Italiens schleichender Niedergang

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Hyde
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Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Hyde »

In den letzten Jahren wurde ja oft über Krisenländer und Sorgenkinder in Europa berichtet. Da war dann häufig die Rede von Spanien, Portugal, Griechenland, aber auch Frankreich und Großbritannien (Frexit, Brexit).

Italien dagegen lief meist etwas unter dem Radar, dabei macht die Entwicklung des Landes schon seit längerem Sorgen. Denn in Italien herrscht ein gefährliches Gemisch aus hoher Verschuldung, anhaltender Wirtschaftsstagnation und demographischen Problemen, die das Land schon jetzt, vor allem aber in Zukunft treffen werden. Das Land erscheint irgendwie gelähmt, schwerfällig, ineffizient, von Korruption durchzogen. Die Populisten scharren mit den Hufen, die EU-Skepsis erreicht Rekordwerte. Es gab in Italien nicht den großen Knall wie in Griechenland oder Spanien, aber es ist ein schleichender, stetiger Niedergang, der das Land befallen hat. Italien ist sich seit Jahrzehnten mehr schlecht als recht am durchwurschteln.

Wie konnte es dazu kommen? Dabei hat Italien doch nach dem zweiten Weltkrieg, ähnlich wie Deutschland und Frankreich, jahrzehntelang eine wirtschaftliche und politische Erfolgsgeschichte geschrieben, war Gründungsmitglied der EU. Inzwischen ist Italien so weit zurückgefallen, dass ich mir nicht mal mehr sicher bin, ob man Italien zukünftig überhaupt noch zu Kerneuropa zählen kann - oder nicht doch eher zur südlichen Peripherie.

Worin liegen die Gründe für Italiens Misserfolg? Kann Italien seine massiven Probleme (Verschuldung, Überalterung) überhaupt noch lösen? Und ist Italien, angesichts seiner jetzigen und zukünftigen Probleme, nicht die wahre Gefahr für die EU bezüglich eines drohenden Austritts (statt den medial häufiger diskutierten Frexit und Grexit)?
watisdatdenn?
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von watisdatdenn? »

Hyde hat geschrieben:(16 Apr 2017, 03:58)
Worin liegen die Gründe für Italiens Misserfolg? Kann Italien seine massiven Probleme (Verschuldung, Überalterung) überhaupt noch lösen? Und ist Italien, angesichts seiner jetzigen und zukünftigen Probleme, nicht die wahre Gefahr für die EU bezüglich eines drohenden Austritts (statt den medial häufiger diskutierten Frexit und Grexit)?
nein Italien kann seine Überalterung und die logische langfristige wirtschaftliche Schwächung nicht zurückdrehen. ebenso wenig wie wir, nur dass sich bei uns das wirtschaftliche problem der demographie "erst" ab 2035 äußern wird.
ich denke jedem, der bis 3 zählen kann, ist das längst klar.
ich gehe mittlerweile davon aus, dass die EU im Jahr 2035 zu 90% nicht mehr existent ist. spätestens wenn die großen beitragszahler finanzielle probleme bekommen, geht das licht aus..

italien zahlt aktuell netto milliarden in die EU ein. das wird nicht so bleiben..
http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-u ... empfaenger
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H2O
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Italiens Potentiale werden behindert durch einen Filz von Klientelpolitik und organisiertem Verbrechen. Die politischen Parteien sind zersplittert, gelangen aber dennoch in das Parlament durch die Möglichkeit, sich zu Wahlbündnissen zusammen zu schließen. Nachdem das Wahlbündnis seine Bewerber ins Parlament bringen konnte, lösen sich diese Zweckbündnisse wieder auf in eine große Zahl von "Zünglein an der Waage" im Parlament.

Ab und an bäumt sich das Volk einmal auf gegen seine Berlusconis, um alsbald wieder in den alten Trott zurück zu fallen. Das Land benötigt ein Wahlsystem nach französischem Muster mit nur einem Abgeordneten je Kanton/Departement.

Italien hat die größte Zahl von Gesetzen innerhalb der EU (behaupten meine italienischen Freunde), und ordentliche Gerichtsverfahren ziehen sich über eine Generation hinweg. Das bedeutet aber auch einen Zustand der "ewigen Unentschiedenheit".

Wie das Land sich unter diesen Umständen jemals aus der Mitregierung durch das organisierte Verbrechen lösen könnte... das ist mir schleierhaft!
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Wähler »

Es ist schwierig, auf so allgemein gehaltene Thread-Titel etwas Vernünftiges zu antworten.
Mein Bruder lebt seit 30 Jahren in Turin mit seinen italienischen Verwandten. Ich habe ihn dort fast jedes Jahr besucht. Die Piemontesen nennen die Italiener die Preussen Italiens. Piemont liegt an der Grenze zu Frankreich. Rom und Süditalien liegt weit weg von der Po-Ebene. Die Familie, der Patron als Arbeitgeber und seine Klientel bilden das soziale Auffangnetz bei Arbeitslosigkeit. Wer im öffentlichen Dienst arbeiten will, muss sich gegen viele Mitbewerber in verschiedenen Prüfungen durchsetzen. Das gilt für jede Tätigkeit. Die Wirtschaft ist klein- und mittelständisch geprägt. Der Stern von Fiat ist schon lange verblasst. Der Umgang der Privathaushalte mit Geld ist in Norditalien von großer Nüchternheit geprägt. Kommunikation auf allen Ebenen ist den Italienern sehr wichtig, deshalb haben sie wohl auch die Abschaffung des Senates als zweites Parlament mehrheitlich abgelehnt.
Die EU wird nur vorankommen, wenn das Verständnis für die Mentalitätsunterschiede zunimmt und die junge Generation im jeweils anderen Land eine Zeit lang studiert oder arbeitet.
Ich halte die Niedergang-Metapher für einen Ausdruck von fehlender Kenntnis hier in Deutschland und von gewisser Hilflosigkeit im Umgang mit Mentalitätsunterschieden innerhalb der EU.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Hyde
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Hyde »

watisdatdenn? hat geschrieben:(16 Apr 2017, 07:46)

nein Italien kann seine Überalterung und die logische langfristige wirtschaftliche Schwächung nicht zurückdrehen. ebenso wenig wie wir, nur dass sich bei uns das wirtschaftliche problem der demographie "erst" ab 2035 äußern wird.
Es gibt Mittel und Wege, um demographische Probleme abzuschwächen. In Deutschland geschieht das beispielsweise durch starke Zuwanderung. Allerdings dürfte dieser Weg Italien nicht so einfach offenstehen, da Italien in seinem jetzigen Zustand nicht besonders attraktiv für Zuwanderer ist. Für Italien dürfte eher sogar Abwanderung ein zusätzliches Problem darstellen.
Ein anderer Weg ist natürlich die Steigerung der Geburtenrate. Auch hier hat Deutschland zuletzt erste Erfolge vorzuweisen (die Geburtenrate ist in Deutschland 2015 immerhin auf das höchste Niveau seit Anfang der 1980er gestiegen), nachdem man wichtige Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingeleitet hat.
Allerdings ist ja Italien recht konservativ geprägt, sodass fraglich ist, ob dort eine moderne Familienpolitik zur Steigerung der Geburtenrate überhaupt möglich ist.

Italiens Alterung der Gesellschaft ist ja vor allem auch deshalb ein großes Problem, da man dort auf einem riesigen Schuldenberg von über 130 Prozent des BIP sitzt. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, wie Italien dieses Problem, diese tickende Zeitbombe entschärfen will. Denn in einem Land mit langfristig abnehmender Erwerbsbevölkerung ist eine hohe Verschuldung besonders dramatisch.
Vor allem, wenn dann auch die Zinsen für Staatsanleihen irgendwann wieder deutlich steigen werden.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Wähler »

Hyde hat geschrieben:(16 Apr 2017, 13:06)
Allerdings ist ja Italien recht konservativ geprägt, sodass fraglich ist, ob dort eine moderne Familienpolitik zur Steigerung der Geburtenrate überhaupt möglich ist.
Italiens Alterung der Gesellschaft ist ja vor allem auch deshalb ein großes Problem, da man dort auf einem riesigen Schuldenberg von über 130 Prozent des BIP sitzt. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, wie Italien dieses Problem, diese tickende Zeitbombe entschärfen will.
https://www.nzz.ch/italiens-ueberforder ... 1.16492993
NZZ 18.April 2012 Italiens überforderte Familien
Die Turiner Soziologieprofessorin Chiara Saraceno lastet die zugleich niedrige Fertilität und Erwerbstätigkeit der Italienerinnen grundsätzlich einer Familienpolitik an, die noch in den fünfziger Jahren steckengeblieben sei und zu einer kolossalen Überforderung der heutigen Familien geführt habe. Der Familie würden alle Probleme aufgebürdet, um die sich in den meisten anderen Ländern der Sozialstaat kümmere.
Nicht nur Italien sollte sich am Beispiel der französischen oder skandinavischen Familienpolitik orientieren. ;)
Die Staatsverschuldung Italiens hat vor allem inländische Gläubiger, nämlich die Familien. Die Bank Monte dei Paschi di Siena war früher eine starke Genossenschaftsbank, die nun durch den italienischen Staat gerettet werden musste, weil es so viele Kleinaktionäre gibt.
Sicherlich muss sich die italienische Gesellschaft wie auch die deutsche verändern. Das wird aber nur funktionieren, wenn die junge Generation sich jeweils etwas von den anderen Systemen in den EU-Nachbarländern abschaut, zum Beispiel die duale Berufsausbildung von Deutschland. Wir Deutschen sollten aber auf den moralischen Zeigefinger besser verzichten.
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H2O
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(16 Apr 2017, 13:41)
...

... Wir Deutschen sollten aber auf den moralischen Zeigefinger besser verzichten.
Was hat der moralische Zeigefinger damit zu tun, wenn Italien in Schwierigkeiten steckt? Das Land hat gute Potentiale, aber ein Gewirr von Gesetzen und folglich auch der Mißachtung von Gesetzen und der Filz von Politik und organisiertem Verbrechen erschwert das Wirtschaften.

Dabei hatte das Land einmal eine gute Industrie in Maschinenbau und Elektrotechnik, in der Herstellung schicker Kleidung und Schuhe, auch der gehobenen Popmusik, Nahrungs- und Genußmittel. Alles Einzigartige ist weitgehend dahin! Niemand kann dem Lande helfen. Die Italiener müssen schon im eigenen Lande nach Abhilfen suchen.

Ich fürchte allerdings, daß Italien den Fehler in der EU sucht, oder im Euro, anstatt im eigenen Hause. Schade!
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unity in diversity
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von unity in diversity »

H2O hat geschrieben:(16 Apr 2017, 20:23)

Was hat der moralische Zeigefinger damit zu tun, wenn Italien in Schwierigkeiten steckt? Das Land hat gute Potentiale, aber ein Gewirr von Gesetzen und folglich auch der Mißachtung von Gesetzen und der Filz von Politik und organisiertem Verbrechen erschwert das Wirtschaften.

Dabei hatte das Land einmal eine gute Industrie in Maschinenbau und Elektrotechnik, in der Herstellung schicker Kleidung und Schuhe, auch der gehobenen Popmusik, Nahrungs- und Genußmittel. Alles Einzigartige ist weitgehend dahin! Niemand kann dem Lande helfen. Die Italiener müssen schon im eigenen Lande nach Abhilfen suchen.

Ich fürchte allerdings, daß Italien den Fehler in der EU sucht, oder im Euro, anstatt im eigenen Hause. Schade!
Es gibt da so eine neue Bewegung, die sich "Pulse of Europe" nennt.
Bislang schwenken sie zwar nur blaue Fahnen mit güldenen Sternen, aber wenn es darauf ankommt, werden sie alle Probleme lösen.
Das ist meine feste Überzeugung.
Wer meine Überzeugung anzweifelt, möge umgehend mit seiner Stunde der Desillusionierung beginnen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Kibuka »

Hyde hat geschrieben:(16 Apr 2017, 13:06)

Es gibt Mittel und Wege, um demographische Probleme abzuschwächen.
Blödsinn. Wenn Überalterung die Ursache für wirtschaftliche Probleme wäre, wäre Deutschland oder Japan schon längst pleite.

Es gibt keine demographischen Probleme in Italien.
Have no heroes, look up to no-one, for if you do, the best you'll ever be is second. If you have to ask why, you'll never understand!

„Weil das Wohl von einem genauso schwer wiegt, wie das Wohl von vielen.“
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von frems »

Italien ist schon sehr gerontokratisch.

Hierzulande sind die verfügbaren Einkommen der 25- bis 29-Jährigen im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt um fünf Prozent gesunken. In Frankreich dagegen haben Millennials um acht Prozent und in Italien sogar um 19 Prozent weniger als der nationale Durchschnitt.
http://www.jetzt.de/job/millennials-hab ... en-frueher

Verlorene Jugend in Italien
„Ich fühle mich verraten“
Ein 30-Jähriger nimmt sich in Italien das Leben, sein Abschiedsbrief wird öffentlich. Aus einer privaten Tragödie wird die eines Landes.

http://www.taz.de/!5380146/
Labskaus!

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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(17 Apr 2017, 14:13)

Italien ist schon sehr gerontokratisch.

Hierzulande sind die verfügbaren Einkommen der 25- bis 29-Jährigen im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt um fünf Prozent gesunken. In Frankreich dagegen haben Millennials um acht Prozent und in Italien sogar um 19 Prozent weniger als der nationale Durchschnitt.
http://www.jetzt.de/job/millennials-hab ... en-frueher

Verlorene Jugend in Italien
„Ich fühle mich verraten“
Ein 30-Jähriger nimmt sich in Italien das Leben, sein Abschiedsbrief wird öffentlich. Aus einer privaten Tragödie wird die eines Landes.

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Die hohe Jugendarbeitslosigkeit trägt sicher zu dieser statistischen Auffälligkeit bei. Damit sind viele junge Leute zu einem Daueraufenthalt im Hotel Mamma Mia verurteilt. Oder sie wandern ab nach Norden.

Das Land muß selbst seine Mängel untersuchen und an Abhilfen arbeiten. Die politischen Verhältnisse und die gesellschaftlichen Entwicklungen liegen in italienischer Verantwortung. Da wirkt keine bösartige äußere Macht zum Nachteil des Landes. Italien hat Zugang zum Wissen und Können seiner Partner in der EU; vermutlich juckt es auch vielen Freunden Italiens in den Fingern, dort beratend und helfend ein zu greifen. Aber da leben keine Milchbubis, sondern ausgewachsene Leute, die für sich und ihre Gesellschaft Verantwortung zu tragen haben!
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harry52
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von harry52 »

H2O hat geschrieben:Die hohe Jugendarbeitslosigkeit trägt sicher zu dieser statistischen Auffälligkeit bei. Damit sind viele junge Leute zu einem Daueraufenthalt im Hotel Mamma Mia verurteilt. Oder sie wandern ab nach Norden.
Das Problem haben viele Südeuropäer, aber auch beispielsweise die Nordafrikaner.
Der arabische Frühling brach in Tunesien aus, dass vom Sozialisten Ben Ali regiert wurde. Ein junger Mann verbrannte sich, weil er zwar gut ausgebildet war, aber keine Chance auf einen guten Job hatte.

Ein Problem ist doch, dass kaum Investoren in diese Länder kommen
und z.B. mal eine Fabrik bauen. Und warum kommen sie denn nicht nach Italien und Co. und warum kauft heute kaum noch einer einen Fiat? Warum boomt umgekehrt aber KIA.. Diese Fragen muss man sich stellen.

Das Gesamtpaket stimmt da oft nicht.
Korruption ist tatsächlich ein großes Problem. Wenn man x Staatsdiener erstmal bestechen muss, um eine Fabrik zu bauen, dann hält das die Investoren ab. Oder man denke an das fehlende Katasteramt in Griechenland. Ein Unternehmer kann dort ja nicht einmal ein Grundstück erwerben... Das sind nur zwei Beispiele von tausenden. Oft ist es ein ganzes Bündel an Fehlern, die diese Länder machen.

Und wenn man dann noch ständig linke und rechte Populisten wählt, die Ausländer nicht leiden können, oder ständig damit drohen Fabriken zu verstaatlichen ..., dann kommt Toyota natürlich niemals dort hin.
"Gut gemeint" ist nicht das Gleiche wie "gut gemacht".
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

harry52 hat geschrieben:(17 Apr 2017, 22:13)

Das Problem haben viele Südeuropäer, aber auch beispielsweise die Nordafrikaner.
Der arabische Frühling brach in Tunesien aus, dass vom Sozialisten Ben Ali regiert wurde. Ein junger Mann verbrannte sich, weil er zwar gut ausgebildet war, aber keine Chance auf einen guten Job hatte.

Ein Problem ist doch, dass kaum Investoren in diese Länder kommen
und z.B. mal eine Fabrik bauen. Und warum kommen sie denn nicht nach Italien und Co. und warum kauft heute kaum noch einer einen Fiat? Warum boomt umgekehrt aber KIA.. Diese Fragen muss man sich stellen.

Das Gesamtpaket stimmt da oft nicht.
Korruption ist tatsächlich ein großes Problem. Wenn man x Staatsdiener erstmal bestechen muss, um eine Fabrik zu bauen, dann hält das die Investoren ab. Oder man denke an das fehlende Katasteramt in Griechenland. Ein Unternehmer kann dort ja nicht einmal ein Grundstück erwerben... Das sind nur zwei Beispiele von tausenden. Oft ist es ein ganzes Bündel an Fehlern, die diese Länder machen.

Und wenn man dann noch ständig linke und rechte Populisten wählt, die Ausländer nicht leiden können, oder ständig damit drohen Fabriken zu verstaatlichen ..., dann kommt Toyota natürlich niemals dort hin.
Im privaten Gespräch werden Sie in Italien sehr bald heraus finden, daß den Menschen dort sehr bewußt ist, welches Unheil die Mafia und ihre Ableger in der italienischen Wirtschaft anrichten, wie selbstsüchtig die politische Klasse handelt. Wenn Sie ausdauernder Leser des "Corriere della sera" sind, dann entgeht Ihnen das alles so wenig wie den gebildeten Italienern.

Aber Abhilfe müssen die Italiener schon selbst schaffen. Wer denn sonst?
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frems
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(17 Apr 2017, 21:53)
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit trägt sicher zu dieser statistischen Auffälligkeit bei. Damit sind viele junge Leute zu einem Daueraufenthalt im Hotel Mamma Mia verurteilt. Oder sie wandern ab nach Norden.

Das Land muß selbst seine Mängel untersuchen und an Abhilfen arbeiten.
Ist sicherlich richtig. Frage ist, ob solche Aussagen von regierenden Babyboomern da hilfreich sind:
Doch die Hoffnung ist verpufft. Zwar hat Italien wieder ein – wenn auch sehr bescheidenes – Wachstum vorzuweisen. Zwar geriet auch der Arbeitsmarkt in Bewegung. Doch neue Jobs entstanden vor allem für die über 50-Jährigen, die Jugendlichen dagegen gingen leer aus. Auf die Regierung kommt Michele ganz am Ende seines Briefs zu sprechen: „P.S., Komplimente an Minister Poletti. Er ist einer, der uns als Arschlöchern gebührenden Wert zubilligt.“

Giuliano Poletti, Arbeitsminister im Kabinett des im Dezember 2016 zurückgetretenen Regierungschefs Renzi, behielt seinen Job auch in der neuen Regierung unter Paolo Gentiloni. Ausgerechnet Poletti hatte im Dezember letzten Jahres die Abwanderung Zehntausender meist junger Menschen – allein im Jahr 2015 verließen 107.000 Italiener ihr Heimatland – mit der herablassenden Bemerkung kommentiert, bei einigen dieser Auswanderer sei es „besser, dass sie uns nicht mehr hier auf die Nerven gehen“.

Dabei kann der Arbeitsminister auf der Habenseite verbuchen, dass er wenigstens einem jungen Mann zu einem festen Job verholfen hat: dem eigenen Sohn. Den Filius hatte der Minister, früher Präsident des Zentralverbands der Genossenschaften Legacoop, bei einer Genossenschaftszeitung als Chefredakteur untergebracht.

So viel Glück hatte Michele nicht, ihm blieb nur festzuhalten: „Diese Generation rächt sich für einen Diebstahl, den Diebstahl des Glücks“, bevor er seinem Leben ein Ende machte.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von unity in diversity »

Wenn man die Ergebnisse der Globalisierung zu einem Generationenkonflikt umdeutet, schafft man zwar eine temporäre Entlastung durch Ablenkung, kann aber kein Problem lösen.
Auch in Italien blockieren die Alten die besseren Arbeitsplätze, in die sie reingewachsen sind und für die Jungen bleiben nur prekäre Bullshitjobs.
Die kaufen denn auch das Primark-Kramzeug, was den Resten der einheimischen Produktion schadet.
In vielen Firmen wurden für die nächsten 10 Jahre betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.
Warum sollte man auch mit Entlassungswellen Negativschlagzeilen machen, wenn die Babyboomer von allein ausscheiden.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

harry52 hat geschrieben:(17 Apr 2017, 22:13)
Ein Problem ist doch, dass kaum Investoren in diese Länder kommen
und z.B. mal eine Fabrik bauen. Und warum kommen sie denn nicht nach Italien und Co. und warum kauft heute kaum noch einer einen Fiat? Warum boomt umgekehrt aber KIA.. Diese Fragen muss man sich stellen.
Italien hat 2016 einen Rekord-Export-Überschuss von 52 Milliarden Euro erwirtschaftet. Und zwar gerade wegen der stetig wachsenden Beliebtheit von "Made in Italy" in Japan und China. Das ist sicher nicht das Problem. Möglicherweise ist das hier in diesem Thread angesprochene demographische Problem gar nicht mehr in dem Maße mit wirtschaftlichen Problemen verkoppelt wie noch in früheren Zeiten.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Apr 2017, 04:33)

Italien hat 2016 einen Rekord-Export-Überschuss von 52 Milliarden Euro erwirtschaftet. Und zwar gerade wegen der stetig wachsenden Beliebtheit von "Made in Italy" in Japan und China. Das ist sicher nicht das Problem. Möglicherweise ist das hier in diesem Thread angesprochene demographische Problem gar nicht mehr in dem Maße mit wirtschaftlichen Problemen verkoppelt wie noch in früheren Zeiten.
Geht mir auch so, daß ich viele Erzeugnisse aus Italien sehr gern kaufe... neuerdings sogar bei Lidl in Polen. Schön, daß es mit dem Land wirtschaftlich doch aufwärts geht. Warum reden wir dann hier von "Italiens schleichendem Niedergang"?
elmore

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von elmore »

Italiens Staatsverschuldung stieg seit dem Jahr 2006/7, wo diese bei ca. 100% lag, kontinuierlich auf aktuell ca. 132 %. Tendenz stetig steigend.
Einwohnerzahl ca. 60 Mio., BIP jährlich ca. 1,6 Billionen Euro.
Im Vergleich der 3 seit dem Brexit größten Volkswirtschaften der EU und Eurozone hat Frankreich ca. 99 % Staatsschulden, was
in Billionen Euro ungefähr 2,1 Bill. = 2100 Mrd. Euro Schulden ausmacht. (Einwohner ca. 66 Mio. BIP/FRA ca. 2,2 Billionen BIP).


ITA mit ca. 60 Mill. Einwohnern erwirtschaftet im Vergleich zu FRA ca. 1,6 Bill. Euro jährlich. Also deutlich weniger als im Vergleich das nur um
6 Mio. Einwohner stärkere Frankreich. Die Staatsschulden Italiens sind vom absoluten Betrag in EURO ungefähr gleich hoch wie jene
Frankreichs, nämlich ca. 2,1 Billionen EURO (=132%).

Deutschland als stärkste Volkswirtschaft hat ungefähr ein BIP von 3,3 Billionen EURO bei ca. 82 Millionen Einwohnern. Die Staatsschulden
Deutschlands sind rückläufig, und betragen aktuell etwa genauso viel wie jene Italiens oder Frankreichs, also ca. 2,1 Billionnen Euro.

Von genannten drei Ländern ist D das einzige Land, dass schon seit einigen Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreicht, also
keine neuen Schulden macht, sogar Überschüsse erzielt im Verhältnis Staatsausgaben zu Staatseinnahmen.
D hat in den letzen Jahren den Schuldenstand auch deutlich reduzieren können und nähert sich langsam aber kontinuierlich
der sog. Verschuldungsobergrenze (nach Maastricht) an. Aktuell ca. 68 % Staatsverschuldung.

Bei FRA und ITA ganz besonders steigen jedoch die Staatsschulden kontinuierlich, d.h. diese Staaten geben deutlich zu viel Geld
aus im Verhältnis zu den Einnahmen, die aus der gesamten volkswirtschaftlichen Leistung generiert werden.

Die Arbeitslosenzahlen bzw. Statistiken lasse ich mal weg. Hier sähe es noch desaströser sowohl für FRA als auch ITA aus.
Besonders die Jugendarbeitslosigkeit in beiden Ländern, wie auch die Chancen der jungen Generationen auf solide Jobs
sind einfach nur als schlimm und schmerzhaft für die vielen jungen Leute zu bezeichnen. Ein absolutes und zynisches
Versagen der politischen Eliten in beiden Ländern, denen das offenbar vollkommen am Allwertesten vorbeigeht.

Angesichts der hohen Staatsverschuldulng logisch ist insofern auch, dass speziell die EZB (derzeit vom Italiener Draghi geleitet, vorher (2003-2001) von einem Franzosen namens Trichet)
eine Flutung der Märkte mit EURO nebst Niedrigstzinspolitik vor allem zum
Vorteil von Ländern wie FRA, ESP, aber vor allem ITA betreiben. Würden die Zinsen in der Eurozone anziehen, würde das
sehr schwere Belastungen, sprich Verteuerungen für die Zinslasten bedeuten, die diese Länder aufgrund ihrer hohen
Verschuldung zu stemmen haben. Bei gleichzeitig bescheidenem Wachstum, zumindest was FRA und ITA betrifft.
Spaniens Staat, ebenfalls hochverschuldet, hat in den vergangenen Jahren vergleichsweise hohe Wachstumsraten erzielt.
FRA und ITA nicht.

Besonders auffällig ist im übrigen, auch wenn es eigentlich in den Thread zur FRA-Wahl gehört, dass eine überwältigende
Mehrheit der franz. Bevölkerung gerade mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes äusserst!! unzufrieden ist, bei gleichzeitig
sehr hohen Steuerlasten und Abgaben.

Italien ist - auch wenn es im Moment in Sachen Wachstum nicht abwärts geht, sondern zart aufwärts - das tatsächliche Sorgenkind
und das Land, das aufgrund seiner rückläufigen und stagnierenden Wirtschaftskraft und strukturell nachwievor nicht
angepackter Reformen, dass die EU am ehesten aufgrund seiner finanziellen Schieflage sprengen könnte.
Die Schuldenquote ist dermaßen hoch, mit großem Abstand, dass es fraglich ist, ob dieses mafia - und korruptionsdurchseuchte
Land je den Durchbruch zu effizienterer und investitions- bzw. wettbewerbsfähigerer Position schaffen wird.
Und damit verbunden auch das Unternehmensklima für ein arbeitsplatz- und wachstumsförderndes Umfeld endlich realisiert.

Solange das nicht geschieht, dringend notwendige Strukturreformen, ist der Threadtitel durchaus angebracht. Gleiches gilt mit Abstrichen natürlich auch für FRA.
Aber es ist anzuzweifeln, dass sich in beiden Ländern etwas Entscheidendes - zum Positiven - ändern wird.

PS: Ich mag italienische Produkte sehr. Dto. französische. Aber nicht alle. Nur als kleines Beispiel: Meine Siebträgerespressomaschine mit integriertem Mahlwerk ist made in NORD-Germany…
Sehr preiswürdige, wirkliche Qualität aus der Nähe von Buxtehude.

Das ist eine wirklich innovative, deutlich besseren Alltags-Gebrauchswert bietende Espressomaschine (mit pat. Dual-Wall Prinzip). Das Ergebnis ist
schlicht professioneller Espresso, ohne hierfür deutlich mehr an Kaufpreis für prof. oder semiprof. italienische Modelle ausgeben zu müssen und ...ohne 2 Jahre "Barista"
lernen zu müssen. Und ich hatte diese Maschine nach sechs Jahren heftigem Gebrauch jetzt in Reparatur. Nach ca. 21000 Brühungen hatte die Pumpe ihren verdienten
Geist aufgegeben. Die gesamte Reparatur inc. neuer Pumpe kostete 102,-- Euro. Neupreis der gesamten Maschine war 598,-- Euro vor sechs Jahren.
Auch der perfekte und äusserst preiswerte Reparaturservice incl. Versand, die lange Lebensdauer ist ein beachtlicher Leistungsnachweis und wenn man so will, entscheidender Wettbewerbsvorteil
gegenüber z.B. italienischen Espressomaschinen/Automaten, von denen ich schon einige besaß…La bella machina made in NORD-Germany ist wieder wie neu, funkelt und werkelt unbeirrt in ihrem
matten Edelstahlschimmer, als hätte ich sie gestern gekauft. So muss Technik, liebe Italienerinnen und -ener. *g*

@Mods,
ich bitte um milde Nachsicht für meinen Produktlobhudelei-Ausraster. Wird nicht mehr vorkommen. *schwör
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

elmore hat geschrieben:(19 Apr 2017, 00:28)
Italien ist - auch wenn es im Moment in Sachen Wachstum nicht abwärts geht, sondern zart aufwärts - das tatsächliche Sorgenkind
und das Land, das aufgrund seiner rückläufigen und stagnierenden Wirtschaftskraft und strukturell nachwievor nicht
angepackter Reformen, dass die EU am ehesten aufgrund seiner finanziellen Schieflage sprengen könnte.
Die Schuldenquote ist dermaßen hoch, mit großem Abstand, dass es fraglich ist, ob dieses mafia - und korruptionsdurchseuchte
Land je den Durchbruch zu effizienterer und investitions- bzw. wettbewerbsfähigerer Position schaffen wird.
Und damit verbunden auch das Unternehmensklima für ein arbeitsplatz- und wachstumsförderndes Umfeld endlich realisiert.
In einem Focus-Artikel mit dem bezeichnenden Titel "Deutschland im Sinkflug" von Mitte November (also einigermaßen aktuell) las ich folgende Passage:
Doch im Sozialversicherungssystem schlummern nach Ansicht der Stiftung Marktwirtschaft enorme Risiken, die in den kommenden Jahren auf die Politik zukommen. Ungewöhnlich dabei: Selbst vermeintliche Problem-Staaten wie Italien oder Portugal haben diese Themen bereits angepackt. Die Bundesregierung müsste deshalb eigentlich hohe Rücklagen bilden, um ihre bisherigen sozialen Versprechen zu finanzieren.
...
Anders als Deutschland hat die Mehrheit der EU-Staaten im Vergleich zum Vorjahr ihre Gesamtschulden verringert. Am besten stehen Dänemark, Lettland, Estland und, als Spitzenreiter, Kroatien da.

Auch Portugal und Italien haben diesbezüglich Fortschritte gemacht. Sie sind zwar Länder mit hohen ausgewiesenen Schulden. Nimmt man jedoch die vergleichsweise sehr niedrige oder sogar abnehmende implizite Verschuldung hinzu, stehen beide Länder bei der Gesamtverschuldung sogar besser als Deutschland.

Der Grund liegt in den beachtlichen Rentenreformen, die Portugal und Italien bereits beschlossen haben (siehe unten). Langfristig sind deshalb die Ausgaben für die Alterssicherung in beiden Ländern geringer als in Deutschland, während diese Lasten in den meisten anderen EU-Ländern wie Österreich, Frankreich, Griechenland oder Spanien infolge der Alterung noch deutlicher steigen werden.
http://www.focus.de/finanzen/altersvors ... 17502.html
Es bestätigt, was ich eigentlich schon seit langem denke: Fragen nach dem "Niedergang" (oder "Aufstieg") ganzer Staaten sind einfach nicht eindimensional beantwortbar. Staatsverschuldung, Exportstärke, Demographie, politische Stabilität usw. usf. müssen gegeneinder aufgerechnet werden, und das führt zu sehr komplexen und möglicherweise auch sogar sozusagen randchaotischen Prognosemodellen. Und worüber sich selbst Experten die Köpfe zerbrechen und in der Regel eher darüber nachdenken, wie sie ihre Ratlosigkeit kaschieren könnten, sind interessierte Laien (wie ich) ohnehin überfordert. In der Regel behilft man sich dann mit kulturalistischen Vorurteilen und argumentiert mit eingeübten Narrativen: Wie sie denn so sind, die Italiener. Dass sie guten Espresso zubereiten können und sich geschmackvoll zu kleiden wissen. Das ist bezüglich der Ursprungsfrage aber eigentlich vollkommen irrelevant.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Apr 2017, 08:41)
...

... bestätigt, was ich eigentlich schon seit langem denke: Fragen nach dem "Niedergang" (oder "Aufstieg") ganzer Staaten sind einfach nicht eindimensional beantwortbar. Staatsverschuldung, Exportstärke, Demographie, politische Stabilität usw. usf. müssen gegeneinder aufgerechnet werden, und das führt zu sehr komplexen und möglicherweise auch sogar sozusagen randchaotischen Prognosemodellen. Und worüber sich selbst Experten die Köpfe zerbrechen und in der Regel eher darüber nachdenken, wie sie ihre Ratlosigkeit kaschieren könnten, sind interessierte Laien (wie ich) ohnehin überfordert. In der Regel behilft man sich dann mit kulturalistischen Vorurteilen und argumentiert mit eingeübten Narrativen: Wie sie denn so sind, die Italiener. Dass sie guten Espresso zubereiten können und sich geschmackvoll zu kleiden wissen. Das ist bezüglich der Ursprungsfrage aber eigentlich vollkommen irrelevant.
Das ist wohltuend ehrlich! Wie wollen wir armen Wirtschaftslaien bewerten, wie Italien dasteht? Ein Gerücht, das mir wiederholt begegnet ist: Italien hat reiche Bürger, ist aber ein armer Staat. Nachprüfen kann ich so etwas auch nicht. Mir sind dort Kollegen begegnet, übrigens in jahrelanger gemeinsamer Arbeit, die ...entsprechende Sprachkenntnisse vorausgesetzt... ohne Schwierigkeiten auch in Germanien mithalten könnten. Ich habe gern dort gelebt und gearbeitet. Deshalb tut es mir immer wieder weh, wenn in sicherem Abstand auf dem Land herum gehackt wird.

Unbestritten gibt es dort böse Macken; aber auch bei uns in D oder PL muß ich nicht besonders lange suchen, um mich über solche Macken zu ärgern!
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 09:52)

Das ist wohltuend ehrlich! Wie wollen wir armen Wirtschaftslaien bewerten, wie Italien dasteht? Ein Gerücht, das mir wiederholt begegnet ist: Italien hat reiche Bürger, ist aber ein armer Staat. Nachprüfen kann ich so etwas auch nicht. Mir sind dort Kollegen begegnet, übrigens in jahrelanger gemeinsamer Arbeit, die ...entsprechende Sprachkenntnisse vorausgesetzt... ohne Schwierigkeiten auch in Germanien mithalten könnten. Ich habe gern dort gelebt und gearbeitet. Deshalb tut es mir immer wieder weh, wenn in sicherem Abstand auf dem Land herum gehackt wird.

Unbestritten gibt es dort böse Macken; aber auch bei uns in D oder PL muß ich nicht besonders lange suchen, um mich über solche Macken zu ärgern!
Ja. In der Art und Weise berichten Reisereporter oder Autoren von Magazinartikeln, Feature-Beiträgen über ein Land. Vielfarbig, ungeschönt, mit direkten Eindrücken von Land und Leuten. Aber ökonomische und/oder staatsfinanzielle Prognosemodelle ... das ist dann eben noch ein anderes und ziemlich trockenes Ding. Es gibt (wohl) einige Ökonomen, die ganz offen zugeben, dass ihre quantitativen Modelle entweder veraltet, zu sehr vereinfacht oder auch zu sehr verwissenschaftlicht in dem Sinne sind, dass sie mit der ökonomischen Realität nur noch wenig zu tun haben.
Unrealistische mathematische Modelle diskreditieren die Wirtschaftswissenschaft. Eine Neuausrichtung der Volkswirtschaftslehre wäre erforderlich. ... Doch das größte Problem der Wirtschaftswissenschaft besteht meines Erachtens darin, mathematische Modelle zu verwenden, welche die Lebenswirklichkeit der Menschen nicht ausreichend analysieren können. Dies gilt vor allem für die Theorien der Neoklassik, die zurzeit die dominierende volkswirtschaftliche Denkschule darstellt. Die neoklassischen Modelle mögen mit einiger logischer Eleganz daherkommen. Doch zur Erklärung der Realität sowie als Grundlage für politische Entscheidungen sind sie nicht geeignet. Denn Modelle müssen auf gewissen Grundannahmen aufbauen, welche die gesamte Komplexität menschlichen Verhaltens jedoch nicht erfassen können. Darüber hinaus sind die Prämissen der Neoklassik als ziemlich weltfremd zu bezeichnen.
Eine Passsage aus einem der vielen ökonomie-kritischen Artikel jüngerer Zeit. Und das Thema des Threads fragt eben nicht (nur) nach einem IST-Zustand sondern stellt ausdrücklich die Frage nach einem "Niedergang". Die ist ohne Prognose nicht beantwortbar.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Wähler »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Apr 2017, 08:41)
In einem Focus-Artikel mit dem bezeichnenden Titel "Deutschland im Sinkflug" von Mitte November (also einigermaßen aktuell) las ich folgende Passage:
http://www.focus.de/finanzen/altersvors ... 17502.html
Es bestätigt, was ich eigentlich schon seit langem denke: Fragen nach dem "Niedergang" (oder "Aufstieg") ganzer Staaten sind einfach nicht eindimensional beantwortbar. Staatsverschuldung, Exportstärke, Demographie, politische Stabilität usw. usf. müssen gegeneinder aufgerechnet werden, und das führt zu sehr komplexen und möglicherweise auch sogar sozusagen randchaotischen Prognosemodellen. Und worüber sich selbst Experten die Köpfe zerbrechen und in der Regel eher darüber nachdenken, wie sie ihre Ratlosigkeit kaschieren könnten, sind interessierte Laien (wie ich) ohnehin überfordert. In der Regel behilft man sich dann mit kulturalistischen Vorurteilen und argumentiert mit eingeübten Narrativen: Wie sie denn so sind, die Italiener. Dass sie guten Espresso zubereiten können und sich geschmackvoll zu kleiden wissen. Das ist bezüglich der Ursprungsfrage aber eigentlich vollkommen irrelevant.
Wir Euro-Europäer dürfen auch nicht vergessen, dass wir den Südländern mit der Zins- und Geldpolitik der EZB in Wirklichkeit keinen Gefallen tun. Während Deutschland sowohl von den niedrigen Zinsen im Euro-Raum, als auch von dem niedrigen Euro-Kurs für seine Exporte außerhalb des Euro-Raumes profitiert, nutzen die Südländer die niedrigen Zinsen innerhalb des Euro-Raumes zu wenig für Investitionen. Wären die Zinsen höher, müssten die Südländer zwar mehr Haushaltsgelder für die Bedienung der Staatsanleihen-Gläubiger aufwenden, spürten aber auch stärker den finanziellen Druck, um endlich ihren Wirtschaftsraum zu modernisieren. Kommen die Südländer nicht endlich auf die Beine, drohen den deutschen Staatsanleihen-Gläubigern hohe Verluste durch Staatsschuldenschnitte. Das ist und bleibt die Kehrseite der Medaille der vermeintlichen deutschen Stärke.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Apr 2017, 11:30)

Ja. In der Art und Weise berichten Reisereporter oder Autoren von Magazinartikeln, Feature-Beiträgen über ein Land. Vielfarbig, ungeschönt, mit direkten Eindrücken von Land und Leuten. Aber ökonomische und/oder staatsfinanzielle Prognosemodelle ... das ist dann eben noch ein anderes und ziemlich trockenes Ding. Es gibt (wohl) einige Ökonomen, die ganz offen zugeben, dass ihre quantitativen Modelle entweder veraltet, zu sehr vereinfacht oder auch zu sehr verwissenschaftlicht in dem Sinne sind, dass sie mit der ökonomischen Realität nur noch wenig zu tun haben.



Eine Passsage aus einem der vielen ökonomie-kritischen Artikel jüngerer Zeit. Und das Thema des Threads fragt eben nicht (nur) nach einem IST-Zustand sondern stellt ausdrücklich die Frage nach einem "Niedergang". Die ist ohne Prognose nicht beantwortbar.
Dazu fällt mir Zweierlei ein:
  • Die Versuchung war eben groß, die Wirtschaftswissenschaften zu einer "Naturwissenschaft" um zu arbeiten. So wie wir das in der ärztlichen Kunst erlebt haben, die heute mit weitaus weniger Makumba und dafür doch sehr biologie-, chemie- und physiklastig auftritt. Aber immerhin gibt es noch kein mathematische Gleichungssystem zur Beschreibung einer erfolgreichen Behandlung. Wer weiß, wie viele Dissertationen und Habilitationen sich mit diesen mathematischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften befaßt haben. Wer immer strebend sich bemüht... Die Wissenschaft muß weiter suchen.

    Aber es muß doch etwas dran sein an diesen Modellierungen; das schließe ich aus dem "Hochfrequenz-Handel" mit Aktien, bei dem die schnellsten verfügbaren Rechner kleinste Wertveränderungen von Aktien mit Hilfe mathematischer Modelle erspüren und kaufen sowie verkaufen. Eine wichtige Kritik daran sagt aber, daß es sich hier eher um "Insidergeschäfte" handelt, weil diese Superrechner sich innerhalb der Börsengebäude viel schneller Zugang zu den aktuellen Daten verschaffen können, als ein Händler in einigen hundert Kilometer Entfernung. Dann wäre das mehr eine Gesetzeslücke ausgenutzt als eine angewandte Wissenschaft.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Alter Stubentiger »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 16:58)

Dazu fällt mir Zweierlei ein:
  • Die Versuchung war eben groß, die Wirtschaftswissenschaften zu einer "Naturwissenschaft" um zu arbeiten. So wie wir das in der ärztlichen Kunst erlebt haben, die heute mit weitaus weniger Makumba und dafür doch sehr biologie-, chemie- und physiklastig auftritt. Aber immerhin gibt es noch kein mathematische Gleichungssystem zur Beschreibung einer erfolgreichen Behandlung. Wer weiß, wie viele Dissertationen und Habilitationen sich mit diesen mathematischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften befaßt haben. Wer immer strebend sich bemüht... Die Wissenschaft muß weiter suchen.

    Aber es muß doch etwas dran sein an diesen Modellierungen; das schließe ich aus dem "Hochfrequenz-Handel" mit Aktien, bei dem die schnellsten verfügbaren Rechner kleinste Wertveränderungen von Aktien mit Hilfe mathematischer Modelle erspüren und kaufen sowie verkaufen. Eine wichtige Kritik daran sagt aber, daß es sich hier eher um "Insidergeschäfte" handelt, weil diese Superrechner sich innerhalb der Börsengebäude viel schneller Zugang zu den aktuellen Daten verschaffen können, als ein Händler in einigen hundert Kilometer Entfernung. Dann wäre das mehr eine Gesetzeslücke ausgenutzt als eine angewandte Wissenschaft.
Der Hochfrequenzhandel funktioniert nur solange die Marktteilnehmer sich an die Annahmen halten denen die Algorithmen zugrunde liegen. Wenn plötzlich viele Menschen, womöglich panikgesteuert, die Domäne der Algorithmen betreten funktionieren diese nicht mehr richtig. Die Folge ist ein Crash. Ich würde sagen Wissenschaft im Bereich der Wirtschaft funktioniert nur bei schönem Wetter.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(19 Apr 2017, 17:15)

Der Hochfrequenzhandel funktioniert nur solange die Marktteilnehmer sich an die Annahmen halten denen die Algorithmen zugrunde liegen. Wenn plötzlich viele Menschen, womöglich panikgesteuert, die Domäne der Algorithmen betreten funktionieren diese nicht mehr richtig. Die Folge ist ein Crash. Ich würde sagen Wissenschaft im Bereich der Wirtschaft funktioniert nur bei schönem Wetter.
So bitterböse will ich Wirtschaftswissenschaften vorsichtshalber doch nicht einordnen. Da ist eben noch viel zu forschen und zu arbeiten. War ja in der ärztlichen Kunst nicht anders: Von Makumba zu den Naturwissenschaften.

Auch beim Hochfrequenz-Handel vermute ich jetzt keine weltbewegenden Theorien, sondern nur die nachrichtentechnische Nähe zu den Informationsquellen. Angeblich geht es dabei um Mikrosekunden, die der Superrechner im Börsengebäude einem vergleichbaren Superrechner in einigen hundert Kilometern voraus hat. Der vorteilhafte Standort scheint gesetzlich zugelassen zu sein: Eine Genehmigung zum Geld Drucken!
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Hyde »

elmore hat geschrieben:(19 Apr 2017, 00:28)
Solange das nicht geschieht, dringend notwendige Strukturreformen, ist der Threadtitel durchaus angebracht. Gleiches gilt mit Abstrichen natürlich auch für FRA.
Aber es ist anzuzweifeln, dass sich in beiden Ländern etwas Entscheidendes - zum Positiven - ändern wird.
Ich sehe Frankreich nicht so negativ. Im Vergleich zu Italien hat Frankreich dann doch viele entscheidende Vorteile. Frankreich wächst zwar wirtschaftlich auch nicht wirklich zufriedenstellend, leidet aber auch nicht unter der schon chronisch zu nennenden Wachstumsschwäche Italiens. Frankreich hat im Gegensatz zu Italien kein demographisches Problem. Frankreich hat im Gegensatz zu Italien eine moderne Familienpolitik, die eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen mit den entsprechenden positiven wirtschaftlichen Effekten sicherstellt. Frankreich hat eine geringere Schuldenquote als Italien. Frankreich hat eine wesentlich geringere Korruption als Italien. Und: Frankreich könnte vor einer wirtschaftsliberalen Wende stehen, wenn man den Programmen von Macron und Fillon Glauben schenkt.

Frankreich wird sich berappeln, früher oder später. Bei Italien bin ich da aufgrund der doch dramatisch umfassenden Probleme deutlich skeptischer.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Hyde »

Vor drei Jahren versprachen der Finanzminister und auch sein damaliger Regierungschef, Matteo Renzi, fürs Jahr 2017 einen "nahezu ausgeglichenen Haushalt", mit einem Defizit von nur noch etwa 0,3 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der gesamten Wirtschaftsleistung des schönen Südlandes. Tatsächlich nimmt der italienische Staat in diesem Jahr über zwei Prozent des BIP an neuen Krediten auf - etwa das Siebenfache des Annoncierten. Damit steigt natürlich auch die Gesamtverschuldung kräftig weiter, nach amtlichen italienischen Zahlen auf 132,5 Prozent des BIP - ein neuerlicher Negativrekord.

Doch nun soll es eine drastische Kurswende geben: Im nächsten Jahr liegt die neue Kreditaufnahme laut Padoans Finanzplan bei nur noch bei 1,2 Prozent des BIP, und soll danach, 2019, sogar auf sagenhaft niedrige 0,2 Prozent fallen. Damit wäre der italienische Staatshaushalt endlich "nahezu ausgeglichen". Auch die Gesamtverschuldung würde erstmals seit vielen Jahren nennenswert reduziert, um vier Prozentpunkte. Und das alles, obwohl das Wachstum auch in Padoans Zahlen eher mau bleibt.

Nachrechnen sollte man die schönen Plandaten besser nicht so genau. Sonst findet man, wie die eher regierungsnahe Tageszeitung "La Repubblica", große schwarze Löcher.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 43638.html
Der italienische Finanzminister plant für 2019 mit einem ausgeglichenen Haushalt. Allerdings wird angezweifelt, dass dies machbar ist. Schon 2014 wurde für 2017 eigentlich ein ausgeglichener Haushalt versprochen.
elmore

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von elmore »

Hyde hat geschrieben:(20 Apr 2017, 01:06)

Ich sehe Frankreich nicht so negativ. Im Vergleich zu Italien hat Frankreich dann doch viele entscheidende Vorteile.
...
Frankreich wird sich berappeln, früher oder später. Bei Italien bin ich da aufgrund der doch dramatisch umfassenden Probleme deutlich skeptischer.
Das sehe ich genauso. Wollte die bessere Ausgangsposition von FRA gar nicht in Frage stellen. Ich schrieb ja auch "mit Abstrichen" , dass die Situation von Frankreich nicht identisch ist mit der Lage Italiens.
Und anhand der von mir schon eingestellten Basiszahlen lässt sich das auch ganz gut verifizieren.

Italien hat Stand 2017 bei der Jugendarbeitslosigkeit (in der Gruppe der 16-24 Jährigen) eine unsägliche Quote von 35% Erwerbslosen.
Die von FRA ist zwar nicht so hoch, aber knapp 24 % der Franzosen in der genannten Altersgruppe sind ebenfalls erwerbslos.
Im Vergleich hat D ca. 6.6% Erwerbslose in dieser Gruppe.

Das finde ich furchtbar, immerhin reden wir hier nicht von Entwicklungsländern, sondern der 2. und 3. größten Volkswirtschaft innerhalb der Eurozone.
Ohne dabei auf Italien oder Frankreich politisch herumtreten zu wollen. Keineswegs. Aber es hat sich weder in ITA noch in FRA an dieser Situation etwas getan.
Die Gesamtzahl der Erwerbslosen stagniert in beiden Ländern ebenfalls auf viel zu hohem Niveau. FRA knapp 10% und ITA sogar gut 11%.
Verändert hat sich in den letzten fünf Jahren trotz -wenn auch nur bescheidener Wachstumserfolge- in beiden Ländern an dieser Situation nichts.
Die Chancen bzw. Zukunftsperspektiven für junge Leute am Anfang ihres Berufslebens sind in beiden Ländern zum "Gotterbarmen".

Und wenn FRA sein Bildungs- bzw. Ausbildungssystem und das damit tief verwurzelte Denken, dass dafür ausschließlich der Staat zuständig sei
und auf der anderen Seite sehr starke Gewerkschaften auf dem Rücken der jungen Leute die Absicherung ihrer älteren, in gesicherten Positionen
bzw. Arbeitsverhältnissen stehenden Klientel mit Zähnen und Klauen verteidigen, ist das auch für FRA eine Herkulesaufgabe…

Hier noch eine recht gute Zusammenfassung über das Schul- bzw. Ausbildungssystem Frankreichs, die stellvertretend
veranschaulicht, von was die Rede ist, wenn es um dringend notwendige Strukturreformen geht.

http://www.tagesschau.de/ausland/hinter ... ch100.html

Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich
Immer noch "Génération précaire"
"Ein altes, eliteschaffendes Bildungssystem"
...
"Manuelle Arbeit immer verbunden mit Schulversagen"
...
"Unternehmen fühlen sich nicht verantwortlich"

---
Dass Italien hier noch viel mehr Reformbedarf hat, um die gesamte Situation am Arbeitsmarkt hinsichtlich der Zukunftsperspektiven (besonders der jungen Leute) zu verbessern, ist unbestritten und auch evident.



Allgemein:
Natürlich kann man all die Zahlen als theoretische Wichtigtuerei der Wirtschaftswissenschaften oder von abgehobenen Statistikern ansehen und die Realität dieser Zahlen
anzweifeln. Ihren Aussagewert für den Zustand eines Landes negieren oder sogar ignorieren, weil sie die Realität nicht abbilden würden, oder zumindest zu negativ.
Kann man schon machen. Bitte sehr. :)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(20 Apr 2017, 01:21)

http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 43638.html
Der italienische Finanzminister plant für 2019 mit einem ausgeglichenen Haushalt. Allerdings wird angezweifelt, dass dies machbar ist. Schon 2014 wurde für 2017 eigentlich ein ausgeglichener Haushalt versprochen.
Wir sollten nicht vergessen, daß unser Finanzminister Schäuble unsere deutsche Schwarze Null auch seit Jahren angestrebt hatte, bis er sie endlich erreichen konnte. Ich vermute, daß das deutsche Haushaltssicherungsgesetz mit seiner Schuldenbremse dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.

Auf diese Art und Weise erlangen wir und unsere Partner wieder politische Handlungsfreiheit und Gestaltungsspielräume zurück.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Ger9374 »

Es ist an Italien seine Bankenmisere und hohen
Staatsschulden überhaupt mal zu realisieren.
Die Wirtschaft und der Konsum sind durchaus nicht die Schwächen des Landes. Politische Stabilität wird auch immer besser. Korruption scheint in Italien nur eindämmbar zu sein, zu sehr sind Staat und organisiertes Verbrechen schon verwoben.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 16:58)

Dazu fällt mir Zweierlei ein:
  • Die Versuchung war eben groß, die Wirtschaftswissenschaften zu einer "Naturwissenschaft" um zu arbeiten. So wie wir das in der ärztlichen Kunst erlebt haben, die heute mit weitaus weniger Makumba und dafür doch sehr biologie-, chemie- und physiklastig auftritt. Aber immerhin gibt es noch kein mathematische Gleichungssystem zur Beschreibung einer erfolgreichen Behandlung. Wer weiß, wie viele Dissertationen und Habilitationen sich mit diesen mathematischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften befaßt haben. Wer immer strebend sich bemüht... Die Wissenschaft muß weiter suchen.
Der Vergleich Medizin und Ökonomie ist schon interessant und regt zum Nachdenken an. Auch wenn das etwas vom Thema ablenkt. Ärzte können heute in vielen Fällen ziemlich sicher einen mittel- oder sogar langfristigen Krankheitsverlauf prognostizieren, obwohl der menschliche Körper ein ziemlich komplexes Gebilde ist. Es gibt aber einen sehr wichtigen und grundlegenden Unterschied: Menschliche Körper gibts selbst zur Jetztzeit ein paar Milliarden und wenn man noch die Vergangenheit dazunimmt etliche mehr. Und sie sind zumindest prinzipiell von immer gleicher Struktur. Das ist bei den einzelnen und insgesamt leicht abzählbaren Volkswirtschaften keineswegs der Fall. Deshalb brauchen Ärzte eher weniger mathematische Modelle und eher mehr systematisierte Erfahrungen sowie qualitative naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Während Volkswirtschaftler eigentlich immer mit Situationen konfrontiert sind, die es so noch nicht gegeben hat: Das Italien der Gegenwart mit EU-Mitgliedschaft, politischem System, Euro-Währung und so weiter und mit einer konkreten itialienischen Wirtschaftsstruktur zum Beispiel. Man muss also auf eine sehr viel abstraktere Ebene, um quantitative und wenigstens mittelfristige Prognosemodelle zu erstellen. Oder sich eingestehen, dass das im Prinzip eigentlich nicht möglich ist.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Apr 2017, 11:09)

...Während Volkswirtschaftler eigentlich immer mit Situationen konfrontiert sind, die es so noch nicht gegeben hat: Das Italien der Gegenwart mit EU-Mitgliedschaft, politischem System, Euro-Währung und so weiter und mit einer konkreten itialienischen Wirtschaftsstruktur zum Beispiel. Man muss also auf eine sehr viel abstraktere Ebene, um quantitative und wenigstens mittelfristige Prognosemodelle zu erstellen. Oder sich eingestehen, dass das im Prinzip eigentlich nicht möglich ist.
Damit haben Sie vermutlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Dennoch sehe ich einigermaßen ehrfürchtig meinen Hausarzt wirken. Ich möchte nicht so weit gehen, die Modellbeschreibung wirtschaftlicher Abläufe für unergiebig zu erklären. In Teilbereichen gibt es statistische Modelle und Filter, die offenbar einige Leute systematisch reich gemacht haben. Zumindest glauben diese Glückspilze das so. Die Literaturquelle dazu habe ich längst vergessen... ich wollte mein Glück mit Ingenieursarbeit suchen. Das ging mit viel harter Arbeit und einigen guten Einfällen :)
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(19 Apr 2017, 09:52)

Ein Gerücht, das mir wiederholt begegnet ist: Italien hat reiche Bürger, ist aber ein armer Staat. Nachprüfen kann ich so etwas auch nicht.
Selbstverständlich könnten Sie das.

Sie müssten sich z.B. nur ansehen, wer die Gläubiger der Staatsschulden sind.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(27 Apr 2017, 01:39)

Selbstverständlich könnten Sie das.

Sie müssten sich z.B. nur ansehen, wer die Gläubiger der Staatsschulden sind.
Könnten Sie mich bitte an Ihrem Wissen teilhaben lassen, ohne daß ich einen Ausflug ins uferlos Blaue machen muß? Wer also sind diese Gläubiger? Herr Draghi, Herr Schäuble oder wer sonst?
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von unity in diversity »

Derweil man in den deutschen Medien schwarze, gelbe und grüne Luftballons feiert, rumort es in Italien:
http://m.20min.ch/ausland/news/story/24415611
Der Norden will seinen Niedergang stoppen.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Inzwischen hat der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella das italienische Parlament aufgelöst, und für März 2018 sind Parlamentswahlen angesetzt. Die Regierung Paolo Gentilioni wird bis dahin noch die Geschäfte führen.

Seit also Matteo Renzi in einem Anflug von Größenwahn sein politisches Schicksal mit einer umfassenden Staatsreform verband und krachend scheiterte, befindet sich Italien im galoppierenden Zerfall. Inzwischen finden schräge Vögel wie der mehrfach gescheiterte Silvio Berlusconi politische Zustimmung... an dem Politiker hängt auch ein Bündel anderer unappetitlicher Parteien, wodurch sich über Wahlbündnisse auch Machtoptionen verbessern. Als Wettbewerber treten die Cinque Stelle an, die sich nach einem kleinen Dämpfer wegen erwiesener politischer Unfähigkeit ganz offensichtlich wieder gefangen haben. Es könnte natürlich auch sein, daß die mediale Darstellung diese politischen Strömungen überzeichnet und aufwertet.

Zunächst sieht es also ziemlich schlecht aus für die klassischen liberaldemokratischen Parteien Italiens aus. Die durchwachsene wirtschaftliche Lage des Landes hat zu weit verbreiteter Ablehnung der Regierungspartei geführt... trotz tüchtiger Finanzspritzen aus der EZB will Italiens Wirtschaft nicht auf Drehzahl kommen.

Damit zeichnen sich neue, der EU abträgliche politische Entwicklungen ab. Italien wird für den Euro vom ernsten Problemfall zum sehr ernsten Problemfall, wodurch der Euro einstürzen könnte. Auch sind die denkbaren neuen italienischen Regierungen euroskeptisch bis eurofeindlich ausgerichtet. Denen geht die ganze EU am Allerwertesten vorbei.

Aus meiner Sicht steht der EU 2018 sehr heftiger Streit und Auflösung bevor, trotz der so hoffnungsvoll begonnenen Amtszeit des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron mit ihren großen europäischen Absichten. Zugleich schwächelt Deutschland politisch trotz brummender Wirtschaft und unerwartet hoher Steuereinnahmen. Die deutschen politischen Parteien haben sich in einem Gestrüpp "roter Linien" eingerichtet... zum Regieren fehlt offenbar jeder innere Antrieb.

Italien geht unter diesen Randbedingungen ganz schweren Zeiten entgegen, weil der Mittelzufluß aus der EZB ins Stocken gerät oder ganz abbricht. Kein Wunder bei einer Staatsverschuldung in der Höhe von zwei BIP.
Senexx

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(31 Dec 2017, 10:37)
Staatsverschuldung in der Höhe von zwei BIP.
Warum streuen Sie hier Falschinformationen?
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(31 Dec 2017, 12:30)

Warum streuen Sie hier Falschinformationen?
Warum nennen Sie nicht`ganz einfach den zutreffenden Wert 1,32 BIP? Wird die Sache dadurch besser?
Senexx

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

H2O hat geschrieben:(31 Dec 2017, 12:32)

Warum nennen Sie nicht`ganz einfach den zutreffenden Wert 1,32 BIP? Wird die Sache dadurch besser?
1. Es ist ein erheblicher Unterschied.

2. Bevor Sie hier Zahlen zum Schuldenstand in den Raum stellen, sollten Sie sich mit der Materie etwas auseinandersetzen. Zum Beispiel mit der Struktur der Schulden, den Schuldnern und den Gläubigern usw.

Aber ich möchte Sie nicht weiter vom Schwadronieren abhalten. EOD.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(31 Dec 2017, 13:36)

1. Es ist ein erheblicher Unterschied.

2. Bevor Sie hier Zahlen zum Schuldenstand in den Raum stellen, sollten Sie sich mit der Materie etwas auseinandersetzen. Zum Beispiel mit der Struktur der Schulden, den Schuldnern und den Gläubigern usw.

Aber ich möchte Sie nicht weiter vom Schwadronieren abhalten. EOD.
Stänkern ist offenbar eine Ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Denn auch diese aus Ihrer Sicht vernachlässigten Dinge hätten Sie mühelos nachtragen können.
Senexx

Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Senexx »

Sie müssten nur lesen, was ich schon im April 3 Postings über dem Ihrigen gepostet habe.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Nomen Nescio »

für 24 stunden gesperrt. beste wünsche für 2018.

NN, mod
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Im Vorfeld zu den italienischen Parlamentswahlen gibt es ein düsteres Bild:

http://www.epochtimes.de/politik/europa ... 14875.html
  • Allgemein wird erwartet, dass bei der Parlamentswahl im März keines der drei großen politischen Lager eine eigene Mehrheit erringt. Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) kann laut Umfragen mit 28 Prozent der Stimmen rechnen und die Demokratische Partei (PD) mit 25 Prozent. Dem Rechtsbündnis aus Forza Italia, der Lega Nord (LN) und der Partei Fratelli d’Italia (FDI) wird zusammen mehr als 35 Prozent der Stimmen zugetraut.
Keine der um die Mehrheit ringenden Parteien und Parteienbündnisse erreicht so eine Mehrheit zur Regierungsbildung. Deshalb gibt es nun schon Überlegungen, eine GroKO aus PD und dem Rechtsbündnis zu bilden... weil mit M5S kein Staat zu machen ist, politische Stabilität für Italien aber überlebenswichtig ist.
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unity in diversity
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von unity in diversity »

H2O hat geschrieben:(09 Jan 2018, 19:27)

Im Vorfeld zu den italienischen Parlamentswahlen gibt es ein düsteres Bild:

http://www.epochtimes.de/politik/europa ... 14875.html
  • Allgemein wird erwartet, dass bei der Parlamentswahl im März keines der drei großen politischen Lager eine eigene Mehrheit erringt. Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) kann laut Umfragen mit 28 Prozent der Stimmen rechnen und die Demokratische Partei (PD) mit 25 Prozent. Dem Rechtsbündnis aus Forza Italia, der Lega Nord (LN) und der Partei Fratelli d’Italia (FDI) wird zusammen mehr als 35 Prozent der Stimmen zugetraut.
Keine der um die Mehrheit ringenden Parteien und Parteienbündnisse erreicht so eine Mehrheit zur Regierungsbildung. Deshalb gibt es nun schon Überlegungen, eine GroKO aus PD und dem Rechtsbündnis zu bilden... weil mit M5S kein Staat zu machen ist, politische Stabilität für Italien aber überlebenswichtig ist.
Es lohnt sich immer, zu überlegen, was die Alternativlosen falsch gemacht haben.
Und warum sie den Cavaliere ausgerechnet jetzt aufbauen.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

unity in diversity hat geschrieben:(13 Jan 2018, 21:40)

Es lohnt sich immer, zu überlegen, was die Alternativlosen falsch gemacht haben.
Und warum sie den Cavaliere ausgerechnet jetzt aufbauen.
Dann einmal heraus damit! Hier haben wir ein Forum für Meinungsaustausch!
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Alpha Centauri »

Wähler hat geschrieben:(16 Apr 2017, 10:06)

Es ist schwierig, auf so allgemein gehaltene Thread-Titel etwas Vernünftiges zu antworten.
Mein Bruder lebt seit 30 Jahren in Turin mit seinen italienischen Verwandten. Ich habe ihn dort fast jedes Jahr besucht. Die Piemontesen nennen die Italiener die Preussen Italiens. Piemont liegt an der Grenze zu Frankreich. Rom und Süditalien liegt weit weg von der Po-Ebene. Die Familie, der Patron als Arbeitgeber und seine Klientel bilden das soziale Auffangnetz bei Arbeitslosigkeit. Wer im öffentlichen Dienst arbeiten will, muss sich gegen viele Mitbewerber in verschiedenen Prüfungen durchsetzen. Das gilt für jede Tätigkeit. Die Wirtschaft ist klein- und mittelständisch geprägt. Der Stern von Fiat ist schon lange verblasst. Der Umgang der Privathaushalte mit Geld ist in Norditalien von großer Nüchternheit geprägt. Kommunikation auf allen Ebenen ist den Italienern sehr wichtig, deshalb haben sie wohl auch die Abschaffung des Senates als zweites Parlament mehrheitlich abgelehnt.
Die EU wird nur vorankommen, wenn das Verständnis für die Mentalitätsunterschiede zunimmt und die junge Generation im jeweils anderen Land eine Zeit lang studiert oder arbeitet.
Ich halte die Niedergang-Metapher für einen Ausdruck von fehlender Kenntnis hier in Deutschland und von gewisser Hilflosigkeit im Umgang mit Mentalitätsunterschieden innerhalb der EU.

Richtig,und genau diese Mentalitätsunterschiede sind das Kernproblem der heutigen EU, da hilft auch der " Oberlehrer" Habitus der Deutschen wenig bis gar nicht. Wie sagt man die Einen leben um zu arbeiten, die Anderen Arbeiten um zu leben.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Ich meine schon, daß Italien sich in einem Niedergang befindet. Das Land wird und wird nicht fertig mit den verschiedenen Ausprägungen der Mafia. Inzwischen sind offen und unverstellt rassistische Äußerungen von der Bedrohung der Weißen Rasse im Umlauf. Ein bekanntermaßen rechtskräftig Vorbestrafter führt eine große Partei und "fädelt" Bündnisse ein.

Nun sage noch einer, daß diese Grobbeschreibung des Istzustands nur Panik ist und die Unwahrheit! Ein Land im Aufstieg stelle ich mir wirklich anders vor.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von Wähler »

H2O hat geschrieben:(18 Jan 2018, 17:03)
Ich meine schon, daß Italien sich in einem Niedergang befindet. Das Land wird und wird nicht fertig mit den verschiedenen Ausprägungen der Mafia. Inzwischen sind offen und unverstellt rassistische Äußerungen von der Bedrohung der Weißen Rasse im Umlauf. Ein bekanntermaßen rechtskräftig Vorbestrafter führt eine große Partei und "fädelt" Bündnisse ein.
Nun sage noch einer, daß diese Grobbeschreibung des Istzustands nur Panik ist und die Unwahrheit! Ein Land im Aufstieg stelle ich mir wirklich anders vor.
Diese Sichtweise trifft aber nur auf Teile Italiens im Süden des Landes zu. Die Italiener sind eher positiv gegenüber der EU eingestellt, weil sie in ihr einen Gegenpol zum italienischen Nationalstaat sehen. Der Föderalismus ist in Italien im Gegensatz zu Frankreich viel stärker ausgeprägt, so dass ein Europa der Regionen den Norditalienern sehr gelegen kommt. Der Vater meiner Frau ist 1960 aus Süditalien nach Augsburg eingewandert. Angesichts der hohen Erwerbslosigkeit von Jugendlichen in den Südländern wird Deutschland als Einwanderungsland mit diesen Mentalitäten noch stärker konfrontiert werden, als vielen von uns lieb ist. Wir werden diese Menschen nicht aufhalten können. Daher sollten wir uns konstruktiv mit ihnen und den Unterschieden auseinandersetzen, ohne unsere Eigenarten aufzugeben. Eine gewisse Veränderung wird aber auch uns abverlangt, was allerdings positive Folgen haben kann.
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(19 Jan 2018, 07:22)

Diese Sichtweise trifft aber nur auf Teile Italiens im Süden des Landes zu. Die Italiener sind eher positiv gegenüber der EU eingestellt, weil sie in ihr einen Gegenpol zum italienischen Nationalstaat sehen. Der Föderalismus ist in Italien im Gegensatz zu Frankreich viel stärker ausgeprägt, so dass ein Europa der Regionen den Norditalienern sehr gelegen kommt. Der Vater meiner Frau ist 1960 aus Süditalien nach Augsburg eingewandert. Angesichts der hohen Erwerbslosigkeit von Jugendlichen in den Südländern wird Deutschland als Einwanderungsland mit diesen Mentalitäten noch stärker konfrontiert werden, als vielen von uns lieb ist. Wir werden diese Menschen nicht aufhalten können. Daher sollten wir uns konstruktiv mit ihnen und den Unterschieden auseinandersetzen, ohne unsere Eigenarten aufzugeben. Eine gewisse Veränderung wird aber auch uns abverlangt, was allerdings positive Folgen haben kann.
Ich fürchte, Sie arbeiten an einer Legende der Vergangenheit. Die Mafia ist über Geldwäsche längst auch in Norditalien eingesickert und bestimmt Teile des Wirtschaftslebens. Erst vor wenigen Tagen hat die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit den Carabinieri in D 15 Mafiamitglieder festgenommen und in Italien über 80.... nicht nur in Kalabrien und Apulien. Wir müssen froh sein, daß Italien die Carabinieri hat, die wohl bisher die Mafia aus ihren Reihen fernhalten konnte. Das ist in der italienischen Politik und selbst in der Römisch-Katholischen Kirche überhaupt nicht mehr gewährleistet.

Sicher, mit unseren offenen Grenzen müssen wir uns auch in Deutschland mit diesem Gelichter auseinander setzen. Geschieht ja auch von Zeit zu Zeit, denn der genannte Vorgang ist ja nicht der erste seiner Art.

Ich meine schon, daß Italien und die italienische Gesellschaft sich nicht zu ihrem Vorteil verändern! Das sagt gar nichts über den einzelnen Italiener aus; die sind nach meinen gemachten Erfahrungen meist liebenswerte und rechtschaffene Leute, und zwar von Genua bis Brindisi und Syrakus. Aber ihr Staat ist nicht zu retten!
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Re: Italiens schleichender Niedergang

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(19 Jan 2018, 09:24)

Ich fürchte, Sie arbeiten an einer Legende der Vergangenheit. Die Mafia ist über Geldwäsche längst auch in Norditalien eingesickert und bestimmt Teile des Wirtschaftslebens. Erst vor wenigen Tagen hat die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit den Carabinieri in D 15 Mafiamitglieder festgenommen und in Italien über 80.... nicht nur in Kalabrien und Apulien. Wir müssen froh sein, daß Italien die Carabinieri hat, die wohl bisher die Mafia aus ihren Reihen fernhalten konnte. Das ist in der italienischen Politik und selbst in der Römisch-Katholischen Kirche überhaupt nicht mehr gewährleistet.

Sicher, mit unseren offenen Grenzen müssen wir uns auch in Deutschland mit diesem Gelichter auseinander setzen. Geschieht ja auch von Zeit zu Zeit, denn der genannte Vorgang ist ja nicht der erste seiner Art.

Ich meine schon, daß Italien und die italienische Gesellschaft sich nicht zu ihrem Vorteil verändern! Das sagt gar nichts über den einzelnen Italiener aus; die sind nach meinen gemachten Erfahrungen meist liebenswerte und rechtschaffene Leute, und zwar von Genua bis Brindisi und Syrakus. Aber ihr Staat ist nicht zu retten!
Ja. Mafia, Verschuldung, Regierungskrise im Dauermodus ... Andererseits habe ich an (seriösen) Artikeln zur Wirtschaft Italiens noch nie etwas anderes gehört oder gelesen, als dass man diese angesichts der genannten Krisenerscheinungen total unterschätzt. Sie gehöre in Wirklichkeit zu den stärksten Europas und der Welt. Und das betreffe gar nicht mal so sehr die Zweige, die man für "typisch italienisch" hält, Mode zum Beispiel, sondern gerade auch Zweige, die man für "typisch deutsch" hält. Maschinenbau zum Beispiel. Nur mal ein jüngeres Exempel solcher Analysen (Süddeutsche Dezember 2017): Italien ist viel stärker als viele behaupten. Ich habs inzwischen aufgegeben, das wirklich durchschauen zu wollen. Man muss offensichtlich, eigentlich ja auch nicht anders als bei der Einschätzung der Wirtschaftsleistung Mittel-Osteuropas, mit solchen widersprüchlichen Aussagen klarkommen: Verschuldung, BIP, Exportleistung, Arbeitslosenrate usw. können jeweils auf ganz unterschiedliche Problemlagen hindeuten.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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