Italiens schleichender Niedergang

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schokoschendrezki
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 09:52)

Das ist wohltuend ehrlich! Wie wollen wir armen Wirtschaftslaien bewerten, wie Italien dasteht? Ein Gerücht, das mir wiederholt begegnet ist: Italien hat reiche Bürger, ist aber ein armer Staat. Nachprüfen kann ich so etwas auch nicht. Mir sind dort Kollegen begegnet, übrigens in jahrelanger gemeinsamer Arbeit, die ...entsprechende Sprachkenntnisse vorausgesetzt... ohne Schwierigkeiten auch in Germanien mithalten könnten. Ich habe gern dort gelebt und gearbeitet. Deshalb tut es mir immer wieder weh, wenn in sicherem Abstand auf dem Land herum gehackt wird.

Unbestritten gibt es dort böse Macken; aber auch bei uns in D oder PL muß ich nicht besonders lange suchen, um mich über solche Macken zu ärgern!
Ja. In der Art und Weise berichten Reisereporter oder Autoren von Magazinartikeln, Feature-Beiträgen über ein Land. Vielfarbig, ungeschönt, mit direkten Eindrücken von Land und Leuten. Aber ökonomische und/oder staatsfinanzielle Prognosemodelle ... das ist dann eben noch ein anderes und ziemlich trockenes Ding. Es gibt (wohl) einige Ökonomen, die ganz offen zugeben, dass ihre quantitativen Modelle entweder veraltet, zu sehr vereinfacht oder auch zu sehr verwissenschaftlicht in dem Sinne sind, dass sie mit der ökonomischen Realität nur noch wenig zu tun haben.
Unrealistische mathematische Modelle diskreditieren die Wirtschaftswissenschaft. Eine Neuausrichtung der Volkswirtschaftslehre wäre erforderlich. ... Doch das größte Problem der Wirtschaftswissenschaft besteht meines Erachtens darin, mathematische Modelle zu verwenden, welche die Lebenswirklichkeit der Menschen nicht ausreichend analysieren können. Dies gilt vor allem für die Theorien der Neoklassik, die zurzeit die dominierende volkswirtschaftliche Denkschule darstellt. Die neoklassischen Modelle mögen mit einiger logischer Eleganz daherkommen. Doch zur Erklärung der Realität sowie als Grundlage für politische Entscheidungen sind sie nicht geeignet. Denn Modelle müssen auf gewissen Grundannahmen aufbauen, welche die gesamte Komplexität menschlichen Verhaltens jedoch nicht erfassen können. Darüber hinaus sind die Prämissen der Neoklassik als ziemlich weltfremd zu bezeichnen.
Eine Passsage aus einem der vielen ökonomie-kritischen Artikel jüngerer Zeit. Und das Thema des Threads fragt eben nicht (nur) nach einem IST-Zustand sondern stellt ausdrücklich die Frage nach einem "Niedergang". Die ist ohne Prognose nicht beantwortbar.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Wähler »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Apr 2017, 08:41)
In einem Focus-Artikel mit dem bezeichnenden Titel "Deutschland im Sinkflug" von Mitte November (also einigermaßen aktuell) las ich folgende Passage:
http://www.focus.de/finanzen/altersvors ... 17502.html
Es bestätigt, was ich eigentlich schon seit langem denke: Fragen nach dem "Niedergang" (oder "Aufstieg") ganzer Staaten sind einfach nicht eindimensional beantwortbar. Staatsverschuldung, Exportstärke, Demographie, politische Stabilität usw. usf. müssen gegeneinder aufgerechnet werden, und das führt zu sehr komplexen und möglicherweise auch sogar sozusagen randchaotischen Prognosemodellen. Und worüber sich selbst Experten die Köpfe zerbrechen und in der Regel eher darüber nachdenken, wie sie ihre Ratlosigkeit kaschieren könnten, sind interessierte Laien (wie ich) ohnehin überfordert. In der Regel behilft man sich dann mit kulturalistischen Vorurteilen und argumentiert mit eingeübten Narrativen: Wie sie denn so sind, die Italiener. Dass sie guten Espresso zubereiten können und sich geschmackvoll zu kleiden wissen. Das ist bezüglich der Ursprungsfrage aber eigentlich vollkommen irrelevant.
Wir Euro-Europäer dürfen auch nicht vergessen, dass wir den Südländern mit der Zins- und Geldpolitik der EZB in Wirklichkeit keinen Gefallen tun. Während Deutschland sowohl von den niedrigen Zinsen im Euro-Raum, als auch von dem niedrigen Euro-Kurs für seine Exporte außerhalb des Euro-Raumes profitiert, nutzen die Südländer die niedrigen Zinsen innerhalb des Euro-Raumes zu wenig für Investitionen. Wären die Zinsen höher, müssten die Südländer zwar mehr Haushaltsgelder für die Bedienung der Staatsanleihen-Gläubiger aufwenden, spürten aber auch stärker den finanziellen Druck, um endlich ihren Wirtschaftsraum zu modernisieren. Kommen die Südländer nicht endlich auf die Beine, drohen den deutschen Staatsanleihen-Gläubigern hohe Verluste durch Staatsschuldenschnitte. Das ist und bleibt die Kehrseite der Medaille der vermeintlichen deutschen Stärke.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Apr 2017, 11:30)

Ja. In der Art und Weise berichten Reisereporter oder Autoren von Magazinartikeln, Feature-Beiträgen über ein Land. Vielfarbig, ungeschönt, mit direkten Eindrücken von Land und Leuten. Aber ökonomische und/oder staatsfinanzielle Prognosemodelle ... das ist dann eben noch ein anderes und ziemlich trockenes Ding. Es gibt (wohl) einige Ökonomen, die ganz offen zugeben, dass ihre quantitativen Modelle entweder veraltet, zu sehr vereinfacht oder auch zu sehr verwissenschaftlicht in dem Sinne sind, dass sie mit der ökonomischen Realität nur noch wenig zu tun haben.



Eine Passsage aus einem der vielen ökonomie-kritischen Artikel jüngerer Zeit. Und das Thema des Threads fragt eben nicht (nur) nach einem IST-Zustand sondern stellt ausdrücklich die Frage nach einem "Niedergang". Die ist ohne Prognose nicht beantwortbar.
Dazu fällt mir Zweierlei ein:
  • Die Versuchung war eben groß, die Wirtschaftswissenschaften zu einer "Naturwissenschaft" um zu arbeiten. So wie wir das in der ärztlichen Kunst erlebt haben, die heute mit weitaus weniger Makumba und dafür doch sehr biologie-, chemie- und physiklastig auftritt. Aber immerhin gibt es noch kein mathematische Gleichungssystem zur Beschreibung einer erfolgreichen Behandlung. Wer weiß, wie viele Dissertationen und Habilitationen sich mit diesen mathematischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften befaßt haben. Wer immer strebend sich bemüht... Die Wissenschaft muß weiter suchen.

    Aber es muß doch etwas dran sein an diesen Modellierungen; das schließe ich aus dem "Hochfrequenz-Handel" mit Aktien, bei dem die schnellsten verfügbaren Rechner kleinste Wertveränderungen von Aktien mit Hilfe mathematischer Modelle erspüren und kaufen sowie verkaufen. Eine wichtige Kritik daran sagt aber, daß es sich hier eher um "Insidergeschäfte" handelt, weil diese Superrechner sich innerhalb der Börsengebäude viel schneller Zugang zu den aktuellen Daten verschaffen können, als ein Händler in einigen hundert Kilometer Entfernung. Dann wäre das mehr eine Gesetzeslücke ausgenutzt als eine angewandte Wissenschaft.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Alter Stubentiger »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 16:58)

Dazu fällt mir Zweierlei ein:
  • Die Versuchung war eben groß, die Wirtschaftswissenschaften zu einer "Naturwissenschaft" um zu arbeiten. So wie wir das in der ärztlichen Kunst erlebt haben, die heute mit weitaus weniger Makumba und dafür doch sehr biologie-, chemie- und physiklastig auftritt. Aber immerhin gibt es noch kein mathematische Gleichungssystem zur Beschreibung einer erfolgreichen Behandlung. Wer weiß, wie viele Dissertationen und Habilitationen sich mit diesen mathematischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften befaßt haben. Wer immer strebend sich bemüht... Die Wissenschaft muß weiter suchen.

    Aber es muß doch etwas dran sein an diesen Modellierungen; das schließe ich aus dem "Hochfrequenz-Handel" mit Aktien, bei dem die schnellsten verfügbaren Rechner kleinste Wertveränderungen von Aktien mit Hilfe mathematischer Modelle erspüren und kaufen sowie verkaufen. Eine wichtige Kritik daran sagt aber, daß es sich hier eher um "Insidergeschäfte" handelt, weil diese Superrechner sich innerhalb der Börsengebäude viel schneller Zugang zu den aktuellen Daten verschaffen können, als ein Händler in einigen hundert Kilometer Entfernung. Dann wäre das mehr eine Gesetzeslücke ausgenutzt als eine angewandte Wissenschaft.
Der Hochfrequenzhandel funktioniert nur solange die Marktteilnehmer sich an die Annahmen halten denen die Algorithmen zugrunde liegen. Wenn plötzlich viele Menschen, womöglich panikgesteuert, die Domäne der Algorithmen betreten funktionieren diese nicht mehr richtig. Die Folge ist ein Crash. Ich würde sagen Wissenschaft im Bereich der Wirtschaft funktioniert nur bei schönem Wetter.
Niemand hat vor eine Mauer zu errichten (Walter Ulbricht)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(19 Apr 2017, 17:15)

Der Hochfrequenzhandel funktioniert nur solange die Marktteilnehmer sich an die Annahmen halten denen die Algorithmen zugrunde liegen. Wenn plötzlich viele Menschen, womöglich panikgesteuert, die Domäne der Algorithmen betreten funktionieren diese nicht mehr richtig. Die Folge ist ein Crash. Ich würde sagen Wissenschaft im Bereich der Wirtschaft funktioniert nur bei schönem Wetter.
So bitterböse will ich Wirtschaftswissenschaften vorsichtshalber doch nicht einordnen. Da ist eben noch viel zu forschen und zu arbeiten. War ja in der ärztlichen Kunst nicht anders: Von Makumba zu den Naturwissenschaften.

Auch beim Hochfrequenz-Handel vermute ich jetzt keine weltbewegenden Theorien, sondern nur die nachrichtentechnische Nähe zu den Informationsquellen. Angeblich geht es dabei um Mikrosekunden, die der Superrechner im Börsengebäude einem vergleichbaren Superrechner in einigen hundert Kilometern voraus hat. Der vorteilhafte Standort scheint gesetzlich zugelassen zu sein: Eine Genehmigung zum Geld Drucken!
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Hyde
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Hyde »

elmore hat geschrieben:(19 Apr 2017, 00:28)
Solange das nicht geschieht, dringend notwendige Strukturreformen, ist der Threadtitel durchaus angebracht. Gleiches gilt mit Abstrichen natürlich auch für FRA.
Aber es ist anzuzweifeln, dass sich in beiden Ländern etwas Entscheidendes - zum Positiven - ändern wird.
Ich sehe Frankreich nicht so negativ. Im Vergleich zu Italien hat Frankreich dann doch viele entscheidende Vorteile. Frankreich wächst zwar wirtschaftlich auch nicht wirklich zufriedenstellend, leidet aber auch nicht unter der schon chronisch zu nennenden Wachstumsschwäche Italiens. Frankreich hat im Gegensatz zu Italien kein demographisches Problem. Frankreich hat im Gegensatz zu Italien eine moderne Familienpolitik, die eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen mit den entsprechenden positiven wirtschaftlichen Effekten sicherstellt. Frankreich hat eine geringere Schuldenquote als Italien. Frankreich hat eine wesentlich geringere Korruption als Italien. Und: Frankreich könnte vor einer wirtschaftsliberalen Wende stehen, wenn man den Programmen von Macron und Fillon Glauben schenkt.

Frankreich wird sich berappeln, früher oder später. Bei Italien bin ich da aufgrund der doch dramatisch umfassenden Probleme deutlich skeptischer.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Hyde »

Vor drei Jahren versprachen der Finanzminister und auch sein damaliger Regierungschef, Matteo Renzi, fürs Jahr 2017 einen "nahezu ausgeglichenen Haushalt", mit einem Defizit von nur noch etwa 0,3 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der gesamten Wirtschaftsleistung des schönen Südlandes. Tatsächlich nimmt der italienische Staat in diesem Jahr über zwei Prozent des BIP an neuen Krediten auf - etwa das Siebenfache des Annoncierten. Damit steigt natürlich auch die Gesamtverschuldung kräftig weiter, nach amtlichen italienischen Zahlen auf 132,5 Prozent des BIP - ein neuerlicher Negativrekord.

Doch nun soll es eine drastische Kurswende geben: Im nächsten Jahr liegt die neue Kreditaufnahme laut Padoans Finanzplan bei nur noch bei 1,2 Prozent des BIP, und soll danach, 2019, sogar auf sagenhaft niedrige 0,2 Prozent fallen. Damit wäre der italienische Staatshaushalt endlich "nahezu ausgeglichen". Auch die Gesamtverschuldung würde erstmals seit vielen Jahren nennenswert reduziert, um vier Prozentpunkte. Und das alles, obwohl das Wachstum auch in Padoans Zahlen eher mau bleibt.

Nachrechnen sollte man die schönen Plandaten besser nicht so genau. Sonst findet man, wie die eher regierungsnahe Tageszeitung "La Repubblica", große schwarze Löcher.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 43638.html
Der italienische Finanzminister plant für 2019 mit einem ausgeglichenen Haushalt. Allerdings wird angezweifelt, dass dies machbar ist. Schon 2014 wurde für 2017 eigentlich ein ausgeglichener Haushalt versprochen.
elmore

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von elmore »

Hyde hat geschrieben:(20 Apr 2017, 01:06)

Ich sehe Frankreich nicht so negativ. Im Vergleich zu Italien hat Frankreich dann doch viele entscheidende Vorteile.
...
Frankreich wird sich berappeln, früher oder später. Bei Italien bin ich da aufgrund der doch dramatisch umfassenden Probleme deutlich skeptischer.
Das sehe ich genauso. Wollte die bessere Ausgangsposition von FRA gar nicht in Frage stellen. Ich schrieb ja auch "mit Abstrichen" , dass die Situation von Frankreich nicht identisch ist mit der Lage Italiens.
Und anhand der von mir schon eingestellten Basiszahlen lässt sich das auch ganz gut verifizieren.

Italien hat Stand 2017 bei der Jugendarbeitslosigkeit (in der Gruppe der 16-24 Jährigen) eine unsägliche Quote von 35% Erwerbslosen.
Die von FRA ist zwar nicht so hoch, aber knapp 24 % der Franzosen in der genannten Altersgruppe sind ebenfalls erwerbslos.
Im Vergleich hat D ca. 6.6% Erwerbslose in dieser Gruppe.

Das finde ich furchtbar, immerhin reden wir hier nicht von Entwicklungsländern, sondern der 2. und 3. größten Volkswirtschaft innerhalb der Eurozone.
Ohne dabei auf Italien oder Frankreich politisch herumtreten zu wollen. Keineswegs. Aber es hat sich weder in ITA noch in FRA an dieser Situation etwas getan.
Die Gesamtzahl der Erwerbslosen stagniert in beiden Ländern ebenfalls auf viel zu hohem Niveau. FRA knapp 10% und ITA sogar gut 11%.
Verändert hat sich in den letzten fünf Jahren trotz -wenn auch nur bescheidener Wachstumserfolge- in beiden Ländern an dieser Situation nichts.
Die Chancen bzw. Zukunftsperspektiven für junge Leute am Anfang ihres Berufslebens sind in beiden Ländern zum "Gotterbarmen".

Und wenn FRA sein Bildungs- bzw. Ausbildungssystem und das damit tief verwurzelte Denken, dass dafür ausschließlich der Staat zuständig sei
und auf der anderen Seite sehr starke Gewerkschaften auf dem Rücken der jungen Leute die Absicherung ihrer älteren, in gesicherten Positionen
bzw. Arbeitsverhältnissen stehenden Klientel mit Zähnen und Klauen verteidigen, ist das auch für FRA eine Herkulesaufgabe…

Hier noch eine recht gute Zusammenfassung über das Schul- bzw. Ausbildungssystem Frankreichs, die stellvertretend
veranschaulicht, von was die Rede ist, wenn es um dringend notwendige Strukturreformen geht.

http://www.tagesschau.de/ausland/hinter ... ch100.html

Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich
Immer noch "Génération précaire"
"Ein altes, eliteschaffendes Bildungssystem"
...
"Manuelle Arbeit immer verbunden mit Schulversagen"
...
"Unternehmen fühlen sich nicht verantwortlich"

---
Dass Italien hier noch viel mehr Reformbedarf hat, um die gesamte Situation am Arbeitsmarkt hinsichtlich der Zukunftsperspektiven (besonders der jungen Leute) zu verbessern, ist unbestritten und auch evident.



Allgemein:
Natürlich kann man all die Zahlen als theoretische Wichtigtuerei der Wirtschaftswissenschaften oder von abgehobenen Statistikern ansehen und die Realität dieser Zahlen
anzweifeln. Ihren Aussagewert für den Zustand eines Landes negieren oder sogar ignorieren, weil sie die Realität nicht abbilden würden, oder zumindest zu negativ.
Kann man schon machen. Bitte sehr. :)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(20 Apr 2017, 01:21)

http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 43638.html
Der italienische Finanzminister plant für 2019 mit einem ausgeglichenen Haushalt. Allerdings wird angezweifelt, dass dies machbar ist. Schon 2014 wurde für 2017 eigentlich ein ausgeglichener Haushalt versprochen.
Wir sollten nicht vergessen, daß unser Finanzminister Schäuble unsere deutsche Schwarze Null auch seit Jahren angestrebt hatte, bis er sie endlich erreichen konnte. Ich vermute, daß das deutsche Haushaltssicherungsgesetz mit seiner Schuldenbremse dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.

Auf diese Art und Weise erlangen wir und unsere Partner wieder politische Handlungsfreiheit und Gestaltungsspielräume zurück.
Ger9374

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Ger9374 »

Es ist an Italien seine Bankenmisere und hohen
Staatsschulden überhaupt mal zu realisieren.
Die Wirtschaft und der Konsum sind durchaus nicht die Schwächen des Landes. Politische Stabilität wird auch immer besser. Korruption scheint in Italien nur eindämmbar zu sein, zu sehr sind Staat und organisiertes Verbrechen schon verwoben.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 16:58)

Dazu fällt mir Zweierlei ein:
  • Die Versuchung war eben groß, die Wirtschaftswissenschaften zu einer "Naturwissenschaft" um zu arbeiten. So wie wir das in der ärztlichen Kunst erlebt haben, die heute mit weitaus weniger Makumba und dafür doch sehr biologie-, chemie- und physiklastig auftritt. Aber immerhin gibt es noch kein mathematische Gleichungssystem zur Beschreibung einer erfolgreichen Behandlung. Wer weiß, wie viele Dissertationen und Habilitationen sich mit diesen mathematischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften befaßt haben. Wer immer strebend sich bemüht... Die Wissenschaft muß weiter suchen.
Der Vergleich Medizin und Ökonomie ist schon interessant und regt zum Nachdenken an. Auch wenn das etwas vom Thema ablenkt. Ärzte können heute in vielen Fällen ziemlich sicher einen mittel- oder sogar langfristigen Krankheitsverlauf prognostizieren, obwohl der menschliche Körper ein ziemlich komplexes Gebilde ist. Es gibt aber einen sehr wichtigen und grundlegenden Unterschied: Menschliche Körper gibts selbst zur Jetztzeit ein paar Milliarden und wenn man noch die Vergangenheit dazunimmt etliche mehr. Und sie sind zumindest prinzipiell von immer gleicher Struktur. Das ist bei den einzelnen und insgesamt leicht abzählbaren Volkswirtschaften keineswegs der Fall. Deshalb brauchen Ärzte eher weniger mathematische Modelle und eher mehr systematisierte Erfahrungen sowie qualitative naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Während Volkswirtschaftler eigentlich immer mit Situationen konfrontiert sind, die es so noch nicht gegeben hat: Das Italien der Gegenwart mit EU-Mitgliedschaft, politischem System, Euro-Währung und so weiter und mit einer konkreten itialienischen Wirtschaftsstruktur zum Beispiel. Man muss also auf eine sehr viel abstraktere Ebene, um quantitative und wenigstens mittelfristige Prognosemodelle zu erstellen. Oder sich eingestehen, dass das im Prinzip eigentlich nicht möglich ist.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Apr 2017, 11:09)

...Während Volkswirtschaftler eigentlich immer mit Situationen konfrontiert sind, die es so noch nicht gegeben hat: Das Italien der Gegenwart mit EU-Mitgliedschaft, politischem System, Euro-Währung und so weiter und mit einer konkreten itialienischen Wirtschaftsstruktur zum Beispiel. Man muss also auf eine sehr viel abstraktere Ebene, um quantitative und wenigstens mittelfristige Prognosemodelle zu erstellen. Oder sich eingestehen, dass das im Prinzip eigentlich nicht möglich ist.
Damit haben Sie vermutlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Dennoch sehe ich einigermaßen ehrfürchtig meinen Hausarzt wirken. Ich möchte nicht so weit gehen, die Modellbeschreibung wirtschaftlicher Abläufe für unergiebig zu erklären. In Teilbereichen gibt es statistische Modelle und Filter, die offenbar einige Leute systematisch reich gemacht haben. Zumindest glauben diese Glückspilze das so. Die Literaturquelle dazu habe ich längst vergessen... ich wollte mein Glück mit Ingenieursarbeit suchen. Das ging mit viel harter Arbeit und einigen guten Einfällen :)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 09:52)

Ein Gerücht, das mir wiederholt begegnet ist: Italien hat reiche Bürger, ist aber ein armer Staat. Nachprüfen kann ich so etwas auch nicht.
Selbstverständlich könnten Sie das.

Sie müssten sich z.B. nur ansehen, wer die Gläubiger der Staatsschulden sind.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(27 Apr 2017, 01:39)

Selbstverständlich könnten Sie das.

Sie müssten sich z.B. nur ansehen, wer die Gläubiger der Staatsschulden sind.
Könnten Sie mich bitte an Ihrem Wissen teilhaben lassen, ohne daß ich einen Ausflug ins uferlos Blaue machen muß? Wer also sind diese Gläubiger? Herr Draghi, Herr Schäuble oder wer sonst?
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von unity in diversity »

Derweil man in den deutschen Medien schwarze, gelbe und grüne Luftballons feiert, rumort es in Italien:
http://m.20min.ch/ausland/news/story/24415611
Der Norden will seinen Niedergang stoppen.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Inzwischen hat der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella das italienische Parlament aufgelöst, und für März 2018 sind Parlamentswahlen angesetzt. Die Regierung Paolo Gentilioni wird bis dahin noch die Geschäfte führen.

Seit also Matteo Renzi in einem Anflug von Größenwahn sein politisches Schicksal mit einer umfassenden Staatsreform verband und krachend scheiterte, befindet sich Italien im galoppierenden Zerfall. Inzwischen finden schräge Vögel wie der mehrfach gescheiterte Silvio Berlusconi politische Zustimmung... an dem Politiker hängt auch ein Bündel anderer unappetitlicher Parteien, wodurch sich über Wahlbündnisse auch Machtoptionen verbessern. Als Wettbewerber treten die Cinque Stelle an, die sich nach einem kleinen Dämpfer wegen erwiesener politischer Unfähigkeit ganz offensichtlich wieder gefangen haben. Es könnte natürlich auch sein, daß die mediale Darstellung diese politischen Strömungen überzeichnet und aufwertet.

Zunächst sieht es also ziemlich schlecht aus für die klassischen liberaldemokratischen Parteien Italiens aus. Die durchwachsene wirtschaftliche Lage des Landes hat zu weit verbreiteter Ablehnung der Regierungspartei geführt... trotz tüchtiger Finanzspritzen aus der EZB will Italiens Wirtschaft nicht auf Drehzahl kommen.

Damit zeichnen sich neue, der EU abträgliche politische Entwicklungen ab. Italien wird für den Euro vom ernsten Problemfall zum sehr ernsten Problemfall, wodurch der Euro einstürzen könnte. Auch sind die denkbaren neuen italienischen Regierungen euroskeptisch bis eurofeindlich ausgerichtet. Denen geht die ganze EU am Allerwertesten vorbei.

Aus meiner Sicht steht der EU 2018 sehr heftiger Streit und Auflösung bevor, trotz der so hoffnungsvoll begonnenen Amtszeit des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron mit ihren großen europäischen Absichten. Zugleich schwächelt Deutschland politisch trotz brummender Wirtschaft und unerwartet hoher Steuereinnahmen. Die deutschen politischen Parteien haben sich in einem Gestrüpp "roter Linien" eingerichtet... zum Regieren fehlt offenbar jeder innere Antrieb.

Italien geht unter diesen Randbedingungen ganz schweren Zeiten entgegen, weil der Mittelzufluß aus der EZB ins Stocken gerät oder ganz abbricht. Kein Wunder bei einer Staatsverschuldung in der Höhe von zwei BIP.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(31 Dec 2017, 10:37)
Staatsverschuldung in der Höhe von zwei BIP.
Warum streuen Sie hier Falschinformationen?
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(31 Dec 2017, 12:30)

Warum streuen Sie hier Falschinformationen?
Warum nennen Sie nicht`ganz einfach den zutreffenden Wert 1,32 BIP? Wird die Sache dadurch besser?
Senexx

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(31 Dec 2017, 12:32)

Warum nennen Sie nicht`ganz einfach den zutreffenden Wert 1,32 BIP? Wird die Sache dadurch besser?
1. Es ist ein erheblicher Unterschied.

2. Bevor Sie hier Zahlen zum Schuldenstand in den Raum stellen, sollten Sie sich mit der Materie etwas auseinandersetzen. Zum Beispiel mit der Struktur der Schulden, den Schuldnern und den Gläubigern usw.

Aber ich möchte Sie nicht weiter vom Schwadronieren abhalten. EOD.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(31 Dec 2017, 13:36)

1. Es ist ein erheblicher Unterschied.

2. Bevor Sie hier Zahlen zum Schuldenstand in den Raum stellen, sollten Sie sich mit der Materie etwas auseinandersetzen. Zum Beispiel mit der Struktur der Schulden, den Schuldnern und den Gläubigern usw.

Aber ich möchte Sie nicht weiter vom Schwadronieren abhalten. EOD.
Stänkern ist offenbar eine Ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Denn auch diese aus Ihrer Sicht vernachlässigten Dinge hätten Sie mühelos nachtragen können.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

Sie müssten nur lesen, was ich schon im April 3 Postings über dem Ihrigen gepostet habe.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Nomen Nescio »

für 24 stunden gesperrt. beste wünsche für 2018.

NN, mod
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Im Vorfeld zu den italienischen Parlamentswahlen gibt es ein düsteres Bild:

http://www.epochtimes.de/politik/europa ... 14875.html
  • Allgemein wird erwartet, dass bei der Parlamentswahl im März keines der drei großen politischen Lager eine eigene Mehrheit erringt. Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) kann laut Umfragen mit 28 Prozent der Stimmen rechnen und die Demokratische Partei (PD) mit 25 Prozent. Dem Rechtsbündnis aus Forza Italia, der Lega Nord (LN) und der Partei Fratelli d’Italia (FDI) wird zusammen mehr als 35 Prozent der Stimmen zugetraut.
Keine der um die Mehrheit ringenden Parteien und Parteienbündnisse erreicht so eine Mehrheit zur Regierungsbildung. Deshalb gibt es nun schon Überlegungen, eine GroKO aus PD und dem Rechtsbündnis zu bilden... weil mit M5S kein Staat zu machen ist, politische Stabilität für Italien aber überlebenswichtig ist.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von unity in diversity »

H2O hat geschrieben:(09 Jan 2018, 19:27)

Im Vorfeld zu den italienischen Parlamentswahlen gibt es ein düsteres Bild:

http://www.epochtimes.de/politik/europa ... 14875.html
  • Allgemein wird erwartet, dass bei der Parlamentswahl im März keines der drei großen politischen Lager eine eigene Mehrheit erringt. Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) kann laut Umfragen mit 28 Prozent der Stimmen rechnen und die Demokratische Partei (PD) mit 25 Prozent. Dem Rechtsbündnis aus Forza Italia, der Lega Nord (LN) und der Partei Fratelli d’Italia (FDI) wird zusammen mehr als 35 Prozent der Stimmen zugetraut.
Keine der um die Mehrheit ringenden Parteien und Parteienbündnisse erreicht so eine Mehrheit zur Regierungsbildung. Deshalb gibt es nun schon Überlegungen, eine GroKO aus PD und dem Rechtsbündnis zu bilden... weil mit M5S kein Staat zu machen ist, politische Stabilität für Italien aber überlebenswichtig ist.
Es lohnt sich immer, zu überlegen, was die Alternativlosen falsch gemacht haben.
Und warum sie den Cavaliere ausgerechnet jetzt aufbauen.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

unity in diversity hat geschrieben:(13 Jan 2018, 21:40)

Es lohnt sich immer, zu überlegen, was die Alternativlosen falsch gemacht haben.
Und warum sie den Cavaliere ausgerechnet jetzt aufbauen.
Dann einmal heraus damit! Hier haben wir ein Forum für Meinungsaustausch!
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Alpha Centauri »

Wähler hat geschrieben:(16 Apr 2017, 10:06)

Es ist schwierig, auf so allgemein gehaltene Thread-Titel etwas Vernünftiges zu antworten.
Mein Bruder lebt seit 30 Jahren in Turin mit seinen italienischen Verwandten. Ich habe ihn dort fast jedes Jahr besucht. Die Piemontesen nennen die Italiener die Preussen Italiens. Piemont liegt an der Grenze zu Frankreich. Rom und Süditalien liegt weit weg von der Po-Ebene. Die Familie, der Patron als Arbeitgeber und seine Klientel bilden das soziale Auffangnetz bei Arbeitslosigkeit. Wer im öffentlichen Dienst arbeiten will, muss sich gegen viele Mitbewerber in verschiedenen Prüfungen durchsetzen. Das gilt für jede Tätigkeit. Die Wirtschaft ist klein- und mittelständisch geprägt. Der Stern von Fiat ist schon lange verblasst. Der Umgang der Privathaushalte mit Geld ist in Norditalien von großer Nüchternheit geprägt. Kommunikation auf allen Ebenen ist den Italienern sehr wichtig, deshalb haben sie wohl auch die Abschaffung des Senates als zweites Parlament mehrheitlich abgelehnt.
Die EU wird nur vorankommen, wenn das Verständnis für die Mentalitätsunterschiede zunimmt und die junge Generation im jeweils anderen Land eine Zeit lang studiert oder arbeitet.
Ich halte die Niedergang-Metapher für einen Ausdruck von fehlender Kenntnis hier in Deutschland und von gewisser Hilflosigkeit im Umgang mit Mentalitätsunterschieden innerhalb der EU.

Richtig,und genau diese Mentalitätsunterschiede sind das Kernproblem der heutigen EU, da hilft auch der " Oberlehrer" Habitus der Deutschen wenig bis gar nicht. Wie sagt man die Einen leben um zu arbeiten, die Anderen Arbeiten um zu leben.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Ich meine schon, daß Italien sich in einem Niedergang befindet. Das Land wird und wird nicht fertig mit den verschiedenen Ausprägungen der Mafia. Inzwischen sind offen und unverstellt rassistische Äußerungen von der Bedrohung der Weißen Rasse im Umlauf. Ein bekanntermaßen rechtskräftig Vorbestrafter führt eine große Partei und "fädelt" Bündnisse ein.

Nun sage noch einer, daß diese Grobbeschreibung des Istzustands nur Panik ist und die Unwahrheit! Ein Land im Aufstieg stelle ich mir wirklich anders vor.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Wähler »

H2O hat geschrieben:(18 Jan 2018, 17:03)
Ich meine schon, daß Italien sich in einem Niedergang befindet. Das Land wird und wird nicht fertig mit den verschiedenen Ausprägungen der Mafia. Inzwischen sind offen und unverstellt rassistische Äußerungen von der Bedrohung der Weißen Rasse im Umlauf. Ein bekanntermaßen rechtskräftig Vorbestrafter führt eine große Partei und "fädelt" Bündnisse ein.
Nun sage noch einer, daß diese Grobbeschreibung des Istzustands nur Panik ist und die Unwahrheit! Ein Land im Aufstieg stelle ich mir wirklich anders vor.
Diese Sichtweise trifft aber nur auf Teile Italiens im Süden des Landes zu. Die Italiener sind eher positiv gegenüber der EU eingestellt, weil sie in ihr einen Gegenpol zum italienischen Nationalstaat sehen. Der Föderalismus ist in Italien im Gegensatz zu Frankreich viel stärker ausgeprägt, so dass ein Europa der Regionen den Norditalienern sehr gelegen kommt. Der Vater meiner Frau ist 1960 aus Süditalien nach Augsburg eingewandert. Angesichts der hohen Erwerbslosigkeit von Jugendlichen in den Südländern wird Deutschland als Einwanderungsland mit diesen Mentalitäten noch stärker konfrontiert werden, als vielen von uns lieb ist. Wir werden diese Menschen nicht aufhalten können. Daher sollten wir uns konstruktiv mit ihnen und den Unterschieden auseinandersetzen, ohne unsere Eigenarten aufzugeben. Eine gewisse Veränderung wird aber auch uns abverlangt, was allerdings positive Folgen haben kann.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(19 Jan 2018, 07:22)

Diese Sichtweise trifft aber nur auf Teile Italiens im Süden des Landes zu. Die Italiener sind eher positiv gegenüber der EU eingestellt, weil sie in ihr einen Gegenpol zum italienischen Nationalstaat sehen. Der Föderalismus ist in Italien im Gegensatz zu Frankreich viel stärker ausgeprägt, so dass ein Europa der Regionen den Norditalienern sehr gelegen kommt. Der Vater meiner Frau ist 1960 aus Süditalien nach Augsburg eingewandert. Angesichts der hohen Erwerbslosigkeit von Jugendlichen in den Südländern wird Deutschland als Einwanderungsland mit diesen Mentalitäten noch stärker konfrontiert werden, als vielen von uns lieb ist. Wir werden diese Menschen nicht aufhalten können. Daher sollten wir uns konstruktiv mit ihnen und den Unterschieden auseinandersetzen, ohne unsere Eigenarten aufzugeben. Eine gewisse Veränderung wird aber auch uns abverlangt, was allerdings positive Folgen haben kann.
Ich fürchte, Sie arbeiten an einer Legende der Vergangenheit. Die Mafia ist über Geldwäsche längst auch in Norditalien eingesickert und bestimmt Teile des Wirtschaftslebens. Erst vor wenigen Tagen hat die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit den Carabinieri in D 15 Mafiamitglieder festgenommen und in Italien über 80.... nicht nur in Kalabrien und Apulien. Wir müssen froh sein, daß Italien die Carabinieri hat, die wohl bisher die Mafia aus ihren Reihen fernhalten konnte. Das ist in der italienischen Politik und selbst in der Römisch-Katholischen Kirche überhaupt nicht mehr gewährleistet.

Sicher, mit unseren offenen Grenzen müssen wir uns auch in Deutschland mit diesem Gelichter auseinander setzen. Geschieht ja auch von Zeit zu Zeit, denn der genannte Vorgang ist ja nicht der erste seiner Art.

Ich meine schon, daß Italien und die italienische Gesellschaft sich nicht zu ihrem Vorteil verändern! Das sagt gar nichts über den einzelnen Italiener aus; die sind nach meinen gemachten Erfahrungen meist liebenswerte und rechtschaffene Leute, und zwar von Genua bis Brindisi und Syrakus. Aber ihr Staat ist nicht zu retten!
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(19 Jan 2018, 09:24)

Ich fürchte, Sie arbeiten an einer Legende der Vergangenheit. Die Mafia ist über Geldwäsche längst auch in Norditalien eingesickert und bestimmt Teile des Wirtschaftslebens. Erst vor wenigen Tagen hat die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit den Carabinieri in D 15 Mafiamitglieder festgenommen und in Italien über 80.... nicht nur in Kalabrien und Apulien. Wir müssen froh sein, daß Italien die Carabinieri hat, die wohl bisher die Mafia aus ihren Reihen fernhalten konnte. Das ist in der italienischen Politik und selbst in der Römisch-Katholischen Kirche überhaupt nicht mehr gewährleistet.

Sicher, mit unseren offenen Grenzen müssen wir uns auch in Deutschland mit diesem Gelichter auseinander setzen. Geschieht ja auch von Zeit zu Zeit, denn der genannte Vorgang ist ja nicht der erste seiner Art.

Ich meine schon, daß Italien und die italienische Gesellschaft sich nicht zu ihrem Vorteil verändern! Das sagt gar nichts über den einzelnen Italiener aus; die sind nach meinen gemachten Erfahrungen meist liebenswerte und rechtschaffene Leute, und zwar von Genua bis Brindisi und Syrakus. Aber ihr Staat ist nicht zu retten!
Ja. Mafia, Verschuldung, Regierungskrise im Dauermodus ... Andererseits habe ich an (seriösen) Artikeln zur Wirtschaft Italiens noch nie etwas anderes gehört oder gelesen, als dass man diese angesichts der genannten Krisenerscheinungen total unterschätzt. Sie gehöre in Wirklichkeit zu den stärksten Europas und der Welt. Und das betreffe gar nicht mal so sehr die Zweige, die man für "typisch italienisch" hält, Mode zum Beispiel, sondern gerade auch Zweige, die man für "typisch deutsch" hält. Maschinenbau zum Beispiel. Nur mal ein jüngeres Exempel solcher Analysen (Süddeutsche Dezember 2017): Italien ist viel stärker als viele behaupten. Ich habs inzwischen aufgegeben, das wirklich durchschauen zu wollen. Man muss offensichtlich, eigentlich ja auch nicht anders als bei der Einschätzung der Wirtschaftsleistung Mittel-Osteuropas, mit solchen widersprüchlichen Aussagen klarkommen: Verschuldung, BIP, Exportleistung, Arbeitslosenrate usw. können jeweils auf ganz unterschiedliche Problemlagen hindeuten.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Jan 2018, 09:50)

Ja. Mafia, Verschuldung, Regierungskrise im Dauermodus ... Andererseits habe ich an (seriösen) Artikeln zur Wirtschaft Italiens noch nie etwas anderes gehört oder gelesen, als dass man diese angesichts der genannten Krisenerscheinungen total unterschätzt. Sie gehöre in Wirklichkeit zu den stärksten Europas und der Welt. Und das betreffe gar nicht mal so sehr die Zweige, die man für "typisch italienisch" hält, Mode zum Beispiel, sondern gerade auch Zweige, die man für "typisch deutsch" hält. Maschinenbau zum Beispiel. Nur mal ein jüngeres Exempel solcher Analysen (Süddeutsche Dezember 2017): Italien ist viel stärker als viele behaupten. Ich habs inzwischen aufgegeben, das wirklich durchschauen zu wollen. Man muss offensichtlich, eigentlich ja auch nicht anders als bei der Einschätzung der Wirtschaftsleistung Mittel-Osteuropas, mit solchen widersprüchlichen Aussagen klarkommen: Verschuldung, BIP, Exportleistung, Arbeitslosenrate usw. können jeweils auf ganz unterschiedliche Problemlagen hindeuten.
Genau das ist auch mein Kenntnisstand. Ein sehr widersprüchliches Land, nicht nur regional gesehen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Alpha Centauri »

H2O hat geschrieben:(19 Jan 2018, 09:57)

Genau das ist auch mein Kenntnisstand. Ein sehr widersprüchliches Land, nicht nur regional gesehen.

Richtig,die Lombardei zum Bsp ist eine der besten Regionen in Europa überhaupt.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Alpha Centauri hat geschrieben:(19 Jan 2018, 11:36)

Richtig,die Lombardei zum Bsp ist eine der besten Regionen in Europa überhaupt.
Die reichste Gegend Italiens, so vermute ich; mit Mailand...
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Wir nähern uns den Parlamentswahlen in Italien... und die Berichte über die Parteien werden aufgeregter. In der DIE ZEIT #8 von 2018-02-15, Seite 10, hat sich Moritz Aisslinger mit den Zielen und der Personalaufstellung der populistischen "Fünf Sterne (cinque stelle)"-Bewegung befaßt.

Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild: Umfragen belegen, daß die "Fünf Sterne" sich wachsender Zustimmung der italienischen Wutbürger erfreuen. Die Bewegung könnte als klarer Wahlsieger aus den Wahlen hervorgehen. Ihr wesentlicher Wettbewerber ist das Bündnis der rechten Parteien, das der vorbestrafte Politiker Berlusconi zusammen gebracht hat. Die Sozialisten (Partito Democratico) mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Renzi werden bei ~20% "gehandelt.

Während das politische Bündnis Berlusconis mit vielen Skandalen der Vergangenheit belastet politisch nichts Gutes erwarten läßt, erweckten die Fünf Sterne doch die Hoffnung im Lande auf eine Regierungsführung ohne persönliche Eitelkeiten und Mafiaverstrickungen.

Der Berichterstatter räumt sehr gründlich damit auf, indem er Personen und politische Leistungen der Fünf Sterne dort untersucht hat, wo die Fünf Sterne regional schon mit Mehrheit für das politische Geschäft Verantwortung tragen.

Ganz offenbar gibt es einen "Personenkult" um den Gründer der Bewegung Beppe Grillo, der nach eigenem Belieben Personen der Bewegung austauscht, die von örtlichen Gremien ausgesucht worden waren. Und Verbindungen dieser Günstlinge zur Mafia sind öffentlich zu besichtigen! Weiterhin haben die Fünf Sterne eine Stimmung verbreitet, als ob die erfolgreicheren Euro-Partner eine Verpflichtung hätten, die Wohltaten zu finanzieren, die Fünf Sterne den Wutbürgern versprochen hatte: 50 Milliarden für Industriesubventionen, 17 Millarden für Familien und Altersrenten von mindestens 780 €... bei einer derzeitigen Staatsverschuldung von 2,2 Billionen €. Wenn die EU nicht zahle, dann werde man "die Verbindungen kappen" und ohnehin den Euro abschaffen.

Je näher nun der Wahltag rückt, desto weniger reiten Fünf Stelle aber auf dem Euro-Thema herum. Vermutlich die Erkenntnis, daß man die Kuh EU nicht zugleich schlachten und melken kann. Fünf Stelle verkauft diese Zumutung als Solidarität des reichen Nordens mit dem armen Süden der EU.

Wie auch immer die Wahlen in Italien ausgehen werden, ob nun das Berlusconi-Lager oder die Fünf Stelle eine Regierung bilden können, für uns Europäer kommen schwere Zeiten, in denen man Italien als Partner praktisch abmelden kann. Nichts bessert sich in Italien, und weiter versinkt das Land im Sumpf von Verantwortungslosigkeit und Verstrickungen mit dem organisierten Verbrechen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Mega Maddin »

H2O hat geschrieben:(14 Feb 2018, 20:56)

Wir nähern uns den Parlamentswahlen in Italien... und die Berichte über die Parteien werden aufgeregter. In der DIE ZEIT #8 von 2018-02-15, Seite 10, hat sich Moritz Aisslinger mit den Zielen und der Personalaufstellung der populistischen "Fünf Sterne (cinque stelle)"-Bewegung befaßt.

Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild: Umfragen belegen, daß die "Fünf Sterne" sich wachsender Zustimmung der italienischen Wutbürger erfreuen. Die Bewegung könnte als klarer Wahlsieger aus den Wahlen hervorgehen. Ihr wesentlicher Wettbewerber ist das Bündnis der rechten Parteien, das der vorbestrafte Politiker Berlusconi zusammen gebracht hat. Die Sozialisten (Partito Democratico) mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Renzi werden bei ~20% "gehandelt.

Während das politische Bündnis Berlusconis mit vielen Skandalen der Vergangenheit belastet politisch nichts Gutes erwarten läßt, erweckten die Fünf Sterne doch die Hoffnung im Lande auf eine Regierungsführung ohne persönliche Eitelkeiten und Mafiaverstrickungen.

Der Berichterstatter räumt sehr gründlich damit auf, indem er Personen und politische Leistungen der Fünf Sterne dort untersucht hat, wo die Fünf Sterne regional schon mit Mehrheit für das politische Geschäft Verantwortung tragen.

Ganz offenbar gibt es einen "Personenkult" um den Gründer der Bewegung Beppe Grillo, der nach eigenem Belieben Personen der Bewegung austauscht, die von örtlichen Gremien ausgesucht worden waren. Und Verbindungen dieser Günstlinge zur Mafia sind öffentlich zu besichtigen! Weiterhin haben die Fünf Sterne eine Stimmung verbreitet, als ob die erfolgreicheren Euro-Partner eine Verpflichtung hätten, die Wohltaten zu finanzieren, die Fünf Sterne den Wutbürgern versprochen hatte: 50 Milliarden für Industriesubventionen, 17 Millarden für Familien und Altersrenten von mindestens 780 €... bei einer derzeitigen Staatsverschuldung von 2,2 Billionen €. Wenn die EU nicht zahle, dann werde man "die Verbindungen kappen" und ohnehin den Euro abschaffen.

Je näher nun der Wahltag rückt, desto weniger reiten Fünf Stelle aber auf dem Euro-Thema herum. Vermutlich die Erkenntnis, daß man die Kuh EU nicht zugleich schlachten und melken kann. Fünf Stelle verkauft diese Zumutung als Solidarität des reichen Nordens mit dem armen Süden der EU.

Wie auch immer die Wahlen in Italien ausgehen werden, ob nun das Berlusconi-Lager oder die Fünf Stelle eine Regierung bilden können, für uns Europäer kommen schwere Zeiten, in denen man Italien als Partner praktisch abmelden kann. Nichts bessert sich in Italien, und weiter versinkt das Land im Sumpf von Verantwortungslosigkeit und Verstrickungen mit dem organisierten Verbrechen.
Berlusconi darf ja selbst nicht antreten, wer tritt an seiner statt an? Schade eigentlich, dass Mega Maddin nun nicht mehr Außenminister wird, ich hätte gerne gesehen wie er in Italien von einer Regierung von Berlusconis Gnaden empfangen wird, die beiden sind ja besondere Freunde :D
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(14 Feb 2018, 20:56)

Wir nähern uns den Parlamentswahlen in Italien... und die Berichte über die Parteien werden aufgeregter. In der DIE ZEIT #8 von 2018-02-15, Seite 10, hat sich Moritz Aisslinger mit den Zielen und der Personalaufstellung der populistischen "Fünf Sterne (cinque stelle)"-Bewegung befaßt.

Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild: Umfragen belegen, daß die "Fünf Sterne" sich wachsender Zustimmung der italienischen Wutbürger erfreuen. Die Bewegung könnte als klarer Wahlsieger aus den Wahlen hervorgehen. Ihr wesentlicher Wettbewerber ist das Bündnis der rechten Parteien, das der vorbestrafte Politiker Berlusconi zusammen gebracht hat. Die Sozialisten (Partito Democratico) mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Renzi werden bei ~20% "gehandelt.
Die Umfragen sagen etwas ganz anderes.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(15 Feb 2018, 00:34)

Die Umfragen sagen etwas ganz anderes.
Dann hat der DIE ZEIT-Korrespondent eben ein gestörtes Wahrnehmungsvermögen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(15 Feb 2018, 08:51)

Dann hat der DIE ZEIT-Korrespondent eben ein gestörtes Wahrnehmungsvermögen.
Das ist aber eine grobe Beleidigung. Sie können doch seine psychische Disposition aus der Ferne gar nicht beurteilen. Warum bleiben Sie nicht einfach mal sachlich?

Vielleicht kann er einfach zu wenig Italienisch, vielleicht ist er ein schlechter Journalist. Wir wissen es nicht.

Statt sich auf Intellektuellen-Boulevard-Postillen wie die Zeit zu verlassen, könnten Sie doch einfach mal die italienischen Umfragen nachlesen. Das wäre der Diskussion dienlich.

ich finde es äußerst diskussionszerstörend, dass hier immer Falschmeldungen aus deutschen Medien gepostet werden. Mit Links wird hier dann so etwas wie Glaubwürdigkeit vorgetäuscht.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Arcturus »

Vor allem stehen im Artikel leider einige Halbwahrheiten.
Ein Journalist interviewte Roberto Spada, stadtbekannter Clan-Chef von Ostia, involviert in Drogenhandel, Erpressung, Sozialbetrug. Die Sequenz zeigt ihn vor einem Boxstudio, er lässt sich Fragen stellen. Weil ihm die letzte nicht passt, holt er zum Kopfstoß aus und zertrümmert die Nase des Reporters. Dann zieht Spada einen Schlagstock hervor und treibt Kameramann und Reporter knüppelnd die Straße entlang. In Ostia, so kündete die Videobotschaft ins Land, hat der Staat nichts zu melden. Die Mafia regiert.
Vier Tage nach ihrer Ankündigung flimmert erneut ein Video aus Ostia über italienische Fernsehbildschirme. Diesmal ist darauf der Bruder von Roberto Spada zu sehen, ebenfalls Mafioso. Er steht im Boxstudio, scherzt vertraut mit einem Mann. Wie sich herausstellt: ein Parteifreund Di Pillos (M5S).
Vom Spada-Clan in Ostia wurden 32 "Mafiosi" verhaftet (am 24.01.!), z.T. als Reaktion auf die Gewalt, die den Journalisten angetan wurde, u.a. Roberto Spada und der noch gefürchtetere Bruder. Vor allem aber natürlich aufgrund der kriminellen Geschäfte.
Hingegen wurden Giorgia Meloni und Parteifreundin (Fratelli d'italia) mit einem Spada-Mitglied auf den Straßen gesichtet

https://kurier.at/chronik/weltchronik/r ... 08.190.973
Nach drei Stunden ein Dorfplatz, idyllisch gelegen zwischen den Hügeln und Florenz, über der Toskana strahlt Sonne. Ein Wahlkampfstand. Fünf-Sterne-Anhänger drücken Passanten das Parteiprogramm in die Hand. Das passt auf einen Flyer und verspricht Wunder: 50 Milliarden Euro für "strategische Branchen", 17 Milliarden für Familien, 780 Euro für jeden Rentner, Steuern senken, Arbeitsplätze schaffen, eine Million Elektroautos auf die Straße bringen.
Laut dem offiziellen Programm des M5S sind es 10 Milliarden PRO JAHR für "strategische Branchen" (also 50 Mrd. für die gesamte Legislaturperiode), sollte vielleicht mal erwähnt werden. Es sind 14,5 Milliarden für Familien, 2,5 Mrd. sollen für Inklusion u.ä. ausgegeben werden. 780 Euro für jeden Rentner liest sich jetzt nicht allzu üppig, oder? Ist jetzt wohl nix utopisches. Den Rest verspricht auch jede andere Partei, da muss man nicht so abschätzig werden wie Herr Aisslinger.
Und die 2,2 Billionen Euro Schulden, die Italien noch hat?

"Daran ist die EU schuld", erklärt Andrea Quartini. "Deshalb muss sie zahlen." Quartini, 57, Lokalpolitiker, Arzt und wütend, stellt klar: "Wenn die EU nicht hilft, kappen wir die Verbindungen." Wie genau die EU Schuld trägt, erklärt er nicht, ist auch egal, er hat ein Gefühl, und das teilt er mit vielen Italienern: Die reichen Länder im Norden haben gefälligst zu zahlen für die armen im Süden.
So eine Aussage und Ansicht konnte ich bisher in keinem italienischen Artikel finden.
Den Fünf Sternen gelingt es, dieses Gefühl zu kanalisieren, die Empörten zu locken, auch wenn sie dabei einst unverhandelbare Positionen mal eben so kippen. All die Jahre kündigten sie an: Sollte man an die Macht kommen, dürften die Italiener ein Referendum über einen Euro-Austritt abhalten. Nun, da die Wahl immer näher rückt, rückt die Partei immer weiter ab von ihrem Versprechen.
Sollte doch für uns "Europäer" doch wohl kein Problem sein und allen Europa-Untergangs-Predigern einen Schlag versetzen. Mal abgesehen davon, dass die M5S-Wähler das scheinbar begrüßen.
Er selbst denke sowieso nicht mehr in diesen Kategorien, solches Lagerdenken sei Vergangenheit. Keine Partei Europas hat derart erfolgreich jede Festlegung zwischen rechts und links verweigert, bis heute balancieren die Fünf Sterne an beiden Rändern, ohne zu stolpern. Mal verlangen sie ein bedingungsloses Grundeinkommen und ziehen Linke wie Quartini an. Mal nennt Beppe Grillo Flüchtlinge in einer Reihe mit Müll und Ratten und sammelt Sympathie bei extremen Rechten. Die Fünf Sterne haben so viele unterschiedliche Vorschläge ins Land geworfen, so laut in die eine Ecke gerufen, so oft in die andere, dass jeder Wähler sich die Partei hinbiegen kann, wie er möchte. "Wir sind die größte Selbsthilfegruppe der Welt", sagt Quartini. Und dort übt man Nachsicht. Hauptsache, man selbst wird geheilt.
Grillo ist ein Clown, seine Partei aber nicht. Er hat da was sehr interessantes losgetreten. Extreme Rechte wählen garantiert nicht M5S, sondern das rechte Lager bestehend aus Fratelli d'Italia, Lega (Nord) und Forza Italia, ganz egal welche skandalösen Worte Grillo da von sich gibt. Die M5S sind genau das, was politisch wohl die meisten Menschen sind: ein bißchen hier und ein wenig da. Oder kann wer behaupten nur linke oder nur rechte Ansichten zu vertreten?
Am Anfang war es eine vielversprechende, fast revolutionäre Idee: Bei den Fünf Sternen darf jeder mitmachen, alle haben eine Stimme, jede Entscheidung trifft das Kollektiv basisdemokratisch über eine Internetplattform. Dann aber berichteten die Nachrichten vom Fall Federico Pizzarotti, der für die Fünf Sterne ins Rathaus von Parma einzog und, weil er sich dort dem Diktat Grillos entzogen haben soll, aus der Partei geschmissen wurde. Sie berichteten vom Fall Virginia Raggi, der Bürgermeisterin Roms, die aus dem innersten Machtzirkel per SMS angeleitet worden sein soll, wie sie zu regieren habe. Und sie berichteten vom Fall Marika Cassimatis.

Marika Cassimatis, klein und dunkelhaarig, Geografielehrerin, sitzt in einem Café in Genua, ihrer und Grillos Heimatstadt. Sie hatte sich als Bürgermeisterkandidatin aufstellen lassen – und die interne Wahl der Fünf Sterne gewonnen. "Drei Tage nach der Abstimmung", sagt sie, "rief mich ein Freund an. Er fragte: Hast du schon gesehen, was Beppe in seinem Blog geschrieben hat?"

Grillo hatte die Wahl für ungültig erklärt, Cassimatis habe gegen Prinzipien der Bewegung verstoßen. Manche würden das nicht verstehen, schrieb er noch, aber man solle ihm, Grillo, vertrauen. "Ich weiß bis heute nicht, weshalb er mich ausschloss. Ich wollte ihn treffen und fragen. Doch er antwortete mir nicht", sagt Cassimatis. Sie gilt als links, nah an der Basis. Grillo wollte einen anderen Kandidaten.

"Danach meldeten sich viele Leute bei mir und erzählten, ihnen sei Ähnliches passiert", sagt Cassimatis. Die meisten jedoch würden nicht wagen, sich öffentlich zu beschweren. "Wer sich gegen die Bewegung stellt, muss mit Diffamierung rechnen. Hunderte von Fake-Profilen greifen die Abtrünnigen dann in den sozialen Medien an, beleidigen und schüchtern sie ein." Es ist die Ironie dieser Partei, dass sie, angetreten als Verkünder einer bedingungslosen Basisdemokratie, jedes Fehlverhalten bestraft, Furcht statt Verbundenheit verbreitet. Verräter werden geächtet, Linientreue aber bis über selbst gesetzte Grenzen hinweg gefördert.
Und hier ist wirklich das Problem der M5S. Die nach wie vor im Hintergrund agierende Allmacht des Clowns. Wenn das alles stimmt, was da geschrieben steht. Zuletzt hieß es, er würde sich immer mehr aus den Parteiangelegenheiten zurückziehen. Das wäre der Partei und den Italienern zu gönnen. Denn die Idee hinter dieser Bewegung ist einzigartig. Das irgendwann richtige parteiliche Strukturen notwendig sind, ist logisch. Es geht jetzt nur darum, die Idee nicht zu verraten und in den nächsten Jahren einen halbwegs guten Job ohne die oben genannten Verfehlungen zu machen.
Nach einer Stunde tritt man hinaus, in Rom regnet es. Als Raggi 2016 Bürgermeisterin wurde, versprach sie Fortschritte auf allen Ebenen, sie wollte Transparenz ins Rathaus bringen, das Müllproblem lösen, den Nahverkehr verbessern. Knapp zwei Jahre nach all den schönen Worten läuft man durch die Altstadt und sieht alle Abfalleimer überquellen. Man wartet auf Busse, die einfach nicht kommen. Man steht am Hauptbahnhof, wo angespülte Flüchtlinge und abgehängte Römer eine Elendsgemeinschaft bilden. Raggi wurden in ihrer kurzen Dienstzeit bereits Amtsmissbrauch und Falschaussage vorgeworfen. Sie musste, in 14 Monaten, 16-mal ihr Kabinett umbilden. Eine Beraterin wurde verhaftet.
Rom galt schon immer als unregierbar. Das alles noch schlechter mit Raggi laufen würde, hat sich keiner vorstellen können. Aber zuletzt läuft es in jeglicher Hinsicht besser, gerade im Hinblick auf die Müllentsorgung. Sogar im "Lebenswert"-Ranking ist Rom gestiegen. Von Platz 88 auf 67 (http://www.romatoday.it/politica/classi ... liora.html). Sie brauchte vor allem Anlaufzeit, die nächsten Monate wird sich zeigen, ob der Aufwärtstrend anhält.

Insgesamt würde ich dem M5S eine Chance geben, alles besser zu machen. Dafür muss aber Grillo komplett raus und die Bewegung zu einer richtigen Partei wachsen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(15 Feb 2018, 09:46)

Das ist aber eine grobe Beleidigung. Sie können doch seine psychische Disposition aus der Ferne gar nicht beurteilen. Warum bleiben Sie nicht einfach mal sachlich?

Vielleicht kann er einfach zu wenig Italienisch, vielleicht ist er ein schlechter Journalist. Wir wissen es nicht.

Statt sich auf Intellektuellen-Boulevard-Postillen wie die Zeit zu verlassen, könnten Sie doch einfach mal die italienischen Umfragen nachlesen. Das wäre der Diskussion dienlich.

ich finde es äußerst diskussionszerstörend, dass hier immer Falschmeldungen aus deutschen Medien gepostet werden. Mit Links wird hier dann so etwas wie Glaubwürdigkeit vorgetäuscht.
Bestimmt besteht im Boulevardblatt DIE ZEIT ein Mangel an Italienischkenntnissen. Darüber hat höchstwahrscheinlich schon der Chefredakteur Giovanni di Lorenzo geklagt. Mit Ihrem Hochmut müssen Sie nun einmal leben.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

Warum werden sie denn schon wieder persönlich?

Ich habe hier angemerkt, dass die Informationen des Artikels bezüglich der Wahlaussichten falsch sind. In der Zeit, in der sie hier polemisch werden, hätten sie die Sache einfach nachprüfen können.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Brainiac »

Senexx hat geschrieben:(15 Feb 2018, 00:34)

Die Umfragen sagen etwas ganz anderes.
Dann seien Sie doch mal so freundlich und nennen 2-3 Umfragequellen, die "etwas ganz anderes" sagen. Und am besten auch, was die sagen.

Hinweis: Wir haben hier nach wie vor die Situation, dass fremdsprachige Links ausser D/E nicht zulässig sind - daran hat sich nichts geändert. Aber Sie brauchen es ja, falls es nur italienisch verfügbar ist, nicht direkt zu verlinken, Institut / Datum ist ausreichend.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
Senexx

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

Brainiac hat geschrieben:(15 Feb 2018, 12:36)

Dann seien Sie doch mal so freundlich und nennen 2-3 Umfragequellen, die "etwas ganz anderes" sagen. Und am besten auch, was die sagen.

Hinweis: Wir haben hier nach wie vor die Situation, dass fremdsprachige Links ausser D/E nicht zulässig sind - daran hat sich nichts geändert. Aber Sie brauchen es ja, falls es nur italienisch verfügbar ist, nicht direkt zu verlinken, Institut / Datum ist ausreichend.
Das fällt mir im Traum nicht ein. KchInformationen sind eine Holschuld. Und ein Link auf eine Falschinfirmation kann nicht unwidersprochen bleiben.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Brainiac »

Senexx hat geschrieben:(15 Feb 2018, 12:51)

Das fällt mir im Traum nicht ein. KchInformationen sind eine Holschuld. Und ein Link auf eine Falschinfirmation kann nicht unwidersprochen bleiben.
Was sind "KchInformationen"? :?:

Unabhängig davon: Klar, keiner kann Sie dazu zwingen. Wenn Sie aber anderen widersprechen und dann hier noch von "diskussionszerstörendem Verhalten" reden, selbst aber jegliche nähere Information schuldig bleiben (ausser dass eine Aussage falsch sei), dann ist das ebenfalls nicht diskussionsfördernd. Ich habe ja erläutert, wie die Aussage in der Zeit ggfs. gemeint gewesen sein könnte.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Brainiac »

Hier die Originalformulierung aus der ZEIT:
Die Fünf-Sterne-Bewegung ist auf dem besten Weg, stärkste politische Kraft Italiens zu werden.
http://www.zeit.de/2018/08/fuenf-sterne ... ettansicht

Das kann man sehr wohl auf Parteien beziehen, und dann war die Aussage auch korrekt.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
Ger9374

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Ger9374 »

Das Italienische Wahlrecht scheint recht komplex.
Am meisten stört mich das viele in Italien wohl glauben ihren finanziellen Schaukelkurs so weiter machen zu können. Das Europa Nord da mal den armen Süden sponsert.Frech und kaltschnäuzig nenne ich das. So wird das nie was mit einer Transferunion!! Rosinenpickerei darf nicht mehr toleriert werden.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Arcturus »

Ger9374 hat geschrieben:(15 Feb 2018, 19:28)

Das Italienische Wahlrecht scheint recht komplex.
Am meisten stört mich das viele in Italien wohl glauben ihren finanziellen Schaukelkurs so weiter machen zu können. Das Europa Nord da mal den armen Süden sponsert.Frech und kaltschnäuzig nenne ich das. So wird das nie was mit einer Transferunion!! Rosinenpickerei darf nicht mehr toleriert werden.
Wie kommen Sie denn darauf, dass der reiche Norden den armen Süden finanzieren soll? Von der angeblichen Aussage eines italienischen Politikers? Italien ist genauso Nettozahler in der EU wie Deutschland, das halt nur in geringerem Maße. Wer EU will, der muss auch die Transferunion akzeptieren
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Excellero »

Ich weiß nicht viel über die Politik oder das System in Italien... aber meiner Meinung nach krankt Italien ebenso wie andere Länder die vor dem Euro "Schrottgeld" hatten, daß sie seit dem Euro nicht mehr abwerten können. Denn dadurch haben Spanien Italien unsw. früher ihre Wirtschaft auf Trab gehalten, mit konkurenzlos billigen Export-Produkten.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Arcturus hat geschrieben:(16 Feb 2018, 07:28)

Wie kommen Sie denn darauf, dass der reiche Norden den armen Süden finanzieren soll? Von der angeblichen Aussage eines italienischen Politikers? Italien ist genauso Nettozahler in der EU wie Deutschland, das halt nur in geringerem Maße. Wer EU will, der muss auch die Transferunion akzeptieren
Aus meiner Sicht... nach dem Lesen des Aufsatzes in DIE ZEIT... sind italienische Wutbürger der festen Ansicht, daß der "reiche Norden" für die Bedürfnisse des "armen Südens" auf zu kommen hat. Ganz so einfach geht das natürlich nicht; aber durch Herausgabe von Staatspapieren und Aufkauf dieser Papiere durch die EZB häuft Italien Schulden auf... ungeschützt sage ich einmal: 200% des BIP des Landes. Wenn irgendwann diese Schulden mit höheren Zinsen zu bedienen sind, dann haben wir "Griechenland zum Quadrat" zu retten.

Die Parallele trifft auch für die öffentliche Meinung zu. In Griechenland vertraten Politiker und Bürger... meinetwegen Wutbürger... die Auffassung, daß der griechische Wähler entscheiden könne, in welchem Umfang "der reiche Norden" für seine Bedürfnisse auf zu kommen habe. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis dort die Einsicht dämmerte, daß auch der "reiche Norden" demokratisch über seine erwirtschafteten Mittel entscheiden kann. Und dann kam doch die Geschichte mit Reparationen und Drohungen, deutsches Eigentum in Griechenland einziehen zu wollen. Wer weiß jetzt, womit uns Italien dann beglücken wird.
  • Wer EU will, der muss auch die Transferunion akzeptieren
Das sehen die Verträge von Maastricht überhaupt nicht vor; im Gegenteil wird ein Rahmen für Staatsverschuldung gesetzt, absolut und jährliche Neuverschuldung.

Aber als Europäer gebe ich Ihnen dennoch Recht. Dafür müssen aber sämtliche Partner ihre finanzielle Selbstbestimmung aufgeben und sie auf die Gemeinschaft übertragen. Die Haushalte der Partner müssen also von der Gemeinschaft gebilligt werden. In dem Fall hätte ich gar nichts gegen eine Art Transferunion, so wie ich nichts gegen einen Länderfinanzausgleich der Bundesrepublik ein zu wenden habe, oder eine Schuldenbremse... dann eben auf europäischer Ebene.
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Arcturus
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Arcturus »

H2O hat geschrieben:
Aus meiner Sicht... nach dem Lesen des Aufsatzes in DIE ZEIT... sind italienische Wutbürger der festen Ansicht, daß der "reiche Norden" für die Bedürfnisse des "armen Südens" auf zu kommen hat.
Darauf kann man doch nicht nur aufgrund eines Textes in der Zeit schließen. Mal abgesehen davon sollte man nicht leichtfertig mit dem Wutbürger kommen, zumindest in Bezug auf die EU nicht. Ich habe meine komplette Familie in Apulien beheimatet. Die Hälfte meiner Cousins/Cousinen arbeiten und leben entweder im Norden oder aber dienen beim Militär. Gerade im Süden bietet das Militär die beste Möglichkeit, ärmlicheren Verhältnissen zu entkommen (meine Generation, Alter 25-35). Die andere Hälfte hält sich mit Gelegenheits- oder sehr schlecht bezahlten Jobs (bei miesen Arbeitszeiten) über Wasser. Ansonsten muss mit dem hausgehalten werden, was die ältere Generation an Pension oder ähnlichem hat. Man hat also jegliches Recht, wütend zu sein. Aber nicht auf die EU, sondern auf den eigenen Staat. Da unten will jeder raus aus der EU, man wünscht sich Zeiten der Lira herbei, wo es größtenteils einen höheren Lebensstandard gab.
H2O hat geschrieben: Die Parallele trifft auch für die öffentliche Meinung zu. In Griechenland vertraten Politiker und Bürger... meinetwegen Wutbürger... die Auffassung, daß der griechische Wähler entscheiden könne, in welchem Umfang "der reiche Norden" für seine Bedürfnisse auf zu kommen habe. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis dort die Einsicht dämmerte, daß auch der "reiche Norden" demokratisch über seine erwirtschafteten Mittel entscheiden kann. Und dann kam doch die Geschichte mit Reparationen und Drohungen, deutsches Eigentum in Griechenland einziehen zu wollen. Wer weiß jetzt, womit uns Italien dann beglücken wird.
Sie wissen aber schon, wie es Griechenland seit der Krise geht, oder? Das ist großkotziges Gefasel vom hohen deutschen Ross. Genau das, was den Südeuropäern so langsam zum Halse raushängt.
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