Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

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schokoschendrezki
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Eigentlich, da sind sich viele Kommentatoren, die ich aktuell gehört/gelesen habe einig, hätten die Tschechen allen Grund, ihre bisherige Regierung wiederzuwählen. Denn wirtschaftlich und sozial brachten die letzten Jahre eigentlich nur Aufschwung. Tschechien hat in der EU mit 2,7% (!) die mit
Abstand niedrigste Arbeitslosenquote. Auch wenn die Einkommen im Vergleich mit den Nachbarländern Ö+D natürlich immer noch weit darunter liegen. Und nebenbei befindet sich Tschechien unter den sechs sichersten Ländern weltweit. In Tschechien würde ich ohne Bedenken mein Fahrrad einen halben Tag unangeschlossen irgendwo stehen lassen. Das BIP ist bereits wieder höher als vor der Finanzkrise. Tschechien ist (nach Beschäftigten) der sechstgrößte Autobauer Europas, gleich hinter UK. Und da kommen wir der Sache schon näher. Es war von vornherein absehbar, dass die Produktion von Marken wie BMW/Mini sehr große Probleme nach dem Brexit haben wird. Alle eingeführten Teile für die Produktion werden verzollt werden müssen. Eine Mehrheit der Briten hat sich trotzdem fürs Adé entschieden. Und ähnlich sieht es in Tschechien aus. Die verbreitete Mentalität ist die eines kleinen, abgeschlossenen, wohligen Binnenlands mit bescheidenem Wohlstand, gutem Bier und einem dichten Eisenbahnnetz. Die, die mehr wollen sind in der Minderheit oder arbeiten irgendwo in der EU (wie hier schon richtig bemerkt wurde) oder wohnen in einer quirligen größeren Stadt wie Prag. Der Vergleich mit UK macht deutlich: Wir haben hier einen Trend zum gesellschaftlichen Riss, der keineswegs auf Osteuropa beschränkt ist.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

@schokoschendrezki:

Ist es denn nicht so, daß Tschechien ganz überwiegend von Wirtschaftsverflechtungen lebt... also dringend darauf angewiesen ist, sein Homeland zu öffnen? Und: Müßte die EU nicht schleunigst Maßnahmen gegen solche Partner ergreifen, die das Gemeinsame für entbehrlich halten?
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2017, 07:48)

@schokoschendrezki:

Ist es denn nicht so, daß Tschechien ganz überwiegend von Wirtschaftsverflechtungen lebt... also dringend darauf angewiesen ist, sein Homeland zu öffnen? Und: Müßte die EU nicht schleunigst Maßnahmen gegen solche Partner ergreifen, die das Gemeinsame für entbehrlich halten?
Das wird aus einem Grunde ganz sicher nicht passieren: Die EU der Gründerstaaten ist hinsichtlich ihrer Wirtschaftsverflechtungen spiegelbildlich - zumindest objektiv - ebenso an einem gemeinsamen Wirtschaftsraum interessiert wie umgekehrt. Es wurden Milliarden in Länder wie Tschechien inverstiert. Und die dort entwickelten und gefertigten Produkte gelangen schnell, zollfrei und kostengünstig produziert wieder zurückl Hinter dem Vorhang der ganzen politischen und "kulturellen" Diskussionen findet das eigentliche Leben statt. Dessen Akteure nicht das geringste Interesse an irgendeinem Aufsehen haben.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Nov 2017, 08:22)

Das wird aus einem Grunde ganz sicher nicht passieren: Die EU der Gründerstaaten ist hinsichtlich ihrer Wirtschaftsverflechtungen spiegelbildlich - zumindest objektiv - ebenso an einem gemeinsamen Wirtschaftsraum interessiert wie umgekehrt. Es wurden Milliarden in Länder wie Tschechien inverstiert. Und die dort entwickelten und gefertigten Produkte gelangen schnell, zollfrei und kostengünstig produziert wieder zurückl Hinter dem Vorhang der ganzen politischen und "kulturellen" Diskussionen findet das eigentliche Leben statt. Dessen Akteure nicht das geringste Interesse an irgendeinem Aufsehen haben.
Das sehe ich sofort ein; nur könnte man weitere Investitionen dorthin lenken, wo die Wirkung nicht schlechter ist, und die Störenfriede sich selbst überlassen. Mal sehen, wer zuerst die Lust daran verliert.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(06 Nov 2017, 13:38)

Das sehe ich sofort ein; nur könnte man weitere Investitionen dorthin lenken, wo die Wirkung nicht schlechter ist, und die Störenfriede sich selbst überlassen. Mal sehen, wer zuerst die Lust daran verliert.
Ja. Es ist ja häufig die Rede von einem "Weiterziehen der Karawane der Billigproduktion in Richtung noch billiger". Das galt vielleicht noch für Nokia von Bochum nach Cluj 2008. Es ist ja vielleicht kein Zufall, dass danach der Abstieg von Nokia begann.

Ich glaube, die heutigen Investoren in Ostmitteleuropa stellen sich klüger an. Denken langfristiger. Verlagern nicht nur Produktions- sondern auch Entwicklungskapazitäten. Die Beziehungen der "Störenfriede" zu diesen Unternehmen und Investoren laufen eher im Hintergrund und dürften weitgehend problemlos sein.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(06 Nov 2017, 13:53)

Ja. Es ist ja häufig die Rede von einem "Weiterziehen der Karawane der Billigproduktion in Richtung noch billiger". Das galt vielleicht noch für Nokia von Bochum nach Cluj 2008. Es ist ja vielleicht kein Zufall, dass danach der Abstieg von Nokia begann.

Ich glaube, die heutigen Investoren in Ostmitteleuropa stellen sich klüger an. Denken langfristiger. Verlagern nicht nur Produktions- sondern auch Entwicklungskapazitäten. Die Beziehungen der "Störenfriede" zu diesen Unternehmen und Investoren laufen eher im Hintergrund und dürften weitgehend problemlos sein.
Dennoch gibt es von Zeit zu Zeit Trost für meine geschundene europäische Seele: Jetzt hat die amtierende tschechische Kommissarin in Helsinki bekräftigt, daß der weitere Empfang von Mitteln aus dem Strukturfonds der EU mit der Rechtsstaatlichkeit des EU-Mitglieds verknüpft werden soll. Da werden Ungarn und Polen begeistert sein.
http://www.rp.pl/Unia-Europejska/171109 ... nosci.html

Unsere großen Wirtschaftsunternehmen müssen aufpassen, daß sie sich nicht als Parallelinstanz zum Staat aufstellen. Die Verlockung ist ganz offenbar groß.
Charles
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Charles »

Die neue tschechische Regierung hat signalisiert, dass sie sich eine schnelle Verlegung der tschechischen Botschaft in Israel nach Jerusalem vorstellen könne. Damit folgt sie dem Beispiel Donald Trumps. :thumbup:
Polibu

Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Polibu »

H2O hat geschrieben:(23 Oct 2017, 10:30)

Genau genommen hat die Kanzlerin mit ihrer mitmenschlichen Entscheidung christliche Maßstäbe für eine Gemeinschaft gesetzt. Das war keinesfalls ein Fehler, sondern so wurde sichtbar, welche Niedertracht auch in unserer Gemeinschaft jeder Mitmenschlichkeit widersteht.

Der Fehler bestand darin, das Bestreben von Trittbrettfahrern aus Europa, Nordafrika und Mittelasien nicht von vornherein unterbunden zu haben und zugelassen zu haben, daß Urlaubsländer Nordafrikas für Abschiebungen zu "unsicheren Drittstaaten" erklärt wurden. Dafür mache ich aber die Unfähigkeit von Ämtern und Justiz verantwortlich. Ein Sieb, das einen bösartig rechtsradikalen Offiziersanwärter der Bundeswehr ohne Arabischkenntnissse und mit dürftigen Französischkenntnissen als Syrer durchläßt! Ein schmerzlicher Lernvorgang! Dafür aber der Kanzlerin Verantwortung zuweisen? Da sind wohl doch einige Maßstäbe verrückt! Aber: Wir schaffen das! Es dauert dann eben etwas länger und wird etwas teurer.
Frau Merkel hat mit ihrer Entscheidung Hunderte oder Tausende Flüchtlinge in den Tod getrieben. Daran ist nichts christlich. Mit 40 Milliarden jährlich könnte man in den Herkunftsländern der Flüchtlinge viel viel mehr erreichen. Und davon würde alle profitieren. Nicht nur die paar Leute, die genug Geld haben, um die Schlepper zu bezahlen. Wenn Frau Merkel so christlich ist wo war denn dann die Luftbrücke? Warum hat sie viele Flüchtlingen im Meer absaufen lassen?
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Polibu hat geschrieben:(11 Dec 2017, 19:37)

Frau Merkel hat mit ihrer Entscheidung Hunderte oder Tausende Flüchtlinge in den Tod getrieben. Daran ist nichts christlich. Mit 40 Milliarden jährlich könnte man in den Herkunftsländern der Flüchtlinge viel viel mehr erreichen. Und davon würde alle profitieren. Nicht nur die paar Leute, die genug Geld haben, um die Schlepper zu bezahlen. Wenn Frau Merkel so christlich ist wo war denn dann die Luftbrücke? Warum hat sie viele Flüchtlingen im Meer absaufen lassen?
Schlicht und einfach: Weil wir Europäer bevorzugt jenen Menschen mitmenschliche Hilfe zu leisten haben, die sich auf europäischem Boden (in der EU) befinden. Verantwortung für die ganze Welt.... das kann nur Wirrköpfen einfallen.
Polibu

Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Polibu »

H2O hat geschrieben:(12 Dec 2017, 09:37)

Schlicht und einfach: Weil wir Europäer bevorzugt jenen Menschen mitmenschliche Hilfe zu leisten haben, die sich auf europäischem Boden (in der EU) befinden. Verantwortung für die ganze Welt.... das kann nur Wirrköpfen einfallen.
Sehr christliche Einstellung von dir.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Polibu hat geschrieben:(12 Dec 2017, 11:35)

Sehr christliche Einstellung von dir.
Ach Herrje, Sie sind also Christ? Ja, dann wird mir vieles klar! :D Aber kommt mir sehr gekannt vor: Je weiter weg, desto schrecklicher. Christen helfen dort, wo das möglich ist. Der Samariter hat auch am Wegesrand geholfen und sich nicht ersatzweise über die armen Menschlein in 5.000 km Entfernung ereifert.
Zuletzt geändert von H2O am Di 12. Dez 2017, 11:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Polibu »

H2O hat geschrieben:(12 Dec 2017, 11:50)

Ach Herrje, Sie sind also Christ? Ja, dann wird mir vieles klar! :D
Wer sagt denn, dass ich Christ bin? Wie kommst du auf so einen Quatsch? Habe ich damit angefangen über christliches Verhalten zu sprechen oder warst du das?
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Polibu hat geschrieben:(12 Dec 2017, 11:53)

Wer sagt denn, dass ich Christ bin? Wie kommst du auf so einen Quatsch? Habe ich damit angefangen über christliches Verhalten zu sprechen oder warst du das?
Ist doch klar, Mann, Stumpfsinn!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Polibu »

H2O hat geschrieben:(12 Dec 2017, 11:54)

Ist doch klar, Mann, Stumpfsinn!
Wenigstens weisst du deine Beiträge richtig einzuschätzen. Selbsteinsicht ist der erste Schritt zur Besserung.

ich bitte dich deine worte sorgfältiger zu wählen. nicht so aggressiv.

NN, mod
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Polibu hat geschrieben:(12 Dec 2017, 11:56)

Wenigstens weisst du deine Beiträge richtig einzuschätzen. Selbsteinsicht ist der erste Schritt zur Besserung.
Selber einen; wie geistreich in einem Diskussionsforum!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Eiskalt »

H2O hat geschrieben:(21 Oct 2017, 18:04)

So ganz nebenbei und unbeachtet haben gestern und heute Parlamentswahlen in Tschechien stattgefunden. Es sieht so aus, als ob euroskeptische Oligarchen demnächst Tschechien regieren werden. Mit Oligarchen meine ich hier Leute, die man besser nicht nach der Entstehungsgeschichte ihres wirtschaftlichen Reichtums fragen sollte.

Der "Unternehmer" Babis lehnt die Einführung des Euros ab, lehnt Beteiligung an der Flüchtlingsverteilung in Europa ab. Das finden 30% der Tschechen vernünftig. Ein weiterer "Unternehmer" Okamura (klingt sehr japanisch...) erhielt 11% dafür, daß er die Islamisierung Tschechiens verhindern will. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob in Tschechien 10 oder 20 Moslems das Straßenbild bestimmen.

http://www.zeit.de/news/2017-10/21/wahl ... t-21090802

Besonders reizvoll die Aussicht, daß ein Subventionsbetrugsverfahren der EU gegen den Wahlsieger läuft. Immerhin wird sehr wahrscheinlich die nächste tschechische Regierung von diesen beiden "Unternehmern" geführt. Keine guten Aussichten für die europäische Gemeinschaft!
Top dann wird die EU auf den ursprünglichen Kern reduziert die es dann richtig machen können.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Eiskalt hat geschrieben:(12 Dec 2017, 22:11)

Top dann wird die EU auf den ursprünglichen Kern reduziert die es dann richtig machen können.
Dazu fehlt der EU der Mut: Einfach mutwillige Regelbrecher vor die Tür setzen, oder sie von Zahlungsströmen abschneiden, oder das Schengener Abkommen gezielt aussetzen. Es gibt genügend viele Wohltaten der EU, die so mancher bitter vermissen würde.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Eiskalt »

H2O hat geschrieben:(13 Dec 2017, 08:56)

Dazu fehlt der EU der Mut: Einfach mutwillige Regelbrecher vor die Tür setzen, oder sie von Zahlungsströmen abschneiden, oder das Schengener Abkommen gezielt aussetzen. Es gibt genügend viele Wohltaten der EU, die so mancher bitter vermissen würde.
Nee ich meine halt wenn die Oststaaten damit drohen auszusteigen.
Sollen die halt gehen!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Eiskalt hat geschrieben:(13 Dec 2017, 10:39)

Nee ich meine halt wenn die Oststaaten damit drohen auszusteigen.
Sollen die halt gehen!
Das Gemeine ist aber: Damit drohen die überhaupt nicht! Jedenfalls jetzt noch nicht. :cool:
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Eiskalt »

H2O hat geschrieben:(13 Dec 2017, 11:16)

Das Gemeine ist aber: Damit drohen die überhaupt nicht! Jedenfalls jetzt noch nicht. :cool:
Oh hab ich wohl falsch interpretiert.
Asche auf mein Haupt.

Naja wenn die sich nicht beugen wollen werden eben die Zahlungen eingestellt.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Eiskalt hat geschrieben:(13 Dec 2017, 11:31)

Oh hab ich wohl falsch interpretiert.
Asche auf mein Haupt.

Naja wenn die sich nicht beugen wollen werden eben die Zahlungen eingestellt.
Ja, das klappt aber nur über Umwege: Der EuGH verhängt Geldstrafen, und wenn der Bestrafte nicht zahlt, dann werden aus den Zuwendungen entsprechende Beträge einbehalten. So habe ich das aufgeschnappt.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Ger9374 »

Es geht ein denkfehler umher in der E.U.
Doch welche Staatsführer begehen ihn?
Die Populisten mit ihrem anti E.U kurs, oder die
angeblichen pro Europäer mit ihrer Schleichfahrt zu einer weiterentwickelten E.U?!
Merkels ja aber kurs scheint niemanden wirklich zu überzeugen, macron alleine zu schwach,
zeit für ein neues denken !
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(15 Dec 2017, 07:45)

Es geht ein denkfehler umher in der E.U.
Doch welche Staatsführer begehen ihn?
Die Populisten mit ihrem anti E.U kurs, oder die
angeblichen pro Europäer mit ihrer Schleichfahrt zu einer weiterentwickelten E.U?!
Merkels ja aber kurs scheint niemanden wirklich zu überzeugen, macron alleine zu schwach,
zeit für ein neues denken !
Beiden gelingt es vorzüglich, ihre Bürger in die Ablehnung der EU zu treiben. Vielleicht mit Absicht, weil in einer Föderation nur eine Regierung gebraucht wird, die mit den Staatsführungen der restlichen Welt verhandeln kann. Die Landesfürsten haben also viel Weltgeltung zu verlieren.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Orbiter1 »

Jetzt gibt es zumindest eine (einigermaßen) stabile Minderheitsregierung in Tschechien. Die Kommunisten stützen Ministerpräsident Babis und seine ANO-Partei. Die tschechischen Kommunisten sind noch von altem Schrot und Korn. Das Zentralkommitee der Kommunistischen Partei von Böhmen und Mähren will weiterhin den Kapitalismus überwinden und das Land und die Gesellschaft in den selig machenden Sozialismus führen. Ob da Ministerpräsident und Milliardär Babis der geeignete Partner dafür ist wage ich zu bezweifeln. Egal, sie konnten durch die Stüzung der MInderheitsregierung einige Punkte ihres Programms durchsetzen. Z. B. eine Erhöhung des Mindestlohns oder eine regelmässige Rentenanpassung. Quelle: https://www.nzz.ch/international/die-ko ... ld.1395133 Vielleicht können sie ja den Sozialismus auch in der EU durchsetzen. :D
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Europa2050 »

Tschechiens Präsident Zeman sah keine Notwendigkeit, den 50. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings und den heldenhaften, wenn auch erfolglosen Widerstand der tschechoslowakischen Zivilgesellschaft 1968 auch nur mit einem Wort zu würdigen. Beschämend.

Aber die Zivilgesellschaft versammelte sich auf dem Wenzelsplatz. Hut ab vor unseren Nachbarn!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von zollagent »

Europa2050 hat geschrieben:(21 Aug 2018, 23:42)

Tschechiens Präsident Zeman sah keine Notwendigkeit, den 50. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings und den heldenhaften, wenn auch erfolglosen Widerstand der tschechoslowakischen Zivilgesellschaft 1968 auch nur mit einem Wort zu würdigen. Beschämend.

Aber die Zivilgesellschaft versammelte sich auf dem Wenzelsplatz. Hut ab vor unseren Nachbarn!
Im Radio (SWR1) wurde dazu kommentiert, er wolle "die guten Beziehungen zu Russland nicht gefährden". :mad2:
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Europa2050 »

zollagent hat geschrieben:(22 Aug 2018, 08:12)

Im Radio (SWR1) wurde dazu kommentiert, er wolle "die guten Beziehungen zu Russland nicht gefährden". :mad2:
Ja, das ist die zweite Sauerei, dass man im heutigen Russland trotz Abkehr vom Kommunismus diese Ereignisse heute wieder bewertet wie unter Breschenew.

Und dass Zeman bereits vor Trump der erste Präsident im „Westen“ war, der mit massiver Unterstützung des russischen Geheimdienstes und russischem Geld an die Macht gekauft wurde, ist wohl nur so wenig bekannt, weil Tschechien einfach zu unwichtig ist.

Interessant bei unseren Nachbarn auch, dass sich die KSČ, die ja mitregiert, nie von den Vorgängen vor 1989 distanziert hat.
Da muss ich doch echt mal eine Lanze für unsere „Die Linke“ brechen, die zwar ein „linkes“ Deutschland will, aber alles in allem keine SED-Zustände glorifiziert.

Aber die Tschechen wären nicht Šwejk‘s geistige Erben, wenn sie nicht eine Lösung gefunden hätten: Der Tschechische Rundfunk übertrug einfach die Rede des slowakischen Präsidenten zum
Thema ... :thumbup:

https://www.deutschlandfunk.de/gedenken ... _id=426055
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Europa2050 hat geschrieben:(22 Aug 2018, 08:30)

Ja, das ist die zweite Sauerei, dass man im heutigen Russland trotz Abkehr vom Kommunismus diese Ereignisse heute wieder bewertet wie unter Breschenew.

Und dass Zeman bereits vor Trump der erste Präsident im „Westen“ war, der mit massiver Unterstützung des russischen Geheimdienstes und russischem Geld an die Macht gekauft wurde, ist wohl nur so wenig bekannt, weil Tschechien einfach zu unwichtig ist.

Interessant bei unseren Nachbarn auch, dass sich die KSČ, die ja mitregiert, nie von den Vorgängen vor 1989 distanziert hat.
Da muss ich doch echt mal eine Lanze für unsere „Die Linke“ brechen, die zwar ein „linkes“ Deutschland will, aber alles in allem keine SED-Zustände glorifiziert.

Aber die Tschechen wären nicht Šwejk‘s geistige Erben, wenn sie nicht eine Lösung gefunden hätten: Der Tschechische Rundfunk übertrug einfach die Rede des slowakischen Präsidenten zum
Thema ... :thumbup:

https://www.deutschlandfunk.de/gedenken ... _id=426055
Tschechien liegt wirklich mitten in Europa. Wie ist das möglich, daß diese Menschen sich auf russische Beeinflussung eingelassen haben? Immerhin gibt es ja öffentliche Bekundungen, daß man den Russen keinen Schmerz zufügen möchte, indem man an die Niederschlagung des "Sozialismus mit menschlichem Angesicht" erinnert.

Nein, Schwejk ist eine Gestalt der tschechischen geistigen Eliten. Natürlich gibt es die, politisch beginnend mit Alexander Dubtschek (einem Slowaken!), Waclaw Havel und sicher viele andere. Ich glaube nie und nimmer, daß die auf primitive Stänker wie Waclaw Klaus und Milos Zeman oder Minsterpräsidenten vom Schlage Babis herein fallen würden. Aber die politischen Mehrheiten sind anders, leider, und ihre Zusammenarbeit mit der EU ist pro-russisch und damit gegen die Interessen der EU.

Man darf deshalb dieses herzerwärmende Bild vom braven Schwejk nicht auf das ganze Volk übertragen... so zu sagen jeder Tscheche ein Schwejk. So wie nicht jeder Deutsche eine Wiedergeburt Alexander von Humboldts ist, auch: leider!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Europa2050 »

H2O hat geschrieben:(22 Aug 2018, 09:49)

Tschechien liegt wirklich mitten in Europa. Wie ist das möglich, daß diese Menschen sich auf russische Beeinflussung eingelassen haben? Immerhin gibt es ja öffentliche Bekundungen, daß man den Russen keinen Schmerz zufügen möchte, indem man an die Niederschlagung des "Sozialismus mit menschlichem Angesicht" erinnert.

Nein, Schwejk ist eine Gestalt der tschechischen geistigen Eliten. Natürlich gibt es die, politisch beginnend mit Alexander Dubtschek (einem Slowaken!), Waclaw Havel und sicher viele andere. Ich glaube nie und nimmer, daß die auf primitive Stänker wie Waclaw Klaus und Milos Zeman oder Minsterpräsidenten vom Schlage Babis herein fallen würden. Aber die politischen Mehrheiten sind anders, leider, und ihre Zusammenarbeit mit der EU ist pro-russisch und damit gegen die Interessen der EU.

Man darf deshalb dieses herzerwärmende Bild vom braven Schwejk nicht auf das ganze Volk übertragen... so zu sagen jeder Tscheche ein Schwejk. So wie nicht jeder Deutsche eine Wiedergeburt Alexander von Humboldts ist, auch: leider!
Sie sind ja erwiesenermaßen ein Polenkenner. Deshalb ganz wichtig: Tschechen und Polen unterscheiden sich in der Bewertung historischer und zeitgenössischer Vorgänge, wie kaum andere „Nachbarschftspärchen“ in Europa.

Tschechen sind prinzipiell den Russen verbunden, mehr als jede andere Nation in Europa (Serbien evtl. vergleichbar).
Mit seinem Krieg gegen die Donaumonarchie hat das Zarenreich erst den Weg zur ČSR geebnet.
Als 1938 die Westmächte die ČSR verrieten, bot Stalin ein Bündnis an, was aber an fehlender Landverbindung scheiterte.
1945 erlebten die Tschechen als Befreiung, nicht wie die Polen als erneute Okkupation.
Wegnahme der Karpatoukraine und Niederschlagung des Prager Frühlings schrieb man „irgendwelchen“ Kommunisten zu, nicht den Russen.

Das alles ist schon eine andere Vorgeschichte als polnische Teilungen, Polnisch-Sowjetischer Krieg, Molotow-Ribbentrop-Pakt und Verrat am Warschauer Aufstand.

Wenn aber jetzt russische Nationalisten und Kommunisten Hand in Hand mit ihren tschechischen Statthaltern den Leuten das Gedenken an 1968 nehmen wollen - das könnte die tschechische Seele tatsächlich ärgern...
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Europa2050 hat geschrieben:(22 Aug 2018, 10:09)

Sie sind ja erwiesenermaßen ein Polenkenner. Deshalb ganz wichtig: Tschechen und Polen unterscheiden sich in der Bewertung historischer und zeitgenössischer Vorgänge, wie kaum andere „Nachbarschftspärchen“ in Europa.

Tschechen sind prinzipiell den Russen verbunden, mehr als jede andere Nation in Europa (Serbien evtl. vergleichbar).
Mit seinem Krieg gegen die Donaumonarchie hat das Zarenreich erst den Weg zur ČSR geebnet.
Als 1938 die Westmächte die ČSR verrieten, bot Stalin ein Bündnis an, was aber an fehlender Landverbindung scheiterte.
1945 erlebten die Tschechen als Befreiung, nicht wie die Polen als erneute Okkupation.
Wegnahme der Karpatoukraine und Niederschlagung des Prager Frühlings schrieb man „irgendwelchen“ Kommunisten zu, nicht den Russen.

Das alles ist schon eine andere Vorgeschichte als polnische Teilungen, Polnisch-Sowjetischer Krieg, Molotow-Ribbentrop-Pakt und Verrat am Warschauer Aufstand.

Wenn aber jetzt russische Nationalisten und Kommunisten Hand in Hand mit ihren tschechischen Statthaltern den Leuten das Gedenken an 1968 nehmen wollen - das könnte die tschechische Seele tatsächlich ärgern...
Selbstverständlich erklärt die Vorgeschichte einiges. Nach 50 Jahren, davon immerhin fast 30 Jahre spannungsloser Zusammenarbeit mit den Nachbarn im Westen, erwarte ich schon einen sehr kritischen Blick auf das, was derzeit von Rußland ausgeht. Die geistige Elite Tschechiens ist in dieser Angelegenheit völlig unverdächtig.

Geradezu schmerzhaft, was zur Zeit dort politisch möglich ist. Populisten... auf Dummenfang, fast wie zu Hause. :mad2:
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Orbiter1 »

Es war und ist ein historischer Fehler solche russlandfreundlichen Osteuropastaaten wie Tschechien in die EU aufzunehmen. Damit hat Russland ein trojanisches Pferd in der EU und kann mitbestimmen. Mir graut davor wenn auch noch Serbien dazukommen soll. Dort ist gemäß Umfragen Putin der beliebteste Politiker. Durch die EU-Mitgliedschaft wird es auch nicht gelingen diese Länder zu EU-Befürwortern zu machen, die bleiben im Herzen russlandfreundlich. Tschechien hat wie kaum ein anderes Land von der EU-Mitgliedschaft profitiert. Die Arbeitslosigkeit liegt unter der von Deutschland, es wurden hohe 2-stellige Milliardenbeträge netto von der EU nach Tschechien gepumpt und was ist beim letzten Eurobarometer vom April 2017 rausgekommen?

"In Tschechien besteht von allen europäischen Ländern die geringste Zustimmung zur EU. Dies geht aus dem neuesten sogenannten Eurobarometer hervor, das das Europäische Parlament ausarbeiten ließ. Demnach sehen nur 33 Prozent der Tschechen die EU-Mitgliedschaft ihres Landes positiv, während es in Deutschland zum Beispiel 79 Prozent sind (EU-Durchschnitt: 57 Prozent)."
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H2O
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Ich meine auch, daß die EU endlich die Kraft zu einer Neuordnung aufbringen muß. Nur Weißbücher über künftige Formen der Zusammenarbeit schreiben, das reicht leider nicht. Man muß auch auswählen und handeln. Mit dieser gegenseitigen Behinderung wird das nie etwas. Vielleicht hätte doch Herr Schulz die Bundestagswahl gewinnen sollen, nur, damit sich in Brüssel endlich einmal etwas bewegt!

Mein Traum: Die EU bewegt sich in Richtung Wertegemeinschaft und formuliert die gemeinsamen Werte in Form eines Vertrags. Wer die mehrheitlichen Werte so nicht teilt, der ist draußen. Eine vorsätzliche Verletzung der gemeinsamen Werte führt zum Ausschluß. Klein und entscheidungsfähig ist doch besser als groß und gelähmt. Vielleicht machbar als Neuauflage des Karolinger Reichs plus Gutwillige im Norden.

Ob Tschechien dann noch dabei wäre, das erscheint zweifelhaft. Wozu denn auch?
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schokoschendrezki
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Ich möchte nur mal wissen, was Menschen, die sich vor (vermeintlichen) Russland-Feinden wie Polen oder die baltischen Staaten oder (vermeintlichen) Russland-Freunden wie Tschechien oder Serbien eigentlich für sich ganz persönlich befürchten? Neulich hab' ich mich mit einem AfD-Sympathisanten untterhalten, der tatsächlich meinte, keine Kinder mehr in die Welt setzen zu wollen, wenn die Konfrontationspolitik gegenüber Russland nicht beendet wird.

Sehr russlandkritische Regierungen wie die Polens oder Estlands sollten auf diplomatischem Weg zur Mäßigung gebracht werden. Und aus opportunistischen Gründen russlandfreundliche Regierungen wie die Ungarns oder Tschechiens sollten auf diplomatischem Weg zu einer Politik gegenüber Russland gebracht werden, die den EU-Richtlinien nicht widersprechen.

Es geht noch immer und vor allem um eine Sicherheitsarchitektur in Europa. "Mir graut davor wenn auch noch Serbien dazukommen soll"? Nee. Mir graut davor, wenn Serbien nicht dazukommt. Hundert Jahre ist der Beginn des ersten WK schon vorbei. Amnesie nennt man das wohl.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(23 Aug 2018, 09:27)

Ich meine auch, daß die EU endlich die Kraft zu einer Neuordnung aufbringen muß. Nur Weißbücher über künftige Formen der Zusammenarbeit schreiben, das reicht leider nicht. Man muß auch auswählen und handeln. Mit dieser gegenseitigen Behinderung wird das nie etwas. Vielleicht hätte doch Herr Schulz die Bundestagswahl gewinnen sollen, nur, damit sich in Brüssel endlich einmal etwas bewegt!

Mein Traum: Die EU bewegt sich in Richtung Wertegemeinschaft und formuliert die gemeinsamen Werte in Form eines Vertrags. Wer die mehrheitlichen Werte so nicht teilt, der ist draußen. Eine vorsätzliche Verletzung der gemeinsamen Werte führt zum Ausschluß. Klein und entscheidungsfähig ist doch besser als groß und gelähmt. Vielleicht machbar als Neuauflage des Karolinger Reichs plus Gutwillige im Norden.

Ob Tschechien dann noch dabei wäre, das erscheint zweifelhaft. Wozu denn auch?
Ganz einfach: Weil draußen nicht drinnen ist. Der Positiv-Gewinn einer "Wertegemeinschaft" ist bei weitem geringer als der Negativ-Verlust eines wieder gespaltenen und womöglich auch noch innerlich verfeindeten Europas. Europa muss offen und kompromissfähig bleiben. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, worin der persönliche Zugewinn einer solchen Wertegemeinschaft bestehen sollte. Ich will ohne Pass und Grenzkontrolle nach Tschechien reisen und einfach mit meiner EC-Card Kronen abheben und mir in Prag ein Bier kaufen und in Usti ein Jazz-Konzert besuchen. Und infolge der Wirtschaftsinvestitionen in Osteuropa sollen sich die Lebensverhältnisse angleichen. So. Das ist meine "Wertegemeinschaft". Und Tschechien soll unter keinen Umständen auf die Idee kommen können, die SLowakei wiederzuerobern. Das ist natürlich bei weitem wichtiger. Verhinderung militärischer Konflikte. Dazu ist eine Einbindung nötig. Und dazu ist auch eine weitere Einbindung der West-Balkan-Staaten nötig. Dass die tatsächlich auch vorangetrieben wird hat andere, zumeist wirtschaftliche Gründe. Und da treffen sich ganz pragmatisch meine persönlichen Wünsche mit den realen Entwicklungen.

Was ich von einem "formulierten Vertrag" haben soll, ist mir völlig schleierhaft.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Orbiter1 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Aug 2018, 13:23)

Ich möchte nur mal wissen, was Menschen, die sich vor (vermeintlichen) Russland-Feinden wie Polen oder die baltischen Staaten oder (vermeintlichen) Russland-Freunden wie Tschechien oder Serbien eigentlich für sich ganz persönlich befürchten? Neulich hab' ich mich mit einem AfD-Sympathisanten untterhalten, der tatsächlich meinte, keine Kinder mehr in die Welt setzen zu wollen, wenn die Konfrontationspolitik gegenüber Russland nicht beendet wird.
Na hoffentlich hält er sich auch daran.
Es geht noch immer und vor allem um eine Sicherheitsarchitektur in Europa. "Mir graut davor wenn auch noch Serbien dazukommen soll"? Nee. Mir graut davor, wenn Serbien nicht dazukommt. Hundert Jahre ist der Beginn des ersten WK schon vorbei. Amnesie nennt man das wohl.
Vielleicht solltest du dich mit aktuellen Entwicklungen beschäftigen. Russland und Serbien führen seit mehreren Jahren gemeinsame Manöver ihrer Streitkräfte in der Nähe zur kroatischen Grenze durch. Ich frage mich auf welche potenziellen gemeinsamen Gegner diese Manöver vorbereiten sollen. Zu welcher Sicherheitsarchitektur Europas soll denn das passen? Und im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Ländern wird der NATO-Beitritt von der überwältigenden Mehrheit (84%) der serbischen Bürger abgelehnt. Warum wohl? So ein Land hat in der EU nichts verloren. Solange es keine EU-Vertragsänderungen gibt, die bei einer massiven Mißachtung der europäischen Werte auch einen Ausschluß aus der EU ermöglichen (mit qualifizierter Mehrheit), dürfte sowieso kein einziges Land mehr der EU beitreten. Es muß ein Ende damit haben dass EU-Staaten ungestraft die Werte der EU, zu deren Einhaltung sie sich verpflichtet haben, mit Füßen treten. Korrupte Autokratien, in die jedes Jahr Mrd gepumpt werden, hat die EU bereits zu genüge.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Aug 2018, 13:46)

Na hoffentlich hält er sich auch daran.
Vielleicht solltest du dich mit aktuellen Entwicklungen beschäftigen. Russland und Serbien führen seit mehreren Jahren gemeinsame Manöver ihrer Streitkräfte in der Nähe zur kroatischen Grenze durch. Ich frage mich auf welche potenziellen gemeinsamen Gegner diese Manöver vorbereiten sollen. Zu welcher Sicherheitsarchitektur Europas soll denn das passen? Und im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Ländern wird der NATO-Beitritt von der überwältigenden Mehrheit (84%) der serbischen Bürger abgelehnt. Warum wohl? So ein Land hat in der EU nichts verloren. Solange es keine EU-Vertragsänderungen gibt, die bei einer massiven Mißachtung der europäischen Werte auch einen Ausschluß aus der EU ermöglichen (mit qualifizierter Mehrheit), dürfte sowieso kein einziges Land mehr der EU beitreten. Es muß ein Ende damit haben dass EU-Staaten ungestraft die Werte der EU, zu deren Einhaltung sie sich verpflichtet haben, mit Füßen treten. Korrupte Autokratien, in die jedes Jahr Mrd gepumpt werden, hat die EU bereits zu genüge.
Wollen wir mal ganz konkret bleiben. Aktuelle Entwicklungen: Ganz aktuell beginnt gerade jetzt im August der Bau des sogenannten Swine-Tunnels.Er wird die polnische Ostseeinsel Wolin mit der Insel Usedom verbinden, auf der im Osten die polnische Stadt Swinemünde liegt und die ansonsten von bekannten deutschen Ostseeseebädern besiedelt ist. Der (ziemlich teure) Tunnel wird als Infrastrukturmaßnahme zu 15 Prozent von der Stadt Swinemünde und ansonsten aus EU-Fördermitteln bezahlt. Es gibt Proteste wegen der zu erwartenden erheblichen Steigerung des Schwerlastverkehrs auf Usedom von Polen Richtung Westen. Nun ist es aber so: Geschätzt vielleicht 5 Prozent dieses Verkehrs wird im polnischen Swinemünde enden. 95 Prozent des Verkehrs werden Güter von Polen weiter Richtung Westeuropa transportieren. So läuft das. Preiswerte gute PKWs gibts in Europa vor allem, weil es das sogenannte mitteleuropäische Automobilcluster (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) gibt. Und für solche Art Exporte wird ein Projekt wie der Swinetunnel genutzt werden. Du bist bzw, Wir sind die Hauptprofiteure solcher EU-Osterweiterungen und Fördermittelzahlungen. Und eher weniger Tschechen oder Polen. Die haben eher mit den ziemlich rigiden Arbeitsbedingungen in den Sonderwirtschaftszonen bei Toyota, Audi oder Fiat zu tun. Die "europäischen Werte" bestehen vor allem darin, möglichst billige Autos, Kreuzfahrten und Urlaubsflüge angeboten zu bekommen. Denk doch versuchsweise einfach mal darüber nach, was tatsächlich abläuft und hinterfrage deine kulturalistischen Vorurteile gegenüber Menschen in Osteuropa.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Do 23. Aug 2018, 15:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Europa2050 »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Aug 2018, 14:47)

Sollen sie mal, dann wäre der größte historische Fehler der EU wieder korrigiert.
Nein, das ist mir zu arrogant westlich-besserwisserisch (bei allem Befremden über diverse Tendenzen in den Länden).

Das Projekt Europäische Union (und Vorläufer) ist gestartet, um Feinde zu versöhnen, Menschen zueinander zu bringen und Krieg unmöglich zu machen.
Für Deutschland als Verursacher unendlichen Leides eine Gnade der Vergebung. Hat bis 1989 so gut funktioniert, dass Pierre-Normalfranzose bei Deutschland nicht mehr die Bilder aus 160 Jahren Erbfeindschaft in den Sinn kommen, sondern aus 70 Jahren Kooperation.
Zusätzlich noch die wirtschaftliche Stärkung der Mitglieder und Vertretung nach außen gegen die „Großen“ USA und China.

Dieses Projekt hätte sich selbst ad absurdum geführt, hätte man den Mittel- und Ostmitteleuropäischen Staaten, die erst 1989 ff. die Chance hatten, teilzunehmen, die Tür gewiesen. Bereits die Aufnahmeregularien haben dazu geführt, dass alte Konfliktlinien (D-PL; D/Ö-CZ/PL-LIT/SK-HUN) gar nicht erst wieder aufbrachen, zusätzlich die friedliche „Scheidung“ der CSFR.

Während anderswo SFRJ / UdSSR die Gruppen mit Mordwerkzeug auf sich und diverse Minderheiten los gingen und es bis heute tun (Ukraine).

Nein, wenn die EU ihrem Anspruch gerecht werden will, muss sie den Mittel- und Ostmitteleuropäern den Weg zu ihren Werten weiterhin ermöglichen, und da war auch die Aufnahme richtig.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von sünnerklaas »

Selina hat geschrieben:(23 Aug 2018, 15:26)

Interessanter Gedanke. Wobei ich nicht die Geflohenen selbst und auch nicht diese imaginäre "Flüchtlingskrise 2015" als "Teil einer hybriden Kriegsführung" sehe, sondern lediglich das, was seitdem daraus gemacht wird von unterschiedlichen Interessengruppen. Das ist die reine Demagogie. Das stimmt. Vielleicht meinst du es ja auch so.
Die Geflohenen wurden als Instrumente benutzt - ohne deren bewusstes Zutun. Gleichzeitig wurden rechte Gruppierungen in Europa gezielt aus Moskau mit Geld und Infrastruktur versorgt. RT hat konsequent live berichtet. PEGIDA war da wohl so ein Versuchsballon. Man darf nicht vergessen, dass Putin viele Jahre in DD gelebt hat.
Ich frage mich auch inzwischen, ob die Bezeichnung "Rechtspopulistisch" wirklich zielführend ist. Vielleicht ist der Begriff "neostalinistisch" treffender...
Wie ich darauf komme? Wir hatten gerade den 50. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings. Die sogenannten "Rechtspopulisten" hielten sich da erstaunlich zurück. Der aktuelle tschechische Präsident hat nicht einmal ein Grußwort von sich gegeben. Das lässt tief blicken.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Orbiter1 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Aug 2018, 15:14)

Wollen wir mal ganz konkret bleiben. Aktuelle Entwicklungen: Ganz aktuell beginnt gerade jetzt im August der Bau des sogenannten Swine-Tunnels.
In deinem letzten Posting ging es "vor allem um eine Sicherheitsarchitektur in Europa". Scheint aber nach dem Hinweis auf die russisch-serbischen Militärmanöver nicht mehr so wichtig zu sein. Na meinetwegen.
... Preiswerte gute PKWs gibts in Europa vor allem, weil es das sogenannte mitteleuropäische Automobilcluster (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) gibt. Und für solche Art Exporte wird ein Projekt wie der Swinetunnel genutzt werden. Du bist bzw, Wir sind die Hauptprofiteure solcher EU-Osterweiterungen und Fördermittelzahlungen. Und eher weniger Tschechen oder Polen. Die haben eher mit den ziemlich rigiden Arbeitsbedingungen in den Sonderwirtschaftszonen bei Toyota, Audi oder Fiat zu tun.
Dann sollten die von brutalen westlichen Automobilherstellern mißbrauchten Osteuropäer endlich aus ihrer Knechtschaft befreit werden. Das gleiche gilt für die ca. 12 Mio EU-Osteuropäer die in Westeuropa ihre Brötchen verdienen müssen. Raus aus der EU und wieder Einzelkontrolle und Visum bei der Einreise sowie Handel nach den WTO-Regeln. Mit dem russischen großen Bruder wird es den Osteuropäern sicher viel besser gehen als mit der EU und der Wohlstand macht sich endlich auch dort so richtig breit.
Die "europäischen Werte" bestehen vor allem darin, möglichst billige Autos, Kreuzfahrten und Urlaubsflüge angeboten zu bekommen.
Dann solltest du dir den EU-Vertrag mal genauer ansehen, dort kannst du die Werte der EU nachlesen.
Denk doch versuchsweise einfach mal darüber nach, was tatsächlich abläuft und hinterfrage deine kulturalistischen Vorurteile gegenüber Menschen in Osteuropa.
Diese Vorurteile wie du sie nennst werden leider Tag für Tag von den EU-Osteuropastaaten bestätigt.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Selina »

sünnerklaas hat geschrieben:(23 Aug 2018, 15:33)

Die Geflohenen wurden als Instrumente benutzt - ohne deren bewusstes Zutun. Gleichzeitig wurden rechte Gruppierungen in Europa gezielt aus Moskau mit Geld und Infrastruktur versorgt. RT hat konsequent live berichtet. PEGIDA war da wohl so ein Versuchsballon. Man darf nicht vergessen, dass Putin viele Jahre in DD gelebt hat.
Ich frage mich auch inzwischen, ob die Bezeichnung "Rechtspopulistisch" wirklich zielführend ist. Vielleicht ist der Begriff "neostalinistisch" treffender...
Wie ich darauf komme? Wir hatten gerade den 50. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings. Die sogenannten "Rechtspopulisten" hielten sich da erstaunlich zurück. Der aktuelle tschechische Präsident hat nicht einmal ein Grußwort von sich gegeben. Das lässt tief blicken.
Ja. Ich finde ziemlich amüsant, dass "unsere Medien" gerade voll der Erinnerung an den Prager Frühling sind. Dabei ist es damals um einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" gegangen. Und nicht um die Überführung der Tschechoslowakei in das kapitalistische System. Eigentlich kein Grund für die heutigen System-Vertreter, so in Erinnerungen zu schwelgen und so voll des Lobes bzw. voll der Trauer übers Scheitern zu sein. Ein wirklich reformierter Sozialismus a la Prag wäre nämlich der Hammer gewesen. Was aber eigentlich kein Anlass zur Freude des Westens - weder damals noch heute - sein dürfte. Denn auch, wenn das Ziel ein grundlegend reformierter Sozialismus gewesen ist, war es immer noch ein Sozialismus ;)
Zuletzt geändert von Selina am Do 23. Aug 2018, 15:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Orbiter1 »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Aug 2018, 15:17)

Nein, wenn die EU ihrem Anspruch gerecht werden will, muss sie den Mittel- und Ostmitteleuropäern den Weg zu ihren Werten weiterhin ermöglichen, und da war auch die Aufnahme richtig.
Der Kern des Problems besteht darin dass sich diese Staaten den Werten der EU keineswegs nähern sondern immer weiter davon entfernen, s. Entwicklungen in Polung, Ungarn, Tschechien, Rumänien. Eine Weiterentwicklung der EU und einen neuen EU-Vertrag wird es mit den Osteuropastaaten nicht geben. Die EU ist damit an ihrem Ende angekommen.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Aug 2018, 15:45)

In deinem letzten Posting ging es "vor allem um eine Sicherheitsarchitektur in Europa". Scheint aber nach dem Hinweis auf die russisch-serbischen Militärmanöver nicht mehr so wichtig zu sein. Na meinetwegen.
Die sind sogar sehr wichtig. Aber eben Teil einer komplexen und widersprüchlichen Gesamtwelt. Es ist völlig naiv, ja infantil, irgendwo eine Gut-Böse-Grenze zu vernuten oder anzunehmen. Hier ist jetzt nicht der Platz, Dutzende und Aberdutzende Beispiele dagegen anzuführen. Gute Politik ist fachlich kompetentes Management mit Konflikten und vor allem zur Vermeidung von Konflikten. Und nicht kulturalistische Abgrenzung.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Ich weiß gar nicht: Ist "Wertedebatte" inzwischen ein gängiger deutscher Internationalismus so wie "Kindergarten"? ;)
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Europa2050 »

Orbiter1 hat geschrieben:(23 Aug 2018, 15:54)

Der Kern des Problems besteht darin dass sich diese Staaten den Werten der EU keineswegs nähern sondern immer weiter davon entfernen, s. Entwicklungen in Polung, Ungarn, Tschechien, Rumänien. Eine Weiterentwicklung der EU und einen neuen EU-Vertrag wird es mit den Osteuropastaaten nicht geben. Die EU ist damit an ihrem Ende angekommen.
Naja, Totgesagte leben Länger.

Ich betrachte es einfach als „Lebensaufgabe“ der EU, Europa zusammenzuführen, auch wenn es mal hakt.

Und was wäre denn die Alternative? Du kannst davon ausgehen, dass die von dir genannten Länder außerhalb der EU noch eine deutlich schlechtere Entwicklung genommen hätten, Nationalismus, Autokratie und Korruption direkt hinter Berlin, Wien und Athen noch wesentlich präsenter wären. Das kann auch nicht in unserem Sinne sein.

Und zum Beispiel Polen: Dreimal haben sie uns den A... gerettet (bzw. waren beteiligt), 1683, 1920 und in den 80ern. Zwei Mal haben wir(bzw. unsere Vorfahren) sie danach verraten. Da wäre jetzt mal etwas Langmut angebracht, auch wenn die aktuelle Regierung einem das wahrlich nicht leicht macht.

Was nicht heißt, nicht auf den Werten der EU zu bestehen!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Aug 2018, 13:29)

Ganz einfach: Weil draußen nicht drinnen ist. Der Positiv-Gewinn einer "Wertegemeinschaft" ist bei weitem geringer als der Negativ-Verlust eines wieder gespaltenen und womöglich auch noch innerlich verfeindeten Europas. Europa muss offen und kompromissfähig bleiben. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, worin der persönliche Zugewinn einer solchen Wertegemeinschaft bestehen sollte. Ich will ohne Pass und Grenzkontrolle nach Tschechien reisen und einfach mit meiner EC-Card Kronen abheben und mir in Prag ein Bier kaufen und in Usti ein Jazz-Konzert besuchen. Und infolge der Wirtschaftsinvestitionen in Osteuropa sollen sich die Lebensverhältnisse angleichen. So. Das ist meine "Wertegemeinschaft". Und Tschechien soll unter keinen Umständen auf die Idee kommen können, die SLowakei wiederzuerobern. Das ist natürlich bei weitem wichtiger. Verhinderung militärischer Konflikte. Dazu ist eine Einbindung nötig. Und dazu ist auch eine weitere Einbindung der West-Balkan-Staaten nötig. Dass die tatsächlich auch vorangetrieben wird hat andere, zumeist wirtschaftliche Gründe. Und da treffen sich ganz pragmatisch meine persönlichen Wünsche mit den realen Entwicklungen.

Was ich von einem "formulierten Vertrag" haben soll, ist mir völlig schleierhaft.
Tja, gut gemeint... aber das stößt auf wenig Gegenliebe in Tschechien. Vorteile einer Gemeinschaft abschöpfen, nichts, gar nichts beitragen zu ihrer Entwicklung. Ich wäre auch froh, wenn ich unbehindert in Tschechien Reisen und mit Karte zahlen könnte. Wer denn nicht? In Norwegen und der Schweiz klappt das doch... oder? In Israel doch auch und demnächst in GB. Sogar in den USA oder Kanada. Aber Mitglied sein ist schon etwas anderes. Da arbeitet man an Zielen mit, gestaltet die eigene und die gemeinsame Zukunft.

Sie als Person haben von einem formulierten Staatsvertrag erst einmal gar nichts. Nur die Möglichkeiten, die in einer einigen Wertegemeinschaft entwickelt werden können, die kommen Ihnen zu Gute. Genießen Sie ja heute: Offene Grenzen, keine Kontrollen, kooperierende Banken, wirksame Krankenversicherung. Das alles kam, freie Wahl des Aufenthalts und der Arbeitsaufnahme, Erwerb von Eigentum im Ausland. So etwas fällt dem Nutznießer erst auf, wenn das nicht mehr für ihn gilt. Genau dieses böse Erlebnis fehlt einigen Trittbrettfahrern des europäischen Projekts.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Aug 2018, 16:09)

Ich weiß gar nicht: Ist "Wertedebatte" inzwischen ein gängiger deutscher Internationalismus so wie "Kindergarten"? ;)
Zumindest müßte nicht nur darüber gesprochen werden, sondern ein europäischer Vorrat an gemeinsamen Werten zusammen getragen werden und als verbindlich erklärt werden. Schon damit sich niemand in unerfüllten Träumen wieder findet: Es gilt der Vertrag!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Orbiter1 »

Europa2050 hat geschrieben:(23 Aug 2018, 16:14)

Naja, Totgesagte leben Länger.

Ich betrachte es einfach als „Lebensaufgabe“ der EU, Europa zusammenzuführen, auch wenn es mal hakt.
Nein, Europa zusammenzuführen (schon gar nicht wenn es hakt) ist nicht Aufgabe der EU, schon gar keine "Lebensaufgabe". Die EU kann nur für sich selbst werben. Staaten die davon angetan und bereit sind alle entsprechenden Rechte und Pflichten einzuhalten können ihr beitreten, der Rest hat dort nichts verloren.
Und was wäre denn die Alternative? Du kannst davon ausgehen, dass die von dir genannten Länder außerhalb der EU noch eine deutlich schlechtere Entwicklung genommen hätten, Nationalismus, Autokratie und Korruption direkt hinter Berlin, Wien und Athen noch wesentlich präsenter wären. Das kann auch nicht in unserem Sinne sein.
Bitte etwas mehr Respekt vor den Bürgern dieser Staaten. Die empfinden Demokratie, den Rechtsstaat und eine kritische Medienlandschaft in der Mehrheit offenbar nicht als wichtig und erhaltenswert, sonst hätten sie ja nicht Parteien und Politiker gewählt (oder sogar wiedergewählt) die diese Errungenschaften systematisch bekämpfen und abschaffen. Wenn die Mehrheit der Bürger das so will ist das aus meiner Sicht absolut in Ordnung, aber bitteschön außerhalb der EU. Die Werte der EU mit Füßen treten und jedes Jahr netto Mrd einsacken das geht gar nicht.
Und zum Beispiel Polen: Dreimal haben sie uns den A... gerettet (bzw. waren beteiligt), 1683, 1920 und in den 80ern. Zwei Mal haben wir(bzw. unsere Vorfahren) sie danach verraten. Da wäre jetzt mal etwas Langmut angebracht, auch wenn die aktuelle Regierung einem das wahrlich nicht leicht macht.
Die aktuelle polnische Regierung hat nach meinem Verständnis die Gesetze und die Rechtsstaatlichkeit bereits soweit verändert dass eine Abkehr auf den Weg zur Autokratie kaum noch möglich ist. Aber das ist das Problem der Polen, die EU kann ihnen dabei nicht helfen.
Was nicht heißt, nicht auf den Werten der EU zu bestehen!
Hier sollte nach meiner Überzeugung kein Zwang ausgeübt werden. Länder deren Bürger mit den Werten der EU nichts anzufangen wissen und sie ablehnen sollten sie auch nicht aufoktroyiert werden. Das heißt im Gegenzug dass diese Länder auf keinen Fall in die EU aufgenommen bzw. in der EU bleiben dürfen.
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von H2O »

Selina hat geschrieben:(23 Aug 2018, 15:48)

Ja. Ich finde ziemlich amüsant, dass "unsere Medien" gerade voll der Erinnerung an den Prager Frühling sind. Dabei ist es damals um einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" gegangen. Und nicht um die Überführung der Tschechoslowakei in das kapitalistische System. Eigentlich kein Grund für die heutigen System-Vertreter, so in Erinnerungen zu schwelgen und so voll des Lobes bzw. voll der Trauer übers Scheitern zu sein. Ein wirklich reformierter Sozialismus a la Prag wäre nämlich der Hammer gewesen. Was aber eigentlich kein Anlass zur Freude des Westens - weder damals noch heute - sein dürfte. Denn auch, wenn das Ziel ein grundlegend reformierter Sozialismus gewesen ist, war es immer noch ein Sozialismus ;)
Der "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" ist erst einmal eine Sache, in der Menschlichkeit die wesentliche Rolle spielt. Alles andere ergibt sich daraus. Ja, wäre schön gewesen, auch für den "Westen". Das Ende der menschenverachtenden Diktaturen mußte noch 20 Jahre warten. Schade. 20 verlorene Jahre für so viele Europäer!
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

Beitrag von Selina »

H2O hat geschrieben:(23 Aug 2018, 17:28)

Der "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" ist erst einmal eine Sache, in der Menschlichkeit die wesentliche Rolle spielt. Alles andere ergibt sich daraus. Ja, wäre schön gewesen, auch für den "Westen". Das Ende der menschenverachtenden Diktaturen mußte noch 20 Jahre warten. Schade. 20 verlorene Jahre für so viele Europäer!
Als ob sich jemand von der anderen Seite damals gefreut hätte, wenn es einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" gegeben hätte... zu Zeiten des Eisernen Vorhanges... Sorry, aber verlogener gehts ja wohl nicht mehr. Womit ich dich natürlich nicht persönlich meine. Und was die "verlorenen Jahre" anbelangt: Das ist eine ziemlich einseitige Sicht, denn selbst ich, die auch unter Repressalien zu leiden hatte, betrachte diese Zeit ganz und gar nicht als "verloren". Es gibt sogar sehr vieles (neben dem Negativen), was man sich abschauen könnte von den Ossis. Also nicht gerade von den brüllenden Pegidisten, von denen nicht. Aber von vielen anderen. Hab ich an anderer Stelle früher schon geschrieben, was das wäre ;)
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Re: Tschechien wählt mehrheitlich Gegner der EU

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[MOD] Bitte zu Tschechien zurückkommen, es gibt im Forum 33 genügend Russlandstränge.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
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