Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovakei)

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schokoschendrezki
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(14 Sep 2018, 12:00)
Wenn das alles so zuträfe, dann wäre die Türkei seit vielen Jahren schon in der EU. Aus meiner Sicht sind es eben doch die europäischen Wertvorstellungen, die auch diesen Drang zur Erweiterung da antreiben, wo Korruption in für West-Mitteleuropa unbekanntem Ausmaß an der Tagesordnung sind.
Die Tatsache, dass ganz aktuell das Beitrittsverfahren Türkei eben nicht ad acta gelegt wurde, ist ein Beleg für genau das Gegenteil.
Die EU als Geldquelle soll es richten, diese gescheiterten Staaten auf einen erträglich europäischen Stand an zu heben. Das wird leider nichts, wie die Visegradskis unter Beweis stellen, oder Rumänien, dem nächsten Bewerber um ein Vertragsverletzungsverfahren, oder Bulgarien, mit einem Korruptionsindex auf afrikanischem Stand. Ich will Griechenland nicht vergessen, das einfach nicht von Vetternwirtschaft und Seilschaften loskommt.
Was soll denn das sein, "Geldquelle". Sickert irgendwo in der Welt Geld aus der Erde? Sie wissen doch selbst ganz genau, dass ein Land wie Polen alles andere als ein "gescheiterter Staat" ist. Eher schon ein - jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht - ziemlich gescheiter Staat. Möglicherweise wissen Sie nur nicht, woher ein Land wie Polen tatsächlich und real seine MIttel für die Nichtgescheitertheit hernimmt. Ganz sicher nicht aus aus der "EU als Geldquelle". Polen war während der Banken- und Finanzkrise das einzige EU-Land mit einem BIP-Wachstum. Man macht sich einfach etwas vor, wenn man da irgendwelche EU-Zahlungen als Grund annimmt. Die politischen Entwicklungen in Polen und Ungarn sind besorgniserregend wie nur irgendwas. Man versteht einfach das tieferliegende gesellschaftlich-ökonomische Problem dahinter nicht, wenn man solche Subventionszahlungen als Ursache vorschiebt. Ujnd vermutlich dient es auch als Selbstentschuldigung für die eigentliche eigene Mitverursachung.

Bezüglich Ostmitteleuropa besteht die Selbstbelügung darin, dass nicht - wie real - große westmitteleuropäische Unternehmen massiv Produktionsstätten in der Region betreiben, und dass sowohl ein gesamt-Netto-Gewinn (unter Einberechnung der EU-Gelder) für Westmitteleuropa besteht als auch ein (geringerer) Gewinn für Länder wie Ungarn. Das ist die eigentliche und wirkliche Basis für den politischen Erfolg der Orbáns. Bezüglich Griechenland besteht die Selbstbelügung (unter anderem) darin, dass deutsche Rüstungsfirmen selbst zig Millionen (allein in einerm einzigen Deal mit Thyssen 62 Millionen https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ ... 22550.html) Schmiergelder zahlten und dass es ein einvernehmliches Geschäftsmodell zwischen dem größten europäischen Rüstungsimporteur Europas, Griechenland, und dem Rüstungsexporteur Deutschland gibt.

Ich kann den Begriff "Werte", "Wertvorstellungen" aus dem Munde von Westmittelueropäern nicht mehr hören, ohne dass sich meine Hand zur Faust ballt.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von 51423benam »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Sep 2018, 14:09)

Die Tatsache, dass ganz aktuell das Beitrittsverfahren Türkei eben nicht ad acta gelegt wurde, ist ein Beleg für genau das Gegenteil.
Nun ja, die Politiker sagen doch klar, mit der derzeitigen Entwicklung wird die Türkei der EU nicht beitreten können. Und 'nicht ad acta gelegt werden' heißt nur, dass die Verhandlungen eben auf der Stelle treten, bis sich etwas bewegt in der Türkei.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Sep 2018, 14:09)

Die Tatsache, dass ganz aktuell das Beitrittsverfahren Türkei eben nicht ad acta gelegt wurde, ist ein Beleg für genau das Gegenteil.

Was soll denn das sein, "Geldquelle". Sickert irgendwo in der Welt Geld aus der Erde? Sie wissen doch selbst ganz genau, dass ein Land wie Polen alles andere als ein "gescheiterter Staat" ist. Eher schon ein - jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht - ziemlich gescheiter Staat. Möglicherweise wissen Sie nur nicht, woher ein Land wie Polen tatsächlich und real seine MIttel für die Nichtgescheitertheit hernimmt. Ganz sicher nicht aus aus der "EU als Geldquelle". Polen war während der Banken- und Finanzkrise das einzige EU-Land mit einem BIP-Wachstum. Man macht sich einfach etwas vor, wenn man da irgendwelche EU-Zahlungen als Grund annimmt. Die politischen Entwicklungen in Polen und Ungarn sind besorgniserregend wie nur irgendwas. Man versteht einfach das tieferliegende gesellschaftlich-ökonomische Problem dahinter nicht, wenn man solche Subventionszahlungen als Ursache vorschiebt. Ujnd vermutlich dient es auch als Selbstentschuldigung für die eigentliche eigene Mitverursachung.

Bezüglich Ostmitteleuropa besteht die Selbstbelügung darin, dass nicht - wie real - große westmitteleuropäische Unternehmen massiv Produktionsstätten in der Region betreiben, und dass sowohl ein gesamt-Netto-Gewinn (unter Einberechnung der EU-Gelder) für Westmitteleuropa besteht als auch ein (geringerer) Gewinn für Länder wie Ungarn. Das ist die eigentliche und wirkliche Basis für den politischen Erfolg der Orbáns. Bezüglich Griechenland besteht die Selbstbelügung (unter anderem) darin, dass deutsche Rüstungsfirmen selbst zig Millionen (allein in einerm einzigen Deal mit Thyssen 62 Millionen https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ ... 22550.html) Schmiergelder zahlten und dass es ein einvernehmliches Geschäftsmodell zwischen dem größten europäischen Rüstungsimporteur Europas, Griechenland, und dem Rüstungsexporteur Deutschland gibt.

Ich kann den Begriff "Werte", "Wertvorstellungen" aus dem Munde von Westmittelueropäern nicht mehr hören, ohne dass sich meine Hand zur Faust ballt.
Tut mir wirklich leid, Ihnen solchen Schmerz zufügen zu müssen! Die Türkei wird nie und nimmer der EU angehören, so lange dieses merkwürdige Verständnis von Rechtsstaat und diplomatischem Umgang mit Partnern besteht. Ist doch klar, daß man aus ganz nachvollziehbaren Gründen dennoch nicht die Tür zuknallt. Wenn die Türkei nicht auf eine Entwicklung zurück kommt, wie sie bis 2005 betrieben wurde, dann bleibt sie weitere 50 Jahre Kandidat.

Polen "lebt" von deutschen Investitionen und Zulieferungen zur deutschen Wirtschaft, die mit 30% Polens größter Wirtschaftspartner ist; das hat selbst der heimliche Präsident Kaczyński begriffen... und unterläßt seitdem böse Worte in Richtung Deutschland. Weiterhin "lebt" die Entwicklung der polnischen Infrastruktur von den 10 Mrd €/jährlich, die es als Mehrleistung von der EU erhält.

Dafür erwartet die Gemeinschaft und erwarte auch ich die Übernahme der europäischen Werte in die Verfassung, wie das beim Eintritt in die EU gewährleistet war. Bleibt dieses Einlenken aus, dann sollten offene Grenzen und Freizügigkeit von Menschen, Kapital und Dienstleistungen sowie Zahlungen der EU ausgesetzt werden.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Brainiac »

Mal kurz ein Blick auf die Zahlen, weil hier ständig suggeriert wird, die EU-Zuwendungen seien aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Ungarns nur marginal. Das sind sie nicht.

Ein Vergleich mit dem BIP oder den Umsätzen ausländischer Konzerne ist unsinnig. Relevant ist der Vergleich mit dem Staatshaushalt.

Das bedeutet, dass die EU-Zuwendungen in der Höhe von knapp 10% des ungarischen Staatsaushalts liegen. Und es ist gern genommenes und verwendetes Geld, wenn man diesem Bericht glauben schenken darf.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ko ... _id=372674

10%, das ist definitiv eine relevante Größenordnung. Vor diesem Hintergrund wäre eine massive Kürzung dieser Mittel selbstverständlich äußerst schmerzlich für Ungarn, auch wenn das Land dann sicher noch nicht vor dem Bankrott stünde. Kein Wunder, dass Herr Orban so erbittert gegen die Kürzungspläne ankämpft und auf die notwendige Einstimmigkeit der Beschlüsse verweist.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Brainiac hat geschrieben:(15 Sep 2018, 12:12)

...

...

...Vor diesem Hintergrund wäre eine massive Kürzung dieser Mittel selbstverständlich äußerst schmerzlich für Ungarn, auch wenn das Land dann sicher noch nicht vor dem Bankrott stünde. Kein Wunder, dass Herr Orban so erbittert gegen die Kürzungspläne ankämpft und auf die notwendige Einstimmigkeit der Beschlüsse verweist.
Wobei man sich bitte vor Augen halten möge, daß diese zusätzlichen Mittel von ganz ordentlich wirtschaftenden vertragstreuen EU-Partnern aufgebracht werden. Herr Orban & Konsorten maßen sich gewissermaßen an, über diese Mittel mit dem Einstimmigkeitsprinzip verfügen zu können. Käme es so, dann redete auch ich einem Vertragsbruch das Wort, damit wenigstens dieser Unfug unterbliebe. :mad2:

Sie haben auch großzügig über die wirtschaftlichen Vorteile durch sehr große Investitionen der west-europäischen Wirtschaft hinweg gesehen, die über Bürgschaften der west-europäischen Partnerstaaten abgesichert wurden. Dieses Spiel könnte auch abgepfiffen werden, wenn die Dinge ganz bitterböse laufen sollten. Aber wer will das schon... immer Schritt für Schritt, bis die Einsicht wächst.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(15 Sep 2018, 16:48)

Wobei man sich bitte vor Augen halten möge, daß diese zusätzlichen Mittel von ganz ordentlich wirtschaftenden vertragstreuen EU-Partnern aufgebracht werden. Herr Orban & Konsorten maßen sich gewissermaßen an, über diese Mittel mit dem Einstimmigkeitsprinzip verfügen zu können. Käme es so, dann redete auch ich einem Vertragsbruch das Wort, damit wenigstens dieser Unfug unterbliebe. :mad2:

Sie haben auch großzügig über die wirtschaftlichen Vorteile durch sehr große Investitionen der west-europäischen Wirtschaft hinweg gesehen, die über Bürgschaften der west-europäischen Partnerstaaten abgesichert wurden. Dieses Spiel könnte auch abgepfiffen werden, wenn die Dinge ganz bitterböse laufen sollten. Aber wer will das schon... immer Schritt für Schritt, bis die Einsicht wächst.
lieber nicht peu à peu, denn solche gedanken und handlungen sind ansteckend.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(16 Sep 2018, 12:03)

lieber nicht peu à peu, denn solche gedanken und handlungen sind ansteckend.
im Grunde stehe ich ratlos vor diesem Scherbenhaufen der europäischen Einigung. So richtig mit der Faust auf den Tisch hauen könnte vermutlich nur die Kanzlerin mit der wirtschaftlichen Macht im Hintergrund. Das widerspricht aber ihrem immer wieder gezeigten Verhalten, sich vorsichtig ab zu stimmen und sich erst dann zu entscheiden, wenn der Fall "alternativlos" geworden ist. Allmählich die Krallen ausfahren, wie das meine Katze macht, wenn sie Leckerchen möchte?
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(16 Sep 2018, 12:27)

im Grunde stehe ich ratlos vor diesem Scherbenhaufen der europäischen Einigung. So richtig mit der Faust auf den Tisch hauen könnte vermutlich nur die Kanzlerin mit der wirtschaftlichen Macht im Hintergrund. Das widerspricht aber ihrem immer wieder gezeigten Verhalten, sich vorsichtig ab zu stimmen und sich erst dann zu entscheiden, wenn der Fall "alternativlos" geworden ist. Allmählich die Krallen ausfahren, wie das meine Katze macht, wenn sie Leckerchen möchte?
doch. ich denke daß bewußt auf eine konfrontation angesteuert wird seitens orban c.s.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(16 Sep 2018, 12:36)

doch. ich denke daß bewußt auf eine konfrontation angesteuert wird seitens orban c.s.
Das ist ja klar zu erkennen; aber ich bin ratlos, wie dagegen vor zu gehen ist. Mit den Regeln der EU laufen die Gegenmaßnahmen viel zu langsam ab. Da ist dieser Politiker immer schon einen oder zwei Schritte voraus. Ich bin gespannt, wie der EU-Ministerrat sich aufstellt, wenn da vielleicht schon 6 oder 7 Partnerstaaten auf "Orban-Kurs" eingeschwenkt sind.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(14 Sep 2018, 16:38)

Tut mir wirklich leid, Ihnen solchen Schmerz zufügen zu müssen! Die Türkei wird nie und nimmer der EU angehören, so lange dieses merkwürdige Verständnis von Rechtsstaat und diplomatischem Umgang mit Partnern besteht. Ist doch klar, daß man aus ganz nachvollziehbaren Gründen dennoch nicht die Tür zuknallt. Wenn die Türkei nicht auf eine Entwicklung zurück kommt, wie sie bis 2005 betrieben wurde, dann bleibt sie weitere 50 Jahre Kandidat.

Polen "lebt" von deutschen Investitionen und Zulieferungen zur deutschen Wirtschaft, die mit 30% Polens größter Wirtschaftspartner ist; das hat selbst der heimliche Präsident Kaczyński begriffen... und unterläßt seitdem böse Worte in Richtung Deutschland. Weiterhin "lebt" die Entwicklung der polnischen Infrastruktur von den 10 Mrd €/jährlich, die es als Mehrleistung von der EU erhält.
Schon die Begriffswahl "Zulieferung" zeigt, dass Sie die eigentlichen und real ablaufenden Mechanismen nicht verstehen. Am Wochenende stand ich auf dem Bahnhof Erkner bei Berlin, wartete auf den Regionalzug und es gab die Durchfahrt eines schier endlosen Güterzugs. Mit neuen frischen VW-PKWs und VW-Kleinlastern. Aber nicht aus Richtung Wolfsburg sondern über Frankfurt/Oder aus Richtung Polen. Was soll ich weiter dazu sagen ... Es gibt Erzählungen und es gibt die Reale Welt. In dieser Realen Welt gibts keine "Zulieferungen" sondern Produktions- und Entwicklungsstandortverlagerungen. Und nochmal: Den 10 Milliarden Mehrleistungen von Seiten der EU stehen 2017 rund 526 und 2018 geschätzt 614 Milliarden US-Dollar BIP gegenüber. Will man politisch relevante Analysen vornehmen, muss man unter anderem auch ein nüchternes und rationales Verhältnis für Zahlen haben.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 09:59)

Schon die Begriffswahl "Zulieferung" zeigt, dass Sie die eigentlichen und real ablaufenden Mechanismen nicht verstehen. Am Wochenende stand ich auf dem Bahnhof Erkner bei Berlin, wartete auf den Regionalzug und es gab die Durchfahrt eines schier endlosen Güterzugs. Mit neuen frischen VW-PKWs und VW-Kleinlastern. Aber nicht aus Richtung Wolfsburg sondern über Frankfurt/Oder aus Richtung Polen. Was soll ich weiter dazu sagen ... Es gibt Erzählungen und es gibt die Reale Welt.
Ihnen kommt aber nicht der Gedanke, daß VW in Posen ein riesiges Werk aufgebaut und natürlich auch die technischen Grundlagen für ein weltweit erfolgreiches Produkt, also auch das Marketing, mitgeliefert hat? Und das vermutlich abgesichert mit Garantien der Bundesrepublik, falls es einmal zu politischen Übergriffigkeiten kommen sollte. Real genug?

Wobei ich dieses Vorgehen für sinnvoll halte, Fertigungsstätten dorthin zu verlegen, wo Menschen Arbeit suchen, anstatt Ballungsgebiete immer mehr durch Zuzug von Menschen zu verdichten. Nur sagt das Vorgehen doch einiges über Wirtschaftskraft und Marktzugang aus. Schade, daß unsere Regierungen nicht diesen Gedanken mit Macht verfolgt haben, als die Wiedervereinigung zu Schieflagen führte.

Zu meiner Überraschung ist das sehr erfolgreiche Autobuswerk Solaris (Elektrobusse, Wasserstoffbusse, Straßenbahnen) inzwischen an ein großes spanisches Werk im Baskenland verkauft worden. Wodurch haben die Solaris-Leute dort nur die Lust am Erfolg verloren?
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Brainiac hat geschrieben:(15 Sep 2018, 12:12)

Mal kurz ein Blick auf die Zahlen, weil hier ständig suggeriert wird, die EU-Zuwendungen seien aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Ungarns nur marginal. Das sind sie nicht.

Ein Vergleich mit dem BIP oder den Umsätzen ausländischer Konzerne ist unsinnig. Relevant ist der Vergleich mit dem Staatshaushalt.

Das bedeutet, dass die EU-Zuwendungen in der Höhe von knapp 10% des ungarischen Staatsaushalts liegen. Und es ist gern genommenes und verwendetes Geld, wenn man diesem Bericht glauben schenken darf.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ko ... _id=372674

10%, das ist definitiv eine relevante Größenordnung. Vor diesem Hintergrund wäre eine massive Kürzung dieser Mittel selbstverständlich äußerst schmerzlich für Ungarn, auch wenn das Land dann sicher noch nicht vor dem Bankrott stünde. Kein Wunder, dass Herr Orban so erbittert gegen die Kürzungspläne ankämpft und auf die notwendige Einstimmigkeit der Beschlüsse verweist.
Bei dieser Betrachtung muss in Rechnung gestellt werden,, dass diese EU-Fördermittel in der Hauptsache in Infrastrukturprojekte fließen. Genau das, was wesentlich und vorteilsbringend für Industrieansiedlungen und im Falle Polens speziell für Sonderwirtschaftszonen ist. Natürlich sind diese EU-Zuwendungen nicht marginal. ABer die geläufigen politischen Diskussionen befördern eine völlig andere Erzählung. Nämlich die von einer quasi allein durch EU-Zahlungen aufrechterhaltenen Volkswirtschaft. Warum ich auf eine Richtigstellung dieser Verhältnisse so bestehe: Man wird ansonsten das selbstgefällige, selbsbewusste Auftreten Viktor Orbáns einfach nicht verstehen können. Er hat diese großen Investoren auf seiner Seite. Die Tatsache, dass er mit EU-Infrastrukturgeldern sich eine Kleineisenbahn in seinem Heimatort bauen ließ, ist nicht nur ein EU-Skandal sondern die definitive Ansage: Ihr könnt mich mal!
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:16)

Ihnen kommt aber nicht der Gedanke, daß VW in Posen ein riesiges Werk aufgebaut und natürlich auch die technischen Grundlagen für ein weltweit erfolgreiches Produkt, also auch das Marketing, mitgeliefert hat? Und das vermutlich abgesichert mit Garantien der Bundesrepublik, falls es einmal zu politischen Übergriffigkeiten kommen sollte. Real genug?
Eine solche Argmentation suggeriert das Vorhandensein von Motivationen, die nicht von Unternehmensgewinnstreben sondern von Moral oder gar Philantropie geleitet sind. Von "Werten". Das ist völliger Unsinn!

Nach der Durchfahrt des Güterzugs bin ich übrigens mit einem Regionalzug der genuin polnischen Firma "Pesa" aus Poznan gefahren.

Wenn von "europäischen Werten" die Rede ist, will ich konkret wissen, wie mit diesen Werten oppositionelle Zeitungen in Ungarn befördert werden oder wie der Lehrermangel in Deutschland angegangen wird oder wie der Klimawandel besser gehandelt wird. Bei einem Begriff wie "Europäische Werte" ist bei mir die nächste Assoziation eine Ansprache des Bundespräsidenten mit anschließendem Zapfenstreich eines Bundeswehrorchesters und der erste Reflex ist: Fernseher ausmachen!
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mo 17. Sep 2018, 10:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:19)

Bei dieser Betrachtung muss in Rechnung gestellt werden,, dass diese EU-Fördermittel in der Hauptsache in Infrastrukturprojekte fließen. Genau das, was wesentlich und vorteilsbringend für Industrieansiedlungen und im Falle Polens speziell für Sonderwirtschaftszonen ist. Natürlich sind diese EU-Zuwendungen nicht marginal. ABer die geläufigen politischen Diskussionen befördern eine völlig andere Erzählung. Nämlich die von einer quasi allein durch EU-Zahlungen aufrechterhaltenen Volkswirtschaft. Warum ich auf eine Richtigstellung dieser Verhältnisse so bestehe: Man wird ansonsten das selbstgefällige, selbsbewusste Auftreten Viktor Orbáns einfach nicht verstehen können. Er hat diese großen Investoren auf seiner Seite. Die Tatsache, dass er mit EU-Infrastrukturgeldern sich eine Kleineisenbahn in seinem Heimatort bauen ließ, ist nicht nur ein EU-Skandal sondern die definitive Ansage: Ihr könnt mich mal!
Kein vernünftiger Mensch wird wohl sagen, daß die ungarische Wirtschaft sich nur mit ständigen Zuschüssen aus der EU halten kann. Wahr ist aber genau was Sie sagen: Investitionen und Zuwendungen aus den Fonds der EU machen den Erfolg möglich, der allein durch die Anwesenheit qualifizierter Menschen gar nicht möglich wäre. Und auch klar: Wer "sein" Geld da versenkt hat, der will gehätschelt werden und hätschelt selbst auch, damit er nicht als gescheiterter Investor gesenkten Hauptes in Berlin um eine kleine Spende bitten muß.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:27)

Kein vernünftiger Mensch wird wohl sagen, daß die ungarische Wirtschaft sich nur mit ständigen Zuschüssen aus der EU halten kann. Wahr ist aber genau was Sie sagen: Investitionen und Zuwendungen aus den Fonds der EU machen den Erfolg möglich, der allein durch die Anwesenheit qualifizierter Menschen gar nicht möglich wäre. Und auch klar: Wer "sein" Geld da versenkt hat, der will gehätschelt werden und hätschelt selbst auch, damit er nicht als gescheiterter Investor gesenkten Hauptes in Berlin um eine kleine Spende bitten muß.
Nein! Die Investoren, die in Ungarn tätig sind, versenken ihr Geld nicht sondern legen es gewinn- und renditebringend an. Und die Motiviation ist keineswegs Angst vor gesenktem Haupt sondern berechtigte Hoffnung aus satte Gewinne. Wichtig für eine realistische politische Analyse ist, dass der schlussendliche Nettotransfer von Gewinnen mit deutlichem Überhang von Ost- nach Westeuropa erfolgt und nicht umgekehrt.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mo 17. Sep 2018, 10:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:21)

Eine solche Argmentation suggeriert das Vorhandensein von Motivationen, die nicht von Unternehmensgewinnstreben sondern von Moral oder gar Philantropie geleitet sind. Von "Werten". Das ist völliger Unsinn!

Nach der Durchfahrt des Güterzugs bin ich übrigens mit einem Regionalzug der genuin polnischen Firma "Pesa" aus Poznan gefahren.
Da dichten Sie mir aber Phantasien an, die ich aus meine Textn nicht heraus lesen kann! Natürlich haben in Wolfsburg Leute eiskalt gerechnet, ob sich das Geschäft dort lohnt. Wer aus Gewinnsucht Kunden betrügt, der wird auch anderswo eiskalt seinen Vorteil suchen. In Polen ist der Anteil von Volkswagen im Straßenverkehr auffällig hoch. Auch ein Gesichtspunkt, sich dort zu engagieren. Es ging ganz sachlich darum zu überlegen, weshalb die Wirtschaft dort so erfolgreich ist.

Und warum soll in Polen denn nicht der eine oder andere Leuchtturm gedeihen, also eine Bahnfabrik in Posen? Da ist doch nicht nichts! Es geht schon um Maß und Zahl. Wobei mir dabei durch den Hinterkopf geht, wann diese Bahnfabrik wohl von Bombardier, Siemens-Alstom oder einem chinesischen Mitspieler aufgekauft werden wird... Globalisierung und so.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:33)

Nein! Die Investoren, die in Ungarn tätig sind, versenken ihr Geld nicht sondern legen es gewinn- und renditebringend an. Und die Motiviation ist keineswegs Angst vor gesenktem Haupt sondern berechtigte Hoffnung aus satte Gewinne. Wichtig für eine realistische politische Analyse ist, dass der schlussendliche Nettotransfer von Gewinnen mit deutlichem Überhang von Ost- nach Westeuropa erfolgt.
Alles andere wäre ja wohl auch ein Beweis für untüchtige Geschäftsleute, oder? :) Und warum läuft das Geschäft so gut? Antwort, damit Sie mir nicht ausbüxen: Weil die Leute im Schutz der Bundesrepublik geschickt investiert haben... und Geschäftsideen mitgebracht haben, die sich dort umsetzen ließen.
Zuletzt geändert von H2O am Mo 17. Sep 2018, 10:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:37)

Da dichten Sie mir aber Phantasien an, die ich aus meine Textn nicht heraus lesen kann! Natürlich haben in Wolfsburg Leute eiskalt gerechnet, ob sich das Geschäft dort lohnt. Wer aus Gewinnsucht Kunden betrügt, der wird auch anderswo eiskalt seinen Vorteil suchen. In Polen ist der Anteil von Volkswagen im Straßenverkehr auffällig hoch. Auch ein Gesichtspunkt, sich dort zu engagieren. Es ging ganz sachlich darum zu überlegen, weshalb die Wirtschaft dort so erfolgreich ist.

Und warum soll in Polen denn nicht der eine oder andere Leuchtturm gedeihen, also eine Bahnfabrik in Posen? Da ist doch nicht nichts! Es geht schon um Maß und Zahl. Wobei mir dabei durch den Hinterkopf geht, wann diese Bahnfabrik wohl von Bombardier, Siemens-Alstom oder einem chinesischen Mitspieler aufgekauft werden wird... Globalisierung und so.
Ja. Letztendlich geht es doch bei der zentralen Frage dieses Threads darum, wie man demokratische Prinzipien wie etwa Gewaltenteilung, Pressefreiheit usw. in Ländern wie Ungarn oder Polen befördert. Und dazu muss man erst mal verstehen, dass man da von seiten der westmitteleuropäischen Regierungen kaum wirtschaftlich-finanzielle Hebel in der Hand hat. Es wird verschiedentlich suggeriert, dass man nur irgendwelche Transferzahlungen verweigern müsse, um irgendetwas zu erzwingen. Und das sind nunmal Illusionen. Noch immer ist die Fidesz Teil der EVP-Fraktion. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es auch bleiben wird. Mit diesem "Werte"-Gedusel reden wir völlig an dem vorbei, was tatsächlich stattfindet. Und beteiligen uns stattdessen an einer Art Theatervorstellung.

Lieber H2O: Bei der Abstimmung über die Einleitung eines Rechtsverfahrens gegen Ungarn hat von allen CSU-Abgeordneten genau und gerade einmal einer dafür gestimmt. Man wird sehen, ob bei zukünftigen CSU-Parteitagen wiederum Orbán statt Merkel als "lieber Freund" dabei sein wird. Themen wie "Verfahren gegen Ungarn" sind eher Teil der aktuellen Konkurrenzausfechtung zwischen CSU und CDU. (Die CDU-EU-Abgeordneten haben so gut wie geschlossen für ein solches Verfahren gestimmt).
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mo 17. Sep 2018, 10:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:43)

Ja. Letztendlich geht es doch bei der zentralen Frage dieses Threads darum, wie man demokratische Prinzipien wie etwa Gewaltenteilung, Pressefreiheit usw. in Ländern wie Ungarn oder Polen befördert. Und dazu muss man erst mal verstehen, dass man da von seiten der westmitteleuropäischen Regierungen kaum wirtschaftlich-finanzielle Hebel in der Hand hat. Es wird verschiedentlich suggeriert, dass man nur irgendwelche Transferzahlungen verweigern müsse, um irgendetwas zu erzwingen. Und das sind nunmal Illusionen. Noch immer ist die Fidesz Teil der EVP-Fraktion. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es auch bleiben wird. Mit diesem "Werte"-Gedusel reden wir völlig an dem vorbei, was tatsächlich stattfindet.
Tatsächlich finden Geschäfte unter dem Schutzschirm der Bundesrepublik Deutschland statt. Wenn Dinge geschehen, die den deutschen Interessen grob entgegen laufen, dann kann dieser Schirm zugeklappt werden. Dann geht es eben doch um Werte. Ganz gut zu sehen im Fall der Türkei, in der die Geschäfte so glänzend liefen.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:21)

Eine solche Argmentation suggeriert das Vorhandensein von Motivationen, die nicht von Unternehmensgewinnstreben sondern von Moral oder gar Philantropie geleitet sind. Von "Werten". Das ist völliger Unsinn!

Nach der Durchfahrt des Güterzugs bin ich übrigens mit einem Regionalzug der genuin polnischen Firma "Pesa" aus Poznan gefahren.

Wenn von "europäischen Werten" die Rede ist, will ich konkret wissen, wie mit diesen Werten oppositionelle Zeitungen in Ungarn befördert werden oder wie der Lehrermangel in Deutschland angegangen wird oder wie der Klimawandel besser gehandelt wird. Bei einem Begriff wie "Europäische Werte" ist bei mir die nächste Assoziation eine Ansprache des Bundespräsidenten mit anschließendem Zapfenstreich eines Bundeswehrorchesters und der erste Reflex ist: Fernseher ausmachen!
Viele polnische Firmen bauen auf vorfindlichen Mustern auf. So hat die Stadt Jena Straßenbahnen in Polen bestellt. Diese Bahnen sind aber in Wirklichkeit geringfügig weiterentwickelte Siemens-Modelle aus den 90ern. Siemens bietet dieses Modell nicht mehr an, so kann die Stadt ihren Fuhrpark einheitlich halten, obwohl ein neues Logo draufklebt und eine zusätzliche Klimaanlage drin steckt.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Postfach »

Balsamico hat geschrieben:(06 Sep 2017, 23:03)


Das spielt doch keine Rolle, es ist ja der Wille der Bevölkerung der nicht akzeptabel ist und die soll es auch ausbaden. Wenn denen eine Erweiterung des russischen Einflussbereiches lieber ist als die paar Asylanten, würde ich sagen bitteschön und Tschüss...
" ... es ist ja der Wille der Bevölkerung der nicht akzeptabel ist ... "
Na dann zeigen wir denen mal, was akzeptabel sein muss !!!!
Ps. bist Du dir sicher, dass die Mehrheit in D die aktuelle Flüchtlingspolitik noch unterstützt ?
Egal, denen zeigen wir`s dann halt auch :D :thumbup:
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:49)

Viele polnische Firmen bauen auf vorfindlichen Mustern auf. So hat die Stadt Jena Straßenbahnen in Polen bestellt. Diese Bahnen sind aber in Wirklichkeit geringfügig weiterentwickelte Siemens-Modelle aus den 90ern. Siemens bietet dieses Modell nicht mehr an, so kann die Stadt ihren Fuhrpark einheitlich halten, obwohl ein neues Logo draufklebt und eine zusätzliche Klimaanlage drin steckt.

Du weißt aber auch, dass der technologische Aufschwung deutscher Unternehmens-Legenden Ende des 19. Jahrhunderts ganz wesentlich auf Abguckungen in England beruht?

Das ist doch alles gar nicht die Frage. Es geht zum einen darum. zu verstehen, warum und weshalb Autokraten wie Viktor Orbán nicht eigentlich irgendwas ernsthaft zu befürchten haben. Sie wissen mächtige Leute an ihrer Seite. Und in ihren Ländern gehts wirtschaftlich bergauf. .Mit steigendem Anstieg.

Und politisch-moralisch gehts - mir jedenfalls - um diese weit verbreitete Parasiten-Metapher. Die mich bis zum geht nicht mehr aufregt. Da steht ja auch nicht eine Partei, ein Ministerpräsident, eine Regierung im Fokus ... sondern ein ganzes Staatsvolk,.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 11:03)

Du weißt aber auch, dass der technologische Aufschwung deutscher Unternehmens-Legenden Ende des 19. Jahrhunderts ganz wesentlich auf Abguckungen in England beruht?

Das ist doch alles gar nicht die Frage. Es geht zum einen darum. zu verstehen, warum und weshalb Autokraten wie Viktor Orbán nicht eigentlich irgendwas ernsthaft zu befürchten haben.
Dafür, dass er nichts zu befürchten hat, reagiert er ziemlich panisch. In der Tat wäre eine Einschränkung der EU-Zahlungen ein erhebliches Problem. Der Durchschnittsverdienst in Ungarn ist deutlich unter 1000 Euro im Monat, der Median ist wohl um 700 Euro. Über 37% der Alleinerziehenden leben am Existenzminimum. Selbst in Polen oder Kroatien lebt man besser.
Sie wissen mächtige Leute an ihrer Seite. Und in ihren Ländern gehts wirtschaftlich bergauf. Mit steigendem Anstieg.
Das BIP von Ungarn sank laut Weltbank von 2014 140 Milliarden auf 2016 124 Milliarden.

Und politisch-moralisch gehts - mir jedenfalls - um diese weit verbreitete Parasiten-Metapher. Die mich bis zum geht nicht mehr aufregt. Da steht ja auch nicht eine Partei, ein Ministerpräsident, eine Regierung im Fokus ... sondern ein ganzes Staatsvolk,.
Solche biologischen Metaphern sind immer ein wenig heikel. Jedoch stimmt es, dass ohne die EU-Freizügigkeiten Ungarn ziemlich kaputt wäre.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(17 Sep 2018, 11:18)

Dafür, dass er nichts zu befürchten hat, reagiert er ziemlich panisch. In der Tat wäre eine Einschränkung der EU-Zahlungen ein erhebliches Problem. Der Durchschnittsverdienst in Ungarn ist deutlich unter 1000 Euro im Monat, der Median ist wohl um 700 Euro. Über 37% der Alleinerziehenden leben am Existenzminimum. Selbst in Polen oder Kroatien lebt man besser.
Wie user Brainiac hier schon ganz richtig geschrieben hat: Eu-Zahlungen sind zwar projektgebunden und müssen auch jeweils entsprechend ausgewiesen werden, gehen aber an den Staat. Und sind von ihrer Relevanz her eher am Staatshaushalt und weniger am BIP zu messen. Wenn in Ländern wie Ungarn Autobahnen damit ausgebaut werden, entspricht das einfach der Tatsache, dass auf diesen Autobahnen eben Produkte kreuz und quer durch Europa gefahren werden. Es ist Teil einer gesamteuropäischen Wirtschaftspolitik und wird nicht einfach als milde Gabe an "die Ungarn" verteilt.
Das BIP von Ungarn sank laut Weltbank von 2014 140 Milliarden auf 2016 124 Milliarden.
Um von 2016 bis 2018 auf den historischen Rekordwerd von 163 Milliarden zu klettern. Und das fällt eben auch mit der Epoche der politischen Konsolidierung der jetzigen Orbán-Regierung zusammen. Und das muss man bei der politischen Ist-Analyse einfach verstehen.
Solche biologischen Metaphern sind immer ein wenig heikel. Jedoch stimmt es, dass ohne die EU-Freizügigkeiten Ungarn ziemlich kaputt wäre.
Aber nicht doch. Das ist doch völlig naiv. Wie schon ebenfalls weiter oben von Brainiac geschrieben geht es um zirka 10 Prozent (nicht des BIPs) sondern des STaatshaushalts. Für eine realistische Beurteilung der volkswirtschaftlichen Situation ist dabei aber auch ganz wesentlich das Staatshaushaltsdefizit zu beachten. In der Regel gemessen in Prozent vom BIP. Das beträgt in Ungarn zur Zeit etwa 2,4 %. Hast Du eine ungefähre Vorstellung von den Staatshaushaltszuständen in Ländern wie Italien oder Griechenland?

Es geht mir hier keineswegs darum. die autokratische und darüber hinaus auch noch korrupte Regierung Orbán zu verteidigen. Sondern darum, sich von der Illusion zu befreien, sein Land ökonomisch irgendwie mit EU-Recht in die Zange nehmen zu können. Und natürlich auch von der Illusion, wir, Länder wie Deutschland wären es, die die eigentlichen Ressourcen-Beretisteller seien. Diese "Zahlmeister"-Legende ist nix weiter als ein probates und erprobtes Reflexauslösungsmittelchen.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 12:12)
Aber nicht doch. Das ist doch völlig naiv. Wie schon ebenfalls weiter oben von Brainiac geschrieben geht es um zirka 10 Prozent (nicht des BIPs) sondern des STaatshaushalts.
Die EU-Freizügigkeiten gehen nicht in den Staatshaushalt. Sie sind die Grundlage der europäischen Wirtschaftspolitik. Wenn man da den Stecker zieht, ist Ungarn bald auf dem Stand von Belarus. Dann müssen die ganzen ungarischen Studenten und Arbeitsbesucher wieder heim. Dann müssen Zölle gezahlt werden. Dann ist Ungarn außerhalb der EU-Außengrenze. Da bin ich mal gespannt, ob die dann noch was auf deine Reden geben.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(17 Sep 2018, 12:41)

Die EU-Freizügigkeiten gehen nicht in den Staatshaushalt. Sie sind die Grundlage der europäischen Wirtschaftspolitik. Wenn man da den Stecker zieht, ist Ungarn bald auf dem Stand von Belarus. Dann müssen die ganzen ungarischen Studenten und Arbeitsbesucher wieder heim. Dann müssen Zölle gezahlt werden. Dann ist Ungarn außerhalb der EU-Außengrenze. Da bin ich mal gespannt, ob die dann noch was auf deine Reden geben.
O.K. Du meinst nicht die Zahlungen sondern "Freizügigkeit" in Hinblick auf offene Grenzen. Das EU-Freizügigkeitsgesetz, das den Aufenthalt und die Einreise von Eu-Bürgern regelt. Hatte ich missverstanden.

Aber, Junge, ich kann nicht glauben, dass du so naiv bist, nicht zu sehen, was eigentlich läuft. Es gab hier in diesem Strang noch einen Diskutanten, der davon ausgeht, dass die ungarische Regierung ihre Bürger ins Ausland schickt. Mensch! Staaten wie Ungarn haben tatsächlich ein riesiges, wirklich gravierendes Problem: Die Abwanderung von Fachkräften. Und - egal ob sie nun politisch eher links oder eher rechts ticken - sie würden alles tun, um diese Fachkräfteabwanderung zu stoppen. Wenn sie denn nur wüssten wie. Das Problem besteht darin, dass die jeweiligen Bildungssysteme ziemlich gut und intakt sind. In Ungarn aus historischer Tradition sogar, was Medizin, Mathematik, Ingenieurwissenschaften betrifft, besonders gut. Es ist einfach nicht zu verhindern, dass ein junger Mensch nicht nur mitbekommt wie Brücken gebaut oder entzündete Blinddärme entfernt werden, sondern dass sie mit diesen Fähigkeiten händeringend dort gesucht werden, wo man einiges mehr damit verdienen kann, als in ihren Heimatländern. Fährt man die Ausgaben in Bildung zurück wirds noch schlimmer. Hält man das Bildungssystem auf einem guten Stand wirds ebenfalls schlimmer. In Russland sieht die ganze SItuation noch dramatischer aus. In Moskau und St. Petersburg gibts die in Mathe vielleicht besten Gymnasiasten der Welt. Und die besten von ihnen wandern alle irgendwohin ab.

Das ist die eine Seite. Die der Personen. Die andere Seite ist die Freizügigkeit beim Güterverkehr. Es ist der Lieblingswunsch aller großen europäischen Unternehmen, dass Produkte freizügig quer und hin und her durch Europa befördert werden sollen. Daran wird sich mit Sicherheit so bald nix ändern. Wenn für Produkte, die in Ungarn produziert werden Einfuhrzölle gezahlt werden müssten ... Hab' ich hier schon mal geschrieben: Ja, dann wäre das Land sehr schnell am Ende. Aber erstens: Wer will das eigentlich? Und vor allem zweitens: Wer sind die, die das unter allen Umständen verhindern würden? Mal kurz überlegen!
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 13:22)

O.K. Du meinst nicht die Zahlungen sondern "Freizügigkeit" in Hinblick auf offene Grenzen. Das EU-Freizügigkeitsgesetz, das den Aufenthalt und die Einreise von Eu-Bürgern regelt. Hatte ich missverstanden.

Aber, Junge, ich kann nicht glauben, dass du so naiv bist, nicht zu sehen, was eigentlich läuft. Es gab hier in diesem Strang noch einen Diskutanten, der davon ausgeht, dass die ungarische Regierung ihre Bürger ins Ausland schickt.
Das ist nicht meine Ausdrucksweise. Die Menschen leben in Ungarn in extremer Armut. Viele suchen ihr Glück im Ausland, die Verträge mit der EU machen das leicht. Endet die Mitgliedschaft, endet die Möglichkeit. Das wäre für viele Menschen sehr bitter.
Das ist die eine Seite. Die der Personen. Die andere Seite ist die Freizügigkeit beim Güterverkehr. Es ist der Lieblingswunsch aller großen europäischen Unternehmen, dass Produkte freizügig quer und hin und her durch Europa befördert werden sollen. Daran wird sich mit Sicherheit so bald nix ändern. Wenn für Produkte, die in Ungarn produziert werden Einfuhrzölle gezahlt werden müssten ... Hab' ich hier schon mal geschrieben: Ja, dann wäre das Land sehr schnell am Ende. Aber erstens: Wer will das eigentlich? Und vor allem zweitens: Wer sind die, die das unter allen Umständen verhindern würden? Mal kurz überlegen!
Verhindern könnte solche Zölle nur die Gruppe der Politiker. Diese stehen über den Einzelinteressen von Firmen, die in Ungarn, in England, in der Ostukraine oder anderen Orten investiert sind, die unzugänglich werden könnten.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(17 Sep 2018, 13:31)
Das ist nicht meine Ausdrucksweise. Die Menschen leben in Ungarn in extremer Armut. Viele suchen ihr Glück im Ausland, die Verträge mit der EU machen das leicht. Endet die Mitgliedschaft, endet die Möglichkeit. Das wäre für viele Menschen sehr bitter.
Bitte. Auf der Basis einer solchen völligen Uninformiertheit kann man doch nicht sinnvoll politische Diskussionen führen ...

Die Menschen in Ungarn leben nicht in völliger Armut sondern (im europäischen Vergleich und im Weltvergleich sowieso) in einem moderaten Wohlstand. Und das Interesse an einer Mitgliedschaft Ungarns in der EU wird von der politischen Wirkung her eher von den Unternehmen durchgesetzt, die dort ausgelagerte Produktions- und ENtwicklungsstätten betreiben als von den Ungarn selbst. In Ländern wie Ungarn gibt es sowohl eine große Anzahl von Menschen, die für einen sofortigen EU-Austritt plädieren. Aber auch eine große Anzahl von Menschen, die viel engagierter für einen EU-Verleib eintreten als das in Westmitteleuropa der Fall ist.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mo 17. Sep 2018, 14:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 13:54)

Bitte. Auf der Basis einer solchen völligen Uninformiertheit kann man doch nicht sinnvoll politische Diskussionen führen ...
Ich habe die Zahlen vorhin genannt. Selbst in Kroatien ist das Einkommen höher. Im Durchschnitt unter 1000 Euro, im Median noch weniger - wer soll davon leben?
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(17 Sep 2018, 13:59)

Ich habe die Zahlen vorhin genannt. Selbst in Kroatien ist das Einkommen höher. Im Durchschnitt unter 1000 Euro, im Median noch weniger - wer soll davon leben?
Ich kann dir versichern, da ich mich sehr häufig in Ungarn aufhalte: Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung schickt fröhliche, gut ernährte und gut gekleidete Kinder in die Schulen. Wenn Du von "extremer Armut" sprichst, so hast du einfach keine Ahnung, was so in der Welt los ist.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 14:02)

Ich kann dir versichern, da ich mich sehr häufig in Ungarn aufhalte: Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung schickt fröhliche, gut ernährte und gut gekleidete Kinder in die Schulen. Wenn Du von "extremer Armut" sprichst, so hast du einfach keine Ahnung, was so in der Welt los ist.
Offenbar hast du andere Maßstäbe für Armut und Wohlstand als ich. http://www.pesterlloyd.net/html/1649armutksh.html
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(17 Sep 2018, 14:17)

Offenbar hast du andere Maßstäbe für Armut und Wohlstand als ich. http://www.pesterlloyd.net/html/1649armutksh.html
Der Artikel im Pester LLoyd beschreibt das, was in sehr vielen europäischen Ländern mal offen und mal verdeckt abläuft: Die Bildung einer permanent bestehenden Schicht von relativ Armen und sozial Ausgeschlossenen. Nur ein paar hundert Meter von meinem Arbeitsort entfernt hat man vor einigen Wochen einen Obdachlosen mit Benzin übergossen und angezündet. Das ist leider überall in Europa traurige Wirklichkeit.

Du sprachst davon, in Ungarn lebe man - also mehr oder weniger alle - in (wörtlich) "extremer Armut". Du wirst keinen Zentimeter bei der Analyse der politischen Situation weiter kommen, wenn Du das tatsächlich für den Normalfall hältst. Der Unterschied zu Ländern wie Tschechien oder Slowakei besteht darin, dass die Präsenz von großem Reichtum in UNgarn etwas weniger verpönt ist. Es gilt in Budapest als nicht ganz so peinlich, mit einem teuren Schlitten umherzufahren wie in Prag oder Bratislava.

Und noch weniger weit kommst Du bei der Analyse der politischen Vorgänge in Regionen der Welt, in denen tatsächlich eine Mehrheit von Menschen tatsächlich in extremer Armut lebt.

Die Ansicht in dem PL-Artikel, die Regierung Orbán versuche mit ihrer Sozialpolitik eine Art "Ständestaat" zu reetablieren ist durchaus zutreffend. Bedeutet aber auch keineswegs, dass "alle in extremer Armut" leben. Und hat mit dem Thema Eu-Recht und Eu-Rauswurf erstmal nix direkt zu tun. Diese Vorstellung "Ständestaat" ist Teil einer allgemeinen Rückorientierungspolitik. Man hat in der jüngst neu geschriebenen Verfassung den Begriff "Republik" gestrichen. Bewusst natürlich. Eigentlich ist eine "Republik" im Wesen das Gegenkonzept zu einer "Monarchie". Ungarn heißt jetzt nicht mehr "Republik Ungarn", auch nicht "Königreich Ungarn" sondern - dazwischen - nur noch "Ungarn".
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mo 17. Sep 2018, 14:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 14:36)

Der Artikel im Pester LLoyd beschreibt das, was in sehr vielen europäischen Ländern mal offen und mal verdeckt abläuft: Die Bildung einer permanent bestehenden Schicht von relativ Armen und sozial Ausgeschlossenen. Nur ein paar hundert Meter von meinem Arbeitsort entfernt hat man vor einigen Wochen einen Obdachlosen mit Benzin übergossen und angezündet. Das ist leider überall in Europa traurige Wirklichkeit.
In Deutschland sind solche Armenanzündereien eine absolute Ausnahme. Obdachlosigkeit ist hier eine Sache individueller Biographien, die Hilfsangebote und Sozialsysteme ablehnen aus ganz eigenen Gründen. Es ist nicht "überall in Europa" Ungarn.
Du sprachst davon, in Ungarn lebe man - also mehr oder weniger alle - in (wörtlich) "extremer Armut". Du wirst keinen Zentimeter bei der Analyse der politischen Situation weiter kommen, wenn Du das tatsächlich für den Normalfall hältst. Der Unterschied zu Ländern wie Tschechien oder Slowakei besteht darin, dass die Präsenz von großem Reichtum in UNgarn etwas weniger verpönt ist. Es gilt in Budapest als nicht ganz so peinlich, mit einem teuren Schlitten umherzufahren wie in Prag oder Bratislava.
Das Durchschnittseinkommen in Tschechien ist etwa ein Drittel höher als in Ungarn, zudem in Prag noch einmal besonders.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(17 Sep 2018, 14:42)

In Deutschland sind solche Armenanzündereien eine absolute Ausnahme. Obdachlosigkeit ist hier eine Sache individueller Biographien, die Hilfsangebote und Sozialsysteme ablehnen aus ganz eigenen Gründen. Es ist nicht "überall in Europa" Ungarn.


Das Durchschnittseinkommen in Tschechien ist etwa ein Drittel höher als in Ungarn, zudem in Prag noch einmal besonders.
Ja. Und die Durcschnittstemperatur ist auch ein wenig anders. Was sagt das denn nun politisch? Das Durchschnittseinkommen in der Uckermark und in Stuttgart liegt wahrscheinlich nochmal ein ganzes Stück weiter auseinander. Das hat kaum etwas mit grundsätzlichen Fragen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu tun. Vor allem sind eben Sätze wie "In UNgarn lebt man in extremer Armut" in ihrer simplen Verallgemeinerheit ... naja ... disqualifizierend irgendwie.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von imp »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 14:56)

Ja. Und die Durcschnittstemperatur ist auch ein wenig anders. Was sagt das denn nun politisch? Das Durchschnittseinkommen in der Uckermark und in Stuttgart liegt wahrscheinlich nochmal ein ganzes Stück weiter auseinander.
Vor allem beide sehr viel höher als irgendwo in Ungarn. Darum geht es hier ja: Die angebliche Wirtschaftswundermacht ist ein Armenhaus, das sich weitere Rückschläge nicht leisten kann.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Brainiac »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Sep 2018, 10:19)

Bei dieser Betrachtung muss in Rechnung gestellt werden,, dass diese EU-Fördermittel in der Hauptsache in Infrastrukturprojekte fließen. Genau das, was wesentlich und vorteilsbringend für Industrieansiedlungen und im Falle Polens speziell für Sonderwirtschaftszonen ist.

Ja, aber natürlich auch und vor allem für Ungarn selbst. Die Infrastruktur wird ja nicht nur von ausländischen Konzernen genutzt.
Natürlich sind diese EU-Zuwendungen nicht marginal. ABer die geläufigen politischen Diskussionen befördern eine völlig andere Erzählung. Nämlich die von einer quasi allein durch EU-Zahlungen aufrechterhaltenen Volkswirtschaft.

Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte liegen.
Warum ich auf eine Richtigstellung dieser Verhältnisse so bestehe: Man wird ansonsten das selbstgefällige, selbsbewusste Auftreten Viktor Orbáns einfach nicht verstehen können. Er hat diese großen Investoren auf seiner Seite. Die Tatsache, dass er mit EU-Infrastrukturgeldern sich eine Kleineisenbahn in seinem Heimatort bauen ließ, ist nicht nur ein EU-Skandal sondern die definitive Ansage: Ihr könnt mich mal!
Wie schon von mir und auch anderen geschrieben, hat man nicht den Eindruck, dass ihm die Kürzungsplanspiele - mehr ist es ja nicht - egal seien, absolut nicht. Meine Erklärung ist eine ganz andere: Orban weiß in den meisten westeuropäischen Ländern starke nationalistische Bewegungen an seiner Seite, die ihn als Held glorifizieren. Er weiß, dass Merkel aufgrund der Flüchtlingskrise massiv geschwächt ist, dass Brüssel geschwächt ist, dass Juncker geschwächt ist, etc. Deshalb und nur deshalb nimmt er sich dieses Auftreten heraus. Vor fünf Jahren hätte er das niemals gewagt.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Fliege »

Balsamico hat geschrieben:(06 Sep 2017, 22:23)
Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovakei)[?]
Mangelhafte Merkel-Treue ist kein Straftatbestand.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(17 Sep 2018, 20:54)

Mangelhafte Merkel-Treue ist kein Straftatbestand.
Was soll das nur? Hier ist von verweigerter Solidarität die Rede. Auch die ist keine Straftat... möglicherweise aber ein Vertragsbruch, wenn ein ordnungsgemäß mit Mehrheit gefaßter Beschluß nicht erfüllt wird. In dem Fall sind dann eben auch andere Beschlüsse zum Vorteil des Vertragsbrüchigen zu betrachten. Und genau das geschieht... nicht nur im Fall Ungarn und auch nicht nur im Fall verweigerte Solidarität.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(17 Sep 2018, 23:30)
Was soll das nur? Hier ist von verweigerter Solidarität die Rede. Auch die ist keine Straftat... möglicherweise aber ein Vertragsbruch, wenn ein ordnungsgemäß mit Mehrheit gefaßter Beschluß nicht erfüllt wird. In dem Fall sind dann eben auch andere Beschlüsse zum Vorteil des Vertragsbrüchigen zu betrachten. Und genau das geschieht... nicht nur im Fall Ungarn und auch nicht nur im Fall verweigerte Solidarität.
Der "ordnungsgemäße" Beschluss war so ordnungsgemäß, wie es Beschlüsse sein können, die erpresserisch zustande kommen.
Die Ungarn sagten von Beginn an, sie wollten Merkels Migranten nicht. Ich verstehe diesen Wunsch.
Zuletzt geändert von Fliege am Mo 17. Sep 2018, 23:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(17 Sep 2018, 23:44)

Der "ordnungsgemäße" Beschluss war so ordnungsgemäß, wie es Beschlüsse sein können, die erpresserisch zustande kommen.
Das kann jeder sagen, der sich mit einem Beschluß nicht anfreunden mag. Das bessere Argument ist Unterlegenen immer lästig.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(17 Sep 2018, 23:47)
Das kann jeder sagen, der sich mit einem Beschluß nicht anfreunden mag. Das bessere Argument ist Unterlegenen immer lästig.
Die Ungarn sagten von Beginn an, sie wollten Merkels Migranten nicht. Ich verstehe diesen Wunsch. Denn Merkel wollte ihre Migranten ebenfalls nicht wirklich, sondern nur scheinheilig, weswegen sie ihre Migranten allen anbot, die qua EU-Mitgliedschaft nicht weggucken konnten.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(17 Sep 2018, 23:50)

Die Ungarn sagten von Beginn an, sie wollten Merkels Migranten nicht. Ich verstehe diesen Wunsch. Denn Merkel wollte ihre Migranten ebenfalls nicht wirklich, sondern nur scheinheilig, weswegen sie ihre Migranten allen anbot, die qua EU-Mitgliedschaft nicht weggucken konnten.
Ihnen ist nicht zu helfen. Sie haben sich etwas in den Kopf gesetzt, von dem Sie nicht lassen mögen, komme was da wolle.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(18 Sep 2018, 00:04)
Ihnen ist nicht zu helfen. Sie haben sich etwas in den Kopf gesetzt, von dem Sie nicht lassen mögen, komme was da wolle.
Vielleicht lerne ich noch, wie man sich als Merkel-Burger richtig helfen lässt. :rolleyes:
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von JJazzGold »

Fliege hat geschrieben:(18 Sep 2018, 00:07)

Vielleicht lerne ich noch, wie man sich als Merkel-Burger richtig helfen lässt. :rolleyes:
Sie könnten damit anfangen, den Unterschied zwischen Migranten und Asylantragsteller zu erfassen.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Brainiac hat geschrieben:(17 Sep 2018, 20:29)
Wie schon von mir und auch anderen geschrieben, hat man nicht den Eindruck, dass ihm die Kürzungsplanspiele - mehr ist es ja nicht - egal seien, absolut nicht. Meine Erklärung ist eine ganz andere: Orban weiß in den meisten westeuropäischen Ländern starke nationalistische Bewegungen an seiner Seite, die ihn als Held glorifizieren. Er weiß, dass Merkel aufgrund der Flüchtlingskrise massiv geschwächt ist, dass Brüssel geschwächt ist, dass Juncker geschwächt ist, etc. Deshalb und nur deshalb nimmt er sich dieses Auftreten heraus. Vor fünf Jahren hätte er das niemals gewagt.
In Hinblick auf Außenpolitik sehe ich das ganz ähnlich. Die Veränderungen in Österreich und vor allem in Italien in allerjüngster Zeit geben einem Politiker wie Orbán sehr mächtigen Rückhalt.

Wirtschaftlich und in Bezug auf EU-Zahlungen muss man zwei DInge beachten: Wie schon beschrieben die (im Vergleich zu Staaten Südeuropas) völlig solide Haushaltsverschuldungssituation. Und zum anderen natürlich, dass Infrastrukturmaßnahmen nicht rücknehmbar sind. Die Autobahnen, auf denen Produkte aus Standorten in Ungarn in kürzester Distanz nach Westmitteleuropa geliefert werden können, sind nun gebaut und können nicht wieder "eingerollt" werden. Insofern sind Kürzungen von EU-Zahlungen mehr und mehr unproblematisch für die Regierung Orbán.

Alle seriösen Analysen für die tatsächliche und reale ökonomische Situation von Ländern wie Ungarn stellen weitaus mehr das Problem der Fachkräfteabwanderung in den Fokus. Das ist wirklich und tatsächlich eine tickende Zeitbombe. Investoren wollen nicht nur jetzt sondern auch langfristig jederzeit verfügbare Ingenieure, Informatiker usw. vor Ort. Wenn das nicht gewährleistet ist, ziehen sie weiter. Und da ist Ungarn mit seinen gerade mal 10 Millionen Menschen einfach schlecht dran. Das sieht in Polen oder Rumänien schon mal ganz anders aus.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(18 Sep 2018, 00:07)

Vielleicht lerne ich noch, wie man sich als Merkel-Burger richtig helfen lässt. :rolleyes:
Na ja, da gibt es leider ziemlich gegensätzliche Erfahrungen: Mit zunehmendem Alter überfällt die einen die Altersmilde und die anderen der Altersstarrsinn... ok und manche leider auch die Demenz. Suchen Sie sich die beste Entwicklung für sich aus. :)
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von Brainiac »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Sep 2018, 08:53)
Die Autobahnen, auf denen Produkte aus Standorten in Ungarn in kürzester Distanz nach Westmitteleuropa geliefert werden können, sind nun gebaut und können nicht wieder "eingerollt" werden. Insofern sind Kürzungen von EU-Zahlungen mehr und mehr unproblematisch für die Regierung Orbán.
Das ist mir nicht plausibel. Infrastruktur besteht nicht nur aus Autobahnen, und ist als Aufgabe nie fertig, wie man ja auch an Deutschland sieht. Da auf einen einen konstanten externen Finanzier zurückgreifen zu können, ist äußerst wohltuend und dessen Wegfall ebenso schmerzlich.

Siehe meinen oben verlinkten Deutschlandfunkkultur-Artikel. Da geht es um Gewächshäuser, Hochwasserdeiche, Kinderkrippen, Bibliotheken, Wasserkraftwerke, Radfahrwege und allerlei mehr, alles mit den Mitteln aus dem EU-Strukturfonds.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von H2O »

Aus Polen kann ich Ähnliches berichten... zumindest aus West-Pommern. Allerorten sieht man Infrastrukturvorhaben im Bau oder auch schon fertig gestellt, und fast immer strahlt den Betrachter das blaue EU-Sternenbanner an: "Gemeinschaftliches Regionalprojekt Mecklenburg-Vorpommern und West-Pommern", oder "Gemeinschaftlich mit der EU aus dem Regionalfonds finanziertes Projekt". Es geht also sichtlich voran in dieser Region... und ohne die Mittel der EU könnte diese Aufbauarbeit gar nicht angefaßt werden. Leider habe ich keine Vorstellung, ob "gemeinschaftlich finanziert" = "zur Hälfte finanziert" oder ="zu 90% finanziert" heißt.

Eine autobahnähnliche Verbindung (kreuzungsfrei) zwischen Stettin und Swinemünde ist inzwischen sehr weitgehend fertig gestellt worden.

Ich finde diese Leistungen der EU auch wirklich ganz wunderbar, und so sollte es noch lange weiter gehen, bis erkennbare Unterschiede beiderseits der Oder-Neiße-Grenze beseitigt sind. Deshalb bin ich auch ziemlich grimmig, wenn derzeit polnische Politiker so tun, als könnten sie darauf verzichten.

In den beiden großen unabhängigen Tageszeitungen "Gazeta Wybocza" und "Rzeczpospolita" erwecken Kommentatoren jedenfalls nicht diesen Eindruck.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von schokoschendrezki »

Brainiac hat geschrieben:(18 Sep 2018, 19:04)

Das ist mir nicht plausibel. Infrastruktur besteht nicht nur aus Autobahnen, und ist als Aufgabe nie fertig, wie man ja auch an Deutschland sieht. Da auf einen einen konstanten externen Finanzier zurückgreifen zu können, ist äußerst wohltuend und dessen Wegfall ebenso schmerzlich.

Siehe meinen oben verlinkten Deutschlandfunkkultur-Artikel. Da geht es um Gewächshäuser, Hochwasserdeiche, Kinderkrippen, Bibliotheken, Wasserkraftwerke, Radfahrwege und allerlei mehr, alles mit den Mitteln aus dem EU-Strukturfonds.
Immer der Reihe nach. Mittel aus EU-Strukturfonds werden in aller Regel in konkrete Projekte gegeben. Die dann auch entsprechend auszuweisen sind. Und die irgendwann aber auch abgeschlossen sind. Die wichtige Frage in diesem Thread ist, ob die Abhängigkeit eines Lands wie Ungarn von solchen Projektunterstützungen so hoch ist, dass ein Entzug staatsgefährdend wäre. Ich sage noch mal und entschieden: Die Radwege zur Tourismusförderung rund um den Neusiedler See sind sicherlich beachtlich, stehen aber in überhaupt keinem Verhältnis zu den Steuereinnahmen der Stadt Györ gleich daneben, wo sich eines der welweit modernsten und größten Motorenentwicklungs- und Produktionszentren der Firma Audi befindet. Das ist die Relation.

Der verlinkte Bericht von DR Kultur ... wie so viele ähnliche auch beginnt mit der Nennung einer kumulativen, aufgelaufenen Zahlungssumme und nicht einer zeiteinheitsbezogenen. Und ich behaupte, dass das (vielleicht unbewusste) Psychologie ist. Die Herausstellung offen gezahlter Nettotransfers und die Verdeckung der eigentlichen und viel größeren Rückflüsse. Im Sinne einer Aufrechterhaltung dieser "Zahlmeister Europas"-Legende. Bzw. der Erzählung vom Parasitentum der Osteuropäer.

Worum es aber eigentlich geht, ist etwas ganz anderes: Nicht "uns vor den Ungarn" sondern die Minderheit der demokratisch tickenden Ungarn vor ihrem autokratischen Herrscher und der Mehrheit der autokratisch tickenden Ungarn zu beschützen. So pointiert formuliert ist das eine sehr problematische, schwierige und schwer zu begründende Sache. Ich bin aber dennoch voll und ganz dafür.
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Re: Wie abwegig ist es mit Rauswurf aus der EU zu drohen für mangelhafte Solidarität (Ungarn, Polen, Tschechien, Slovake

Beitrag von odiug »

Ich verstehe nicht ganz, warum die Prämisse des Eingangspost ,ein mögliche Ausschluss von Polen oder Ungarn hätten was mit der Weigerung zu tun, Flüchtlinge aufzunehmen, einfach unwidersprochen fortgeführt wird in der Diskussion .
Diese Weigerung ist nur ein Symptom einer Politik, die den Grundsätzen der Europäischen Union widerspricht.
Es geht also um viel mehr, als um Flüchtlinge.
Diese Verengung gesellschaftlicher Aufgaben, Zukunftsgestaltung, Konflikte und Politik auf ein aufgebauschtes Problem ist ... gelinde gesagt zum kotzen.
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