Natürlich ist ein solches Projekt wie Pomerania nur gut gemeint. Ein besonders herzlicher Umgang ist aber auch unter gleichsprachigen Nachbarn nicht die Regel. Man nimmt mehr oder weniger hin, daß man gemeinsam von einer übergeordneten politischen Macht geführt wird, dann empfindet man sich als "Landsmann". Ließe man den Menschen freie Bahn, dann gäbe es tüchtige Prügeleien zwischen benachbarten Dörfern... um eine ausgespannte Braut, um geklaute Äpfel.. was weiß ich.schokoschendrezki hat geschrieben:(13 Apr 2017, 14:32)
Das sehe ich im Prinzip ähnlich. Zwischen Ungarn und Rumänien hätte es wegen der ethnischen Spannungen bezüglich Siebenbürgen (mindestens) ähnlich verheerende Auseinandersetzungen geben können wie in den Jugoslawien-Kriegen. Das hat (zumindest anteilig) die gemeinsame EU-Mtigliedschaft verhindert. Und das ist viel viel viel wichtiger, als etwa Europa-übergreifende Parteien. Es gibt zum Beispiel das Konzept der Euroregionen: Pomerania ist eine solche Euroregion. Auf dem Papier existiert sie auch noch zwischen Deutschland und Polen. Schweden ist als Partner ausgestiegen. Dänemark sollte (mit Bornholm) dabei sein. Daraus wurde nix. Versteht mich recht: Ich bin absolut ein Freund solcher Projekte. ALs Realist jedoch habe ich zur Kenntnis zu nehmen: Es interessiert sich so gut wie keine Sau dafür. Nirgends. Das EU-Projekt "Euroregion Pomerania" ist mit ziemlicher Sicherheit bei 99.99 Prozent der Menschen, die in dieser Region leben, vollkommen unbekannt. Realistisch ist, dass Polen innerhalb der EU Busse, Schienenfahrzeuge, Gänse und vieles weitere exportieren kann. Das zu erhalten und auszubauen ... darauf kommts an.
Wenn man denn gleich über drei Landessprachen hinweg etwas Gemeinsames bewegen will ohne diese übergeordnete politische Klammer, dann muß das schief gehen, es sei denn, daß es sich um Leute von Geist und Kultur handelt. Die werden immer zusammen kommen.
Aber vermittele man einmal einem Bornholmer, daß er völkerverbindendes Eierlaufen und Sackhüpfen in Kolberg lustig finden soll, dann eint oder entzweit doch nur noch das Bier. Die Sprachgrenze verhindert schon, daß Leute sich auf Augenhöhe und von Mensch zu Mensch über ihren Alltag austauschen.
Da müßte schon eine gegenseitige Abhängigkeit bestehen, die sich durch Gemeinsamkeit in einen handfesten Vorteil verwandelt. Machen wir es primitiv: In Posen gibt es qualifizierte Metallarbeiter, aber der industrielle Wandel setzt dem bis dahin marktgängigen Produkt ein Ende. Aber VW will mehr Autos bauen, findet aber in Wolfsburg weder Raum noch Mitarbeiter, um diese Fahrzeuge nachfragegerecht herstellen zu können. Dann baut VW dort für zig Millionen eine Fertigungsstraße, sucht geeignete Zulieferer und Mitarbeiter, und schon fühlen sich die Kollegen in Emden, Wolfsburg und Posen als Mitglieder einer Familie. Im allgemeinen wird man sich also mit Respekt und vorgespannter Sympathie begegnen. Die ganze VW-Familie hat etwas davon.
Aus Pomerania könnte vielleicht etwas werden, wenn auf Bornholm wundervolles Navigationsgerät für Fischkutter hergestellt werden würde, in Stralsund dann prima Motoren und Hebezeuge und in Swinemünde eine tolle Werft... und alle gemeinsam entwickeln einen ganz unerhörten Kutter, der sich weltweit gut verkauft. Auch da wird sich eine Art Familiensinn entwickeln, wenn der Umfang des Geschäfts nur groß genug ist.
Mir selbst war das vertraut in der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Miteigentümer meines Unternehmens. Natürlich haben wir Kollegen zwanglosen und freundlichen Umgang miteinander gepflegt, nach der Familie zu Hause gefragt und an deren Freuden und Leid teil genommen. Natürlich haben wir uns beim Kunden als beflissenes Team eines großen Hauses gezeigt.
Der gegenseitige gefühlte Vorteil bringt Leute zu erfolgreicher Zusammenarbeit, bei der sie sich gegenseitig beraten, um ihr gemeinsames Ergebnis noch besser werden zu lassen.
Wenn dieser Hintergrund fehlt, dann erscheint mir das eine zwanghafte Vorstellung von Zusammenarbeit ohne Projekt zu sein, bestenfalls die Gemeinsamkeit als Projekt vor zu herrschen. Das wird doch nix, auch beim besten Willen der Initiatoren nicht.
Übertragen auf die gesamte EU heißt das aber, daß jeder Partner den Vorteil der Gemeinschaft fühlen muß und ihm völlig klar sein muß, daß er diese Vorteile ohne die EU nie und nimmer genießen könnte. Ich meine, daß die EU tatsächlich das Leben von mindestens 250 Millionen Europäern spürbar verbessert hat. Vor allem bereichert die kulturelle Vielfalt und dann doch wieder der kulturelle Gleichklang unseren Alltag. Das Wachstum unseres gemeinsamen Marktes gibt uns sicherere Einkünfte, reichere Auswahl an Waren und Dienstleistungen. Vieles davon als vorweg genommene Vereinigung zu einem staatenähnlichen Bund.
Der Bund kann verloren gehen, erhebliches Mißtrauen geschürt werden. Gruppenweise zeitweise Zusammenschlüsse "wir" gegen "die"... wie im 19. Jahrhundert. Schaffen wir jetzt endlich die Voraussetzungen für die Wohltaten, die wir heute schon genießen. Ohne diese Voraussetzungen ist der Euro ganz schnell weg vom Fenster, und Entwicklungsmittel für regionale Infrastrukturen auch. Offene Grenzen sind inzwischen schon nicht mehr ganz so offen, am Kindergeld wird herumgemäkelt, Ausschreibungen werden national verteilt... wer bei Sinnen ist, der weiß, wohin der Hase laufen wird. Dumm genug sind wir alle, mit oder ohne Orbán, Kaczyński, Le Pen, AfD, Lega Nord, FPÖ...habe ich welche vergessen?