wer wird tusks nachfolger ?

Moderator: Moderatoren Forum 3

Antworten
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47332
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von H2O »

Adlerauge hat geschrieben:(10 Mar 2017, 02:11)

Die EU hat halt alles aufgenommen, was da kreucht und fleucht.
Und mit enormen Krediten versehen.
Auf Kosten derer, die sparen.
Was soll man dazu noch sagen??
Selber schuld könnte man sagen an der Misere.
Nein, das sagt sich am Ende doch zu leicht dahin! Das europäische Projekt versteht sich als Friedensprojekt, das möglichst alle demokratischen Rechtsstaaten mit europäischer Kultur zusammenführen will. Mit offenem Herzen und offener Geldbörse, damit möglichst bald überall in Europa vergleichbare Lebensbedingungen und Entwicklungschancen hergestellt werden können.

Offenbar war die Annahme blauäugig, daß die neu aufgenommenen Partner großen Anstrengungen machen würden, ihren Rückstand auf unterschiedlichen Gebieten ab zu arbeiten, oder im Fall Griechenland, ihre Mogelei bei der Aufnahme in den Euro durch einen nationalen Kraftakt "aus der Welt" schaffen würden. Weiterhin genehmigten sich die stärksten EU-Partner Regelbrüche im Umgang mit dem Euro... nicht gerade ein Anreiz zum ehrgeizigen Abbau von Fehlhaltungen.

Die EU ist mit den Neulingen zu gutartig umgegangen; der Kampf gegen die beim EU-Beitritt bekannte Korruption ist in Bulgarien gar nicht erst aufgenommen worden, den Rumänen geht das inzwischen selbst auf die Nerven, die Ungarn kapseln sich national ein, die Polen geben sich ihren Minderwertigkeitskomplexen hin, mal gegen die Russen, mal gegen die Deutschen, mal gegen die ganze EU, schaffen die Gewaltenteilung im Rechtsstaat ab, gegen Ermahnungen aus Brüssel.

Es wird Zeit, daß die EU sich am Wichtigsten zu schaffen macht, was diese Herrschaft dort für selbstverständlich hält: An den Zuschüssen für die Landesentwicklung. Vielleicht finden dann weniger begeisterte Wähler die dahinter stehenden Parteien großartig... und wenn doch, dann kostet die Sache wenigstens deutlich weniger. Weniger Europa muß auch weniger kosten!

Das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten bietet diese Möglichkeit; man kann nur hoffen, daß der harte Kern der EU diese neue Lage in aller Strenge nutzt und sie nicht erneut für Laxheiten wesentlicher Mitglieder mißbraucht wird.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(09 Mar 2017, 20:23)
Das ist ja nicht die einzige fixe Idee im Kopf dieses Politikers. Der führt sein Land an den Rand der EU, oder schon darüber hinaus in das Reich "Międzymorze" von der Ostsee zum Schwarzen Meer. Balten und Ukrainer sind begeistert!
Die Visegrád-Gruppe wurde ja bislang als eines der erfolgreichsten Teilprojekte dieser Zwischenmeer-Idee gefeiert, wenn ich es recht mitbekommen habe. Nun haben Tschechien, Slowakei und Ungarn auch für Tusk gestimmt, und, richtig, aus V4 ist erstmal V1 + V3 geworden.

Konkurrenz zwischen Orbán und Kaczynski als Leitfiguren?

Oder gehts Kaczynski tatsächlich darum, "Międzymorze" als rein slawische Angelegenheit zu realisieren? So polarisiert wie die Verhältnisse Polen-Rest-EU aktuell sind, dazu noch eine möglicherweise erodierende NATO (vielleicht demnächst ohne Türkei, ohne dominierende USA-Finanzierung). Ich kann mir nicht helfen: Die an sich, von den offiziellen Äußerungen her undenkbare Allianz Polen-Russland liegt eigentlich so nahe ...

Unabhängig davon halte ich jegliches Polen-Bashing von deutscher Seite für mehr als fragwürdig. Deutschland ist grundsätzlich und prinzipiell auf ein vernünftiges Verhältnis zu seinem östlichen Nachbarn angewiesen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47332
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von H2O »

Firlefanzdetektor hat geschrieben:(10 Mar 2017, 08:57)

Bravo, EU! :thumbup:

Besser als der Tagesschau-Kommentar
http://www.tagesschau.de/kommentar/eu-p ... k-103.html
kann man es wohl nicht ausdrücken.

Dass man mit Nationalisten kein gemeinsames Europa entwickeln kann, ist schon fast selbsterklärend. Und dass diese polnischen Wirrköpfe in ihrer argumentativen Hilflosigkeit einmal mehr die antideutsche Karte zu spielen versuchen, kann eigentlich niemanden wirklich überraschen.

Hoffentlich war die an dieser Stelle gezeigte Einigkeit keine Eintagsfliege!
Soweit stimme ich mit Ihren Schlußfolgerungen überein. In den Kommentar der Tagesschau hat sich aber ein ärgerlicher Fehler eingeschlichen, der wenigstens hier so nicht stehen bleiben kann:

Die polnische PiS-Regierung hat nie gesagt, daß in Europa nichts ohne ihre Zustimmung entschieden werden kann. Das wäre in der Tat Größenwahn! Nach den Verhandlungen mit Rußland über die Ukraine in Minsk im "Normandieformat" fühlten sich die Polen als Nachbar mit polnischstämmigen Ukrainern ausgegrenzt. Da haben sich die Gemüter erhitzt bis hin zur "Doktrin":
"Nichts über uns ohne uns!" Grundsätzlich ist das ein vernünftiger Standpunkt, aber die Angehensweise zur Umsetzung dieses Standpunkts war leider völlig irre.

Anstatt sich also eng an Deutschland und Frankreich an zu lehnen und so einer erwartbaren Auseinandersetzung mit Rußland aus zu weichen, wollte man als gleichberechtigter Partner den Russen gegenüber stehen. Völlig unannehmbar für Franzosen und Deutsche, die schon so größte Mühe hatten, diese Verhandlungen mit Rußland konstruktiv zu einem Ergebnis zu bringen.

Ein abgrundtiefes polnisches Mißtrauen gegenüber dem demokratischen und auf Zusammenarbeit hinwirkenden Deutschland dürfte der Hintergrund für diese polnischen Ausflüge ins Reich der Phantasie sein. Die Regierung Tusk hatte dieses Mißtrauen abgelegt; sie wird deshalb von den Nationalisten gern als eine Versammlung von Landesverrätern gesehen. Die Polen selbst müssen dem ein Ende machen. Den polnischen Nationalisten kann niemand helfen; die sind so. Das wäre so, als ob wir hier plötzlich die AfD in ihrer derzeitigen Erscheinungsform in Regierungsverantwortung hätten. Denen wäre auch kaum zu helfen.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von schokoschendrezki »

Adlerauge hat geschrieben:(10 Mar 2017, 02:11)

Die EU hat halt alles aufgenommen, was da kreucht und fleucht.
Und mit enormen Krediten versehen.
Auf Kosten derer, die sparen.
Was soll man dazu noch sagen??
Selber schuld könnte man sagen an der Misere.
Kredite, ob nun private Kredite oder Investitionskredite sind Sache von nichtstaatlichen Banken und haben mit EU oder nicht zunächst erstmal nix zu tun. Die Deutsche Bank hat sich in Russland ebenso verzockt wie die österreichische Hypo in der Ukraine. Beides Nicht-EU-Mitglieder. Ich weiß nicht. Vielleicht haben diese Banken in Polen damit gerechnet, dass die EU für ein Mitglied im Notfall schon zahlen wird. Für Ungarn jedenfalls weiß ich, dass Privatkredite solcher Bankhäuser nach dem EU-Beitritt ohne jegliche Bonitätsprüfung den Ungarn regelrecht aufgedrängt wurden. Es heißt ja immer, das Kapital sei "scheu wie ein Reh und geil wie ein Bock". Wenn sie diese Rehscheue aus lauter Bocksgeilheit abgelegt haben, ist das Sache der Banken und nicht Sache der EU.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47332
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2017, 09:36)

Die Visegrád-Gruppe wurde ja bislang als eines der erfolgreichsten Teilprojekte dieser Zwischenmeer-Idee gefeiert, wenn ich es recht mitbekommen habe. Nun haben Tschechien, Slowakei und Ungarn auch für Tusk gestimmt, und, richtig, aus V4 ist erstmal V1 + V3 geworden.

Konkurrenz zwischen Orbán und Kaczynski als Leitfiguren?

Oder gehts Kaczynski tatsächlich darum, "Międzymorze" als rein slawische Angelegenheit zu realisieren? So polarisiert wie die Verhältnisse Polen-Rest-EU aktuell sind, dazu noch eine möglicherweise erodierende NATO (vielleicht demnächst ohne Türkei, ohne dominierende USA-Finanzierung). Ich kann mir nicht helfen: Die an sich, von den offiziellen Äußerungen her undenkbare Allianz Polen-Russland liegt eigentlich so nahe ...

Unabhängig davon halte ich jegliches Polen-Bashing von deutscher Seite für mehr als fragwürdig. Deutschland ist grundsätzlich und prinzipiell auf ein vernünftiges Verhältnis zu seinem östlichen Nachbarn angewiesen.
So weit ich diese polnischen Phantasien verfolgt habe, geht es um ein westslawisches Gebilde, das gedanklich anschließt an ein geschichtliches litauisch-polnisches Großreich, wobei vorsichtshalber Litauen und Ukraine nicht befragt wurden. Dort leben "strichweise" ethnische Polen... und schon gibt es Zoff über den dortigen Umgang mit dieser Minderheit (übrigens auch mit Weißrußland), anstatt sie als freundschaftliche Brücke zu diesen Nachbarn zu kultivieren. Polen sieht sich dort in einer Führungsrolle und als Puffer gegen das andrängende Rußland... 500 Jahre ausgeblendet.

Im Westen Europas sind unsere Völker durch einen Scheuersack gejagt worden, oder richtiger: haben wir uns gegenseitig durch Scheuersäcke gejagt. Da käme kaum jemand auf den Gedanken, über die Köpfe der Nachbarn hinweg solche Gedanken ernsthaft zu verbreiten. Unsere Angehensweise ist eben, es mit freiwilliger und auf gegenseitigem Vorteil und Wohlwollen gegründeter Zusammenarbeit in einer Föderation zu versuchen, alte Träume zu beleben und alte Alpträume zu vermeiden. Es sieht aber so aus, als ob wir bei einem Nachfolger des Karolingerreichs ankommen werden. Warum das so ist... ich weiß das nicht!

Natürlich ist es sinnlos, jetzt gegen die Polen nur noch mit Hohn und Spott an zu treten und die Menschen dort auch noch zu demütigen. Es ist notwendig, die europäische Familie zusammen zu führen und dazu die aktive Mitwirkung der Polen zu gewinnen. Dazu sind Diplomaten notwendig, die sich bevorzugt dieser verfahrenen Kiste annehmen. Vielleicht Bundespräsident Steinmeier und Präsident Duda im sehr engen Kontakt? Das wäre einen längeren Versuch wert. In Richtung Westen geht es um handfeste Zusammenarbeit; das ist etwas für Kanzler und Staatspräsidenten... Da könnte sich Deutschland als wohlwollender Interessenwalter Polens bewähren, bis die Polen beginnen, sich selbst mit aller Macht ins europäische Geschirr zu legen.
Benutzeravatar
Unité 1
Beiträge: 4428
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 21:18
user title: fsociety

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von Unité 1 »

frems hat geschrieben:(09 Mar 2017, 23:46)

An sich muss PiS doch eh klar gewesen sein, dass ihr neuer Kandidat keine Chance hat. Wenn die nun herumbölken und Aufmerksamkeit kriegen wollen: Glückwunsch, geschafft.
In der taz kommentiert Gabriele Lesser:
Sein Ziel war es, die EU über die Tusk-Frage zu spalten, um dann bei Themen wie Flüchtlingsverteilung, neuem Budget und gemeinsamer Energiepolitik als lachender Dritter aus dem Streit der anderen hervorzugehen. Doch die Mitglieder des Europäischen Rats zeigten Rückgrat und ließen sich nicht auseinander dividieren.
http://taz.de/Kommentar-Polen-nach-der- ... /!5391138/

Klingt ja schon so, als wenn das in den polnischen Zeitungen debattiert wurde, aber die Lesser zeichnet ein solch drastisches Bild, dass ich nicht weiß, was ich von dem Kommentar halten soll.
We're more like FDP, ambitious and misunderstood!
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47332
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von H2O »

Unité 1 hat geschrieben:(10 Mar 2017, 17:30)

In der taz kommentiert Gabriele Lesser:

http://taz.de/Kommentar-Polen-nach-der- ... /!5391138/

Klingt ja schon so, als wenn das in den polnischen Zeitungen debattiert wurde, aber die Lesser zeichnet ein solch drastisches Bild, dass ich nicht weiß, was ich von dem Kommentar halten soll.
Die Rzeczpospolita ist voll davon. Die einen raufen sich die Haare, wie eine polnische Regierung so dümmlich auftreten mag, etwa so, als hinge die EU von ihr allein ab. Die anderen sehen in Deutschland den Drahtzieher für die einmütige Zurückweisung der polnischen Vorstellungen, werden dafür aber in Leserkommentaren heftig angegriffen.

Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten geht unmittelbar auf das polnische Verhalten zurück, das nur unabhängige Nationalstaaten auf der Grundlage der bestehenden EU billigt. Der französische Staatspräsident hat Frau Szydlo auf ihren Vorhalt: "Wir folgen klaren Prinzipen...! sehr deutlich zu verstehen gegeben: "Ja, sie haben klare Prinzipien, und wir haben die regionalen Entwicklungsfonds...!"

Diese Sprache versteht in Polen jeder. Deshalb war auch diese Anmerkung einen Artikel in der Rzeczpospolita wert.

Fast einstimmig ist von einer fürchterlichen Niederlage und Blamage der polnischen Verhandlungsführung die Rede. Wenn man Schritt für Schritt nachliest, was diese Laienspieler in Regierungsverantwortung abgelassen haben, dann kommt man aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Größenwahn ist keine rein deutsche Angelegenheit!
Ger9374

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von Ger9374 »

Zumal niemand in Deutschland ernsthaft Interesse an ein Polen hat das sich selbst ins europäische
Abseits begibt. Vielmehr wäre Polen zur politischen Stabilisierung Osteuropas wichtig.
Die Pis scheint aber nicht so Recht zu verstehen
das Deutschland in ihrer Mannschaft spielt.
Populismus auf Kosten der Deutsch polnischen
Beziehungen ist fatal.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 47332
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: wer wird tusks nachfolger ?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(10 Mar 2017, 20:04)

Zumal niemand in Deutschland ernsthaft Interesse an ein Polen hat das sich selbst ins europäische
Abseits begibt. Vielmehr wäre Polen zur politischen Stabilisierung Osteuropas wichtig.
Die Pis scheint aber nicht so Recht zu verstehen
das Deutschland in ihrer Mannschaft spielt.
Populismus auf Kosten der Deutsch polnischen
Beziehungen ist fatal.
Die Bundesregierung macht hier alles richtig: Geht nicht darauf ein, was da von polnischer Seite an Bosheiten auf den Markt geworfen wird und vertritt ihren Standpunkt zur Zukunft der EU mit der Einladung, sich doch daran zu beteiligen. Verbindlicher geht's nicht.
Antworten