Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

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Nomen Nescio
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2017, 11:49)

Man muss dabei beachten, dass Duda selbst Jurist ist. Da steht seine Konformität zur PiS gegen die Konformität zu seinen Juristenkollegen, die die anstehenden Gesetzesänderungen mehrheitlich für verfassungswidrig halten.
inzwischen habe ich nähere auskünfte bekommen.
es scheint daß duda findet, daß der justizminister zu viel macht bekommt. die gerichte sollten ja nur gummistempel sein.
dennoch ist hiermit alles nicht vorbei. es gab ja vier gesetzentwürfe und zwei müssen noch behandelt werden. außerdem will die bevölkerung offensichtlich auch daß die korruption bestritten wird und die viele sachen aus der kommunistischen zeit (oder mit kommunistischen prägung) geändert werden.
vermutlich muß dieses problem in zwei monaten gelöst sein !!! ???

übrigens soll, wenn der korrespondent gut informiert ist, frau merkel heut morgen auch noch duda angerufen haben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2017, 11:49)

Dass Duda ein Veto eingelegt hat, ist inzwischen auch in den deutschen Medien durch. Nur als Beispiel: http://www.sueddeutsche.de/politik/eil- ... -1.3600807 Er hats in einer "überraschend einberufenen Pressekonferenz" offiziell verkündet:


Man muss dabei beachten, dass Duda selbst Jurist ist. Da steht seine Konformität zur PiS gegen die Konformität zu seinen Juristenkollegen, die die anstehenden Gesetzesänderungen mehrheitlich für verfassungswidrig halten.
Na ja also. Und weil Duda zufällig Präsident ist und die richtige Ansicht hat, gibt es in dem Fall gar keinen Konflikt zwischen EU-Kommission und Polen. So einfach ist das. ;)
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2017, 11:49)

Dass Duda ein Veto eingelegt hat, ist inzwischen auch in den deutschen Medien durch. Nur als Beispiel: http://www.sueddeutsche.de/politik/eil- ... -1.3600807 Er hats in einer "überraschend einberufenen Pressekonferenz" offiziell verkündet:


Man muss dabei beachten, dass Duda selbst Jurist ist. Da steht seine Konformität zur PiS gegen die Konformität zu seinen Juristenkollegen, die die anstehenden Gesetzesänderungen mehrheitlich für verfassungswidrig halten.
Bei aller Genugtuung, daß der Gesetzentwurf der Einparteienregierung nicht einfach durchgewunken wurde: Man wird den Antrieb dieser Regierung wohl auch zu berücksichtigen haben. Es muß Gründe geben, die eine Änderung bei der Ernennung von Richtern nahe legen. Ein solches Theater veranstaltet auch eine Einparteienregierung nicht zum Zeitvertreib. Dieses Verfahren muß vermeiden, daß sich eine Kastenherrschaft als Staat im Staate für die Justiz zuständig sieht, die sich nur aus sich selbst erneuert. Eine sinnvolle Prise "Volkswille" muß dabei auf jeden Fall hinzu kommen. Mit der Ernennung der Richter durch die amtierende Regierung wurde der "Volkswille" sicher zu weit getrieben. :D

Mal sehen, was Präsident Duda auf dem Weg dahin nach tüchtiger Beratung vorschlägt!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:08)

Da bin ich völlig gegensätzlicher Meinung. In einer Wertegemeinschaft nehmen die Partner am politischen Leben ihrer Nachbarn beobachtend und kommentierend und bewertend teil. Wer sich davon ausschließen möchte, der suche sich eine andere Wertegemeinschaft. Darum geht es hier.
Beobachten und kommentieren ist ja etwas anderes als mit wenig legitimierten Instrumenten den Kurs eines Nachbarn bestimmen zu wollen. Es widerspricht der Gemeinschaft nicht, wenn die gegenwärtige polnische Regierung die EU-Kommission beobachtet und kommentiert, sei es nun nachvollziehbar oder nicht.
Die EU-Kommission sollte sich aus Europa nicht ausschließen.
Ich bin sicher, daß die politische Öffentlichkeit Polens diese Zusammenhänge erkannt hat; denn weshalb sonst hätte sie mit Europaflaggen neben den Nationalflaggen an den Protesten teilnehmen sollen? Präsident Duda hat das große Verdienst, daß er die Nervenstärke besaß, sich mit seinen Fachkollegen aus den höchsten Gerichten gründlich und sachlich aus zu tauschen... und er seinem Gewissen gefolgt ist und nicht etwa einer Art Nibelungentreue zu Kaczyński.

Vielleicht bringt er weiterhin die Stärke auf, einen Konvent zur Beratung notwendiger Veränderungen des Gerichtswesens in Polen vor zu schlagen, der unabhängig von Parteiinteressen ein Gesetz erarbeitet, das der klassischen Gewaltenteilung europäischer Verfassungen gerecht wird... und über dessen Annahme am Ende das Volk entscheidet, damit endlich wieder an der Entwicklung des Landes gearbeitet werden kann.

Noch ist Polen nicht verloren!
Sagte ja, die innenpolitischen Vorgänge sprechen für eine starke Zivilgesellschaft. Dennoch kommt man als Demokrat nicht an der Akzeptanz von Wahlen vorbei.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:27)

Beobachten und kommentieren ist ja etwas anderes als mit wenig legitimierten Instrumenten den Kurs eines Nachbarn bestimmen zu wollen. Es widerspricht der Gemeinschaft nicht, wenn die gegenwärtige polnische Regierung die EU-Kommission beobachtet und kommentiert, sei es nun nachvollziehbar oder nicht.
Die EU-Kommission sollte sich aus Europa nicht ausschließen.
Die EU versteht sich als Schicksalsgemeinschaft; jedenfalls die EU, die wir Europäer bauen wollen. Die "Legitimation der EU Kommission" ist die politische Mehrheit, so wie sie für den Ministerrat und das EU-Parlament vereinbart und besiegelt wurden. Insofern bestimmt die EU schon den Kurs der Gemeinschaft und damit auch den Kurs ihrer einzelnen Mitglieder. Es gibt die Möglichkeit, sich davon nachhaltig aus zu schließen. Das muß Wahlfreiheit genug sein.

Natürlich soll jedes Mitglied das Wirken der EU Kommission kommentieren und bewerten; das halte ich für eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Ernennung der Kommission und ihrer Mitglieder. Da ist niemand ausgeschlossen. Nur kann kein einzelner Partner der großen Mehrheit der Partner seinen Willen aufnötigen... siehe oben. Dann kann es schon einmal 26:1 stehen.
Sagte ja, die innenpolitischen Vorgänge sprechen für eine starke Zivilgesellschaft. Dennoch kommt man als Demokrat nicht an der Akzeptanz von Wahlen vorbei.
Ja, als Europäer hätte ich auch politisch starke Bauchschmerzen, wenn die Menschen in Polen auf großen Kundgebungen öffentlich Europaflaggen verbrännten. Das tun sie aber zu 87% ganz gewiß nicht. Dann muß wohl die Regierung mit Blick auf die EU-Kommission und die EU den Volkswillen falsch verstanden haben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:10)

inzwischen habe ich nähere auskünfte bekommen.
es scheint daß duda findet, daß der justizminister zu viel macht bekommt. die gerichte sollten ja nur gummistempel sein.
dennoch ist hiermit alles nicht vorbei. es gab ja vier gesetzentwürfe und zwei müssen noch behandelt werden. außerdem will die bevölkerung offensichtlich auch daß die korruption bestritten wird und die viele sachen aus der kommunistischen zeit (oder mit kommunistischen prägung) geändert werden.
vermutlich muß dieses problem in zwei monaten gelöst sein !!! ???

übrigens soll, wenn der korrespondent gut informiert ist, frau merkel heut morgen auch noch duda angerufen haben.
Wenn die Kanzlerin den Präsidenten Duda angerufen haben sollte, dann sicher aus Besorgnis um den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Ich halte das für einen Beweis der Wertschätzung unseres Nachbarn, dem politisches Ungemach erspart bleiben soll. Präsident Duda ist unversehens zu einem Makler zwischen der parlamentarischen sowie der außerparlamentarischen Opposition und der Regierung geworden. Damit ist Präsident Duda ab sofort ein politischer Machtfaktor in Polen unabhängig von Herrn Kaczyński. Hoffentlich weiß er diese Position klug zu nutzen, um nicht Rachehandlungen dieses Strippenziehers aus dem Hinterzimmer zum Opfer zu fallen. Für mich ist Präsident Duda der politische Gewinner des Tages.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 13:04)

Wenn die Kanzlerin den Präsidenten Duda angerufen haben sollte, dann sicher aus Besorgnis um den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Ich halte das für einen Beweis der Wertschätzung unseres Nachbarn, dem politisches Ungemach erspart bleiben soll. Präsident Duda ist unversehens zu einem Makler zwischen der parlamentarischen sowie der außerparlamentarischen Opposition und der Regierung geworden. Damit ist Präsident Duda ab sofort ein politischer Machtfaktor in Polen unabhängig von Herrn Kaczyński. Hoffentlich weiß er diese Position klug zu nutzen, um nicht Rachehandlungen dieses Strippenziehers aus dem Hinterzimmer zum Opfer zu fallen. Für mich ist Präsident Duda der politische Gewinner des Tages.
was aber bedeutet das für sein verhältnis mit K ?
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 14:33)

was aber bedeutet das für sein verhältnis mit K ?
Das bedeutet, daß er sich aus einer Abhängigkeit befreit hat, die ihn ansonsten als Staatsoberhaupt beschädigt hätte. Zugleich hat er sein Ansehen im Wahlvolk verbessert mit Blick auf eine zweite Amtszeit.

Früher oder später hätte Präsident Duda sich ohnehin von Herrn Kaczyńskis Gängelband losreißen müssen, um als Politiker und Persönlichkeit Mehrheiten gewinnen zu können. Sein erster Wahlsieg war mehr oder weniger unerwartet, weil er gegenüber Herrn Komorowski erfrischender auftrat und damit die Herzen der jungen Wähler gewinnen konnte. Als Persönlichkeit und Staatsmann steht er nun als Präsident aller Polen auf sicheren Beinen. Er ist der politische Gewinner des Tages!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:53)

Die EU versteht sich als Schicksalsgemeinschaft; jedenfalls die EU, die wir Europäer bauen wollen. Die "Legitimation der EU Kommission" ist die politische Mehrheit, so wie sie für den Ministerrat und das EU-Parlament vereinbart und besiegelt wurden. Insofern bestimmt die EU schon den Kurs der Gemeinschaft und damit auch den Kurs ihrer einzelnen Mitglieder. Es gibt die Möglichkeit, sich davon nachhaltig aus zu schließen. Das muß Wahlfreiheit genug sein.

Natürlich soll jedes Mitglied das Wirken der EU Kommission kommentieren und bewerten; das halte ich für eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Ernennung der Kommission und ihrer Mitglieder. Da ist niemand ausgeschlossen. Nur kann kein einzelner Partner der großen Mehrheit der Partner seinen Willen aufnötigen... siehe oben. Dann kann es schon einmal 26:1 stehen.
Die Union ist im Staatenverbund eine Gemeinschaft, die das Schicksal der einzelnen Nation jedoch nicht auflöst. Die UNO ist auch eine Gemeinschaft, geht aber am Selbstbestimmungsrecht nicht vorbei. Wir kennen den Föderalismus, die konkurrierende Gesetzgebung und die kommunale Selbstverwaltung.
Und da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, kann man die gewählten Parlamente nicht einfach für obsolet erklären.
Ja, als Europäer hätte ich auch politisch starke Bauchschmerzen, wenn die Menschen in Polen auf großen Kundgebungen öffentlich Europaflaggen verbrännten. Das tun sie aber zu 87% ganz gewiß nicht. Dann muß wohl die Regierung mit Blick auf die EU-Kommission und die EU den Volkswillen falsch verstanden haben.
Man sollte der Argumentation der Regierungsnahen, wonach ein von außen gesteuerter Putsch im Gange sei, nicht unnötig Nahrung geben. Niemand hat etwas davon, wenn die polnische Zivilgesellschaft gespalten ist und sich die Situation zuspitzt. Polen ist durchaus diskursfähig, wie die jüngste Entscheidung von Präsident Duda zeigt. Kurz, Ratschläge von außen dürften derzeit eher kontraproduktiv sein.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Jul 2017, 03:19)

Die Union ist im Staatenverbund eine Gemeinschaft, die das Schicksal der einzelnen Nation jedoch nicht auflöst. Die UNO ist auch eine Gemeinschaft, geht aber am Selbstbestimmungsrecht nicht vorbei. Wir kennen den Föderalismus, die konkurrierende Gesetzgebung und die kommunale Selbstverwaltung.
Und da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, kann man die gewählten Parlamente nicht einfach für obsolet erklären.
Die Sache verhält sich höchst einfach: Im Gegensatz zur UNO hat die EU sehr weitgehende Verträge für ihre Gemeinschaft geschlossen, die Teile ihrer Hoheitsrechte auf die Gemeinschaft übertragen; diese Verträge sind ein zu halten. Wenn der Wähler als maßgeblicher Entscheider dafür stimmt, daß sein Land diese Verträge nicht mehr erfüllen sollte, dann bedeutet das ...XIT. Dagegen ist nichts zu sagen, auch wenn man das bedauern mag. Als Störenfried in der Gemeinschaft Stimmung machen, das ist weitaus unangenehmer für alle Beteiligten. Über dieses Verhalten reden wir hier.
Man sollte der Argumentation der Regierungsnahen, wonach ein von außen gesteuerter Putsch im Gange sei, nicht unnötig Nahrung geben. Niemand hat etwas davon, wenn die polnische Zivilgesellschaft gespalten ist und sich die Situation zuspitzt. Polen ist durchaus diskursfähig, wie die jüngste Entscheidung von Präsident Duda zeigt. Kurz, Ratschläge von außen dürften derzeit eher kontraproduktiv sein.
Das Gegenteil ist wahr. Ohne ernsthafte Vorhaltungen wäre den polnischen Nachbarn gar nicht klar, daß die Gemeinschaft sich den gemeinschaftsschädigenden Auftritt ihrer Regierenden nicht länger gefallen lassen will. Die Polen wollen aber zu 87% dieser Gemeinschaft angehören; man kann dieses Umfrageergebnis nicht oft genug wiederholen. Wie soll denn den Polen deutlich gemacht werden, daß sie bei fortgesetzter Stänkerei ihrer Regierungsmitglieder aus der EU hinaus gedrängt werden? Die Zeitungen in Polen sind voll mit Kommentaren dieser Art. Frans Timmermans ist dort allgegenwärtig mit "der Atombombe", nämlich dem drohenden Vertragsverletzungsverfahren.

Hier sind wir schon einige Schritte weiter, indem wir über die Umgestaltung der Eurogruppe nachdenken. Dann braucht man gar keine Vertragsverletzungsverfahren mehr. Dann ist man dabei oder draußen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 13:04)

Wenn die Kanzlerin den Präsidenten Duda angerufen haben sollte, dann sicher aus Besorgnis um den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Ich halte das für einen Beweis der Wertschätzung unseres Nachbarn, dem politisches Ungemach erspart bleiben soll.
Ganz genau und im Gegenteil der Mangel an Wertschätzung von D gegenüber PL wird in einem aktuellen SZ-Artikel als eine der Ursachen für die Schwierigkeit gesehen, diplomatische Lösungswege zur besseren EU-Integration Polens zu finden. Es wird etwa darauf hingewiesen, dass die deutsche Botschaft in Warschau so etwas wie ein Abladeplatz für nicht gebrauchsfähige Diplomaten war. Dass man es jahrelang nicht hinbekam, einen Botschafter zu entsenden, der halberwegs die Landessprache spricht. Was in Paris/Rom/London/Madrid usw. völlig unmöglich wäre.
http://www.sueddeutsche.de/politik/pole ... -1.3601614

Und das stimmt! Und ich ergänze mal: Zwischen Berlin und der entfernungsmäßig nächsten Großstadt (über 400 000 EW) Stettin gibts eine eingleisige unelektrifizierte Strecke, auf der passagenweise Radfahrtempo gefahren wird. Nix passiert. In Swinemünde gibts ein modernes LNG-Terminal und ein Angebot seitens Polen, dieses auch von deutscher Seite zu nutzen. Nix passiert. Es gab in dradio mal einen hintergrund zum Thema LNG-Pläne für Deutschland. Die Autorin wusste noch nicht mal etwas über das LNG in Swinemünde. Von weitgehender Ignoranz eines großen bedeutenden Nachbarn würde ich da eher sprechen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Ger9374 »

Es ist positiv zu sehen das Duda sein Veto eingelegt hat. Ob er sich damit von der PIS
distanziert bleibt abzuwarten. Es scheint aber das die Polnische Öffentlichkeit beginnt zu erkennen das nicht alles was die PIS will auch gut für ein Europäisches Polen ist.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Dieter Winter »

Ger9374 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 11:34)

Es ist positiv zu sehen das Duda sein Veto eingelegt hat. Ob er sich damit von der PIS
distanziert bleibt abzuwarten. Es scheint aber das die Polnische Öffentlichkeit beginnt zu erkennen das nicht alles was die PIS will auch gut für ein Europäisches Polen ist.
Die Bevölkerung Polens ist wohl ähnlich gespalten, wie die der Türkei. Hier wie da gibt es einen großen Anteil an eher weltoffenen Bürgern und auf der anderen Seites eine knappe Mehrheit an stockkonservativen und demokratiekritischen Vertretern.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Dieter Winter hat geschrieben:(25 Jul 2017, 11:43)

Die Bevölkerung Polens ist wohl ähnlich gespalten, wie die der Türkei. Hier wie da gibt es einen großen Anteil an eher weltoffenen Bürgern und auf der anderen Seites eine knappe Mehrheit an stockkonservativen und demokratiekritischen Vertretern.
Nein, das ist mir zu "neutral". In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt. Deshalb flattern auf sämtlichen Demonstrationen zur Beibehaltung des demokratischen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung neben den Landesflaggen Weiß-Rot auch die EU-Flaggen mit dem Sternenkranz. Die Polen wissen genau, wofür die EU steht.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Jul 2017, 11:34)

Ganz genau und im Gegenteil der Mangel an Wertschätzung von D gegenüber PL wird in einem aktuellen SZ-Artikel als eine der Ursachen für die Schwierigkeit gesehen, diplomatische Lösungswege zur besseren EU-Integration Polens zu finden. Es wird etwa darauf hingewiesen, dass die deutsche Botschaft in Warschau so etwas wie ein Abladeplatz für nicht gebrauchsfähige Diplomaten war. Dass man es jahrelang nicht hinbekam, einen Botschafter zu entsenden, der halberwegs die Landessprache spricht. Was in Paris/Rom/London/Madrid usw. völlig unmöglich wäre.
http://www.sueddeutsche.de/politik/pole ... -1.3601614

Und das stimmt! Und ich ergänze mal: Zwischen Berlin und der entfernungsmäßig nächsten Großstadt (über 400 000 EW) Stettin gibts eine eingleisige unelektrifizierte Strecke, auf der passagenweise Radfahrtempo gefahren wird. Nix passiert. In Swinemünde gibts ein modernes LNG-Terminal und ein Angebot seitens Polen, dieses auch von deutscher Seite zu nutzen. Nix passiert. Es gab in dradio mal einen hintergrund zum Thema LNG-Pläne für Deutschland. Die Autorin wusste noch nicht mal etwas über das LNG in Swinemünde. Von weitgehender Ignoranz eines großen bedeutenden Nachbarn würde ich da eher sprechen.
Wir sollten uns nicht auf die polnische Dauerkränkung einlassen. Ich bin ganz sicher, daß von deutscher Seite aus gesehen jede sich beiderseits lohnende Zusammenarbeit unterstützt wird. Unsere Wirtschaft ist in dem Sinne nicht nationalistisch. Die will Geld verdienen. Die polnische Seite fürchtet Überfremdung durch Deutsche, die eine Zusammenarbeit unvermeidlich ins Land brächte.

Sehen Sie ganz einfach einmal die Randlage Stettins/Swinemündes durch diese Brille. Das Gelände war und wäre Berlins Seehafen und Sommerfrische. Das müßte Polen ermöglichen, und schon wird diese Region aufblühen.

Aber es ist natürlich ein Unterschied, ob 100.000 Polen in Berlin leben und arbeiten, oder ob eine ähnlich hohe Anzahl Deutscher in die Stettiner Region einwanderte.

Deshalb ist das dort so wie Sie das beklagen. Hilft doch nichts, hier um den heißen Brei herum zu reden. Und das paßt auch in keiner Weise zum europäischen Geist, den die EU fördern möchte. Da muß in Polen ein Umdenken einsetzen... oder das wird nie etwas!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Dieter Winter »

H2O hat geschrieben:(25 Jul 2017, 14:52)

In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt.
So lange kohle aus Brüssel kommt, will auch PiS und ihr Häuptling nicht darauf verzichten. Nur sollte sich die EU halt nicht gerade in Dinge einmischen, die Polen was angehen: Flüchtlinge, Gewaltenteilung (bzw. deren Aufhebung) u. ä. Kleinigkeiten.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Dieter Winter hat geschrieben:(25 Jul 2017, 15:18)

So lange kohle aus Brüssel kommt, will auch PiS und ihr Häuptling nicht darauf verzichten. Nur sollte sich die EU halt nicht gerade in Dinge einmischen, die Polen was angehen: Flüchtlinge, Gewaltenteilung (bzw. deren Aufhebung) u. ä. Kleinigkeiten.
Klar, bei dem Gedanken, daß dieser leicht erworbene Besitzstand verloren gehen könnte, werden dort auch national gesonnene Politiker munter. Dennoch sehen Sie die Sache zu einfach. Die Polen, die mir begegnet sind, waren durchweg europäisch gesonnen. Vor allem habe ich viel Gelegenheit zu solchen Begegnungen, weil ich dort zeitweise wohne.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Europa2050 »

H2O hat geschrieben:(25 Jul 2017, 14:52)

Nein, das ist mir zu "neutral". In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt. Deshalb flattern auf sämtlichen Demonstrationen zur Beibehaltung des demokratischen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung neben den Landesflaggen Weiß-Rot auch die EU-Flaggen mit dem Sternenkranz. Die Polen wissen genau, wofür die EU steht.
Der Vergleich hinkt tatsächlich.
In Polen, das Widerstand gegen alles und jeden seit 1793 in regelmäßigem Turnus übt, wäre es undenkbar, tausende Oppositionelle einzusperren und Hunderttausende auf die Straße zu werfen. Das haben nicht einmal die Zaren, die Nazis oder die Sowjets wirklich geschafft.
Und auch wenn eine starke katholische konservative Strömung herrscht (die vielleicht mit der islamistischen in der Türkei vergleichbar ist), ist der liberale Geist aus der polnischen Gesellschaft nicht zu verdrängen.
Und die Europabegeisterung speist sich im Wesentlichen nicht aus den Subventionen, sondern aus dem Gefühl Europa könnte das polnische Dilema der bedrohlichen NachbarnDeutschland und Russland lösen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

Europa2050 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 16:54)

Und auch wenn eine starke katholische konservative Strömung herrscht (die vielleicht mit der islamistischen in der Türkei vergleichbar ist), ist der liberale Geist aus der polnischen Gesellschaft nicht zu verdrängen.
vor ± 7-8 jahren hörte ich von polnischen bekannten daß auch da die kirche auf den rückzug war. was meine mutter sogar kemmentarierte mit »not lernt beten«.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

H2O hat geschrieben:(25 Jul 2017, 14:52)

Nein, das ist mir zu "neutral". In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt. Deshalb flattern auf sämtlichen Demonstrationen zur Beibehaltung des demokratischen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung neben den Landesflaggen Weiß-Rot auch die EU-Flaggen mit dem Sternenkranz. Die Polen wissen genau, wofür die EU steht.
Weltoffenheit muss nichts mit EU-Freundlichkeit zu tun haben. Dass die polnische Bevölkerung weltoffen wäre, kann niemand ernsthaft behaupten.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Europa2050 »

Hyde hat geschrieben:(25 Jul 2017, 17:58)

Weltoffenheit muss nichts mit EU-Freundlichkeit zu tun haben. Dass die polnische Bevölkerung weltoffen wäre, kann niemand ernsthaft behaupten.
Doch, das würde ich schon ernsthaft behaupten :eek:

Und zwar unabhängig vom Handeln der aktuellen Regierung und ihrer frömmelnd-nationalen Klientel.

Ein Volk, dass jeweils eines der größten Ausländerkontigente in Deutschland, Grossbrittanien und USA stellt, ist eventuell schon weltoffen.

Und seinerzeit ist man in Polen mit Englisch besser durchgekommen als in allen anderen ComeCon-Ländern.

Und die ersten, die man mit Rucksack und Zelt aber ohne Geld nach 1989 im Westen überall sah, ob Stadt oder Alpen, um das unbekannte neue zu entdecken waren - Polen.

Und wessen Nationalheld Tadeusz Kośziuszko in drei Ländern als Held verehrt wird und sich zwischendrin noch für die Schwarzen in den USA stark gemacht hat könnte eventuell auch als weltoffen gelten?

Wie gesagt: die PiS gehört zu Polen, aber sie ist nicht Polen.
Zuletzt geändert von Europa2050 am Di 25. Jul 2017, 18:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Europa2050 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 16:54)

Der Vergleich hinkt tatsächlich.
In Polen, das Widerstand gegen alles und jeden seit 1793 in regelmäßigem Turnus übt, wäre es undenkbar, tausende Oppositionelle einzusperren und Hunderttausende auf die Straße zu werfen. Das haben nicht einmal die Zaren, die Nazis oder die Sowjets wirklich geschafft.
Und auch wenn eine starke katholische konservative Strömung herrscht (die vielleicht mit der islamistischen in der Türkei vergleichbar ist), ist der liberale Geist aus der polnischen Gesellschaft nicht zu verdrängen.
Und die Europabegeisterung speist sich im Wesentlichen nicht aus den Subventionen, sondern aus dem Gefühl Europa könnte das polnische Dilema der bedrohlichen NachbarnDeutschland und Russland lösen.
Ja, das kann die EU bestimmt leisten; wenn Polen in dem Sinne kein Staat ist, daß es da etwas ein zu gemeinden gibt, weil es ohnehin wie selbstverständlich dazu gehört. So kann ich mir aus der Ferne vorstellen, daß die deutsche Schweiz nicht ernsthaft erwägt, Teile der französischen oder italienischen Schweiz ihrem Kanton oder ihren Kantonen zu zu schlagen. Und in Genf wird sich vermutlich niemand aufregen, wenn sich jemand in der Kneipe angeregt mit seinem Nachbarn im Schweizerdeutsch unterhält. Zumindest stelle ich mir das jetzt einmal so vor.

Wer das Sprachgebiet wechselt, der muß eben die dortige Umgangssprache erlernen. Heutzutage stehen audiovisuelle Medien und Kursangebote zur Verfügung, mit denen die jeweilige Landessprache in überschaubaren Zeiträumen erlernt werden kann... ein Pflichtprogramm, an das die Aufenthaltsgenehmigung geknüpft ist. Es muß unmöglich sein, durch Lernverweigerung eine schleichende Gebietserweiterung zu ertrotzen. Der Streit zwischen Flamen und Wallonen entzündet sich genau an solchen Vorgängen. So etwas gibt es in stadtnahen ländlichen Siedlungen ja auch: Zuerst die Landlust der Städter und dann Gerichtsverfahren gegen den Mistbauern gegenüber oder den Hahn, der zur Unzeit kräht. Hilft nichts, da müssen Bestandsgarantien greifen... auch für Sprachgebiete. Also keine öffentlichen Schulen, die in einer anderen Sprache unterrichten als in der Landessprache. Notfalls dann eben Internate im alten Sprachgebiet.

Hat man das alles geklärt, dann kann aus der EU auch für Polen ein ganz gemütlicher Lebensraum werden, in dem sich keine Sprachgruppe zum Lieblingsfeind der anderen Sprachgruppe entwickeln kann. Wer sich die Sprachwechsel nicht antun mag, der muß ja sein ursprüngliches Sprachgebiet nicht verlassen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(25 Jul 2017, 17:58)

Weltoffenheit muss nichts mit EU-Freundlichkeit zu tun haben. Dass die polnische Bevölkerung weltoffen wäre, kann niemand ernsthaft behaupten.
Na ja, lieber Hyde, die Polen, denen ich in Westpommern begegne, sind schon sehr weltoffen. Die haben eigentlich nur den schlimmen Fehler, daß sie Polnisch sprechen und nicht etwa Deutsch. Wirklich aufgeschlossene Leute, die auch neugierig fremde Ansichten aufnehmen und von ihren Erfahrungen berichten. Und genau diese Aufgeschlossenheit begegnet mir auch in den Ämtern. Ich gehe wirklich ohne Herzbeklemmungen und das Gefühl des ausgeliefert Seins dort hin. Die Leute merken ja nach meinem dritten polnischen Wort, daß ich kein Pole bin, und dann schalten sie um von dienstlich auf hilfsbereit.

Natürlich kann ich nicht über Ostpolen urteilen, oder über irgendwelche Erzkatholiken... die sind mir nie begegnet. Angeblich soll es die aber geben. Tatsächlich kann man Radio Maryja hören... übrigens astreines Polnisch... aber nicht so sehr mein Programm!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

Europa2050 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 18:27)

Doch, das würde ich schon ernsthaft behaupten :eek:

Und zwar unabhängig vom Handeln der aktuellen Regierung und ihrer frömmelnd-nationalen Klientel.

Ein Volk, dass jeweils eines der größten Ausländerkontigente in Deutschland, Grossbrittanien und USA stellt, ist eventuell schon weltoffen.
Wenn Weltoffenheit daran festgemacht wird, wie viele Menschen auswandern, dann ist Deutschland eines der am wenigsten weltoffenen Länder (weil kaum jemand von hier weg geht), während alle Dritte Welt Länder extrem weltoffen wären. Diese Kategorisierung macht keinen Sinn.

Wenn 80, 90% der Bevölkerung am liebsten keinen einzigen Moslem ins Land lassen würde, wenn allenfalls 10, 15% der Bevölkerung die Homo-Ehe gutheißen würde, wenn eine Partei wie PiS eine solche Unterstützung in der Bevölkerung erfährt, dann kann man diese Bevölkerung schwerlich als weltoffen bezeichnen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(26 Jul 2017, 01:52)

Wenn Weltoffenheit daran festgemacht wird, wie viele Menschen auswandern, dann ist Deutschland eines der am wenigsten weltoffenen Länder (weil kaum jemand von hier weg geht), während alle Dritte Welt Länder extrem weltoffen wären. Diese Kategorisierung macht keinen Sinn.

Wenn 80, 90% der Bevölkerung am liebsten keinen einzigen Moslem ins Land lassen würde, wenn allenfalls 10, 15% der Bevölkerung die Homo-Ehe gutheißen würde, wenn eine Partei wie PiS eine solche Unterstützung in der Bevölkerung erfährt, dann kann man diese Bevölkerung schwerlich als weltoffen bezeichnen.
Sind Sie mit Ihren Schlußfolgerungen nicht doch etwas einseitig vorgepolt? Was denn, wenn die Polen verfügbare Nachrichten über Terror und jede Menge Integrationsärger mit Moslems in ihren Nachbarländern so deuten, daß man sich diesen Ärger besser von vorn herein ganz energisch vom Halse hält? Was die Homo-Ehe betrifft, so gehöre ich auch zu der Minderheit, die darin keine staatstragende Veranstaltung erkennen kann. Meine Haltung zu diesem Thema ist aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Meinetwegen bin ich schon deshalb ein verstockter Hinterwäldler.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

H2O hat geschrieben:(26 Jul 2017, 09:17)

Sind Sie mit Ihren Schlußfolgerungen nicht doch etwas einseitig vorgepolt? Was denn, wenn die Polen verfügbare Nachrichten über Terror und jede Menge Integrationsärger mit Moslems in ihren Nachbarländern so deuten, daß man sich diesen Ärger besser von vorn herein ganz energisch vom Halse hält?
Die gleiche Argumentation bringen auch Trump und AfD-Anhänger. Und die würde man auch nicht unbedingt als weltoffen bezeichnen. Oder würden Sie Trumps Einreisestopp als weltoffen bezeichnen?
Mag sein, dass Ihnen die Polen am Herzen liegen. Aber deswegen braucht man nicht gleich auf jegliche Objektivität verzichten oder meinen, die polnische Bevölkerung nicht kritisieren zu dürfen, nach dem Motto "right or wrong, my country".
Bei der vorliegenden Sachlage ist es mehr als berechtigt, an den Polen hinsichtlich Weltoffenheit Kritik zu üben. Gerade wenn man ein Polen-Freund ist, sollte man das tun, anstatt solche Probleme totzuschweigen und unter den Tisch zu kehren.
Was die Homo-Ehe betrifft, so gehöre ich auch zu der Minderheit, die darin keine staatstragende Veranstaltung erkennen kann. Meine Haltung zu diesem Thema ist aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Meinetwegen bin ich schon deshalb ein verstockter Hinterwäldler.
Solange man sich dann nicht selbst als tolerant und weltoffen bezeichnet, sondern das eigene Hinterwäldlertum einsieht, lebt man wenigstens nicht in Lüge zu sich selbst.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(26 Jul 2017, 15:23)

Die gleiche Argumentation bringen auch Trump und AfD-Anhänger. Und die würde man auch nicht unbedingt als weltoffen bezeichnen. Oder würden Sie Trumps Einreisestopp als weltoffen bezeichnen?
Mag sein, dass Ihnen die Polen am Herzen liegen. Aber deswegen braucht man nicht gleich auf jegliche Objektivität verzichten oder meinen, die polnische Bevölkerung nicht kritisieren zu dürfen, nach dem Motto "right or wrong, my country".
Bei der vorliegenden Sachlage ist es mehr als berechtigt, an den Polen hinsichtlich Weltoffenheit Kritik zu üben. Gerade wenn man ein Polen-Freund ist, sollte man das tun, anstatt solche Probleme totzuschweigen und unter den Tisch zu kehren.
Was man den Polen vorwerfen kann und muß, das ist die Weigerung, sich an den durch Flüchtlinge verursachten Lasten zu beteiligen. Das halte ich für einen Treuebruch. Aber daß sie sich keinerlei moslemische Zuwanderung antun wollen, dafür habe ich volles Verständnis. Die Polen sind in der Hinsicht lernfähig. Ihnen einen Mangel an Weltoffenheit durch Lernfähigkeit vorhalten zu wollen, das ist eben ein Hyde-Special. :)
Solange man sich dann nicht selbst als tolerant und weltoffen bezeichnet, sondern das eigene Hinterwäldlertum einsieht, lebt man wenigstens nicht in Lüge zu sich selbst.
Es gibt im Leben Gelegenheiten, bei denen man zwischen zwei Übeln wählen muß. Ich habe mich in dem Punkt auf "Hinterwäldler" festgelegt und kann damit gut leben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Die EU-Kommission gibt der polnischen Regierung noch einen Monat Bedenkzeit zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und der unabhängigen Justiz. Etwas unglücklich in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt dieser Ansage, weil man sie mit der Zurückweisung der Gesetze für die Ernennung von Richtern für das Oberste Gericht und den Richterrat verbinden konnte.

Nein, das ist davon losgelöst. Im wesentlichen richtet sich diese Ansage auf das Verfahren zur Besetzung des polnischen Verfassungsgerichts. Die beiden von Präsident Duda zurückgewiesenen
Pakete und ein schon zugelassenes Gesetz für die Besetzung von "Amtsgerichten" werden dabei sicher auch betrachtet.

Spannend ist die Definition des Zugriffs auf das nationale Recht der EU-Mitglieder: Die EU vertritt den Standpunkt, daß das nationale Recht formal Gemeinschaftsrecht ist. Jede gerichtliche Entscheidung soll also anhand des nationalen Rechts in jedem Mitgliedsstaat geprüft werden, ob sie zum vergleichbaren Ergebnis geführt hätte. Kommt mir als Rechtslaien irgendwie plausibel vor. Es darf ja nicht sein, daß Verfehlungen aller Art grundsätzlich unterschiedlich bewertet werden.

Au weia, das war mir bisher überhaupt nicht klar, verdeutlicht aber die Sprengkraft eines Verfahren gegen die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit eines Mitglieds!

Ein Sprecher der polnische Regierung wies die Einmischung der EU in die inneren Angelegenheiten Polens zurück mit dem Hinweis, daß das polnische Volk sich sein Staatswesen selbst ausgestalten will. Im Lichte obiger Erkenntnisse hätte Polen dann auch gleich seinen Austritt aus der EU erklären können.

Aus meiner Sicht ist es ganz schlecht, daß die polnische Regierung in Richtung Brüssel nur mit Megaphon spricht, anstatt sich mit der Kommission auf passender Augenhöhe sachlich aus zu tauschen. In dem Sinne hatte sich auch EU-Kommissar Timmermanns geäußert. Auf die Weise hätten die Polen sich und der EU insgesamt viel Ärger ersparen können.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

Dass für den Stimmrechtsentzug Einstimmigkeit unter allen EU-Mitgliedsstaaten notwendig ist, halte ich für eine unsinnige Regel. Denn natürlich werden dann die Bad Boys zusammenhalten, so wie in diesem Fall Polen und Ungarn. Es kann nicht sein, dass eine Sanktion der EU wegen Rechtsstaatsverletzung am Ende allein an Victor Orban scheitert.

Wenn zumindest bloß eine 4/5-Mehrheit dazu notwendig wäre statt der utopischen Einstimmigkeit, dann könnte man solchen unsäglichen Missbrauch verhindern.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von unity in diversity »

Hyde hat geschrieben:(27 Jul 2017, 02:48)

Dass für den Stimmrechtsentzug Einstimmigkeit unter allen EU-Mitgliedsstaaten notwendig ist, halte ich für eine unsinnige Regel. Denn natürlich werden dann die Bad Boys zusammenhalten, so wie in diesem Fall Polen und Ungarn. Es kann nicht sein, dass eine Sanktion der EU wegen Rechtsstaatsverletzung am Ende allein an Victor Orban scheitert.

Wenn zumindest bloß eine 4/5-Mehrheit dazu notwendig wäre statt der utopischen Einstimmigkeit, dann könnte man solchen unsäglichen Missbrauch verhindern.
Die Polen wollen anscheinend nicht gegen ihre Verfassungsfälscher demonstrieren, oder auf dem Plac Zamkowy blaue Zelte aufstellen. Da müssen sie dann notfalls ohne EU durch.
Wie die Despotie am Bosporus.

Ergänzung:
Polen ist traditionell pro-amerikanisch, damit keiner Angst hat, die könnten, ohne EU, ins Putinlager wechseln.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

Hyde hat geschrieben:(27 Jul 2017, 02:48)

Dass für den Stimmrechtsentzug Einstimmigkeit unter allen EU-Mitgliedsstaaten notwendig ist, halte ich für eine unsinnige Regel. Denn natürlich werden dann die Bad Boys zusammenhalten, so wie in diesem Fall Polen und Ungarn. Es kann nicht sein, dass eine Sanktion der EU wegen Rechtsstaatsverletzung am Ende allein an Victor Orban scheitert.
Sie scheitert nicht nur an Victor Orbán sondern auch an der deutschen CSU, die nicht nur einfach Orbán/Fidesz protegiert und in Person EVP-Chef und CSU-Mann Weber einen EU-Parlementsfraktionsausschluss verhindert (auch wenn er ab und zu öffentlich kritische Statements in Richtung Budapest ablässt), sondern die maßgeblich hinter dem ganzen politischen Fidesz-Programm steht. Letzteres ist - zugegeben - eine gewagte Hypothese und müsste in einem Extra-Strang behandelt werden. Ich habe allerdings ziemlich einsichtige Belege dafür.

Und sie scheitert auch an der in allerjüngster Zeit demonstrativ vollzogenen Solidarität der USA und Israel mit den Visegrád-Staaten.

Es kann nur den einen Weg der Distanzierung der polnischen/ungarischen Bürger von ihrer jeweiligen Regierungspolitik geben. Und eines der gravierenden Probleme in diesen beiden Staaten besteht in dem völligen Totalversagen der traditionellen sozialdemokratischen Parteien in den letzten 25 Jahren.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Jul 2017, 08:56)

Sie scheitert nicht nur an Victor Orbán sondern auch an der deutschen CSU, die nicht nur einfach Orbán/Fidesz protegiert und in Person EVP-Chef und CSU-Mann Weber einen EU-Parlementsfraktionsausschluss verhindert (auch wenn er ab und zu öffentlich kritische Statements in Richtung Budapest ablässt), sondern die maßgeblich hinter dem ganzen politischen Fidesz-Programm steht. Letzteres ist - zugegeben - eine gewagte Hypothese und müsste in einem Extra-Strang behandelt werden. Ich habe allerdings ziemlich einsichtige Belege dafür.

Und sie scheitert auch an der in allerjüngster Zeit demonstrativ vollzogenen Solidarität der USA und Israel mit den Visegrád-Staaten.

Es kann nur den einen Weg der Distanzierung der polnischen/ungarischen Bürger von ihrer jeweiligen Regierungspolitik geben. Und eines der gravierenden Probleme in diesen beiden Staaten besteht in dem völligen Totalversagen der traditionellen sozialdemokratischen Parteien in den letzten 25 Jahren.
Hyde hat schon Recht mit dem Unsinn der Einstimmigkeit. Damit ist schon die "vor-Maastricht"-EU so weit ausgebremst worden, daß man wenigstens auf den meisten zur Entscheidung freigegebenen Feldern die "qualifizierte Mehrheit" eingeführt hatte. Allerdings konnte man sich in der "alten EU" nicht vorstellen, daß ein Mitglied sich derart über geschlossene Verträge hinweg setzen würde. Auf diese neue Erfahrung muß die EU sich schleunigst einstellen.

Die EU leidet aus meiner Sicht an einem Mangel an unmittelbaren Zuständigkeiten der Gemeinschaft durch fehlende Volksbeteiligung. Parlament und Ministerrat müßten sich häufiger dem Wähler stellen, der EUGH müßte ein unabhängiges Gericht sein, dessen Entscheidungen nur mit Rechtsmitteln oder Austritt aus der EU ausgehebelt werden können. Ist doch zu blöd, daß in der Kommission ein Niederländer über Polens Rechtsbrüche befinden soll. Ein internationales EU-Gericht wäre in dem Sinne weniger parteiisch dem gesetzten Recht verpflichtet. Damit sage ich gar nichts gegen Herrn Timmermanns, der sicher seine Aufgabe hervorragend erfüllt.

Wenig überraschend, daß Polen von einigen Seiten und auch in Deutschland Zustimmung erfährt. Auch in Deutschland gibt es nicht 100% Zustimmung zur Weiterentwicklung der EU, wohl aber eine Mehrheit. Damit muß man in einer Demokratie leben.

Sollte sich also tatsächlich eine Entscheidung zum Thema Gewaltenteilung und unabhängiger Rechtsstaat wegen der festgelegten Einstimmigkeit nicht durchsetzen lassen, also ein klarer Rechtsbruch und Vertragsbruch durch rechtsstaatliche Gepflogenheiten das Recht nicht mehr an zu wenden sein, dann muß endlich die EU sich so umgestalten, daß solche Blockaden nicht mehr möglich sind. Ein Weg dahin, wenigstens ein Teil eines Weges, wäre die grundsätzliche Anerkennung der Entscheidungen eines unabhängigen EUGH durch alle Mitglieder.

Ein anderer Ansatz wäre die Umgestaltung der EU in einen "vollwertigen Kern" und Teilnehmer am Binnenmarkt, so wie das heute für die Schweiz oder Norwegen eingerichtet wurde. Eine solche Umgestaltung schließt aber dumm gemachte Regeln... siehe oben... nicht aus, so daß auch hier der Rückgriff auf unabhängige Gerichte Blockaden verhindern muß... bis hin zum Ausschluß eines Mitglieds.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Heute hat die EU das lange angedrohte und angekündigte Verfahren gegen Polen wegen der Verletzung der EU-Verträge eingeleitet. Ausgelöst wurde dieses Verfahren durch Verfassungsänderungen, die der polnischen Regierung sehr weit gehende Eingriffe in die Besetzung von Richterämtern gestatten.

Die Auffassungsunterschiede in der EU-Kommission und in der polnischen Regierung kann man auf einen sehr einfachen Nenner bringen:

Die polnische Regierung meint, daß jedes Mitgliedsland sein Rechtswesen nach eigenem Gutdünken durch demokratische Beschlüsse verändern darf. Durch EU-Verträge begrenzte Entscheidungsfreiheiten sieht die polnische Regierung nicht.

Die EU Kommission sieht den demokratischen Rechtsstaat mit seiner Gewaltenteilung in Gesetzgebung, Regierung und unabhängige Justiz als wesentliches Merkmal eines Mitgliedsstaats der EU an. Mitglieder können deshalb an diesem Grundsatz nichts verändern, ohne dadurch nicht zugleich ihre Mitgliedschaft zu verlieren.

Die Gestaltungsfreiheit der Gesetzgeber ist aber noch weiter eingeschränkt, was die geltenden Gesetze betrifft. Die EU will sicher stellen, daß in der Gemeinschaft strafbare Handlungen einheitlich beschrieben und bewertet werden, damit Straftäter sich nicht das Land aussuchen können, wo ihnen die geringste oder gar keine Strafe droht. Klingt vernünftig, war mir bis vor wenigen Tagen aber auch nicht bekannt.

Vor diesem Hintergrund sind geradezu unverschämte Widerreden polnischer Regierungsmitglieder zu verstehen. Diesen Politikern ist offenbar nicht klar, worauf sie sich mit der EU-Mitgliedschaft eingelassen haben. Auch sind sie offenbar nicht bereit, mit ihren Vorstellungen kollegial an die EU-Kommission heran zu treten, um gemeinsam die rechtliche Lage zu umrunden.
http://www.rp.pl/Sedziowie-i-sady/17072 ... hnych.html

Das Thema "Vertragsbruch" wird nun der EuGH bewegen. Kommt der EuGH zur Auffassung, daß die EU-Verträge gebrochen wurden, dann können seitens der EU Strafen verhängt werden bis hin zum Verlust des polnischen Stimmrechts im Ministerrat. Wenn in dem Zusammenhang auch die Zuwendungen aus der Entwicklungsförderung der Landwirtschaft, der Regionen und vielleicht noch anderer Bereiche gestrichen werden, dann ist das Mitglied von der Gemeinschaft weitgehend ausgeschlossen.

Hinzu kommen weitere gemeinschaftswidrige Verhaltensweisen Polens bei der Verteilung von Asylbewerbern und Gruppenbildung innerhalb der EU, um Druck auf die EU-Kommission ausüben zu können.

Nun scheint das Faß endgültig übergelaufen zu sein!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(29 Jul 2017, 19:00)

Das Thema "Vertragsbruch" wird nun der EuGH bewegen. Kommt der EuGH zur Auffassung, daß die EU-Verträge gebrochen wurden, dann können seitens der EU Strafen verhängt werden bis hin zum Verlust des polnischen Stimmrechts im Ministerrat. Wenn in dem Zusammenhang auch die Zuwendungen aus der Entwicklungsförderung der Landwirtschaft, der Regionen und vielleicht noch anderer Bereiche gestrichen werden, dann ist das Mitglied von der Gemeinschaft weitgehend ausgeschlossen.

Hinzu kommen weitere gemeinschaftswidrige Verhaltensweisen Polens bei der Verteilung von Asylbewerbern und Gruppenbildung innerhalb der EU, um Druck auf die EU-Kommission ausüben zu können.
es wurde zeit. ist aber, fürchte ich, viel zu spät. die gemüter haben sich in den letzten 9 monaten sehr verhärtet. eine aktion gegen polen betrachten einige länder auch als einen angriff gegen ihr eigenes land. und wenn es nur wäre wegen möglichen konsequenzen für sie.

persönlich denke ich, das bußegeld DAZU auch nicht schlecht ist. statt nichts zu empfangen, müssen sie (theoretisch) dann zahlen: die zeche :D
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(29 Jul 2017, 22:56)

es wurde zeit. ist aber, fürchte ich, viel zu spät. die gemüter haben sich in den letzten 9 monaten sehr verhärtet. eine aktion gegen polen betrachten einige länder auch als einen angriff gegen ihr eigenes land. und wenn es nur wäre wegen möglichen konsequenzen für sie.

persönlich denke ich, das bußegeld DAZU auch nicht schlecht ist. statt nichts zu empfangen, müssen sie (theoretisch) dann zahlen: die zeche :D
So empfinde ich diese unerfreuliche Entwicklung auch. Nur darf die EU sich das nicht gefallen lassen, wenn alle Partner, die sich durch Disziplinierungen irgendwie angefaßt fühlen könnten, sich gemeinsam gegen die EU verschwören, um ihre Arbeit für eine funktionierende Gemeinschaft zu behindern. Dann muß der Kern der EU institutionell enger zusammenrücken mit dem Ziel, die stetig sich vertiefende Union weiter zu entwickeln.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(30 Jul 2017, 00:03)

So empfinde ich diese unerfreuliche Entwicklung auch. Nur darf die EU sich das nicht gefallen lassen, wenn alle Partner, die sich durch Disziplinierungen irgendwie angefaßt fühlen könnten, sich gemeinsam gegen die EU verschwören, um ihre Arbeit für eine funktionierende Gemeinschaft zu behindern. Dann muß der Kern der EU institutionell enger zusammenrücken mit dem Ziel, die stetig sich vertiefende Union weiter zu entwickeln.
wir können einander schulterklopfen geben, aber haben WIR eine konstruktive idee?
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(30 Jul 2017, 13:46)

wir können einander schulterklopfen geben, aber haben WIR eine konstruktive idee?
Eine konstruktive Idee kann wohl niemand beisteuern, weil der ja alle 27 Mitglieder folgen müßten. Das ist aber derzeit nicht zu erwarten. Bleibt die EU der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die Kommissionspräsident Juncker schon grob vorstrukturiert hatte..

Fast bin ich davon überzeugt, daß Präsident Macron mit der Bundeskanzlerin solche Pläne schmieden wird. Denn Präsident Macron hat doch ziemlich deutlich das Verhalten einiger Partner gerügt ("Die EU ist kein Supermarkt..."). Ähnlicher Protest kam auch von Premier Renzi und von seinem Nachfolger Gentilioni. Wenn die Niederlande in dem Sinne handlungsfähig geworden sind, dann müssen die sechs Gründungsmitglieder der EU sich eben zusammen setzen und überlegen, wie weit sie Nationalstaaten bleiben wollen und wie weit sie im nächsten Schritt die sich stetig vertiefende Zusammenarbeit treiben wollen... bis hin zu einer Föderation oder einer teilweisen Föderation der Euro-Gruppe?

Wenn da nichts kommt, dann zerbröckelt die heutige EU in den kommenden 10 Jahren. Da sind zu viele gut gemeinte Vorleistungen mißbraucht worden, angefangen bei Griechenland und endend bei den Visegradskis. Deren EU braucht niemand... oder richtiger: Für die bezahlt niemand etwas!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(30 Jul 2017, 19:23)

Eine konstruktive Idee kann wohl niemand beisteuern, weil der ja alle 27 Mitglieder folgen müßten. Das ist aber derzeit nicht zu erwarten. Bleibt die EU der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die Kommissionspräsident Juncker schon grob vorstrukturiert hatte..

Fast bin ich davon überzeugt, daß Präsident Macron mit der Bundeskanzlerin solche Pläne schmieden wird. Denn Präsident Macron hat doch ziemlich deutlich das Verhalten einiger Partner gerügt ("Die EU ist kein Supermarkt..."). Ähnlicher Protest kam auch von Premier Renzi und von seinem Nachfolger Gentilioni. Wenn die Niederlande in dem Sinne handlungsfähig geworden sind, dann müssen die sechs Gründungsmitglieder der EU sich eben zusammen setzen und überlegen, wie weit sie Nationalstaaten bleiben wollen und wie weit sie im nächsten Schritt die sich stetig vertiefende Zusammenarbeit treiben wollen... bis hin zu einer Föderation oder einer teilweisen Föderation der Euro-Gruppe?

Wenn da nichts kommt, dann zerbröckelt die heutige EU in den kommenden 10 Jahren. Da sind zu viele gut gemeinte Vorleistungen mißbraucht worden, angefangen bei Griechenland und endend bei den Visegradskis. Deren EU braucht niemand... oder richtiger: Für die bezahlt niemand etwas!
das ist nicht korrekt. spätestens bei italien, aber eigentlich schon bei frankreich. die kontrolle war immer teils blind.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(30 Jul 2017, 20:12)

das ist nicht korrekt. spätestens bei italien, aber eigentlich schon bei frankreich. die kontrolle war immer teils blind.
Sicher ist viel Mist gebaut worden; mir geht es um wirklich teueren Mist. Das darf bei einer Neugründung so nicht weiter gehen, oder man kann den Verein auch auflösen.
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Polen will ein Bündnis innerhalb der EU schaffen

Beitrag von PhilippDecker »

http://s1.bild.me/bilder/110417/45524243c.jpg
Im Juli 2017 fand ein weiterer "Drei-Meer-Initiative"-Gipfel in Polen statt. Es ist bemerkenswert, dass im Gegensatz zum vorigen Jahr nur zwölf EU-Staaten, die sich zwischen dem Adriatischen Meer, dem Schwarzen Meer und dem Ostsee befinden, und US-Präsident Donald Trump als Ehrengast die Einladung zu diesem Ereignis bekommen haben. Dabei wurde der Gipfel unter der Schirmherrschaft von Wiederbelebung des Projekts der Konföderation Zwischenmeer gehalten. Die Präsidenten Trump und Duda betonten eine wichtige Rolle der Ukraine bei der Umgestaltung der ganzen Region sowie die Perspektiven der Schaffung von einem politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bündnis mit ihrer Teilnahme. Es schien, als ob der Gipfel selbst für die Wiedervereinigung von der Ukraine mit Polen einberufen worden wäre. Allerdings wurde "die Gefeierte" selbst zu diesem schwerwiegenden Ereignis nicht eingeladen. Nach den ins Internet durchsicherten Materialen – einem von vielen – zu urteilen, erregten die Teilnehmer des Gipfels allermeist die Nachteile der innenpolitischen Lage in der Ukraine. Allein die Frage über die Probleme der nationalen Minderheiten ist zum Thema eines ganzen Vortrags geworden.

Auf solche Weise entscheiden die "großen Brüder" für die kleine Ukraine. Ohne Zweifel ist die Diskriminierung der Nationalgemeinden in diesem Land eine deprimierende Realitätstatsache, die in gesetzlicher Weise beigelegt werden soll – besser in Anwesenheit vom Beklagten. Aber in diesem Fall sieht die Situation viel mehr wie eine Erpressung aus, die von dem Ehrengast aus Übersee genehmigt wurde. Im Grunde benutzen die europäischen Nachbarn die Ukraine als ein Werkzeug, um sowohl Russland als auch die EU unter Druck zu setzen.

Man fragt sich: was hat das mit der EU zu tun? Die Initiatoren des Zwischenmeers legen doch den Fokus auf die Entwicklung der wirtschaftlichen und der energetischen Infrastrukturprojekte im Rahmen der EU und auf Kosten der EU. Es ist aber zu erwähnen, dass die ursprüngliche Idee des Zwischenmeers dem Sozialisten und Nationalisten Pilsudski gehörte, der heute in Polen eine hochverehrte Figur ist. Das war ein geopolitisches Verteidigungsprojekt, das die geschaffene Konföderation sowohl der Sowjetunion als auch den anderen europäischen Staaten gegenüberstellte. Und deswegen, so viel die Teilnehmer der jüngsten Gipfeln auch den Zusammenhang ihrer multidirektionalen, progressiven und vor allem informellen Initiative mit den alten polnischen Ambitionen, Rzeczpospolita mit den Grenzen des 17. Jahrhunderts wiederherzustellen, leugneten, ist es aber nicht leicht, vom angemessenen Eindruck loszukommen.

Vor allem soll man die Teilnehmerliste beachten. Die einigen, die die Unterschiede zwischen dem Projekt der 90-er Jahre und der modernen Initiative mit der Anwesenheit Österreichs auf dem Gipfel beweisen, sollen an die aktive österreichische Teilnahme an der Teilung Polens sowie auch an die engverflochtene Geschichte dieser zwei Staaten und einer seit einer längeren Zeit existierenden sogenannten "Österreichischen Teilung" erinnert werden. Dabei wird die Initiative von der Visegrad-Gruppe unter der Leitung von Polen geprägt, die im letzten Jahr mehrmals in einem offenen Konflikt mit Brüssel geraten ist. Die Gründe dafür waren sowohl die politischen Auseinandersetzungen innerhalb des Bündnisses, als auch die Verletzung des Formats eines EU-Staates.

Zum Schlussstrich wird die Anwesenheit von Donald Trump auf dem Gipfel. Allein seine Wahl im November des vorigen Jahres hat viele Länder des "alten" Europas schockiert und empört. Später hat sich die Konfrontation zwischen den USA und der EU zugespitzt, insbesondere wegen des Übereinkommens von Paris. Es sei bemerkt, dass der Herr vom Weißen Haus – nach dem Vortrag über die nationalen Minderheiten in der Ukraine zu urteilen – nicht nur die Rolle eines Gasts und Beobachters am Rand auf dem Gipfel spielte. Seine Anerkennung wurde offiziell am Ende des Vortrags dokumentiert. Außerdem hat Trump seinen Ruf eines erfolgreichen Geschäftsmannes noch einmal bewährt, indem er noch ein paar günstigen Abkommen – insbesondere über die Lieferungen von den Flugabwehrraketen Patriot und dem amerikanischen Flüssiggas – mit den Vernehmern des Gipfels abgeschlossen hat.

Die Abwesenheit der Ukraine ist auch verständlich: der Auftritt von Poroschenko auf so einer Veranstaltung würde die Bundeskanzlerin sowie den französischen Präsidenten, mit denen er nur frisch Beziehungen aufgebaut hat, beunruhigen. Allerdings zeugt die bekannte alte Bestrebung von Kiew, der Visegrad-Gruppe beizutreten, gepaart mit dem Selbstbewusstsein, mit dem sich die Teilnehmer des Gipfels in die innere gesetzgebende und staatliche Ordnung des Landes eingemischt haben, davon, dass der ukrainische Konföderationsbeitritt eine schon beschlossene Frage ist.

Auf solche Weise kann man schlussfolgern, dass sich unter dem Deckmantel einer gemeinsamen Lösung der Wirtschafts- und Verteidigungsfragen in Europa, unter dem amerikanischen "Regenschirm" eine Konföderation herausbildet, die sich sowohl Russland als auch der EU gegenüberstellt. Als Anreger und eindeutiger Leader dieses Bündnisses tritt Polen auf. Schon jetzt kann man ohne Zweifel behaupten, dass der Brexit, der der EU den ersten Schlag versetzt hat, ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Riss ist, der sich zwischen dem "alten" und dem "neuen" Europa im Laufe der Zwischenmeer-Initiative schon ausgestreckt hat.
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Re: Polen will ein Bündnis innerhalb der EU schaffen

Beitrag von H2O »

Neben dem Hirngespinst Trójmorze läuft auch Międzymorze mit ähnlichem polnischen Führungsanspruch. Dagegen ist nichts ein zu wenden, so lange unsere Visegradskis die Verträge mit der EU erfüllen. Dann nehmen diese Staaten eben nicht an gemeinsamen Rüstungs- und Verteidigungsvorhaben in der EU teil, sondern arbeiten auf NATO-Ebene zusammen. Die gewählte Überschrift drückt den Sachverhalt nicht ganz richtig aus: Das angepeilte Bündnis umfaßt auch Staaten, die der EU auf absehbare Zeit nicht angehören werden.

Derartige Sonderbemühungen sind nicht ganz neu. Frankreich hatte vor 10 Jahren eine ähnliche größere Zusammenarbeit im Mittelmeerraum unter französischer Führung angestrebt. Gescheitert ist das Vorhaben damals, weil man unverhohlen Deutschland als nicht stimmberechtigten Zahlmeister dieser meist bedürftigen Partner gewinnen wollte. Das war denn doch zuviel des Guten.

Aus meiner Sicht kann die EU diesem Spiel gelassen zusehen; sie hat darauf zu achten, daß die geschlossenen Verträge erfüllt werden. Wenn dort ein Vertragsbruch festgestellt wird, dann müssen nach vorsorglicher Mahnung und Abmahnung die vorgesehenen Disziplinierungsmaßnahmen eingesetzt werden, die von Geldstrafen bis zum Ausschluß aus der Gemeinschaft führen können. Der erste Schritt dazu wurde vollzogen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ausgelöst.
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EU gegen Polen

Beitrag von JuergenSchmid »

http://i.imgur.com/0Lldwes.jpg

Das Reformprojekt des polnischen Justizsystems, das vor etwa anderthalb Jahren von der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) vorgelegt und vom Sejm bestätigt worden war, wurde zum Stein des Anstoßes in den Beziehungen zwischen der EU-Kommission und der polnischen Regierung. Die von der Kaczynskis Partei vorgeschlagenen Änderungen widersprechen grundsätzlich nicht nur den europäischen Normen, sondern auch der Umsetzung demokratischer Bürgerrechte. Es ist keine Überraschung, dass diese Reform eine öffentliche Resonanz und Massenproteste innerhalb des Landes sowie auch die Kritik seitens der EU-Staatschefs verursacht hat. Als die Sanktionen und die Abschaffung des polnischen Vetorechtes im Rat der EU zur Sprache gebracht wurden, musste Präsident Duda umkehren und sein Veto gegen das Projekt einlegen.

Dennoch bleibt die Atmosphäre um das Problem immer wieder geladen. Die mit den innenpolitischen Besonderheiten bekannten polnischen Vertreter in der EU-Kommission und dem EU-Parlament äußern immer wieder ihre Empörung über die Regierungspartei, indem sie Kaczynski und seinem Team nicht vertrauen. Insbesondere schreibt darüber EU-Binnenkommissarin Elzbieta Bienkowska in ihrem Schreiben an den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans.

http://i.imgur.com/BS1Nngn.jpg

Bienkowska spricht offen über die schweren Probleme mit der Umsetzung demokratischer Rechte im Lande. Diese Frage sei dringlicher als die Wahlen in Deutschland, weil der Verlust von Polen zu einem Zerfall der EU führen könnte. Vielleicht tritt die EU-Kommissarin allzu dramatisch auf. Allerdings deuten die von der polnischen Seite initiierten mehrmaligen Konflikte mit der gesamteuropäischen Regierung darauf hin, dass wir den Polexit möglicherweise viel früher erleben werden, als die Autoren dieses Präzedenzfalls vollends austreten.
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Re: EU gegen Polen

Beitrag von H2O »

JuergenSchmid hat geschrieben:(03 Aug 2017, 13:16)

http://i.imgur.com/0Lldwes.jpg

Das Reformprojekt des polnischen Justizsystems, das vor etwa anderthalb Jahren von der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) vorgelegt und vom Sejm bestätigt worden war, wurde zum Stein des Anstoßes in den Beziehungen zwischen der EU-Kommission und der polnischen Regierung. Die von der Kaczynskis Partei vorgeschlagenen Änderungen widersprechen grundsätzlich nicht nur den europäischen Normen, sondern auch der Umsetzung demokratischer Bürgerrechte. Es ist keine Überraschung, dass diese Reform eine öffentliche Resonanz und Massenproteste innerhalb des Landes sowie auch die Kritik seitens der EU-Staatschefs verursacht hat. Als die Sanktionen und die Abschaffung des polnischen Vetorechtes im Rat der EU zur Sprache gebracht wurden, musste Präsident Duda umkehren und sein Veto gegen das Projekt einlegen.

Dennoch bleibt die Atmosphäre um das Problem immer wieder geladen. Die mit den innenpolitischen Besonderheiten bekannten polnischen Vertreter in der EU-Kommission und dem EU-Parlament äußern immer wieder ihre Empörung über die Regierungspartei, indem sie Kaczynski und seinem Team nicht vertrauen. Insbesondere schreibt darüber EU-Binnenkommissarin Elzbieta Bienkowska in ihrem Schreiben an den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans.

http://i.imgur.com/BS1Nngn.jpg

Bienkowska spricht offen über die schweren Probleme mit der Umsetzung demokratischer Rechte im Lande. Diese Frage sei dringlicher als die Wahlen in Deutschland, weil der Verlust von Polen zu einem Zerfall der EU führen könnte. Vielleicht tritt die EU-Kommissarin allzu dramatisch auf. Allerdings deuten die von der polnischen Seite initiierten mehrmaligen Konflikte mit der gesamteuropäischen Regierung darauf hin, dass wir den Polexit möglicherweise viel früher erleben werden, als die Autoren dieses Präzedenzfalls vollends austreten.
Wenn ich die in der Rzeczpospolita online nachlesbaren Artikel gedanklich zusammenfasse, dann herrscht in Polen weitgehend Einigkeit darüber, daß die Personalauswahl im Rechtssystem mehr Mitwirkung "des Volkes" braucht. Leider ist es wohl so, daß die Kaczyński-Partei PiS unter "Volk" nur ihre führenden Mitglieder in Partei und Regierung versteht. Dieses etwas einseitige Konzept müßte auf dem gesamten Parlament und auf Wojewodschaftsebene aufbauen, und dann wäre es unseren deutschen System sehr ähnlich. Hoffen wir einmal, daß Präsident Duda mit solchen versachlichenden Vorschlägen Zustimmung findet.

Der tollste Schuß in den Ofen ist schon die Besetzung des Verfassungsgerichts TK durch die Regierung... da wird also eine willfährige Gruppe zur Bewertung von Gesetzen geschaffen... die politische Mehrheit kann dann tun, was immer ihr einkommt. Das ist ein ganz grober Verstoß gegen die Gewaltenteilung, die in allen demokratischen Verfassungen der EU-Partner enthalten ist.

Die EU-Kommission macht es ganz richtig: Sie meckert, droht an, leitet Verfahren ein, droht mit Mittelkürzung und Sperren, und mit Verlust des Stimmrechts bei Entscheidungen. Damit hat Polen Zeit, sich anders zu besinnen und vielleicht auch einmal zu zu hören, was denn die demokratie-erfahrenen Nachbarn zu solchen Vorschlägen zu sagen haben, wenn diese Regierung nicht von selbst darauf kommen konnte.

Mir drängt sich der Eindruck auf, daß die polnische Regierungspartei die EU-Verträge, die sie selbst in 2004 und 2005 nach viel Streit um den Vertrag von Lissabon geschlossen hatte, gar nicht mehr gegenwärtig hat. Dem Sinne nach äußern sich führende Parteimitglieder etwa so: "Polen ist ein selbständiger Staat mit demokratisch gewählter Regierung. Die EU-Kommission ist mit ihren Funktionären überhaupt nicht ermächtigt, auf Entscheidungen der polnischen Regierung ein zu wirken." Und das in ziemlich barschem Ton... auf jeden Fall nicht partnerschaftlich.

Die EU-Kommission ist nach ihrem Selbstverständnis aber die Hüterin der EU-Verträge. Sie versteht nationales Recht als Teil der EU-Gesetzgebung... daß also bestimmte Sachverhalte in allen nationalen Gesetzgebungen der EU gleich bewertet werden.

Sie haben schon Recht: Es kann wirklich aus Wut und Trotz dazu kommen, daß Polen sich plötzlich vor der Tür der EU wiederfindet. In seiner derzeitigen nur noch streitsüchtig zu bezeichnenden Verhaltensweise wäre dieser Austritt/Rausschmiß auch nicht so furchtbar bedauerlich. Ich meine aber, daß die polnische Zivilgesellschaft sich doch noch rechtzeitig diesem Wahnsinn ihrer Regierungspartei entgegen stemmt. Einen ersten zaghaften Schritt in diese Richtung hat Präsident Duda gewagt. In Umfragen steht eine satte Mehrheit der Polen hinter ihm, auch unter den Wählern der PiS.

Darum meine Hoffnung: Noch ist Polen nicht verloren!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nun pfeifen es die Spatzen von fast allen Dächern: Die Führung der Regierungspartei PiS steuert ganz offenbar einen Streit mit der EU und mit Deutschland an: Sie bricht EU-Grundverträge, insbesondere die Gewaltenteilung, sie erkennt Mehrheitsbeschlüsse des EU-Ministerrats nicht an, insbesondere die Verteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedear der EU, sie bricht geltendes Recht, indem sie einen Urwald abholzen läßt, der als Weltkulturerbe der UNO eingetragen ist. Sie setzt eine öffentliche Debatte über Reparationen Deutschlands für Zerstörungen im 2. Weltkrieg an. Den Streit und ihre "Forderungen" verkündet die polnische Regierung mit dem Megaphon.

http://www.t-online.de/nachrichten/ausl ... glich.html

Ich glaube jetzt auch nicht mehr daran, daß Polen die Entwicklung der EU behindern will. Polen sucht den großen Knall, indem es alle Türen zur EU zuschlägt. Die EU sollte sich auf einen POLXIT einstellen, wenn Polen die Urteile des EuGH zu strittigen Fragen nicht anerkennt. Der Neuaufbau der EU muß ohne Polen angesteuert werden.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(07 Aug 2017, 14:33)

Ich glaube jetzt auch nicht mehr daran, daß Polen die Entwicklung der EU behindern will. Polen sucht den großen Knall, indem es alle Türen zur EU zuschlägt. Die EU sollte sich auf einen POLXIT einstellen, wenn Polen die Urteile des EuGH zu strittigen Fragen nicht anerkennt. Der Neuaufbau der EU muß ohne Polen angesteuert werden.
1. wann gibt es in polen wieder parlamentswahlen?

2. was die PiS will ist nicht identisch mit was die polen willen. ich erinnere mich noch die »aufstände« der polen. rokoskowsky ging, gomulka ging, jaruszelski ging...
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(07 Aug 2017, 14:40)

1. wann gibt es in polen wieder parlamentswahlen?

2. was die PiS will ist nicht identisch mit was die polen willen. ich erinnere mich noch die »aufstände« der polen. rokoskowsky ging, gomulka ging, jaruszelski ging...
Die nächsten Paramentswahlen in Polen werden im Herbst 2019 abgehalten. Bis dahin kann die PiS noch viel Unheil anrichten.

Sicher, die PiS ist nicht "alle Polen". Aber eine klare Mehrheit hat sie schon, trotz zuletzt sehr niedriger Wahlbeteiligung. Die Dinge stehen schlimmer, fast so wie in der Türkei. Es könnrte also eine sehr knappe Mehrheit für den totalen Wahnsinn geben.

Der EU bleibt nichts anderes übrig, als die vorgesehenen Verfahren systematisch ab zu spulen: Geldstrafen, Entzug von Fördermitteln, Entzug des Stimmrechts, Grenzen schließen. Vielleicht kommen die Leute dann zur Vernunft? So wie jetzt darf die Sache ja auf gar keinen Fall weiter laufen. Schade, das hatte ich mir nicht so vorgestellt!
Ger9374

Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Ger9374 »

Es muss ja nicht zum Exzess kommen.
Die PIS wird ab 2018 auch langsam an die nächste
Parlamentswahl denken müssen. Gegen die E.U
auf Dauer Politik zu machen dürfte in Polen unpopulär sein! Auch der einfache durchschnittliche Pole wird Strafmassnahmen aus Brüssel gegen Warschau als kritisch ansehen.
Bleibt die Frage inwieweit die PIS die Nationalismus Karte gegen die E.U ausspielen wird. Aber auch das klappt nur begrenzt.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Allenstein »

Wo ist mein Beitrag?
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

Allenstein hat geschrieben:(08 Aug 2017, 20:24)

Wo ist mein Beitrag?
habe ich entfernt. »ein joch brüssels« akzeptiere ich nicht.

NN, mod
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(08 Aug 2017, 19:52)

Es muss ja nicht zum Exzess kommen.
Die PIS wird ab 2018 auch langsam an die nächste
Parlamentswahl denken müssen. Gegen die E.U
auf Dauer Politik zu machen dürfte in Polen unpopulär sein! Auch der einfache durchschnittliche Pole wird Strafmassnahmen aus Brüssel gegen Warschau als kritisch ansehen.
Bleibt die Frage inwieweit die PIS die Nationalismus Karte gegen die E.U ausspielen wird. Aber auch das klappt nur begrenzt.
Ich bin in der Sache nicht so wohlgemut! Wir haben doch im Fall Türkei gesehen, wie gering die Einflußmöglichkeiten der EU auf einen Nationalstaat sind. Die führenden Politiker müssen nur verstehen, wie man das Vorgehen der EU gegen polnisches Regierungshandeln als Maßnahme zur Demütigung Polens "verkaufen" kann.

Ansonsten hoffe ich natürlich, daß Sie Recht behalten!
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