Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

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DarkLightbringer
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Wenn man nicht weiß, welche strategischen Ziele umgesetzt werden sollen, genügt es nicht, einfach keinen Plan zu haben - man muss auch vielmehr unfähig sein, ihn umzusetzen.
;)
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Fliege
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 10:28)
Da bekäme Präsident Sarkozy die Partner, die er braucht, um die vertiefte Zusammenarbeit voran zu treiben. Vielleicht ist er dann plötzlich der Getriebene ;)
Kurzer Blick in die Geschichte:
Ich erinnere mich auch noch gut an Sarkozys Versuch, eine Mittelmeerunion zu etablieren, um Kooperation von nordafrikanischen Ländern mit den südlichen EU-Ländern zu initialisieren. Doch es passierte dies: "Merkel bremst Sarkozy bei Mittelmeerunion aus". Indem sich Merkel breit machte, um nicht aus dem Bild gedrängt zu werden, versenkte sie das gesamte Projekt, so wie es ihre Art ist, ihr unliebsame Projekte abzuschießen.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Frankreich liebt uns aber. So ähnlich hat es Präsident Macron gesagt.
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H2O
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2018, 16:34)

Kurzer Blick in die Geschichte:
Ich erinnere mich auch noch gut an Sarkozys Versuch, eine Mittelmeerunion zu etablieren, um Kooperation von nordafrikanischen Ländern mit den südlichen EU-Ländern zu initialisieren. Doch es passierte dies: "Merkel bremst Sarkozy bei Mittelmeerunion aus". Indem sich Merkel breit machte, um nicht aus dem Bild gedrängt zu werden, versenkte sie das gesamte Projekt, so wie es ihre Art ist, ihr unliebsame Projekte abzuschießen.
Daran erinnere ich mich noch: Das war aber auch ein ziemlich dreistes Anliegen. Präsident Sarkozy wollte mit deutschem Geld eine französische Führungsrolle rund ums Mittelmeer aufbauen. Davon unterscheidet sich der Aufbau einer vertieften Gemeinschaft in der Euro-Gruppe ganz erheblich; denn dort gehen wir ja wohl untergehakt mit den Franzosen gemeinsam voran. Da nehme ich der Kanzlerin den Mangel an Gestaltungskraft schon übel. Auch bei der Harmonisierung der Steuern, Abgaben, Sozialleistungen hätte sie Präsident Macron beim Wort nehmen oder noch mehr Druck in Richtung des europäischen Projekts aufmachen sollen, anstatt sich aus zu schweigen.

Die einzige Entschuldigung, die ich da sehe, war der Wunsch, möglichst alle Partner mit zu nehmen, anstatt nur die Euro-Partner in Gang zu setzen. So, wie die Dinge jetzt stehen, war das eine Fehlentscheidung, die ihr nicht gedankt wird.
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Nomen Nescio
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 16:53)

Daran erinnere ich mich noch:
wollte mendes-france nicht auch etwas derartiges? ungefähr 60 jahre zurück...
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Ger9374 »

DarkLightbringer hat geschrieben:(20 Nov 2018, 16:43)

Frankreich liebt uns aber. So ähnlich hat es Präsident Macron gesagt.
Man muss Deutschland und sein Volk lieb haben.
Wie sind wie der liebe Onkel der selten zu Besuch kommt, aber dann Geschenke verteilt.Merkel und die Sozis sowieso, alle anderen geben sich da nicht viel.Kritische Worte oder gar unbotmässige Widerworte kommen aus Berlin in Richtung anderer Regierungen sowieso nicht.Da lässt man sich lieber als Nazi usw. Titulieren.
Siehe Griechenland und Türkei.
Nein das Rückrad haben Deutsche Regierungen lange nicht mehr.Und das Deutsche Volk ist zu einem Haufen BILD LESER verkommen, deren Nivieu sich an RTL 2 Fernsehen orientiert.
Es gibt noch geistige Grössen die sich trauen klare Worte zu fassen, aber gegen das Merkel Stigmata
befeuert durch Einheitsmedien ist schwer anzustinken!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(20 Nov 2018, 18:58)

wollte mendes-france nicht auch etwas derartiges? ungefähr 60 jahre zurück...
Möglich; Premier Mendes-France ist mir im Gedächtnis als überzeugter Milchtrinker. Aber mit der Politik hatte ich das damals nicht so.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 23:13)

Möglich; Premier Mendes-France ist mir im Gedächtnis als überzeugter Milchtrinker. Aber mit der Politik hatte ich das damals nicht so.
ja, durch die bände mit niederländisch indien/indonesien ist das bei mir ganz anders. so lange ich mich erinnern kann wurde bei uns über politik und die machtlosigkeit von einfachen bürgern geredet.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Ger9374 »

[quote="Nomen Nescio"](21 Nov 2018, 00:19)

ja, durch die bände mit niederländisch indien/indonesien ist das bei mir ganz anders. so lange ich mich erinnern kann wurde bei uns über politik und die machtlosigkeit von einfachen bürgern geredet.[/quote


Das klingt wie im derzeitigen Deutschland, so wiederholt sich vieles;-);-)
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 23:13)

Möglich; Premier Mendes-France ist mir im Gedächtnis als überzeugter Milchtrinker. Aber mit der Politik hatte ich das damals nicht so.
nein, ich habe mich geirrt. mendes-france schickte august 1954 als premier den plan für eine europäische verteidigungs gemeinschaft zum abgeordnetenhaus.
dort wurde es mit 319 gegen 264 stimmen verworfen. anfang des plans ist von 1952.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(21 Nov 2018, 05:00)

nein, ich habe mich geirrt. mendes-france schickte august 1954 als premier den plan für eine europäische verteidigungs gemeinschaft zum abgeordnetenhaus.
dort wurde es mit 319 gegen 264 stimmen verworfen. anfang des plans ist von 1952.
Gemäß Wiki gilt PM Mendes-France als einer der klügsten politischen Köpfe seiner Zeit. Der konnte sich sogar mit CdG anlegen und zurücktreten, ohne dafür abgestraft zu werden. Graue Eminenz im Hintergrund. So einer fehlt bei uns in Deutschland... hoch geachtet und selbstlos.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo.
Die Frage nach einer Europäischen Armee - ob wir eine wollen oder brauchen oder nicht, ... darüber kann und sollte nicht ohne Berücksichtigung oder ohne Beurteilung der Frage nach einem Bundesstaat oder einem schlichten Staatenbund geurteilt werden.

Jahrzentelang war es Großbritannien, das einen schlichten, auf Wirtschaftsfragen orientierten Staatenbund propagierte - ohne Zentralregierung. Souveräne (EU-) Staaten sollten sich lediglich zum Zwecke wirtschaftlicher Fragen zusammenschließen. Paris war dessen Gegenspieler - Berlin respektive: Bonn war weitgehend an dessen Seite. London war auch dafür verantwortlich, daß der EU-Außenminister nicht Außenminister heißt ... heißen darf, ... lediglich EU-Außenbeauftragter war genehmigt.

Da nun Großbritannien 2016 beschloßen hat, ab sofort nicht mehr zur EU zu gehören, stand einer vertiefenden Zusammenarbeit aller EU-Mitgliedstaaten nichts mehr im Wege. Vielleicht deshalb unterzeichneten im November 2017 Minister aus 23 Mitgliedstaaten eine gemeinsame Notifizierung zur "ständigen strukturierten Zusammenarbeit" - kurz SSZ. Im Dezember 2017 verabschiedete sodann der Rat einen Beschluß zur Einrichtung von "Permanent Structured Cooperation" - kurz PESCO. Daraufhin erklärten vorerst 25 EU-Mitgliedstaaten in einer gemeinsamen Mitteilung ihre Absicht, an PESCO teilzunehmen. Im darauffolgenden Monat gaben auch Irland und Portugal ihre Entscheidung bekannt, PESCO beizutreten. Nun sind alle noch verbliebenen EU-Mitgliedstaaten zu einer "dauerhaft strukturierten Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik" willig. Dieser "permanente Rahmen für die Verteidigungszusammenarbeit" sieht die Möglichkeit vor, daß mehrere EU-Mitgliedstaaten im Bereich Sicherheit und Verteidigung enger zusammenarbeiten. Daß heißt nun nicht, daß nun die EU mit einer Stimme spricht - was ihr bisher immer negativ angelastet worden ist ... weshalb die EU-Mitgliedstaaten immer gegeneinander ausgespielt worden sind, ... aber diese Vereinbarung ermöglicht es, daß willige und fähige Mitgliedstaaten in gemeinsame Projekte investieren, um so "die Einsatzbereitschaft und den Beitrag ihrer Streitkräfte zu verbessern."

Durch die Verteidigungszusammenarbeit und die verbindlicheren gemeinsamen Verpflichtungen, die die teilnehmenden Mitgliedstaaten eingegangen sind - darunter "regelmäßige Erhöhung der Verteidigungshaushalte, um die vereinbarten Ziele zu erreichen", ... dadurch besteht jedenfalls die Möglichkeit, daß daraus eine EU wird, die in der Außenwirkung mit einer Stimme spricht ... eine EU, die also dadurch etwas ernster genommen wird ... die nicht mehr so schnell auseinanderdividiert wird. Darüberhinaus kann sich so eventuell auch eine Vertiefung in anderen EU-Angelegenheiten ergeben. Es wurde nämlich gleichzeitig eine Erklärung verabschiedet, daß eine übergeordnete Ebene die Kohärenz und den Ehrgeiz von PESCO und seiner teilnehmenden Mitgliedstaaten überwacht. Durch spezifische Verwaltungsverfahren auf Verwaltungsebene (einschließlich der Sekretariatsfunktionen für PESCO) soll sichergestellt werden, daß Bereiche wie Ausbildung, Fähigkeitsentwicklung und Einsatzbereitschaft im Verteidigungsbereich durchgeführt und die eingegangenen Verpflichtungen auch eingehalten werden.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Eine Art Zwangsläufigkeit zum europäischen Staat ist mit PESCO nicht verbunden. Aber die Möglichkeit dazu ist deutlich gewachsen. Dazu dient einerseits das Sekretariat der PESCO, das Bummelanten wachrütteln wird, aber auch die praktische Wirkung der sich vertiefenden Zusammenarbeit. In der Schengenzone haben wir uns schon daran gewöhnt, daß unsere Bewegung so frei ist, als ob wir die Grenze eines deutschen Bundeskands überquerten. Die Währungsunion macht uns voneinander abhängig, macht Gespräche notwendig, wenn einmal etwas zu mißlingen droht. Am Arbeitsplatz begegnen uns Kollegen aus allen EU-Partnerstaaten... die Briten werden mir ein wenig fehlen.

Hoffen wir nun, daß die ansteckende Krankheit des Populismus uns nicht wieder das Leben zur Hölle machen wird. Wenn die EU jetzt in den Fällen Polen, Ungarn und Italien mit aller Klarheit und Härte auf der Einhaltung der Regeln der EU besteht und ihre Befolgung erzwingt, dann steht die Wahrscheinlichkeit gut, daß wir das europäische Projekt in einigen Jahrzehnten erfolgreich abschließen werden... in Vielfalt vereint, mit einer nach außen gemeinsamen Regierung und gemeinsamen Streitkräften.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Alle Jahre wieder gibt es eine Europäische Sicherheitskonferenz in München, jetzt einmal ohne die Staatschefs der bedeutendsten NATO-Partner USA, GB, F.

Ein erster Gedanke, die Kernwaffen Frankreichs in einen europäischen Schutzschirm um zu bauen, stieß bei Herrn Roettgen/CDU auf Widerspruch: Gut gemeint, aber ein Spaltpilz der NATO. Die USA könnten sich in Europa entbehrlich fühlen und die Ost-EU abgehängt.

https://www.deutschlandfunk.de/nukleare ... _id=977081

Aus meiner Sicht bringen die USA sich in Europa ein, weil das in Ihrem Interesse ist. So lange dieses Engagement im europäischen Interesse ist, wird es keinen Streit mit dieser Supermacht geben. Die deutliche Ansage Obamas, daß die USA ihre wesentlichen Zukunftsinteressen rund um den Pazifik sehen, und das überdeutliche Auftreten Trumps zeigen, daß Europa für die USA eher lästig als nützlich erkannt wurde, trotz der Teilnahme der europäischen Verbündeten am Kampf gegen Al Kaida in Afghanistan oder gegen den IS im Irak oder gegen Gaddhafi in Libyen.

Aus meiner Sicht wird es höchste Zeit, daß Europa sich auf sich selbst besinnt und eigene Schutzmechanismen aufbaut. Dazu ist Europa in der Lage... die Fähigkeiten sind vorhanden und sie können ausgebaut werden.

Der erste und zuverlässigste Schritt ist der Wiederaufbau einer eigenständigen Wehrtechnik, rationalisiert im Zusammenwirken mit PESCO, wo jeder Partner sein Bestes gibt, um zum Erfolg zu kommen. Der nächste Schritt muß sein, daß wenigsten Deutschland sich an der Pflege und dem Ausbau der französischen Kernwaffen beteiligt, ohne an der Kommandogewalt teil zu haben. Dieses Thema sollte im Rahmen des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags besprochen und vertraglich festgelegt werden. Dann sollte der französische Atomschirm auch Deutschland schützen... und Rußland vor Leichtsinn bewahren. Denn seine Nuklearwaffen ermutigen Rußland, sich gegen "die Kleinen" etwas heraus zu nehmen, wie man sehr deutlich sieht in Georgien oder jetzt in der Ukraine.

Die USA könnten sich dann als Freund Osteuropas in Stellung bringen. Dort hat Deutschland und der Rest Westeuropas nichts zu gewinnen. Wenn ein EU-Partner zum Zeitpunkt einer Europäischen Sicherheitstagung eine Nahostfriedenskonferenz organisiert, dann ist politisch doch klar, wo dieser Partner sich besser aufgehoben fühlt.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Ihr seht das zu negativ. Der Zusammenschluss europäischer Streitkräfte passiert bereits. Schließt noch nicht alle ein, aber das muss ja auch nicht. Blaupause für den Prozess könnte die deutsche Entwicklung zwischen den napoleonischen Kriegen und der Reichsgründung sein.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Kohlhaas hat geschrieben:(27 Feb 2019, 18:13)

Ihr seht das zu negativ. Der Zusammenschluss europäischer Streitkräfte passiert bereits. Schließt noch nicht alle ein, aber das muss ja auch nicht. Blaupause für den Prozess könnte die deutsche Entwicklung zwischen den napoleonischen Kriegen und der Reichsgründung sein.
Auha, als diese Zeit dran war, habe ich gerade in der Schule gefehlt. Natürlich ist schon PESCO ein richtiger Schritt in die richtige Richtung... und inzwischen beteiligt sich auch Polen daran, wo Polen sich in Fragen der Wehrtechnik doch besonders innig an die USA angeschmiegt hatte.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

PESCO ist sicher ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Nur ist es wieder so, dass alle ihren Willen bekunden und alle weiter ihr eigenes Ding machen können.

Ich bezog mich mit der Aussage nicht auf PESCO, sondern auf das Framework Nations Concept (Rahmennationen-Konzept). Auf der Ebene sind Kooperationen eingeleitet worden, die inzwischen recht weit gehen und eben nicht die Teilnahme aller EU-Mitglieder erfordern. Das Europa der zwei Geschwindigkeiten... Deutschland ist "Initiator" dieses Rahmennationen-Konzepts und treibt das auch immer weiter voran. Die Kooperation zwischen D. und den Niederlanden ist schon recht weit fortgeschritten. Da sind die gepanzerten Kräfte und die luftverlegbaren Einheiten der Niederlande in die Bundeswehr integriert worden, das deutsche Seebataillon ist der niederländischen Marine angegliedert worden. Tschechien und Rumänien haben Brigaden an die Bundeswehr angegliedert, eine Kooperation mit Litauen scheint kurz bevor zu stehen, eine Reihe von weiteren Nationen hat Interesse an der Teilnahme bekundet. Selbst Nationen, die nicht der Nato oder der EU angehören. Schweden, Finnland, Österreich, Schweiz. Da ist schon einiges im Gange.

Die Parallele zur "Vorzeit" der deutschen Staatsgründung habe ich gezogen, weil die Struktur Europas heute recht ähnlich ist, wie die Struktur "Deutschlands" in der Zeit zwischen 1815 und 1871. Es gab damals keine "Nation", sondern einen Staatenbund. Einen sehr losen Staatenbund! So lose, dass die Mitglieder kein Problem damit hatten, gegeneinander Krieg zu führen. Der letzte innerdeutsche Krieg fand 1866 statt (mit sowas ist in der EU zum Glück nicht mehr zu rechnen...). Trotzdem ist es in der Phase gelungen, "gemeinsame Streitkräfte" aufzubauen. Nach ganz ähnlichen Mustern entwickelt sich das heute in Europa.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Vielen Dank für Ihren Beitrag zum Rahmenkonzept der Nationen. Ja, auch das macht Mut, weil es auf der Ebene der bestehenden Streitkräfte wirkt. Aus meiner Sicht ungelöst bleibt dabei die Aufstellung im Konfliktfall. Im Rahmen der NATO dürfte dieses Problem wohl längst durch Einsatzregeln gelöst worden sein. Ich stelle mir die wohl wirklich sehr enge Zusammenarbeit mit den Niederländern beispielhaft vor. Wie wird dann die Verfügung über Bundeswehrangehörige geregelt? Müssen dann Bundestag und das Niederländische Parlament einen gemeinsamen Marschbefehl erteilen... etwa weil Marine-Landetruppen an einem Ort außerhalb der EU dringend friedensschaffend eingesetzt werden müssen... meinetwegen nach furchtbaren Unruhen in Algerien oder Libyen? Man muß ja, so schlimm wie das auch ist, eine Vorstellung entwickeln, wann die Gemeinsamkeit auf die Probe gestellt werden könnte. Für Sonn- und Feiertage haben wir ja die Musikschau der Nationen mit Tchingderassabum und Täterätätä.

Mit unseren unmittelbaren Nachbarn habe ich auch gar kein gedankliches Problem mit diesem Konstrukt. Aber wie geht so etwas denn technisch mit unseren rumänischen Verbündeten? Sind die so weit eingebunden, daß sie an Übungen der Bundeswehr mit den Niederländern in der Heide mitmachen, oder bezieht sich das Ganze mehr oder weniger auf Ausbildungsgänge und gemeinsame Nutzung von Ausbildungsmaterial? So lange die Bundeswehr in Litauen nicht nur symbolisch Sicherheit gewährleistet, kann man sich eine sehr enge Verflechtung der Einheiten ganz gut ausmalen. Kann man sich aber vorstellen, daß der litauische Oberbefehlshaber auch die Bundeswehrtruppen dort in Marsch setzt? Einen kurzen Draht in den Bundestag unterhält der Oberbefehlshaber doch bestimmt nicht.

Ich frage das hier nicht kritisch, sondern neugierig, denn ähnliche Hindenisse hatte es doch auch bei der deutsch-französischen Brigade gegeben, als Frankreich seine Soldaten einsetzen wollte, das aber gar nicht so einfach ohne die deutschen Kameraden möglich war. Sehr zuverlässig immer den selben Fehler muß man da doch nicht machen!

Der Blick auf die deutsche Geschichte ab Napoleon zeigte doch eins sehr klar: Das Habsburger Reich war nicht dabei. Dabei waren nur die, die sich heute als Deutsche bezeichnen. Interessant war auch ein Beitrag von garfield zu seinen Luxemburgern. Die waren anfänglich dabei, und die Deutsch-Österreicher, als in der Paulskirche die ersten Gehversuche zu einem gemeinsamen demokratischen Deutschland gemacht wurden. Hoffentlich wiederholt sich das im entstehenden Europa nicht in größerem Umfange... Kriege schließe ich da wegen der NATO und der Verfügung über Kernwaffen einmal aus.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Man könnte es so wie im Nordatlantikrat machen - jede Nation hat eine Stimme. Und möchte ein Alliierter zwar nichts beitragen, aber die übrigen nicht behindern, so enthält er sich der Stimme.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(28 Feb 2019, 22:17)

Man könnte es so wie im Nordatlantikrat machen - jede Nation hat eine Stimme. Und möchte ein Alliierter zwar nichts beitragen, aber die übrigen nicht behindern, so enthält er sich der Stimme.
Das ist dort auch höchst einfach geregelt: Die nationalen Streitkräfte sind ohne Kraftanstrengung zu trennen und können getrennt ihrer Wege gehen. Das war zeitweise in der deutsch-französischen Brigade nicht zu machen, und da gab es Streit und Trennung. Eigentlich genau das, was wir in der EU nicht so gern wollen. Aber ohne ein klares Konzept, das nun einmal weg von nationaler Verfügungsgewalt führt, sind solche Verschmelzungen nicht vorstellbar. Welche Befehlskette setzt die Streitkräfte des Framework Nations Concept in Marsch?

Die Militärmusikschau der Nationen wird von einer Konzertagentur gesteuert. Wer steuert die Streitkräfte des "Frameworks"?
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(28 Feb 2019, 22:31)

Das ist dort auch höchst einfach geregelt: Die nationalen Streitkräfte sind ohne Kraftanstrengung zu trennen und können getrennt ihrer Wege gehen. Das war zeitweise in der deutsch-französischen Brigade nicht zu machen, und da gab es Streit und Trennung. Eigentlich genau das, was wir in der EU nicht so gern wollen. Aber ohne ein klares Konzept, das nun einmal weg von nationaler Verfügungsgewalt führt, sind solche Verschmelzungen nicht vorstellbar. Welche Befehlskette setzt die Streitkräfte des Framework Nations Concept in Marsch?

Die Militärmusikschau der Nationen wird von einer Konzertagentur gesteuert. Wer steuert die Streitkräfte des "Frameworks"?
Weiß ich auch nicht.

Denke mal, es gibt einen militärischen Oberbefehlshaber, über dem der Verteidigungsminister der Führungsnation steht.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(28 Feb 2019, 21:49)Ja, auch das macht Mut, weil es auf der Ebene der bestehenden Streitkräfte wirkt. Aus meiner Sicht ungelöst bleibt dabei die Aufstellung im Konfliktfall. Im Rahmen der NATO dürfte dieses Problem wohl längst durch Einsatzregeln gelöst worden sein. Ich stelle mir die wohl wirklich sehr enge Zusammenarbeit mit den Niederländern beispielhaft vor. Wie wird dann die Verfügung über Bundeswehrangehörige geregelt? Müssen dann Bundestag und das Niederländische Parlament einen gemeinsamen Marschbefehl erteilen...

*Lach*....

Und da liegt Dein Finger genau mitten in der offenen Wunde!

Beim Framework Nations Concept ist Deutschland einerseits Vorreiter (das ganze wurde auf deutsche Inititative ins Leben gerufen) und anderseits der größte Bremser - weil gerade Deutschland sich gern internationalen Einsätzen verweigert. Das ist aber ein politisches Problem, kein militärisches. Es kann auch nur von Politikern gelöst werden. In den Niederlanden ist das einfach. Dort gibt es keine "Parlamentsarmee". Die Regierung muss das Parlament nur über Einsatzbefehle informieren, aber keine Zustimmung einholen. In Deutschland ist das halt anders. Da muss das Parlament mit all seiner (zumeist durchaus berechtigen!!!) Behäbigkeit jedem Einsatz erstmal zustimmen. Deshalb ist Framework Nations auch durchaus umstritten in Europa. Die möglichen Partner fragen sich, ob sie sich denn auf Deutschland als "Rahmennation" verlassen können. Außerdem haben viele den Verdacht, dass Deutschland all das nur tut, um seine Rüstungsindustrie zu stärken... Wenn wir der Wahrheit die Ehre geben, dann könnte an diesem Vorwurf sogar was dran sein. Das ist aber, wie schon geschrieben, die rein politische Diskussion!

Auf militärischer Ebene gibt es solche Probleme nicht. Die Truppenteile, die in die Bundeswehr integriert wurden oder noch werden, werden genauso behandelt wie deutsche Truppenteile. Gleiche Ausrüstung, gleiche Ausbildung, gleiche Führungsstrukturen. Das sind Einheiten, die zur Bundeswehr gehören und unter deutschem Kommando stehen - mit der Option, dass die Herkunftsnationen diese Truppenteile "zurückholen" können, wenn sie sie brauchen. Was wir alle nicht hoffen wollen!

Wenn das Konzept konsequent weiter verfolgt wird, dann ist es so, als würde Deutschland im Moment schon mit dem Aufbau einer europäischen Armee unter deutschem Kommando beginnen. Das habe ich jetzt bewusst etwas überspitzt formuliert.

Der große Vorzug des Konzepts liegt darin, dass durch "Angliederung" die zwangsläufig begrenzten militärischen Fähigkeiten kleiner und kleinster Nationen für eine EUROPÄISCHE! Verteidigung "nutzbar" gemacht werden können. Die Streitkräfte der vier großen Nationen (künftig ja nur noch drei...) muss man nicht zusammenfassen. Alle vier verfügen über alle relevanten Fähigkeiten, um auf eigenen Füßen zu stehen. Es reicht völlig, diese Streitkräfte im Bedarfsfall unter ein Oberkommando zu stellen. Bei den Kleineren ist das ganz anders. Die haben einfach nicht die Mittel, um Verbände aufzustellen, die eigenständig operieren können. Sie müssen sich irgendwo angliedern. Das machen sie auch. Ich erinnere mich da zum Beispiel an einen Zeitungsbericht über einen Einsatz einer deutschen Fregatte gegen ein Frachtschiff, das von Piraten gekapert worden war (Somalia). Das Enterkommando bestand dabei aus litauischen Soldaten.

Auf der militärischen Seite alles kein Problem. Politisch sieht es anders aus. Ich gehe allerdings davon aus, dass Deutschland mit der Festigung solcher Kooperationen auch eine Verantwortung gegenüber den kleineren Partnern übernimmt, aus der sich die Politik dann nicht mehr so einfach herausstehlen kann. Das Auftreten als "Rahmennation" verpflichtet Deutschland in gewisser Weise, im Interesse der Partner an einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mitzuwirken.

Aus Sicht der deutschen Politik ist das Framework Nations Concept im Moment möglicherweise trotzdem nur der Versuch, den "Personalmangel" der Bundeswehr schnell zu beheben. Schneller als durch Eingliederung ausländischer Verbände kann die Bundeswehr nicht auf den Personalstand gebracht werden, den sie eigentlich braucht. Kalt-rational betrachtet, stört mich das aber auch gar nicht. Die EU-Länder haben derzeit zusammen etwa 1,5 Millionen Soldaten unter Waffen. Gut 50 Prozent mehr als Russland. Nach dem Ausscheiden der Briten werden es immer noch 1,3 Millionen sein. Mehr müssen es auch nicht sein. Das reicht völlig, wenn alle in eine Organisationsstruktur eingebunden sind.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Oh, das hört sich ja trotz aller politischen (deutsch-gemachten) Klemmer immer noch recht gut an. Dann dürfen wir also damit rechnen, daß Rumänen, Litauer, Tschechen und Niederländer unter der EU-Flagge mit ihren deutschen Kameraden antreten zu Einsätzen. Ich würde mir wünschen, daß es ähnliche Verflechtungen gibt mit unseren französischen Nachbarn, schon um jeder Rivalität Nord-Süd zuvor zu kommen. Aber zuerst müssen die Hemmstufen abgeräumt werden, die jeder für seine Armee erfunden hat. Da muß Frau Mogherini 'ran, oder ihre Nachfolgerin im Amt, und diesen Sack Flöhe auf Vordermann bringen.

Zugleich könnte man über PESCO sicher stellen, daß nicht nur die deutsche wehrtechnische Industrie von den Zusammenschlüssen Vorteile im Wettbewerb hat. Viele Kleine sind auf dem Gebiet ohnehin besser als wenige Große, wenn eine gut aufgestellte Zentrale für vernünftige Normen und Schnittstellen zwischen Systemteilen sorgt.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Der Wille zur Zusammenarbeit wird wohl dadurch gefördert, dass die USA angekündigt haben, bei internationalen Einsätzen künftig nur noch höchstens die Hälfte der Last zu tragen. Vermutlich war das mit ein Anstoß für Pesco.

Auch in anderer Hinsicht wird Deutschland sich die Sonderrolle nicht mehr leisten können: Heute kochte in der Koalition der Streit über Rüstungsexporte hoch. Je enger die Nationen zusammenarbeiten, desto häufiger werden sie Waffen und Großgerät gemeinsam entwickeln. Da werden die Partner sich kaum auf die relativ harten deutschen Exportrichtlinien verpflichten lassen. In der Presse hieß es heute bereits, dass Airbus angeblich erwägt, ein Transportflugzeug ganz ohne deutsche Komponenten zu bauen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Ich hatte PESCO so verstanden, daß man in Europa das Beschaffungswesen für Wehrmaterial bündeln möchte. Daß also nicht 27 EU-Mitglieder ihre Schießprügel in ihren Dorfschmieden herstellen, sondern sie ihre Fähigkeiten verbinden für höhere Qualität und Stückzahl. Die heutige Vielzahl an Systemen führt dazu, daß die logistische Zusammenarbeit (sprich: Versorgung) der vereint auftretenden Truppen sehr behindert wird. Im Zusammenhang mit den Diskussionen um das Sturmgewehr G36 hatte ich gelernt, daß Frankreich in seinen Sturmgewehren andere Munition einsetzt als andere NATO-Partner. Das ist eine gute Idee für französische Hersteller, aber wohl eine schlechte bei gemeinsamen Unternehmungen. Den Planungsfehler hat man hoffentlich längst beseitigt... oder es wird höchste Zeit, daß das endlich geschieht.

Ja klar, wenn man gemeinsam entwickelt, dann darf das nie bedeuten, daß ein Partner allein die Komponenten für das gemeinsame Waffensystem herstellt. Das muß aus meiner Sicht an mehreren Orten in der EU geschehen, um die Verwundbarkeit der Produktion möglichst gering zu halten. Dann werden Exportrichtlinien für Waffen aus deutscher Produktion auch keine Waffengeschäfte der Partner behindern. Die wären dann ja auch in der Lage, ohne deutsche Mitwirkung ihre Industrie mit der Fertigung zu beauftragen.

Sinn und Zweck der gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung muß doch sein, die Fähigkeiten der Partner zu steigern und bei der gemeinsamen Beschaffung durch höhere Stückzahlen Mittel ein zu sparen. Die Nebenwirkung, daß ein Beteiligter den Export der anderen Partner behindert, halte ich für vermeidbar durch Verträge, die in solchen Fällen die Fertigung von Teilen durch andere Partner vorsehen. Noch vernünftiger wäre aus meiner Sicht, wenn die EU selbst entschiede, welche Kunden mit welchen Systemen beliefert werden dürfen... die nationale Vermarktung von Gemeinschaftsentwicklungen also entfällt. Aber das dürfte noch ein weiter Weg sein.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(02 Mar 2019, 01:47)Ich hatte PESCO so verstanden, daß man in Europa das Beschaffungswesen für Wehrmaterial bündeln möchte. Daß also nicht 27 EU-Mitglieder ihre Schießprügel in ihren Dorfschmieden herstellen, sondern sie ihre Fähigkeiten verbinden für höhere Qualität und Stückzahl.
Die gemeinsame Beschaffung ist sozusagen der "kleinste gemeinsame Nenner". Die Zusammenarbeit über PESCO folgt aber den EU-Regeln zu "abgestufter Integration" und "verstärkter Zusammenarbeit". Da geht es wieder um das Europa der zwei Geschwindigkeiten. Es müssen nicht mehr alle Beteiligten bei allem mitmachen. Österreich z.B. ist bei PESCO dabei, darf aber dabei sein Neutralitätsgesetz dabei nicht missachten, also unter anderem keine Waffen an kriegführende Staaten liefern. Das begrenzt die Möglichkeiten Österreichs, auch als Produzent an einem gemeinsamen Beschaffungswesen teilzunehmen.

PESCO sieht aber neben gemeinsamer Beschaffung unter anderem auch die Erhöhung der Rüstungsausgaben und die Bereitstellung von Einsatztruppen für die EU-Battlegroups und EUFOR-Einsätze vor. Insbesondere ist da auch die Rede von der "Verbesserung der Interoperabilität der Streitkräfte". Das bezieht sich nicht nur auf die Ausrüstung, sondern auch auf eine Angleichung von Strategie, Taktik, Ausbildung, Kommandostrukturen.... etc. Das Problem dabei ist wieder, dass all das freiwillig bleibt. Es wird wohl ein langer Prozess, bis daraus soetwas wie ein "europäisches Militär" wird.
Im Zusammenhang mit den Diskussionen um das Sturmgewehr G36 hatte ich gelernt, daß Frankreich in seinen Sturmgewehren andere Munition einsetzt als andere NATO-Partner.
Das wusste ich nicht. Ich dachte, das FAMAS-Gewehr würde Nato-Munition verwenden. Vielleicht liegt hier ein Grund dafür, dass Frankreich dabei ist, das HK416 als Standardgewehr einzuführen.
Ja klar, wenn man gemeinsam entwickelt, dann darf das nie bedeuten, daß ein Partner allein die Komponenten für das gemeinsame Waffensystem herstellt. Das muß aus meiner Sicht an mehreren Orten in der EU geschehen, um die Verwundbarkeit der Produktion möglichst gering zu halten. Dann werden Exportrichtlinien für Waffen aus deutscher Produktion auch keine Waffengeschäfte der Partner behindern. Die wären dann ja auch in der Lage, ohne deutsche Mitwirkung ihre Industrie mit der Fertigung zu beauftragen.
So einfach ist das nicht. Nehmen wir Großgerät wie den Eurofighter als Beispiel: Teile der Maschinen werden in Deutschland gefertigt, andere Teile in Frankreich, wieder andere in Großbritannien. Alle Flugzeuge werden dann in der Endmontage aus diesen Teilen "zusammengebaut". Nach deutschem Recht dürfte dann keine Maschine in ein "Krisengebiet" exportiert werden - also z.B. nach Saudiarabien. Der von Deutschland beschlossene Exportstopp nach Saudiarabien behindert schon jetzt Exporte.
Noch vernünftiger wäre aus meiner Sicht, wenn die EU selbst entschiede, welche Kunden mit welchen Systemen beliefert werden dürfen... die nationale Vermarktung von Gemeinschaftsentwicklungen also entfällt. Aber das dürfte noch ein weiter Weg sein.
Genau das wäre auch aus meiner Sicht die einzig mögliche Lösung. Ich würde sogar wetten, dass man damit bei der Industrie offene Türen einrennt... ;-)

Es ist nur die Frage, ob die deutsche Politik bereit ist, sich von der restriktiven Rüstungsexportpolitik zu verabschieden. Darum dreht sich auch der Streit in der Koalition, der gestern öffentlich wurde.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Kohlhaas hat geschrieben:(02 Mar 2019, 16:50)

Die gemeinsame Beschaffung ist sozusagen der "kleinste gemeinsame Nenner". Die Zusammenarbeit über PESCO folgt aber den EU-Regeln zu "abgestufter Integration" und "verstärkter Zusammenarbeit". Da geht es wieder um das Europa der zwei Geschwindigkeiten. Es müssen nicht mehr alle Beteiligten bei allem mitmachen. Österreich z.B. ist bei PESCO dabei, darf aber dabei sein Neutralitätsgesetz dabei nicht missachten, also unter anderem keine Waffen an kriegführende Staaten liefern. Das begrenzt die Möglichkeiten Österreichs, auch als Produzent an einem gemeinsamen Beschaffungswesen teilzunehmen.

PESCO sieht aber neben gemeinsamer Beschaffung unter anderem auch die Erhöhung der Rüstungsausgaben und die Bereitstellung von Einsatztruppen für die EU-Battlegroups und EUFOR-Einsätze vor. Insbesondere ist da auch die Rede von der "Verbesserung der Interoperabilität der Streitkräfte". Das bezieht sich nicht nur auf die Ausrüstung, sondern auch auf eine Angleichung von Strategie, Taktik, Ausbildung, Kommandostrukturen.... etc. Das Problem dabei ist wieder, dass all das freiwillig bleibt. Es wird wohl ein langer Prozess, bis daraus soetwas wie ein "europäisches Militär" wird.


Das wusste ich nicht. Ich dachte, das FAMAS-Gewehr würde Nato-Munition verwenden. Vielleicht liegt hier ein Grund dafür, dass Frankreich dabei ist, das HK416 als Standardgewehr einzuführen.


So einfach ist das nicht. Nehmen wir Großgerät wie den Eurofighter als Beispiel: Teile der Maschinen werden in Deutschland gefertigt, andere Teile in Frankreich, wieder andere in Großbritannien. Alle Flugzeuge werden dann in der Endmontage aus diesen Teilen "zusammengebaut". Nach deutschem Recht dürfte dann keine Maschine in ein "Krisengebiet" exportiert werden - also z.B. nach Saudiarabien. Der von Deutschland beschlossene Exportstopp nach Saudiarabien behindert schon jetzt Exporte.


Genau das wäre auch aus meiner Sicht die einzig mögliche Lösung. Ich würde sogar wetten, dass man damit bei der Industrie offene Türen einrennt... ;-)

Es ist nur die Frage, ob die deutsche Politik bereit ist, sich von der restriktiven Rüstungsexportpolitik zu verabschieden. Darum dreht sich auch der Streit in der Koalition, der gestern öffentlich wurde.
Ja, richtig, die gemeinsame Nutzung von Ausbildungseinrichtungen hatte ich bei PESCO verschlabbert. Stimmt ja! Aber die Kommandohoheit über die vereinigten Truppen oder dann wieder Teile davon muß dringend geklärt werden. Das ist doch kein Musikkorps! Ebenso das Exportgeschäft, ohne das die wehrtechnische Industrie nicht überleben kann.

Da gibt es doch nur "entweder-oder": Entweder beschäftigt der Staat seine staatliche Industrie mit Steuergeld "rund um die Uhr", und dann ist er selbst verantwortlich für seine Investitionen, oder er hat eine privatwirtschaftliche wehrtechnische Industrie, und er hält sich sehr zurück mit Exportverboten. Aber das werden unserer Bundesregierung die Partnerstaaten wohl erklären und sich von der Bundesregierung unabhängig machen. Das kommt doch so sicher wie das Amen in der Kirche! Wen juckt da ein Koalitionsstreit in Berlin!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Der Koalitionsstreit in Berlin ist für mich Ausdruck der Erkenntnis in der deutschen Politik, dass es mit der deutschen "Sonderrolle" so nicht weiter gehen kann. Die "Erklärungsversuche" der Verbündeten scheinen also schon zu fruchten ;-)

Aus historischen Gründen war die militärische Zurückhaltung Deutschlands seinerzeit vollkommen berechtigt. Heute ist sie einfach nicht mehr zeitgemäß. Das wird langsam auch den Verantwortlichen klar.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kölner1302 »

Solche Nachlässigkeiten wie in der deutschen Armee machen die Partner in jedem Militärbündnis zu recht fassungslos. Sind die Deutschen militärisch noch teamfähig?
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Kölner1302 hat geschrieben:(02 Mar 2019, 19:08)

Solche Nachlässigkeiten wie in der deutschen Armee machen die Partner in jedem Militärbündnis zu recht fassungslos. Sind die Deutschen militärisch noch teamfähig?
Aus heutiger Sicht ist Deine Frage berechtigt.

Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass es die von Dir zitierten Partner waren, die den Prozess eingeleitet haben. Die Bundeswehr ist seit Anfang der 1990er Jahre konsequent "kaputt gespart" worden. Auf Wunsch der "Partner"! Insbesondere Russland und Frankreich hätten damals der Wiedervereinigung nie zugestimmt, wenn sie nicht mit einer massiven Abrüstung verbunden gewesen wäre. Es waren damals die (ehemaligen) Alliierten, die verhindern wollten, dass Deutschland erneut machtpolitische Ambitionen entwickelt.

Insofern entspricht die Haltung, die Deutschland heute einnimmt, genau dem, was die Ex-Alliierten uns 1990 "auferlegt" haben. Seitdem hat sich nur vieles geändert. Und heute wird Deutschland auch von den USA getadelt, weil es noch heute genau das tut, was auch die USA damals wollten.

Dass Deutschland "teamfähig" ist, wird bewiesen durch den Umstand, dass gerade DEUTSCHLAND den Aufbau einer europäischen Armee befürwortet. Um diese europäische Armee möglich zu machen, werden deshalb gerade deutsche Politiker von der Vorstellung Abschied nehmen müssen, dass so eine europäische Armee nach deutschen Vorstellungen geleitet werden muss. Das ist keine leichter Prozess. Der weiter oben erwähnte Koalitionsstreit ist ein Schritt in diese Richtung. Leider, sage ich persönlich. Ich bin eigentlich ein Anhänger von Positionen "links der Mitte". Und die Fraktion "links der Mitte" macht in dieser Diskussion gerade keine gute Figur.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Wir Deutschen werden ja auch wirklich in unserem Selbstgefühl geschüttelt: Die deutsche Teilung und die Teilung Europas in zwei politische Blöcke. Die Forderung, sich an der Sicherung des Westens zu beteiligen. Die Wiedervereinigung Deutschlands und wir sind plötzlich von Freunden umgeben. Jetzt sogar gemeinsam in einem Staatenbund, einer Wertegemeinschaft aus eigenem Willen. Nun, anstatt einer innigen Verbindung mit Rußland das Gefühl einer Bedrohung durch eine imperiale Macht, fast schon durch 2 imperiale Mächte, wenn man den Befehlston der USA auf die Goldwaage legt.

Und bei jeder Gelegenheit soll die Bundeswehr paßgenau erfüllen, was sich unsere Umwelt und auch unsere Regierung zu ihrer Wirkungszeit als Sinn und Zweck dieser Organisation vorstellen. Dabei kann nur ein Haufen von Leuten entstehen, die eben ihren Job nach geltenden Regeln machen, nachdem das Unternehmensziel sich so oft in einem Berufsleben geändert hat. Die Hoffnung, daß das vereinigte Europa eine länger dauernde Veranstaltung sein wird, könnte einen neuen Anfang setzen für eine gemeinsame Armee mit dem Selbstbewußtsein einer Wertegemeinschaft.

Im besten Falle dürften sich die Armeen der EU diesem Ziel nähern. Ein zähes Geschäft!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Orbiter1 »

Kohlhaas hat geschrieben:(02 Mar 2019, 19:47)

Dass Deutschland "teamfähig" ist, wird bewiesen durch den Umstand, dass gerade DEUTSCHLAND den Aufbau einer europäischen Armee befürwortet.
Ist das so? Da lässt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP aber auch andere Schlußfolgerungen zu. Mal ein Zitat daraus:

"Der Begriff der Europäischen Armee steht nach Auffassung der Bundesregierung sinnbildlich für die politische Forderung nach einer fortschreitenden europäischen Integration im Bereich der Sicherheit und Verteidigung und soll die Umsetzung der strategischen Ziele der Bundesregierung im Bereich der Sicherheit und Verteidigung Europas unterstützen."

Nach einem zügig angestrebten Aufbau einer europäischen Armee klingt das aber nicht. Die WELT hat sich in einem Artikel darüber ausgelassen und ist über die deutschen Ambitionen sehr ernüchtert. https://www.welt.de/politik/deutschland ... uelse.html

Da wäre es evtl sinnvoller wenn eine europäische Armee unter der Führung Frankreichs entstünde und sich Deutschland da erstmal raushält um den Entstehungsprozess nicht zu behindern. Deutschland kann sich ja später anschließen wenn es zu der Überzeugung kommt dass die Bundeswehr nicht unbedingt eine Parlamentsarmee sein muß und bei den Waffenexporten europäische und nicht deutsche Regeln angewandt werden sollen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(04 Mar 2019, 10:58)

Ist das so? Da lässt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP aber auch andere Schlußfolgerungen zu. Mal ein Zitat daraus:

"Der Begriff der Europäischen Armee steht nach Auffassung der Bundesregierung sinnbildlich für die politische Forderung nach einer fortschreitenden europäischen Integration im Bereich der Sicherheit und Verteidigung und soll die Umsetzung der strategischen Ziele der Bundesregierung im Bereich der Sicherheit und Verteidigung Europas unterstützen."

Nach einem zügig angestrebten Aufbau einer europäischen Armee klingt das aber nicht. Die WELT hat sich in einem Artikel darüber ausgelassen und ist über die deutschen Ambitionen sehr ernüchtert. https://www.welt.de/politik/deutschland ... uelse.html

Da wäre es evtl sinnvoller wenn eine europäische Armee unter der Führung Frankreichs entstünde und sich Deutschland da erstmal raushält um den Entstehungsprozess nicht zu behindern. Deutschland kann sich ja später anschließen wenn es zu der Überzeugung kommt dass die Bundeswehr nicht unbedingt eine Parlamentsarmee sein muß und bei den Waffenexporten europäische und nicht deutsche Regeln angewandt werden sollen.
Das Geschäft dürfte sich zurecht rütteln. Genügend viele "freundliche Anstöße" hat es inzwischen doch dazu gegeben. Ich finde es aber auch nicht so ganz unlogisch, zunächst einmal die Bundeswehr wieder so weit auf zu bauen, daß sie auch von ihren Fähigkeiten her teamfähig ist. Um so besser, wenn über die Schiene PESCO dort schon Material und Einrichtungen einen gemeinsam erarbeiteten Stand haben. Ansonsten ja, natürlich sollten wir uns da sehr eng mit unseren französischen Nachbarn zusammenfinden und uns notfalls in Freundschaft raufen, damit alle Seiten am Ende stolz auf das Erreichte sein können. Man könnte doch daran denken, die Verteidigungsministerien enger Partner Zug um Zug zu verschmelzen. Dann bezahlen wir deutschen Steuerzahler eben unseren Beitrag dort und bestimmen auch über die Entsendung deutscher Ministerialbeamter und Soldaten mit, was dort geplant und entschieden wird. Jedes EU-Mitglied ist eingeladen, sich dort ein zu bringen... muß aber nicht!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Orbiter1 hat geschrieben:(04 Mar 2019, 10:58)Nach einem zügig angestrebten Aufbau einer europäischen Armee klingt das aber nicht. Die WELT hat sich in einem Artikel darüber ausgelassen und ist über die deutschen Ambitionen sehr ernüchtert. https://www.welt.de/politik/deutschland ... uelse.html
Das hängt jetzt sehr davon ab, wie man "europäische Armee" definiert. Die Nato verfügt ja auch nicht über eigene Truppen. Sie kann auch nur auf das zurückgreifen, was die Mitglieder mehr oder minder freiwillig zur Verfügung stellen. Handlungsfähig ist die Nato trotzdem. Wie ich weiter oben dargelegt habe, sehe ich auch gar kein Problem darin, dass "europäische Streitkräfte" nur im Bedarfsfall "zu existieren beginnen" und "europäisch" werden - und bis dahin unter nationaler Hoheit verbleiben. Gerade die deutsche Geschichte belegt, dass auf der Basis sehr "effiziente" Militärstrukturen aufgebaut werden können.

Dass die Bundesrepublik hier immer noch ein schweres Problem mit sich selbst hat, leugne ich ja gar nicht. Das ist definitiv so! Sollte uns nur angesichts der ziemlich "speziellen" deutschen Geschichte nicht wundern. Ich will ja auch, dass sich das ändert. Ich hab aber auch Verständnis dafür, dass der Gedanke vielen Menschen in diesem Land Bauchschmerzen bereitet.
Da wäre es evtl sinnvoller wenn eine europäische Armee unter der Führung Frankreichs entstünde und sich Deutschland da erstmal raushält um den Entstehungsprozess nicht zu behindern. Deutschland kann sich ja später anschließen wenn es zu der Überzeugung kommt dass die Bundeswehr nicht unbedingt eine Parlamentsarmee sein muß und bei den Waffenexporten europäische und nicht deutsche Regeln angewandt werden sollen.
An der Stelle widerspreche ich Dir. Es gibt in der EU nur vier Nationen (bald nur noch drei...), die das "volle Programm" an militärischen Fähigkeiten haben. Das sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Stand HEUTE wird KEINE dieser Nationen ihre Truppen die "Verfügungsgewalt" über ihre Truppen an eine übernationale Organisation abgeben! Auch nicht an die EU. Dass Europa bislang keine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinbekommen hat, liegt also keineswegs nur an Deutschland. Das liegt an allen vier "Großen". Und zuallererst an Großbritannien!

Die kleineren Nationen haben hohe Bereitschaft bewiesen, eine enge Zusammenarbeit mitzutragen. Die sind nicht das Problem.

Die vier (künftig noch drei) Großen müssen sich bewegen! Und da darf Deutschland nicht außen vor bleiben! Mit der Grundhaltung "Lass erstmal die anderen machen...." muss Schluss sein! Sonst funktioniert Europa nicht.

Wenn man die Sache unaufgeregt betrachtet, muss man aber doch sagen: Die "Großen" bewegen sich doch schon. Sie entwickeln schon länger gemeinsam Waffensysteme. Sie haben schon länger Verfahrensweisen für die Zusammenfassung von einzelnen Einheiten zu internationalen "Kampfgruppen". Auch die Bundesrepublik zeigt inzwischen - trotz ihrer besonderen Geschichte! - eine wachsende Bereitschaft, auch für "riskante" Auslandsmissionen Truppen zur Verfügung zu stellen. Afghanistan und Mali sind dafür gute Beispiele.

Bezüglich der Bundesrepublik lässt sich auch feststellen, dass ihre Bereitschaft zur Teilnahme an solchen Missionen abhängig davon ist, wer fragt. Mali? Ja! Irak? Nein!

Deutschland bewegt sich also durchaus. Die Sache mit der "Parlamentsarmee" bleibt natürlich ein Problem. Das muss gelöst werden.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Warum sollen wir nicht die Vorschläge Frankreichs annehmen und im Rahmen unseres besonderen Vertrauensverhältnisses zusammen zu neuen Ufern aufbrechen? Wir wissen inzwischen, was dann nicht mehr so einfach in der Verantwortung der Bundesregierung liegt... und natürlich muß Ähnliches umgekehrt für Frankreich gelten. Wenn wir damit etwas Neues geschaffen haben, dann sind unsere übrigen Freunde doch eingeladen, sich und ihre Möglichkeiten ein zu bringen.

Französische Vorschläge gab es zum gemeinsamen Wirtschaftsraum, zum Euro, zur Verteidigung... man muß doch nur positiv gestaltend darauf eingehen. Und nicht immer nur miesepetrig: "Die wollen ja bloß unsere Kohle haben!" maulen. Klar wollen die das; aber wir wollen dann mitgestalten an dem, was gemeinsam daraus wird.

Früher war die Hemmung immer, daß ein Schritt auf Frankreich gern zu einem Schritt von den USA weg verstanden wurde. Inzwischen hat Frankreich seine Sonderolle doch seit mindestens 20 Jahren abgelegt, die Rolle der USA hat sich anders entwickelt als wir uns das gewünscht hatten; der Kalte Krieg mit seinen Blöcken hat sich verabschiedet. Warum dann nicht das Nächstliegende tun und sich zunehmend enger mit den Nachbarn zusammen tun? Diese Mut- und Ideenlosigkeit der deutschen Europapolitik ist doch eine einzige Enttäuschung!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(04 Mar 2019, 20:20)

@ Kohlhaas

Warum sollen wir nicht die Vorschläge Frankreichs annehmen und im Rahmen unseres besonderen Vertrauensverhältnisses zusammen zu neuen Ufern aufbrechen? Wir wissen inzwischen, was dann nicht mehr so einfach in der Verantwortung der Bundesregierung liegt... und natürlich muß Ähnliches umgekehrt für Frankreich gelten. Wenn wir damit etwas Neues geschaffen haben, dann sind unsere übrigen Freunde doch eingeladen, sich und ihre Möglichkeiten ein zu bringen.

Französische Vorschläge gab es zum gemeinsamen Wirtschaftsraum, zum Euro, zur Verteidigung... man muß doch nur positiv gestaltend darauf eingehen. Und nicht immer nur miesepetrig: "Die wollen ja bloß unsere Kohle haben!" maulen. Klar wollen die das; aber wir wollen dann mitgestalten an dem, was gemeinsam daraus wird.
Ich wäre unbedingt dafür. Meiner Ansicht nach war es der schwerste Fehler der amtierenden Bundesregierung, Macrons Vorschläge nicht positiv aufzugreifen. Diese "Zurückhaltung" dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Macron im eigenen Land mehr und mehr an Rückhalt verliert.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Tja, mit grüner Gesinnung hatte ich dennoch nie etwas Böses über die Kanzlerin gesagt; inzwischen habe ich das Vertrauen in die Kanzlerin verloren. Was geht der Frau europapolitisch nur durch den Kopf? Also, begeisterungsfähig isse nich. :(
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Ich hatte nie den Eindruck, dass Europa für sie von besonderer Wichtigkeit war - außer als grenzenloser Absatzmarkt für die deutsche Wirtschaft. So ist eine Chance, die EU grundlegend zu reformieren, verschwendet worden. Naja, bald sind wir sie ja los. Mal sehen was danach kommt.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Kohlhaas hat geschrieben:(05 Mar 2019, 14:38)

Ich hatte nie den Eindruck, dass Europa für sie von besonderer Wichtigkeit war - außer als grenzenloser Absatzmarkt für die deutsche Wirtschaft. So ist eine Chance, die EU grundlegend zu reformieren, verschwendet worden. Naja, bald sind wir sie ja los. Mal sehen was danach kommt.
Ja, ganz meinerseits; so wird das ja nie etwas! Na ja, ich hatte Morgenluft gewittert, als die Kanzlerin mit Präsident Hollande in Minsk vor die Presse trat, und Präsident Hollande auf das Kerneuropa lossteuern wollte und sie dazu freundlich lächelte. Und jetzt bei Präsident Macron hätte ich wirklich geglaubt, daß die beiden loslegen, daß einigen Leuten in der EU der Atem stockt... völlig falsch eingeschätzt!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Orbiter1 »

Kohlhaas hat geschrieben:(05 Mar 2019, 14:38)

Ich hatte nie den Eindruck, dass Europa für sie von besonderer Wichtigkeit war - außer als grenzenloser Absatzmarkt für die deutsche Wirtschaft. So ist eine Chance, die EU grundlegend zu reformieren, verschwendet worden. Naja, bald sind wir sie ja los. Mal sehen was danach kommt.
Da ist Merkel zu sehr von ihrer DDR-Vergangenheit geprägt. Ich denke sie würde im Zweifel lieber zurück auf eine reine Wirtschaftsunion bei der auch die Osteuropastaaten mit im Boot sind als in eine tiefer inegrierte EU ohne Osteuropastaaten. AKK schätze ich da ganz anders ein. Die kommt aus einem Bundesland das sehr enge Beziehungen zu seinen Nachbarn pflegt. Mit Teilen von Frankreich, Belgien und Luxemburg bildet das Saarland die Großregion Saar-Lor-Lux. Mit so einem Background fällt eine vertiefte Integration sicher lechter. Ob die gesamte CDU/CSU das dann auch so sieht ist eine andere Frage.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Orbiter1 hat geschrieben:(05 Mar 2019, 15:38)

Da ist Merkel zu sehr von ihrer DDR-Vergangenheit geprägt.
Genau das meinte ich. Wollte ich so hart nur nicht schreiben... "Mutti" ist halt unter Bedingungen aufgewachsen, in denen "Europa" keinerlei Bedeutung hatte. Man kann ihr das nicht mal übel nehmen. Obwohl: Doch! Muss man sogar. Sie hat ja nicht nur "keinen Fortschritt" erreicht, sondern sogar Schaden angerichtet.
Ich denke sie würde im Zweifel lieber zurück auf eine reine Wirtschaftsunion bei der auch die Osteuropastaaten mit im Boot sind als in eine tiefer inegrierte EU ohne Osteuropastaaten.
Und eben da liegt "Muttis" Denkfehler/Defizit. Die EU war NIE eine reine Wirtschaftsunion. Schon die EWG war das nicht. Vor "Mutti" war die Wirtschaftsunion/Montanunion nur ein WERKZEUG, mit dessen Hilfe man eine POLITISCHE Union herstellen wollte. Im Zentrum stand immer das Ziel, internationale Feindseligkeiten abzubauen. Hat man nur vergessen. Nur so ist erklärbar, warum es diese ganzen hämischen Kommentare gab, als die EU mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Dabei ist die EU von allen Preisträgern der Würdigste!
AKK schätze ich da ganz anders ein. Die kommt aus einem Bundesland das sehr enge Beziehungen zu seinen Nachbarn pflegt. Mit Teilen von Frankreich, Belgien und Luxemburg bildet das Saarland die Großregion Saar-Lor-Lux. Mit so einem Background fällt eine vertiefte Integration sicher lechter. Ob die gesamte CDU/CSU das dann auch so sieht ist eine andere Frage.
Ich hoffe, Du hast recht! Obwohl ich mich selbst eher "links der Mitte" verorte und gerade "AKK" mir im Moment genau gar nicht als Alternative erscheint.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(05 Mar 2019, 14:52)

Ja, ganz meinerseits; so wird das ja nie etwas! Na ja, ich hatte Morgenluft gewittert, als die Kanzlerin mit Präsident Hollande in Minsk vor die Presse trat, und Präsident Hollande auf das Kerneuropa lossteuern wollte und sie dazu freundlich lächelte. Und jetzt bei Präsident Macron hätte ich wirklich geglaubt, daß die beiden loslegen, daß einigen Leuten in der EU der Atem stockt... völlig falsch eingeschätzt!
Na, ich bin eher ein "Linker" als ein "Grüner"... ;-)

Als Schulz Kanzlerkandidat wurde, habe ich gehofft, dass JETZT die Trendwende kommt. Dass Schulz die Lehren aus dem Macron-Wahlkampf zieht und in die gleiche Richtung geht. Musste man erwarten, nachdem Schulz ja nunmal ein ausgewiesener "Europäer" war! Das wäre auch politisch sinnvoll gewesen. Im Zentrum seines Wahlkampfes hätte stehen müssen "Europa und die Stellung Deutschlands in der EU". Alle "innenpolitischen" Themen in Deutschland hängen nämlich mit Europa zusammen. Sehr direkt!

Das hat Martin Schulz versäumt, und deshalb war die Enttäuschung so groß, dass die SPD meiner Meinung nach jetzt zu recht dort steht, wo sie ist. Diese Aussage hat sicher auch was mit enttäuschter Liebe zu tun...

Es sieht so aus, als würde ich die Debatte gerade ins Off-topic drängen. Bei näherer Betrachtung ist das aber nicht so. Die militärische Zusammenarbeit ist nämlich nur EIN Ausdruck der Bereitschaft europäischer Nationen, zu kooperieren. Militärische Zusammenarbeit kann nur funktionieren, wenn auch auf anderen Ebenen (politisch, wirtschaftlich, sozial....) ein Grundkonsens besteht. Diesen Konsens gibt es nicht. Verantwortlich dafür ist in hohem Maße Deutschland, denn die deutsche Politik der letzten Jahre/Jahrzehnte hat der EU massiv geschadet.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Militärische Zusammenarbeit kann nur funktionieren, wenn auch auf anderen Ebenen (politisch, wirtschaftlich, sozial....) ein Grundkonsens besteht. Diesen Konsens gibt es nicht. Verantwortlich dafür ist in hohem Maße Deutschland, denn die deutsche Politik der letzten Jahre/Jahrzehnte hat der EU massiv geschadet.
Völlig klar: Ohne ein tiefes gegenseitiges Vertrauen kann es keine Verteidigungsgemeinschaft in der Tiefe geben, wie wir sie für Europa gern hätten. Die NATO hat diese Voraussetzung nicht gebraucht. Da gab es ja immer die eigene nationale Armee mit eigenen Führungsstäben an die Regierungen angekoppelt.

Eine europäische Verteidigung nach diesem Muster wäre im Grunde unverändert die NATO... mit etwas weniger USA. Wir wollen ja mehr, nämlich eine europäische Armee, meinetwegen als Teil der NATO, der von den USA ernst genommen wird: Also einen europäischen Führungsstab wie vorher eben die nationalen Führungsstäbe, ein europäisches Verteidigungsministerium.

Bis zur Erkaltung der europäischen nationalen Beziehungen zu den USA war an solche Übereinstimmung gar nicht zu denken. Ich meine, daß sich da doch ein neuer europäischer Geist entwickelt... leider inzwischen im Wettbewerb mit rückwärtsgewandten nationalistischen Sichtweisen. Mir wurde das erst klarer, als entweder Sie oder Orbiter1 auf die engere Zusammenarbeit der Bundeswehr mit Tschechen und Rumänen hinwiesen. Bis dahin wußte ich das nur von den Niederländern, speziell Panzertruppe und Marineinfanterie, auf die Nomen Nescio hinwies.

Das deutsch-französische Corps gibt es noch, sollte ein Schritt in eine enge gemeinsame Zukunft sein. Aber dann kann kein Staat allein seinen Einsatz anordnen, weder der deutsche noch der französische. Also hat man das Corps nach einigen bösen Worten noch zu Zeiten von Präsident Hollande entflochten.

Gerade da hätte man hier und heute Präsident Macron beim Wort nehmen können, aber ganz offensichtlich fehlt dazu in der Bundesregierung der Wille, hier gemeinsam voran zu gehen. Aber ich sehe diesen Willen auch nicht auf der französischen Seite, die ja auch über ihren Teil des Korps nicht verfügen könnte, sondern nur mit dem Willen des Bundestags über die gesamte Truppe.

Man darf auch nicht vergessen, daß sehr lange Zeit die enge Anbindung an die USA sicherheitspolitisch die Überlebensversicherung der Bundesregierungen war. Diese klare Vorrangstellung der USA ist aber seit Bush junior Zug um Zug entwertet worden... und heute stellen wir uns ja auch eine unabhängige europäische Armee als Partner der USA ohne den Durchgriff der USA vor.

Mit einer Schuldzuweisung in Richtung "Deutschland" halte ich mich zurück. Aber auch ich bin sehr enttäuscht über den Mangel an Gestaltungswillen bis hin zur Trantütigkeit, mit dem die Bundesregierung den Vorstößen des französischen Präsidenten entgegen tritt. Wir sollten jagen und uns nicht zur Jagd tragen lassen!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Senexx »

Ihre Gefühligkeit und illusionsmalerei geht an den Realitäten und den real existierenden Sicherheitsinteressen völlig vorbei.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(06 Mar 2019, 06:05)

Ihre Gefühligkeit und illusionsmalerei geht an den Realitäten und den real existierenden Sicherheitsinteressen völlig vorbei.
Kann ja sein; aber ohne innere Anteilnahme kann nicht Gutes entstehen. Das ist so mit Europa und auch in der Familie und im Freundeskreis.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(05 Mar 2019, 20:31)

Völlig klar: Ohne ein tiefes gegenseitiges Vertrauen kann es keine Verteidigungsgemeinschaft in der Tiefe geben, wie wir sie für Europa gern hätten. Die NATO hat diese Voraussetzung nicht gebraucht. Da gab es ja immer die eigene nationale Armee mit eigenen Führungsstäben an die Regierungen angekoppelt.

Eine europäische Verteidigung nach diesem Muster wäre im Grunde unverändert die NATO... mit etwas weniger USA. Wir wollen ja mehr, nämlich eine europäische Armee, meinetwegen als Teil der NATO, der von den USA ernst genommen wird: Also einen europäischen Führungsstab wie vorher eben die nationalen Führungsstäbe, ein europäisches Verteidigungsministerium.
Dann reden wir vielleicht über zwei verschiedene Dinge. Ich gehe davon aus, dass es noch auf sehr lange Sicht keine "Bundesrepublik Europa" geben wird. Ich gehe davon aus, dass die EU noch lange eine Staatenbund aus weitgehend souveränen Nationen bleiben wird. Demnach werden auch die Streitkräfte der Nationen unter der "Herrschaft" ihrer Nationen verbleiben. Es wäre auch gar nicht gut, die Rekrutierung von Soldaten in die Hände der Europäischen Union zu legen. Das wäre politisch und vor allem aus militärischer Sicht ein Fehler.

Wie würde das denn ablaufen? Dann müsste ein ziemlich großer Bürokratie-Apparat in Brüssel (mir wäre übrigens Straßburg lieber...) entscheiden, wieviele Rekruten in Litauen oder in Griechenland ausgehoben werden und ob sie dann in Spanien oder den Niederlanden die Grundausbildung durchlaufen sollen. Alternativ könnte man noch "zentrale" Ausbildungsstätten einrichten, wie sie in den USA üblich sind. Dann kommen alle Rekruten aus ganz Europa in diese zentralen "Boot-Camps", durchlaufen dort ihre Grundausbildung und werden anschließend zentralistisch auf ihre "Stammeinheiten" in ganz Europa verteilt - vom Nordkap bis zum Mittelmeer, vom Atlantik bis .... woauchimmer Europa mal endet.

Das wäre in der EU politisch nicht durchsetzbar. Und es wäre auch falsch. Es kann nicht sein, dass in Brüssel entschieden wird, welchen militärischen Beitrag (Zahl der Rekruten) ein Mitgliedsland zu leisten hat. Es wäre auch nicht durchsetzbar, dass die Frage der Finanzierung dieser gemeinsamen Streitkräfte dann in Brüssel entschieden wird, nach welchen "Schlüsseln" auch immer.

So ein System wäre vor allem aus militärischer Sicht eine Fehlkonstruktion. Es würde - überspitzt formuliert! - junge Leute aus Estland zwingen, ihren Militärdienst in Belgien abzuleisten. Sie kennen die Sprache nicht, sie kennen die örtlichen Gepflogenheiten nicht, sie haben keinerlei soziale Anbindung... Noch gravierender: Wie würde man in einem Konflikt-/Kriegsfall Ersatz für Verluste in Gefechten bereitstellen? Für jeden gefallenen Soldaten wird ein Ersatz geschickt? Damit haben die USA während des 2. Weltkriegs ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Die "Verstärkungen" waren zum Teil MONATELANG unterwegs, bis sie endlich ihre Einheiten gefunden hatten. Und dann kannten sie dort niemanden und hatten keine Ahnung, wie die internen Abläufe waren. Auf deutscher Seite sah das ganz anders aus - wegen der "aus der Not heraus" entstandenen "Tradition", die Truppen dezentral zu rekrutieren und auszubilden.

Nein, ich denke, dass es diese Form der "gemeinsamen Armee" erst in sehr ferner Zukunft geben wird. Wenn überhaupt! Eher nie! Als ein Mensch, der in Deutschland aufgewachsen ist, denke ich, dass so ein Zentralismus gar nicht notwendig ist. Wir haben doch gute Erfahrungen mit dem Föderalismus. Probleme löst man am besten nicht zentral von oben herab, sondern auf der Ebene, wo die Probleme auftreten. Also am besten vor Ort. Da kennen sich die Leute, die Lösungen finden müssen, am besten aus.

Ein Zusammenschluss aller Streitkräfte Europas kann meiner Ansicht nach deshalb nur so aussehen, dass wir ein gemeinsames Oberkommando errichten (sowas existiert in Brüssel ja schon ansatzweise), die Ausbildungs- und Führungsstrukturen harmonisieren, die Truppen "möglichst ähnlich" ausrüsten und durch ständige intensive Kooperation im Frieden die Zusammenarbeit in einem möglichen Krieg "einüben". Dass dies funktioniert und sogar erschreckend effizient ist, hat die deutsche Geschichte bewiesen. Auf der rein militärischen Ebene ist das kein Problem. Politisch aber schon. In Europa gibt es Nationen, die so eine tiefe Integration mit einem "gemeinsamen Oberkommando" nicht wollen. Allen voran Großbritannien.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Ja, Straßburg wäre der Ort, wenn wir um den deutsch-französischen Vertrag eine gemeinsame Führung einrichten wollten! :)

Na ja, so verrückt wird man ja wohl kaum eine gemeinsame Verteidigung aufbauen. Esten in Spanien zur Grundausbildung? Das wäre doch Unfug! Dazu kämen Sprachprobleme und das Wochenende zu Hause, anstatt Suff in der Kaserne in der Pusta. Aber wenn es dann um Waffengattungen geht, dann kann die Dienststelle für die Marine nicht gut in Budapest geplant werden... oder die Luftwaffe im Ruhrgebiet... oder grenznah zu Rußland.

Auch entscheidet doch niemand, wie viel ein Mitgliedsstaat für Verteidigung ausgeben soll. Verteidigung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die aus der gemeinsamen Schatulle für Verteidigung bezahlt werden muß. So, wie das auch für den Grenzschutz sein sollte. Also, eine Ansammlung von nationalen Kontingenten als Truppe stelle ich mir nicht vor... und bei etlichen Waffengattungen wäre das auch sehr unpraktisch. Wir wollen doch wohl mehr als die Summe der Teile!

Das Ergebnis ist auch nicht heute oder morgen, sondern das Ziel der Entwicklung. Dann erkennt man schon einmal Probleme im Vorfeld und macht Kurskorrekturen.
Ich will schon eine eingeschworene Gemeinschaft ansteuern, was zentrale Aufgaben betrifft. Ich kann mir die Grenzen, die Innere und Äußere Sicherheit nicht als Privatsache der einzelnen Staaten vorstellen, wenn wir in der EU keine gut kontrollierten Grenzen haben. Die systematischen Raubzüge über die deutsche Grenze hinweg waren auch erst eingedämmt, als die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg funktionierte. Der Terror nimmt auch keine Rücksicht auf Verwaltungsgrenzen. Der Terrorist Amri wurde nach seinem Mordanschlag in Berlin in Norditalien bei der Festnahme in Notwehr erschossen.

Wenn schon Europa, dann aber auch gut organisiert!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(06 Mar 2019, 21:09)Na ja, so verrückt wird man ja wohl kaum eine gemeinsame Verteidigung aufbauen. Esten in Spanien zur Grundausbildung? Das wäre doch Unfug! Dazu kämen Sprachprobleme und das Wochenende zu Hause, anstatt Suff in der Kaserne in der Pusta. Aber wenn es dann um Waffengattungen geht, dann kann die Dienststelle für die Marine nicht gut in Budapest geplant werden... oder die Luftwaffe im Ruhrgebiet... oder grenznah zu Rußland.
Ich habe natürlich bewusst übertrieben. Im Kern ging es mir darum, dass es auch zukünftig eine dezentrale Ausbildung und Stationierung der Truppen geben muss. Auch jetzt ist es ja nicht so, dass eine Bundeswehrdivision an einem Standort konzentriert ist. Die Einheiten verteilen sich über ganz Deutschland. Auch innereuropäische Grenzen stellen hierfür kein Hinternis dar.

Allerdings wird es in einigen Fällen durchaus nötig sein, Truppenteile in Nachbarländern zu stationieren. Ich halte es zum Beispiel nicht für eine gelungene Lösung, dass das deutsche Seebataillion in Eckernförde stationiert ist, während sein "Einsatzschiff", die Karel Doorman, ihren Heimathafen in Den Helder hat.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Tom Bombadil »

Die europäischen NATO-Staaten gaben 2018 ca. 285 Mrd € für das Militär aus. Ich meine, mit 250 Mrd € könnte man eine ganz hervorragende europäische Armee aufstellen, die allen Verteidigungsaufgaben gewachsen ist. Mit den eingesparten 35 Mrd € lässt sicherlich auch etwas Vernünftiges anfangen, zB. Fluchtursachen bekämpfen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Tom Bombadil hat geschrieben:(07 Mar 2019, 13:18)

Die europäischen NATO-Staaten gaben 2018 ca. 285 Mrd € für das Militär aus. Ich meine, mit 250 Mrd € könnte man eine ganz hervorragende europäische Armee aufstellen, die allen Verteidigungsaufgaben gewachsen ist.
Das sehe ich ganz genausso.

Hier ein Link, der verdeutlicht, um welche Dimensionen es geht:

https://de.statista.com/statistik/daten ... rausgaben/
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