon befürchtet.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 11:03)

Ja, mit Blick auf die stattfindende Weiterentwicklung. Doch aus dem Fließen des Baches ergibt sich keine Verpflichtung zum Fließen.
Das ist so wie ein Arbeitsangebot... eine Möglichkeit unter vielen. :)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:04)

Die Einheit Europas ist spätestens seit den Römischen Verträgen eins der höchsten Staatsziele Deutschlands. Wie man das Kind nennt, ist natürlich zweitrangig und war nicht vorherzusehen. Selbst ein reaktionärer Sack wie Strauß machte damals klar, dass Europa unsere Zukunft ist, während die Überwindung der Nationalstaaterei nicht einmal ein offenes Geheimnis war. Die Einigung ist noch nicht abgeschlossen. Davon abgesehen: souverän sind Bürger, nicht Staaten. Da ist der inflationär verwendete Begriff ziemlich schlecht. (Mal abgesehen davon: selbst nach einer Personifizierung eines Staates wäre kein Staat dieser Erde "souverän" im eigentlichen Sinne)


Also die Angst vor der Zukunft als Maßstab. Ich hatte es schon befürchtet.
Also wieder eine neue Unterstellung? Ich dachte immer, alles, was Politik versucht zu lösen, geschieht mit Blick auf die Zukunft.

Meines Wissens fällt "Staat" auch unter den Begriff der juristischen Person. Damit gilt auch für ihn der Begriff der Souveränität.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Was ich nicht so ganz verstehe: Die ökonomische, wirtschaftliche Verzahnung in Europa ist doch weit fortgeschritten. Könnte es sein, dass wir über ein Ever Closer Europe in politischer und kultureller Hinsicht in einem Nebengebäude diskutieren, während im Hauptgebäude, nämlich dem der Wirtschaft, längst zur Sache gegangen wird? Neulich hörte ich ein Interview mit einem Wirtschaftsverbandsvertreter zu der Frage, wieweit die deutsche Wirtschaft von der aktuellen schwierigen und langwierigen Regierungsbildung betroffen sei. Antwort grob zusammengefasst: Eigentlich gar nicht. Man macht einfach. Ohnehin und auch so.

Eigentlich hoffnungsvolle, positiv zu wertende Pro-Europäer wie etwa die Oppositionsbewegung "Momentum" in Ungarn oder auch die ungarische Pulse-Of-Europe-Filiale positionieren sich sehr stark an der negativen Projektionsfläche "Russland". Europa soll das Vehikel für eine Art Russifizierungsschutz sein. Und der verdeckte Pro-Putin-Kurs Orbáns ist Schreckgespenst Nummer Eins. Auch wenn sie mit der Kritik an der Russland-Politik Orbáns ja recht haben: Es ist kulturalistisch gedacht. Und identitär (wenn auch eine Ebene höher als die der Nation). Genauso wie eine Europa-Vision als kulturalistische Abgrenzung gegen ein Trump-Amerika.

Währenddessen läuft die wirtschaftliche Zusammenarbeit von großen Unternehmen wie Audi, Daimler etc. mit Ländern wie Ungarn wie geschmiert. Ein großes Unternehmen wie Daimler hat eigene Abteilungen für Auswärtige Beziehungen. Deren Chef Eckart von Klaeden ist definitiv Orbán-Freund. Von einer "Symbiose von Premium und Premier" war in einem Artikel die Rede. Und die ZEIT titelt: "Distanziert euch von den Autokraten" (http://www.zeit.de/2017/39/audi-daimler ... autokraten) mit Adresse an solche Unternehmen. Das klingt vor allem eins: Hilflos. Audi oder Daimler sind keine deutschen Betriebe mehr sondern international agierende Unternehmen. Man kann nicht an deren Verantwortung im Rahmen einer nationalen Politik appellieren. Zumal aktuell, wo alle Wirtschaftstrenddaten in Europa wieder nach oben weisen.

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Die Wirtschaft, das ist richtig, ist mit ihren Interessen natürlich Taktgeber. Das erzeugt politische Notwendigkeiten (ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Frage). Aber weshalb sollte man sich jetzt kulturell verzahnen? Wozu? Dass die Regelung der Krümmung der Gurke wirtschaftliche Gründe hat (zum Beispiel die Verpackungsindustrie und die Maschinen) mag man ja einsehen, aber wozu soll sich der administrative Koloss in die Kultur einmischen? Was fehlt Ungarn, Schweden, Italienern, Deutschen usw., was eine kulturelle Verzahnung lösen soll?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Was ich nicht so ganz verstehe: Die ökonomische, wirtschaftliche Verzahnung in Europa ist doch weit fortgeschritten. Könnte es sein, dass wir über ein Ever Closer Europe in politischer und kultureller Hinsicht in einem Nebengebäude diskutieren, während im Hauptgebäude, nämlich dem der Wirtschaft, längst zur Sache gegangen wird? Neulich hörte ich ein Interview mit einem Wirtschaftsverbandsvertreter zu der Frage, wieweit die deutsche Wirtschaft von der aktuellen schwierigen und langwierigen Regierungsbildung betroffen sei. Antwort grob zusammengefasst: Eigentlich gar nicht. Man macht einfach. Ohnehin und auch so.

Eigentlich hoffnungsvolle, positiv zu wertende Pro-Europäer wie etwa die Oppositionsbewegung "Momentum" in Ungarn oder auch die ungarische Pulse-Of-Europe-Filiale positionieren sich sehr stark an der negativen Projektionsfläche "Russland". Europa soll das Vehikel für eine Art Russifizierungsschutz sein. Und der verdeckte Pro-Putin-Kurs Orbáns ist Schreckgespenst Nummer Eins. Auch wenn sie mit der Kritik an der Russland-Politik Orbáns ja recht haben: Es ist kulturalistisch gedacht. Und identitär (wenn auch eine Ebene höher als die der Nation). Genauso wie eine Europa-Vision als kulturalistische Abgrenzung gegen ein Trump-Amerika.

Währenddessen läuft die wirtschaftliche Zusammenarbeit von großen Unternehmen wie Audi, Daimler etc. mit Ländern wie Ungarn wie geschmiert. Ein großes Unternehmen wie Daimler hat eigene Abteilungen für Auswärtige Beziehungen. Deren Chef Eckart von Klaeden ist definitiv Orbán-Freund. Von einer "Symbiose von Premium und Premier" war in einem Artikel die Rede. Und die ZEIT titelt: "Distanziert euch von den Autokraten" (http://www.zeit.de/2017/39/audi-daimler ... autokraten) mit Adresse an solche Unternehmen. Das klingt vor allem eins: Hilflos. Audi oder Daimler sind keine deutschen Betriebe mehr sondern international agierende Unternehmen. Man kann nicht an deren Verantwortung im Rahmen einer nationalen Politik appellieren. Zumal aktuell, wo alle Wirtschaftstrenddaten in Europa wieder nach oben weisen.

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Etwas ketzerisch zusammengefasst könnte man auch sagen: Diese ganzen Kultur-Nation-Volk-Rückzugs-Debatten sind sinnlose Scheingefechte in den maroden Nebengebäuden, weil im sanierten Hauptgebäude wie immer längst entschieden wurde, wo es langgeht. Eigentlich etwas, was mich eher ein klein wenig hoffnungsvoller stimmt. Mal abgesehen von der weltweiten Niedriglöhnerei, die ja ein schlimmes Nebenprodukt der immer weiter fortschreitenden Internationalisierung der Wirtschaft ist. Die gilt es schon weiterhin kritisch zu betrachten.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Indem mehr von den Gewinnen aus dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung bei den EU-Bürgern ankommt. Das muss nicht in Form von Geld sein, aber in Form von guter Infrastruktur und ordentlich bezahlten Jobs.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 17:36)

Und deshalb sollen alle hysterisch herumlaufen und mitteilen, dass für sie im Leben nichts wichtiger sei als die Asylpolitik und die Horrormärchen, dass irgendwann die große Flut kommt und uns alle überrollt. Schnarch.
Und wieder nur Starkvokabeln (hysterisch, Horror, Flut). Reine Strohmänner. Daher ist die Diskussion auch sinnlos. Man kann nur festhalten: So wie du das mit mir tust, so versuchen auch Politiker ihre Überzeugungen an den Mann zu bringen. Die gleiche Haltung - und genau deshalb hat Europa Schiffbruch erlitten. Weil eine gute Idee von arroganten Bürokraten, die sich aller Rechenschaftspflicht, aller Begründungen für ihr Wollen ganz hoheitlich entzogen haben, kaputt gemacht wurde. In diesem Sinne: Wünsche wohl zu ruhen auf den Europaträumen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Dec 2017, 12:50)

Was ich nicht so ganz verstehe: Die ökonomische, wirtschaftliche Verzahnung in Europa ist doch weit fortgeschritten. Könnte es sein, dass wir über ein Ever Closer Europe in politischer und kultureller Hinsicht in einem Nebengebäude diskutieren, während im Hauptgebäude, nämlich dem der Wirtschaft, längst zur Sache gegangen wird? Neulich hörte ich ein Interview mit einem Wirtschaftsverbandsvertreter zu der Frage, wieweit die deutsche Wirtschaft von der aktuellen schwierigen und langwierigen Regierungsbildung betroffen sei. Antwort grob zusammengefasst: Eigentlich gar nicht. Man macht einfach. Ohnehin und auch so.

Eigentlich hoffnungsvolle, positiv zu wertende Pro-Europäer wie etwa die Oppositionsbewegung "Momentum" in Ungarn oder auch die ungarische Pulse-Of-Europe-Filiale positionieren sich sehr stark an der negativen Projektionsfläche "Russland". Europa soll das Vehikel für eine Art Russifizierungsschutz sein. Und der verdeckte Pro-Putin-Kurs Orbáns ist Schreckgespenst Nummer Eins. Auch wenn sie mit der Kritik an der Russland-Politik Orbáns ja recht haben: Es ist kulturalistisch gedacht. Und identitär (wenn auch eine Ebene höher als die der Nation). Genauso wie eine Europa-Vision als kulturalistische Abgrenzung gegen ein Trump-Amerika.

Währenddessen läuft die wirtschaftliche Zusammenarbeit von großen Unternehmen wie Audi, Daimler etc. mit Ländern wie Ungarn wie geschmiert. Ein großes Unternehmen wie Daimler hat eigene Abteilungen für Auswärtige Beziehungen. Deren Chef Eckart von Klaeden ist definitiv Orbán-Freund. Von einer "Symbiose von Premium und Premier" war in einem Artikel die Rede. Und die ZEIT titelt: "Distanziert euch von den Autokraten" (http://www.zeit.de/2017/39/audi-daimler ... autokraten) mit Adresse an solche Unternehmen. Das klingt vor allem eins: Hilflos. Audi oder Daimler sind keine deutschen Betriebe mehr sondern international agierende Unternehmen. Man kann nicht an deren Verantwortung im Rahmen einer nationalen Politik appellieren. Zumal aktuell, wo alle Wirtschaftstrenddaten in Europa wieder nach oben weisen.

Die Frage ließe sich natürlich auch umkehren: Wie könnte man die Energie dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung auch aufs politische und kulturelle umlenken?
Mit solchen Vorstellungen sind wir nicht so sehr weit weg von der Adelsherrschaft längst vergangener Zeiten. Da werden Reiche gebildet, die niemand mehr kontrollieren kann, es sei denn, sein Reich ist noch mächtiger. Fragen müssen diese Herrscher niemanden mehr; da zählt nur noch die Schlagkraft ihrer Unternehmungen. Da können böswillige Lumpereien den Glauben an Gerechtigkeit erschüttern... es gibt kein Machtinstrument, diesen Herrschern ihre Grenzen auf zu zeigen. Unsere Staatswesen sind in den Händen gekaufter Politiker, und eine Hand wäscht die andere!

Im Grunde ist es diese erkennbare Entwicklung, die uns Bürger zu stetig sich vertiefender Zusammenarbeit zwingt. Denn ansonsten wird die Herrschaft von nicht von uns gewählten Herrschern mit deren Machtmitteln ausgeübt, und diesen Riesen stehen nur Einzelne gegenüber, die ganz einfach "weg geputzt" werden. Denn sie haben auch den Staatsapparat dort unter Kontrolle, wo er ihnen nützt.

Erfreulich, daß Sie diese übergreifenden Herrschaftssysteme in ihrer Wirkung beschrieben haben. Der noch mächtigere demokratische Staat ist die Gegenwehr des kleinen Mannes. Der setzt solche Leute kraft Gesetzes in den Knast, wenn sie als Betrüger auffallen.

Ich glaube, daß wir aus diesen Gründen die Europäische Föderation brauchen. Dann wird man sehen, wer mächtiger ist: Das gemeinsam gestaltete Gesetz oder jeder Kontrolle entwachsene Herrschaftssysteme der Wirtschaft.

Als kleines Beispiel: Die EU hat es geschafft, diesen Riesen doch einigen Respekt ab zu nötigen, indem sie sie mit deftigen Strafen und angedrohtem Verkehrsverbot in ihre Schranken verwies. Mir ist durch Ihren Beitrag klar geworden, daß auch die von Ihnen genannten Unternehmen und ihre Führer dieser gesetzlichen Kontrolle unterliegen müssen. Davor bewahrt sie offenbar der bekannte Filz im Klein-Klein.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Tom Bombadil »

Eine weitere Herausforderung für Europa:
Ein Jahr nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt stößt "ZDFzoom" auf erschreckende Erkenntnisse. Die Zahl der Attacken hat deutlich zugenommen, die islamistische Szene in Europa wächst weiter und verändert ihre Strukturen und Methoden rasant. [..] In ganz Europa werden auch die Verbindungen zwischen Islamisten, krimineller Szene und dem organisierten Verbrechen immer enger. Mancherorts schließen sich junge Islamisten in Gangs zusammen, um ganze Stadtviertel zu kontrollieren, wie beispielsweise im dänischen Kopenhagen. All das entspricht den Strategieschriften des sogenannten IS, insbesondere einem Pamphlet mit dem Titel "Muslim Gangs", das seit 2015 per Internet verbreitet wird.
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoo ... s-100.html

Wie kann Europa den "Muslim Gangs" Herr werden? Mit Milde, Nachsicht und einem auf Wiedereingliederung ausgerichteten Justizapparat?
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Dec 2017, 18:42)

Eine weitere Herausforderung für Europa:
Ein Jahr nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt stößt "ZDFzoom" auf erschreckende Erkenntnisse. Die Zahl der Attacken hat deutlich zugenommen, die islamistische Szene in Europa wächst weiter und verändert ihre Strukturen und Methoden rasant. [..] In ganz Europa werden auch die Verbindungen zwischen Islamisten, krimineller Szene und dem organisierten Verbrechen immer enger. Mancherorts schließen sich junge Islamisten in Gangs zusammen, um ganze Stadtviertel zu kontrollieren, wie beispielsweise im dänischen Kopenhagen. All das entspricht den Strategieschriften des sogenannten IS, insbesondere einem Pamphlet mit dem Titel "Muslim Gangs", das seit 2015 per Internet verbreitet wird.
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoo ... s-100.html

Wie kann Europa den "Muslim Gangs" Herr werden? Mit Milde, Nachsicht und einem auf Wiedereingliederung ausgerichteten Justizapparat?
Sie wissen doch: Diese Umtriebe werden mit "der vollen Härte des Rechtsstaats" verfolgt. Dann klappt das auch!
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Dec 2017, 15:00)

Indem mehr von den Gewinnen aus dieser auf Hochtouren laufenden wirtschaftlichen Verzahnung bei den EU-Bürgern ankommt. Das muss nicht in Form von Geld sein, aber in Form von guter Infrastruktur und ordentlich bezahlten Jobs.
Und genau das passiert ja. In Regionen wie dem nordwestungarischen Györ, wo das Unternehmen Audi seinen eigentlichen Hauptproduktions- und auch Entwicklungsstandort hat, haben wir eine europaweit rekordverdächtig niedrige Arbeitslosenzahl. Und das gilt ähnlich für etliche Standorte in Ostmitteleuropa. Und die historische Innenstadt ist in jeder Hinsicht vorzüglichst restauriert. Aber nicht aus EU-Fördermitteln sondern aus den Wirtschaftseinnahmen.

Und nun glaube mal nicht, dass ich solche Entwicklungen gutheiße. Auch wenn sie vielen Menschen zugute kommt. Dass große Unternehmen zunehmend die Fäden in der Hand halten ist keine gute Entwicklung. Das auch als Antwort an H2O auf seinen Beitrag etwas weiter oben.

Gerade heute in den Nachrichten war eine der Topmeldungen die ganze Geschichte rund um die Bespitzelung und Auslieferung an die damalige Militärdiktatur von Mitarbeitern der VW-Filiale in Brasilien. Es war den VW-Chefs völlig klar, dass sie damit ihren eigenen Leuten Folter und Tod bringen. Es war noch nie anders. Die Russland-Filiale der Deutschen Bank war im Prinzip eine maffiöse Geldwäsche-Bande. Und nun muss man sich vorstellen, in welchem Maße das Selbstbild vieler Deutscher ganz entscheidend von solchen Markenbezeichnungen wie "Audi" oder "Deutsche Bank" geprägt ist. Was sie da eigentlich im Kopf herumtragen.

Die Welt ist einfach kompliziert (haha) geworden. Das Entscheidende bei Ulrike Guérot, von der in diesem Strang bereits die Rede war, ist nicht so sehr dieses One-Man-One-Vote-Konzept sondern dass sie ihre Visionen von einer Republik Europa selbst als "Utopie" bezeichnet. Sie glaubt nicht mehr an eine reguläre Entwicklung hin zu einem geeinten Europa mit den klassischen politischen Institutionen und Parteien. Und an eine von größeren Teilen der Bevölkerung getragene Gegenbewegung glaubt sie auch nicht mehr. (Siehe das Beispiel Audi/Györ). Die Utopie "Republik Europa" ist einfach ihr persönliches Gegen-Statement. Und da ist sie wirklich nicht die einzige. Gerade unlängst las ich einen Beitrag des in Budapest lebenden deutschen Publizisten Wilhelm Droste. Genau die gleiche Richtung: Er glaubt (inzwischen!) weder an einen Einigungswillen politischer Parteien noch an eine Abkehr von den kulturessenzialistischen Nationalismen der Mehrheit der Bevölkerungen. Wohlgemerkt in ganz Europa, nicht nur im Osten. Wenn überhaupt setzt er auf das Wirken von Einzelpersönlichkeiten. Und da sind wir natürlicherweise bei Emmanuel Macron. Dass er sich einmal vom klassischen Parteiensystem lossagte stimmte optimistisch. Ganz aktuell sind gerade 100 Mitglieder aus seiner Neugründung "Le Marche" ausgetreten. Vorwurf: Autokratische Strukturen. Fehlende Demokratie. Das alte Spiel von Neuem? Ich weiß nicht ...
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(14 Dec 2017, 17:49)

Und wieder nur Starkvokabeln (hysterisch, Horror, Flut). Reine Strohmänner. Daher ist die Diskussion auch sinnlos. Man kann nur festhalten: So wie du das mit mir tust, so versuchen auch Politiker ihre Überzeugungen an den Mann zu bringen. Die gleiche Haltung - und genau deshalb hat Europa Schiffbruch erlitten. Weil eine gute Idee von arroganten Bürokraten, die sich aller Rechenschaftspflicht, aller Begründungen für ihr Wollen ganz hoheitlich entzogen haben, kaputt gemacht wurde. In diesem Sinne: Wünsche wohl zu ruhen auf den Europaträumen.
Dass die Politik zunehmend zum "Geschäft" wurde ... daran hatten nicht nur einige "Bürokraten" einen Anteil. In den 90er Jahren, dem Arschgeweih-Jahrzehnt war diese Zockermentalität absolut populär. Vor allem die zweite Hälfte. Sie endeten mit den Kabinetten I und II des hämisch lachenden Gerhard Schröder.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Dec 2017, 07:53)
Das Entscheidende bei Ulrike Guérot, von der in diesem Strang bereits die Rede war, ist nicht so sehr dieses One-Man-One-Vote-Konzept sondern dass sie ihre Visionen von einer Republik Europa selbst als "Utopie" bezeichnet.
Andererseits hat sie konkrete Vorstellungen und Zeiträume, die etwas lockerer sind als bspw. die Forderung, bis 2025 die VSE auszurufen. ;) Für eine gute Analyse würde ich persönlich aber eher Ivan Krastevs "After Europe" (dt. "Europadämmerung") empfehlen. Guérot verstrickt sich gerne in Widersprüche und versucht vom Kleinen aufs Ganze zu schließen (sinngemäß "es gibt eine beispielhafte Facebook-Gruppe, in der ...") statt das große Ganze zu untersuchen, um zu verstehen, warum das Kleine auftritt.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von schelm »

frems hat geschrieben:(14 Dec 2017, 17:53)

Naja, jemand wirft hier nachweisliche Falschbehauptungen am laufenden Band rein
, aber wenn man sie widerlegt, will man nichts davon wissen und springt zum nächsten Thema. Das wirkt alles sehr vorgeschoben und die Aversion wohl eher ein Bauchgefühl zu sein. Damit kann man gewiss eher schlecht diskutieren, wenn man es nicht artikulieren kann. Dir auch angenehme Träume von den vermeintlich wichtigsten Themen und den ominösen Entwicklungen in "Afrika". Mein kleiner Ratschlag: sich nicht so wichtig nehmen. Mich interessieren auch Themenfelder, die bspw. bei den jüngsten Bundestagswahlen nahezu unbedeutend waren. Muss man mit leben und nicht anmaßend über ein ganzes Land oder einen Kontinenten und seine Einwohner urteilen.
Ja, bspw. jene, es gäbe keine Masseneinwanderung über das Asylrecht, sondern nur temporären Schutz. Prognosen über die demografische Entwicklung die sich daraus ergeben, werden als " Horrormärchen " diskreditiert.


Hinweis an den User mit dringender Bitte, diesen zu beachten:

In diesem Strang ist dein Thema "Masseneinwanderung" fachlich falsch verortet und damit Spam - Es gibt in diesem Forum genügen Stränge in denen Du ausführlich Deine Ängste und Befürchtungen darstellen kannst, aber eben nicht hier.
Weitere Zuwiderhandlungen werden mit Sanktionen belegt.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(15 Dec 2017, 09:30)

Dass die Politik zunehmend zum "Geschäft" wurde ... daran hatten nicht nur einige "Bürokraten" einen Anteil. In den 90er Jahren, dem Arschgeweih-Jahrzehnt war diese Zockermentalität absolut populär. Vor allem die zweite Hälfte. Sie endeten mit den Kabinetten I und II des hämisch lachenden Gerhard Schröder.
Ich glaube insgesamt kann man es nicht nur an irgendwelchen Namen festmachen. Als in Frankreich die europäische Verfassung abgelehnt wurde, hätte man sich neu aufstellen müssen. Was seitdem geschah, ist purer Trotz, pures Wursteln. Und im Augenblick befindet sich Europa sowieso in Geiselhaft der deutschen Koalitionsverhandlungen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von pikant »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Dec 2017, 12:32)

Ich glaube insgesamt kann man es nicht nur an irgendwelchen Namen festmachen. Als in Frankreich die europäische Verfassung abgelehnt wurde, hätte man sich neu aufstellen müssen. Was seitdem geschah, ist purer Trotz, pures Wursteln. Und im Augenblick befindet sich Europa sowieso in Geiselhaft der deutschen Koalitionsverhandlungen.
zu Ihrer Info:
In Deutschland gibt es noch keine Koalitionsverhandlungen und die geschaeftsfuehrende Regierung ist in Europa voll handlungsfaehig.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Sextus Ironicus »

pikant hat geschrieben:(15 Dec 2017, 12:38)

zu Ihrer Info:
In Deutschland gibt es noch keine Koalitionsverhandlungen
Richtig, noch schlimmer also. Noch nicht einmal das. Und die Fähigkeit, handeln zu können, sagt nichts aus über die Bereitschaft, angesichts der koalitionären Unsicherheiten auch handeln zu wollen. Und ich glaube das ist unstrittig, dass die gegenwärtige Regierung vor Abschluss von Koalitionsverhandlungen (egal, ob die dann scheitern oder erfolgreich sind) keine weitreichenden Grundsatzentscheidungen trifft.

In der aktuellen ZEIT ist ein hübsches Schulz-Artikelchen zum Thema Europa:

http://www.zeit.de/2017/52/europa-zukun ... tin-schulz
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
pikant
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von pikant »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Dec 2017, 12:49)

Richtig, noch schlimmer also. Noch nicht einmal das. Und die Fähigkeit, handeln zu können, sagt nichts aus über die Bereitschaft, angesichts der koalitionären Unsicherheiten auch handeln zu wollen. Und ich glaube das ist unstrittig, dass die gegenwärtige Regierung vor Abschluss von Koalitionsverhandlungen (egal, ob die dann scheitern oder erfolgreich sind) keine weitreichenden Grundsatzentscheidungen trifft.
dazu hat eine deutsche Regierung nicht das Recht - Grundsatzentscheidungen faellt immer der Bundestag und Bundesrat - eine Regierung ist dann das ausfuehrende Organ und ja eine Regierung kann auch Gesetzesentwuerfe in den Bundestag einbringen und das ist unabhaengig davon, ob man geschaeftsfuehrend oder nicht im Amt ist.

Grundsatzentscheidungen sind uebrigens auch diese Woche im Bundestag getroffen worden, was die Auslaendseinsaetze unserer Soldaten betrifft.

eine geschaeftsfuehrende Bundesregierung ist voll handlungsfaehig mit faktisch den gleichen Rechten als eine normale Bundesregierung - gibt nur 2 Ausnahmen - Misstrauensvotum ist nicht moeglich und Minister duerfen ausserhalb der Bundesregierung nicht ernannt werden - Pikant klaert gerne ueber unsere Verfassung auf :)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von H2O »

pikant hat geschrieben:(15 Dec 2017, 12:54)

dazu hat eine deutsche Regierung nicht das Recht - Grundsatzentscheidungen faellt immer der Bundestag und Bundesrat - eine Regierung ist dann das ausfuehrende Organ und ja eine Regierung kann auch Gesetzesentwuerfe in den Bundestag einbringen und das ist unabhaengig davon, ob man geschaeftsfuehrend oder nicht im Amt ist.

Grundsatzentscheidungen sind uebrigens auch diese Woche im Bundestag getroffen worden, was die Auslaendseinsaetze unserer Soldaten betrifft.

eine geschaeftsfuehrende Bundesregierung ist voll handlungsfaehig mit faktisch den gleichen Rechten als eine normale Bundesregierung - gibt nur 2 Ausnahmen - Misstrauensvotum ist nicht moeglich und Minister duerfen ausserhalb der Bundesregierung nicht ernannt werden - Pikant klaert gerne ueber unsere Verfassung auf :)
Vielen Dank für diese Erklärungen! Dann läge es doch nahe, daß Herr Schulz oder seine Partei im bestehenden Bundestag schon einmal das Thema "Vereinigte Staaten von Europa" anschöbe, damit die europafreundlichen Parteien des Bundestags schon einmal zu Gegenvorschlägen Gelegenheit bekämen. Ich halte diese Zurückhaltung im Bundestag für Arbeitsverweigerung! Ich hätte auch nichts dagegen, wenn DIE GRÜNEN oder die Union das Thema öffentlich bewegten.
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Julian
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Julian »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Dec 2017, 12:49)
In der aktuellen ZEIT ist ein hübsches Schulz-Artikelchen zum Thema Europa:

http://www.zeit.de/2017/52/europa-zukun ... tin-schulz
Könnte Schulz wirklich so dumm sein, dass er das Anfang vom Ende der EU bereitet? Aus dem Artikel:
Schulz will die Vereinigten Staaten von Europa, mit einer eigenen Verfassung – bis spätestens 2025, und wer es bis dahin nicht schaffe, der solle den Bund, bitte schön, verlassen. Die Franzosen haben vor gut zehn Jahren über eine solche Verfassung abgestimmt. Sie fiel durch, und die EU ist daran fast zerbrochen. Seither hat die Begeisterung für Europa in den meisten Mitgliedsstaaten nicht unbedingt zugenommen, eher im Gegenteil. Polen und Tschechen, aber auch Letten und Litauer jedenfalls würden dem wohl nur unter Androhung von Zwangsmitteln aus Brüssel zustimmen. So vermischt sich in den europapolitischen Plänen des Martin Schulz das Visionäre mit dem Autoritären.


Eine erstaunliche Kritik, die die ZEIT hier äußert. Und in der Tat wird sich Schulz noch wundern, auf welche Reaktionen er in anderen europäischen Ländern stößt. Wenn da nicht mal einige Länder den britischen Weg einschlagen, wenn der Bogen überspannt wird und die Länder zu ihrem Glück gezwungen werden sollen!

Österreich beispielsweise könnte eine EU-kritische Außenministerin bekommen, die ehemalige Diplomatin und Juristin, Arabistin und Journalistin Karin Kneissl. Der künftige Kanzler Kurz möchte deswegen EU-Themen vornehmlich im Kanzleramt bei sich bündeln - dennoch aber könnte Österreich auf einem ähnlichen Weg wie beispielsweise Dänemark oder Tschechien sein.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

http://www.euractiv.de/section/binnenma ... en-budget/
Euractiv 14. Dezember In der geschäftsführenden Bundesregierung sind Meinungsverschiedenheiten über die geeigneten Wege für eine Reform der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion offen zutage getreten
So plädiere das Haus von Ministerin Brigitte Zypries offen für einen Euro-Finanzminister, ein Eurozonen-Budget und eine Reform des Stabilitätspaktes. Zypries stellt sich damit kurz vor dem Eurogipfel auf die Seite von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der diesen Ansatz seit Monaten am lautesten vertritt.
„Für eine krisenfestere und zukunftsfähigere Euro-Zone brauchen wir eine kluge Kombination aus marktorientierten Reformen und jenen Ansätzen, die eine stärkere Risikoteilung und mehr Solidarität unter den Mitgliedsstaaten der Euro-Zone beinhalten“, zitierte die Zeitung das Papier.
Eine Diskussion über die Europapolitik Deutschlands ist endlich im 3. Kabinett Merkel angekommen, der Bundestagswahl sei Dank.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von unity in diversity »

Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2017, 11:56)

http://www.euractiv.de/section/binnenma ... en-budget/
Euractiv 14. Dezember In der geschäftsführenden Bundesregierung sind Meinungsverschiedenheiten über die geeigneten Wege für eine Reform der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion offen zutage getreten

Eine Diskussion über die Europapolitik Deutschlands ist endlich im 3. Kabinett Merkel angekommen, der Bundestagswahl sei Dank.
Merkel und Schulz riskieren den Zerfall der EU in Nord und Süd und in Ost und West.
Wie es Donald Tusk zutreffend beschrieben hat.
Was wird Macron dagegen unternehmen?
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2017, 11:56)
http://www.euractiv.de/section/binnenma ... en-budget/
Euractiv 14. Dezember In der geschäftsführenden Bundesregierung sind Meinungsverschiedenheiten über die geeigneten Wege für eine Reform der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion offen zutage getreten
Eine Diskussion über die Europapolitik Deutschlands ist endlich im 3. Kabinett Merkel angekommen, der Bundestagswahl sei Dank.
unity in diversity hat geschrieben:(16 Dec 2017, 12:03)
Merkel und Schulz riskieren den Zerfall der EU in Nord und Süd und in Ost und West.
Wie es Donald Tusk zutreffend beschrieben hat.
Was wird Macron dagegen unternehmen?
Ich habe zwei italienische, zwei französische Neffen und Nichten und mehrere belgische und französische Großneffen und Großnichten. Es geht also mit Europa irgendwie weiter, völlig unabhängig davon, was unsere Generation für politische Fehler macht.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

Julian hat geschrieben:(16 Dec 2017, 10:37)
Eine erstaunliche Kritik, die die ZEIT hier äußert.
Ja, mit der Pressefreiheit haderst Du wohl noch heute :p Nicht die Zeit äußert etwas, sondern ein unerfahrener Journalist, der alle paar Tage Artikel dieser Art raushaut.
unity in diversity hat geschrieben: Merkel und Schulz riskieren den Zerfall der EU in Nord und Süd und in Ost und West.
Wie es Donald Tusk zutreffend beschrieben hat.
Was wird Macron dagegen unternehmen?
Die Frage wäre doch, wann Du die Russenpropaganda unterlässt. Vor wenigen Tagen kam genau das selbe Gesülze, Schulz hätte damals in Brüssel Europa massiv geschadet. Wenn man nach konkreten Amtshandlungen fragt, kommt wie gewohnt nichts. Warst Du auch NVA-Presseoffizier oder so? :?:
Labskaus!

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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von unity in diversity »

Wähler hat geschrieben:(16 Dec 2017, 13:32)

Ich habe zwei italienische, zwei französische Neffen und Nichten und mehrere belgische und französische Großneffen und Großnichten. Es geht also mit Europa irgendwie weiter, völlig unabhängig davon, was unsere Generation für politische Fehler macht.
Agree.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von unity in diversity »

frems hat geschrieben:(16 Dec 2017, 13:39)

Ja, mit der Pressefreiheit haderst Du wohl noch heute :p Nicht die Zeit äußert etwas, sondern ein unerfahrener Journalist, der alle paar Tage Artikel dieser Art raushaut.


Die Frage wäre doch, wann Du die Russenpropaganda unterlässt. Vor wenigen Tagen kam genau das selbe Gesülze, Schulz hätte damals in Brüssel Europa massiv geschadet. Wenn man nach konkreten Amtshandlungen fragt, kommt wie gewohnt nichts. Warst Du auch NVA-Presseoffizier oder so? :?:
Wenn sie als Pulse of Europe Schnösel weiterhin so dumm argumentieren, tragen SIE die Verantwortung für den weiteren Zerfall von Europa.
Fähnchen und die Europahymne sind keine Standortpolitik.
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Re: Quo Vadis, Europa?

Beitrag von frems »

unity in diversity hat geschrieben:(16 Dec 2017, 13:54)

Wenn sie als Pulse of Europe Schnösel weiterhin so dumm argumentieren, tragen SIE die Verantwortung für den weiteren Zerfall von Europa.
Fähnchen und die Europahymne sind keine Standortpolitik.
Also kommen weiterhin keine Fakten, sondern nur wirre Behauptungen. Wie kommt's eigentlich, dass Unwissen über und Hass auf Europa stets Hand in Hand gehen? :?:
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