Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

So lange Nationalstaaten in der EU bestehen, wird jeder Partnerstaat eine eigenes Verteidigungsministerium, eine eigene Beschaffung und eine eigene Armee haben. Die EU kann nur übergeordnet gewünschte (freiwillige) Zusammenarbeit organisieren.

Mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) hat sich die EU diese Organisation aufgebaut.

https://eeas.europa.eu/headquarters/hea ... %93-ssz_de

Bis auf Malta und Dänemark nehmen 25 von 27 EU-Partnern an PESCO teil. Großbritannien ist als Folge des BREXITs nicht beteiligt.

Das gemeinsame Ziel von PESCO bleibt , Projekte von gemeinsamem Interesse von einzelnen EU-Partnern zu erkennen und deren gemeinsame Realisierung zu unterstützen. Das alles aber auf völlig freiwilliger Grundlage.

Der Europäische Rat (EU Ministerrat) hat 17 Projekte definiert in 3 Hauptbereichen:
1. Ausbildung und Training (gemeinsame Qualitätssicherung)
2. Militärische Fähigkeiten (gemeinsame Entwicklungen und Beschaffungen)
3. Übergeordnetes (Logistik, medizinische Versorgung, Nachrichtenwesen)
Die Projekte werden von den daran beteiligten Partnern eigenverantwortlich geführt. Über neue Projekte wird vom EU-Ministerrat entschieden (nur an PESCO beteiligte Partner!)

Wenn man von einer künftigen europäischen Armee spricht, dann sollte man von dieser schon bestehenden Grundlage ausgehen.

Denkbare Zwischenschritte könnten Zusammenschlüsse nationaler Armeen mit einem gemeinsamen Führungsstab und einer gemeinsamen politischen Führung sein. Im Fall der ehemaligen CSSR läge so etwas nahe... oder zwischen den baltischen Staaten der EU. Das würde bedeuten, daß der Verteidigungsbereich von diesen Partnern gemeinsam verantwortet wird, aber ansonsten schon quer durchlässige Personalstrukturen in der Truppe bestehen.

Am Ende dieser Entwicklung stände dann ein EU-Verteidigungsministerium, das dem EU-Ministerrat und dem Ratspräsidenten unterstellt ist. Alle beteiligten Partner haben dann keine nationalen Streitkräfte mehr, in den Standorten (Kasernen) gibt es keine nationalen Truppen mehr, sondern die EU-Streitkräfte.

Vermutlich wird in dem Zusammenhang dann auch die Außenpolitik der EU-Partner in einem EU-Außenministerium verantwortet werden.

Die EU holt also auf den Gebieten Verteidigung und Außenpolitik das nach, was sie mit dem gemeinsamen Binnenmarkt für die Wirtschaft schon umgesetzt hat. Auch dort sind weitere Schritte zur Harmonisierung der Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik, der Steuern und Abgaben, der Sozialleistungen zu erwarten.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Dazu drei Kernthesen.

1. Das unierte Europa ist geschwächt, und zwar durch drei Faktoren - den Brexit, die Nichtübereinstimmung rechtspopulistischer und liberaler Regierungen sowie den ungelösten Konflikt in der assoziierten Ukraine.
Eine "EU-Armee" kann unter diesen Umständen zwar ein ökonomisch interessantes Projekt sein, an der strategischen Schwäche wird das aber nichts zu ändern vermögen.
Bedeutsam ist vor allem Ausrichtung und Kooperation der großen Drei - England, Frankreich und Deutschland. Ob man das Europa nennen will, liegt im Auge des Betrachters.

2. Die Nordatlantische Allianz besteht im Wesentlichen aus europäischen Ländern, nur zwei von 29 Staaten liegen überseeisch. Der Einfluß der Amerikaner besteht aus drei Faktoren - dem Engagement, der großzügigen Finanzierung und der strategischen Bedeutung.
Wer eine eurozentrische Armee will, müsste Finanzierung, Engagement und Strategie skalieren. Und es vor allem der jeweils eigenen Bevölkerung gegenüber kommunizieren, wozu das genau dienlich sein soll. Siehe Punkt 3.

3. Das Wichtigste sind die strategischen Inhalte und Ziele - was will man, wo und warum. Will man die Stabilität um Europa herum sichern? Auch die internationalen Seewege ? Was will man zur Krisenprävention regional oder global beitragen ? Möchte man einer überraschten Bevölkerung das neue Engagement erläutern ? Wie geht man mit unzuverlässigen Regierungen innerhalb des unierten Europas um ?
Wenn man keine Inhalte klären kann oder aufgrund der geschwächten Lage kein Thema sein können, verharrt man in reiner Symbolik - abgesehen von möglichen ökonomischen "Gags". Es entspricht dann, um es mal ganz pointiert zu sagen, dem Spielen mit Zinnsoldaten.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Nein, das ist denn doch zu abwertend betrachtet. Übrigens sind die Briten nicht an PESCO beteiligt... und sie haben als Nicht-Mitglieder der EU auch der Organisation der europäischen Armee keinerlei politische Führungsaufgabe..

Natürlich setzt eine gemeinsame Europäische Armee auch veränderte Formen der demokratischen Zusammenarbeit der EU voraus. Aus meiner Sicht kann die "Dividende" der Grande Armée nicht eingestrichen werden, wenn weiterhin Nationalstaaten mit souveränen Rechten in diesem für sie so wichtigen Teil herum fuhrwerken. Dann bleibt es bei PESCO und einzelnen Armeen in nationaler Verantwortung wie bisher auch. Das kann man gut finden und damit in die Zukunft marschieren... unter der Führung der USA im Rahmen der NATO.

Wenn eine Europäische Armee aber eine eigene Schlagkraft aufbauen möchte, die den davon betroffenen 500 Mio Menschen entspricht, dann ist ein politischer Umbau in der EU fällig, der die Streitkräfte einem gemeinsamen EU-Verteidigungsministerium unterstellt, das entweder vom EU-Parlament oder vom EU-Ministerrat kontrolliert wird. Das ist die Ausprägung der Europäischen Armee, die ich bevorzuge. Weiterhin braucht man einen gemeinsamen Generalstab zur militärischen Führung der Streitkräfte und einen gemeinsamen ständig tagenden Verteidigungssauschuß der beteiligten Länder der EU, entweder entsandt aus den nationalen Parlamenten oder aus dem EU Parlament.

Die gemeinsame europäische Armee sollte eine Parlamentsarmee bleiben. Den entscheidenden Einsatzbefehl sollte das EU-Parlament geben, für schnelle Reaktionen auf Überfälle sollte der ständig tagende Verteidigungsausschuß des EU-Parlaments und der Präsident des EU-Ministerrats verantwortlich sein. Der gemeinsame Generalstab hat den politischen Befehlen (Zielvorgaben) Folge zu leisten, aber die technische Durchführung von Einsätzen unterliegt allein dem Generalstab, also den Fachleuten für das Militärische.

Bis dahin ist von PESCO aus noch ein weiter Weg zu gehen; aber der lohnt sich durch Einsparungen in der Entwicklung, Beschaffung und Mannschaftsstärke. Bei 800.000 europäischen Soldaten sollte in Friedenszeiten auf jeden Fall Schluß sein. Die europäische Armee kann weiterhin der europäische Stützpfeiler der NATO sein und deshalb im NATO-Führungsstab mitarbeiten.

Wir werden abzuwarten haben, zu welcher künftigen "ständig sich vertiefenden Zusammenarbeit" sich die EU durchringen wird. Die Formen der europäischen Streitkräfte werden dadurch entscheidend gestaltet.
van Kessel

Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von van Kessel »

Man kann kein Omelette herstellen, ohne Eier zu zerschlagen. Lieb gewordene Ansichten und Ausrichtungen müssen schon auf den Prüfstand, wenn man etwas erreichen und nicht nur vorhandene Wasserköpfe aufblasen möchte.

Einen Konflikt mit Russland/Ukraine kann Europa nur mit den Beteiligten lösen. Dies ist ein europäischer 'Job' und fällt nicht in die Verantwortung der USA. Durch einseitige Schuldzuweisung kann man keine Probleme lösen, sondern nur einen Kalten Krieg befeuern. Europa kann und darf sich durch derlei Konflikte - welche es immer und zu jeder Zeit gegeben hat - nicht 'an den Baum fesseln' lassen.

So wie sich aus einer Vereinigung von 6 Ländern Europas eine EU formte, so kann es im militärischen Bereich auch nur einen äußerst schmalen Zugang mit wenigen willigen und verlässlichen Partnern geben. Wer Kriterien erfüllt, kann dazustoßen oder sich einem großen Beschützer andienen. Diese Option erweist sich allerdings als zunehmend problematisch.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Noch dürfen wir aber hoffen, daß die PESCO-Partner ernsthaft auf gemeinsame Streitkräfte hinarbeiten werden. Erst wenn sich diese Hoffnungen erkennbar zerschlagen, müssen wir bescheidenere Ziele setzen. Letzte Rückfallposition: Deutschland und Frankreich vereinigen ihre Streitkräfte und bilden Organisationsstrukturen, die für später hinzukommende Partner offen sind. Dieses Ziel scheint mir aber viel zu kleinlaut zu sein. Wir stehen mit PESCO ja am Anfang einer solchen Entwicklung.

Die Ziele der gemeinsamen Streitkräfte müssen ständig nachgepflegt werden. Sie hängen von den erreichten Fähigkeit und den politischen Rahmenbedingungen ab, die sich in Schritten verändern. Was sich nicht verändern wird, das ist unsere Lage auf dem Erdball und die großräumige Nachbarschaft Rußland, Vorderasien und Nordafrika. Dort dürften die Entwicklungen gleichermaßen nicht stillstehen. Auf Konflikte dorthin werden wir uns technisch und gedanklich vor zu bereiten haben.

Was sich aller Voraussicht auch verändern wird, das dürfte die besondere Beziehung über den Atlantik zu den westlichen Demokratien Nordamerikas sein. Ein Feindbild dorthin kann ich mir nicht vorstellen, aber sicher ein Auf und Ab von Interessen. Es könnte also sein, daß wir ohne deren Schutz einer Bedrohung begegnen müssen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(19 Nov 2018, 01:28)
So lange Nationalstaaten in der EU bestehen, wird jeder Partnerstaat eine eigenes Verteidigungsministerium, eine eigene Beschaffung und eine eigene Armee haben. Die EU kann nur übergeordnet gewünschte (freiwillige) Zusammenarbeit organisieren.
Ein guter Einstieg dürfte m. E. sein, die EU-Länder und interessierte europäische Nicht-EU-Länder zu ermuntern und zu ermuntigen, in einem ersten Schritt beispielsweise zehn Prozent ihrer Streitkräfte für eine EU-Armee unter EU-Kommando zur Verfügung zu stellen, wobei es darum gehen würde, durch eine solche Entsendung ländertypische Schwerpunkte zu setzen.

So könnten Norwegen, Finnland, Österreich und Schweiz gezielt ihre besonderen Stärken im Umgang mit Kälte, Bergen, Eis und Schnee in eine entsprechende Einsatzgruppe einbringen. Britannien, Dänemark, Schweden, Italien und Griechenland würden ihre maritime Kompetenz zusammenlegen. Die Franzosen mit dem einzigen EU-Flugzeugträger wären federführend bei den mobilen See- und Luftstreitkräften im Mittelmeer. Deutschland Griechenland und Zypern könnten sich um den Ausbau eines stationären Flugzeugträgers Zypern kümmern, der für eine Unterstützung Israels wichtig wäre. Eine Einsatzgruppe für landgestützte Aktionen (beispielsweise im Osten und im Südosten, aber auch zur Bildung von Brückenköpfen etwa in Nordafrika) wäre als breitangelegte Querschnittsaufgabe anzulegen mit besonderem Schwerpunkt bei Deutschland, Polen, Ungarn, Bulgarien. Die atomare Rückendeckung würde von Frankreich und Britannien kommen.

Die Kommandostruktur würde ich fähigkeitenbasiert ausrichten, wobei die Befehlsspitze in Brüssel zulaufen müsste bei einem nicht militärischen Oberbefehlshaber. Der deutsche Parlamentsvorbehalt würde auf Einsätze der deutschen Armee außerhalb der EU-Armee beschränkt, wobei der deutsche Armeeeinsatz in einer EU-Armee pauschal etwa auf zwei Jahre vergeben werden könnte.
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

van Kessel hat geschrieben:(19 Nov 2018, 12:04)

Man kann kein Omelette herstellen, ohne Eier zu zerschlagen. Lieb gewordene Ansichten und Ausrichtungen müssen schon auf den Prüfstand, wenn man etwas erreichen und nicht nur vorhandene Wasserköpfe aufblasen möchte.

Einen Konflikt mit Russland/Ukraine kann Europa nur mit den Beteiligten lösen. Dies ist ein europäischer 'Job' und fällt nicht in die Verantwortung der USA. Durch einseitige Schuldzuweisung kann man keine Probleme lösen, sondern nur einen Kalten Krieg befeuern. Europa kann und darf sich durch derlei Konflikte - welche es immer und zu jeder Zeit gegeben hat - nicht 'an den Baum fesseln' lassen.

So wie sich aus einer Vereinigung von 6 Ländern Europas eine EU formte, so kann es im militärischen Bereich auch nur einen äußerst schmalen Zugang mit wenigen willigen und verlässlichen Partnern geben. Wer Kriterien erfüllt, kann dazustoßen oder sich einem großen Beschützer andienen. Diese Option erweist sich allerdings als zunehmend problematisch.
Ja, und wie löst man Konflikte ohne USA ? Das ist halt die spannende und entscheidende Mutter aller Fragen. Die bloße Anmietung neuer Büroräume wird niemanden beeindrucken.

Man kann es natürlich trotzdem machen und wie gewohnt auf die vielgerühmte Dialogbereitschaft setzen, mit oder ohne PESCO. Man könnte aber auch Zinnsoldaten gießen und diese in einem Salon aufstellen, wo ist der Unterschied ?

Ich sehe im Moment weder Eier noch Omelette, sondern vielmehr die Idee, eine zweite Pfanne auf den Herd zu bringen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Fliege »

DarkLightbringer hat geschrieben:(19 Nov 2018, 14:14)
Ich sehe im Moment weder Eier noch Omelette, sondern vielmehr die Idee, eine zweite Pfanne auf den Herd zu bringen.
Längerfristig könnten kooperierende europäische Länder im NATO-Verbund als eigenständige Größe neben den USA auftreten, wobei weitere Ländern wie die Türkei als kleinere Drittpartner hinzu kämen, so dass die zweite Pfanne mit der ersten Pfanne eng abgestimmt zum Kochen verwendet würde (vgl. Bacon and Eggs).
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(19 Nov 2018, 14:09)

Ein guter Einstieg dürfte m. E. sein, die EU-Länder und interessierte europäische Nicht-EU-Länder zu ermuntern und zu ermuntigen, in einem ersten Schritt beispielsweise zehn Prozent ihrer Streitkräfte für eine EU-Armee unter EU-Kommando zur Verfügung zu stellen, wobei es darum gehen würde, durch eine solche Entsendung ländertypische Schwerpunkte zu setzen.

So könnten Norwegen, Finnland, Österreich und Schweiz gezielt ihre besonderen Stärken im Umgang mit Kälte, Bergen, Eis und Schnee in eine entsprechende Einsatzgruppe einbringen. Britannien, Dänemark, Schweden, Italien und Griechenland würden ihre maritime Kompetenz zusammenlegen. Die Franzosen mit dem einzigen EU-Flugzeugträger wären federführend bei den mobilen See- und Luftstreitkräften im Mittelmeer. Deutschland Griechenland und Zypern könnten sich um den Ausbau eines stationären Flugzeugträgers Zypern kümmern, der für eine Unterstützung Israels wichtig wäre. Eine Einsatzgruppe für landgestützte Aktionen (beispielsweise im Osten und im Südosten, aber auch zur Bildung von Brückenköpfen etwa in Nordafrika) wäre als breitangelegte Querschnittsaufgabe anzulegen mit besonderem Schwerpunkt bei Deutschland, Polen, Ungarn, Bulgarien. Die atomare Rückendeckung würde von Frankreich und Britannien kommen.

Die Kommandostruktur würde ich fähigkeitenbasiert ausrichten, wobei die Befehlsspitze in Brüssel zulaufen müsste bei einem nicht militärischen Oberbefehlshaber. Der deutsche Parlamentsvorbehalt würde auf Einsätze der deutschen Armee außerhalb der EU-Armee beschränkt, wobei der deutsche Armeeeinsatz in einer EU-Armee pauschal etwa auf zwei Jahre vergeben werden könnte.
Dieses Vorgehen halte ich für im dritten Näherungsschritt durchführbar, wenn der erste Näherungsschritt über PESCO hinaus schon erfolgreich war... also tatsächlich die 17 Arbeitsfelder zur allseitigen Zufriedenheit abgearbeitet wurden, die notwendigen Organisationen arbeiten... und man eigentlich den nächsten Schritt planen müßte. Dann sollte die europäische Armee aber auch schon Realität sein. Bis dahin bringen weitere Partner ohne EU-Bindung zu viel Unruhe in das "Kerngeschäft".
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Fliege hat geschrieben:(19 Nov 2018, 14:23)

Längerfristig könnten kooperierende europäische Länder im NATO-Verbund als eigenständige Größe neben den USA auftreten, wobei weitere Ländern wie die Türkei als kleinere Drittpartner hinzu kämen, so dass die zweite Pfanne mit der ersten Pfanne eng abgestimmt zum Kochen verwendet würde (vgl. Bacon and Eggs).
Also viele Köche - Eigenständige, Uneigenständige, Erst-, Zweit- und Drittpartner - aber kein Rezept.

In den Ohren diverser Nicht-Europäer dürfte das sehr, sehr europäisch klingen. ;) Galant formuliert.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(19 Nov 2018, 14:26)
Dieses Vorgehen halte ich für im dritten Näherungsschritt durchführbar, wenn der erste Näherungsschritt über PESCO hinaus schon erfolgreich war... also tatsächlich die 17 Arbeitsfelder zur allseitigen Zufriedenheit abgearbeitet wurden, die notwendigen Organisationen arbeiten... und man eigentlich den nächsten Schritt planen müßte. Dann sollte die europäische Armee aber auch schon Realität sein. Bis dahin bringen weitere Partner ohne EU-Bindung zu viel Unruhe in das "Kerngeschäft".
Die Sicherheit Europas halte ich für so wichtig (wegen Bedrohungen aus Russland, Türkei, Arabien und Nordafrika sowie wegen des Islam-Terrorismus), dass ich auf günstig verlaufende EU-Selbstfindungsprozesse nicht warten möchte. Überhaupt ist derzeit unklar, ob die EU überhaupt entsprechend reformierbar ist, um für ansprechende Problemlösungen zur Verfügung zu stehen. (So funktioniert Fontex als polizeilich-militärischer Außengrenzschutz trotz Jahre langer EU-Anstrengungen noch immer nicht.) Daher kann ich mich auch mit einer europäischen Kommandostruktur arrangieren, die nicht in EU-Brüssel zusammenläuft, sondern in einem Europäischen Militärrat.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(19 Nov 2018, 14:43)

Die Sicherheit Europas halte ich für so wichtig (wegen Bedrohungen aus Russland, Türkei, Arabien und Nordafrika sowie wegen des Islam-Terrorismus), dass ich auf günstig verlaufende EU-Selbstfindungsprozesse nicht warten möchte. Überhaupt ist derzeit unklar, ob die EU überhaupt entsprechend reformierbar ist, um für ansprechende Problemlösungen zur Verfügung zu stehen. (So funktioniert Fontex als polizeilich-militärischer Außengrenzschutz trotz Jahre langer EU-Anstrengungen noch immer nicht.) Daher kann ich mich auch mit einer europäischen Kommandostruktur arrangieren, die nicht in EU-Brüssel zusammenläuft, sondern in einem Europäischen Militärrat.
Wenn Sie sich selbst so verunsichert fühlen, dann sind diese Wege aus dem europäischen Elend überhaupt nicht mehr offen. Dazu ist Geduld und nochmals Geduld notwendig. Die erste Verunsicherung würde ich auch nur national ausgleichen... mit 80 Mio Bürgern sind wir Deutschen bisher noch gar nicht in Tritt gekommen... im wesentlichen auch, weil wir das gar nicht wollten. Friedensdividende und so weiter.

Diesen Weg beschreiten wir jetzt gerade, PESCO hin oder PESCO her. Noch gibt es die europäische Streitmacht nicht, und niemand weiß mit Gewißheit, ob es dazu wirklich kommen wird... bisher sind das alles Absichtserklärungen, mehr nicht. Dann aber, wenn wir national mit unserer Abwehrbereitschaft im Reinen sind, müssen wir verschärft auf die europäische Streitmacht zuarbeiten, damit niemand Dummheiten macht mit seinen nationalen Spielzeugen und kleinen Bündnissen.

Nur der Wunsch nach einer europäischen Streitmacht reicht nun einmal nicht. Die Voraussetzungen dazu müssen wachsen. Da ist nichts mit dem Ruck, der durch Europa geht, sondern bedächtig, Schritt für Schritt geht es weiter.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(19 Nov 2018, 15:23)
Nur der Wunsch nach einer europäischen Streitmacht reicht nun einmal nicht. Die Voraussetzungen dazu müssen wachsen. Da ist nichts mit dem Ruck, der durch Europa geht, sondern bedächtig, Schritt für Schritt geht es weiter.
Mir wäre lieber, die EU hätte bereits seit zehn Jahren die Strukturen, die sie heute benötigt, um nicht unter die Räder zu kommen. Die EU wäre gut beraten, nicht bloß Schritte anzukündigen, sondern Schritte tatsächlich zu machen. Problemlösungen möchte ich nicht weiter auf die lange Bank geschoben sehen.

(Bei Frontex beispielsweise tut sich so gut wie gar nichts, weil Juncker und Merkel seit Jahren blockieren. Wo sind beispielsweise die 243 bewaffneten Schnellboote, mit denen Frontex nach USA-Vorbild das Mittelmeer von Portugal bis Griechenland sowie das Schwarze Meer von Bulgarien bis Rumänien gegen Warenschmuggel und illegale Migration sichert? Und wo sind die Lager, in denen Fontex die illegalen Migranten nach australischem Vorbild unterbringt, damit sie nicht in die EU weiterwandern?)
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Orbiter1 »

Fliege hat geschrieben:(19 Nov 2018, 17:05)

(Bei Frontex beispielsweise tut sich so gut wie gar nichts, weil Juncker und Merkel seit Jahren blockieren.
Erzähl hier keine Märchen. Beim letzten EU-Flüchtlingsgipfel wurde die Aufstockung von FRONTEX auf 10.000 Mann und die Übernahme weiterer Aufgaben (z.B. Durchführung Abschiebung) vorgestellt. Wer die Umsetzung dieser Pläne blockiert sind deine Freunde Orban und Salvini. https://diepresse.com/home/ausland/auss ... ntexPlaene
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Fliege »

Orbiter1 hat geschrieben:(19 Nov 2018, 17:29)
Erzähl hier keine Märchen. Beim letzten EU-Flüchtlingsgipfel wurde die Aufstockung von FRONTEX auf 10.000 Mann und die Übernahme weiterer Aufgaben (z.B. Durchführung Abschiebung) vorgestellt.
Welche Abschiebungen?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Ger9374 »

Die Brüsseler Räder mahlen langsam, bleibt zu hoffen das entsprechende Ergebnisse dann gut durchdacht sind .
Es brennt um uns herum ja nicht lichterloh, aber eine weiterentwickelte Sicherheitsstruktur wäre mir lieber.
Geld ist da, wer weiß wie das in Zukunft ist.
So wie Merkel unsere Gelder mit ihre. Steigbügelhaltern rausschmeissen.
Ger9374

Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Ger9374 »

Ger9374 hat geschrieben:(20 Nov 2018, 02:33)

Die Brüsseler Räder mahlen langsam, bleibt zu hoffen das entsprechende Ergebnisse dann gut durchdacht sind .
Es brennt um uns herum ja nicht lichterloh, aber eine weiterentwickelte Sicherheitsstruktur wäre mir lieber.
Geld ist da, wer weiß wie das in Zukunft ist.
So wie Merkel unsere Gelder mit ihren Steigbügelhaltern rausschmeisst.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Orbiter1 »

H2O hat geschrieben:(19 Nov 2018, 15:23)

PESCO hin oder PESCO her. Noch gibt es die europäische Streitmacht nicht, und niemand weiß mit Gewißheit, ob es dazu wirklich kommen wird... bisher sind das alles Absichtserklärungen, mehr nicht.
Da hat man die ersten Schritte gestern beschlossen.

"Bie EU-Staaten haben eine Ausweitung der ständigen militärischen Zusammenarbeit beschlossen. Bei einem Treffen in Brüssel stimmten die Außen- und Verteidigungsminister gestern 17 neuen Projekten für die sogenannte Pesco zu. Darunter sind solche zur Entwicklung neuer Waffensysteme und der Aufbau einer Fortbildungseinrichtung für Geheimagenten.

Deutschland beteiligt sich unter anderem an einem Projekt, das die gemeinsame Nutzung von Militärstützpunkten anregen soll. Zudem werden die von der Bundesrepublik unterstützte Entwicklung der Eurodrohne und des Kampfhubschraubers Tiger Mark III zu Pesco-Projekten. „Es sind Schritte auf dem Weg zu einer Armee der Europäer“, kommentierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen." Quelle: https://www.morgenweb.de/mannheimer-mor ... 54664.html
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Fortbildungen und die Entwicklung neuer Produkte ist ja auch was Feines, egal unter welchem Namen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(19 Nov 2018, 17:05)

Mir wäre lieber, die EU hätte bereits seit zehn Jahren die Strukturen, die sie heute benötigt, um nicht unter die Räder zu kommen. Die EU wäre gut beraten, nicht bloß Schritte anzukündigen, sondern Schritte tatsächlich zu machen. Problemlösungen möchte ich nicht weiter auf die lange Bank geschoben sehen.

(Bei Frontex beispielsweise tut sich so gut wie gar nichts, weil Juncker und Merkel seit Jahren blockieren. Wo sind beispielsweise die 243 bewaffneten Schnellboote, mit denen Frontex nach USA-Vorbild das Mittelmeer von Portugal bis Griechenland sowie das Schwarze Meer von Bulgarien bis Rumänien gegen Warenschmuggel und illegale Migration sichert? Und wo sind die Lager, in denen Fontex die illegalen Migranten nach australischem Vorbild unterbringt, damit sie nicht in die EU weiterwandern?)

Erst einmal grundsätzlich einverstanden; leider sind Diskussionsthemen und echte Beschlüsse der EU nur schwer auseinander zu halten. PESCO hat ja gezündet. und nun müssen wir zusehen, wie die europäischen Mühlen mahlen. Mir wäre es auch lieber, da könnte man den Nachbrenner einschalten.

Ich meine, daß ein Regierungswechsel zu frischen Kräften fällig ist. Mit Schwung und Freude am Gestalten sehe ich in unserem Bundestag niemanden am Werk. Am ehesten noch DIE GRÜNEN... was Europa betrifft, haben die sich etwas vorgenommen. Da bekäme Präsident Sarkozy die Partner, die er braucht, um die vertiefte Zusammenarbeit voran zu treiben. Vielleicht ist er dann plötzlich der Getriebene ;)
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Wenn man nicht weiß, welche strategischen Ziele umgesetzt werden sollen, genügt es nicht, einfach keinen Plan zu haben - man muss auch vielmehr unfähig sein, ihn umzusetzen.
;)
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Fliege »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 10:28)
Da bekäme Präsident Sarkozy die Partner, die er braucht, um die vertiefte Zusammenarbeit voran zu treiben. Vielleicht ist er dann plötzlich der Getriebene ;)
Kurzer Blick in die Geschichte:
Ich erinnere mich auch noch gut an Sarkozys Versuch, eine Mittelmeerunion zu etablieren, um Kooperation von nordafrikanischen Ländern mit den südlichen EU-Ländern zu initialisieren. Doch es passierte dies: "Merkel bremst Sarkozy bei Mittelmeerunion aus". Indem sich Merkel breit machte, um nicht aus dem Bild gedrängt zu werden, versenkte sie das gesamte Projekt, so wie es ihre Art ist, ihr unliebsame Projekte abzuschießen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Frankreich liebt uns aber. So ähnlich hat es Präsident Macron gesagt.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Fliege hat geschrieben:(20 Nov 2018, 16:34)

Kurzer Blick in die Geschichte:
Ich erinnere mich auch noch gut an Sarkozys Versuch, eine Mittelmeerunion zu etablieren, um Kooperation von nordafrikanischen Ländern mit den südlichen EU-Ländern zu initialisieren. Doch es passierte dies: "Merkel bremst Sarkozy bei Mittelmeerunion aus". Indem sich Merkel breit machte, um nicht aus dem Bild gedrängt zu werden, versenkte sie das gesamte Projekt, so wie es ihre Art ist, ihr unliebsame Projekte abzuschießen.
Daran erinnere ich mich noch: Das war aber auch ein ziemlich dreistes Anliegen. Präsident Sarkozy wollte mit deutschem Geld eine französische Führungsrolle rund ums Mittelmeer aufbauen. Davon unterscheidet sich der Aufbau einer vertieften Gemeinschaft in der Euro-Gruppe ganz erheblich; denn dort gehen wir ja wohl untergehakt mit den Franzosen gemeinsam voran. Da nehme ich der Kanzlerin den Mangel an Gestaltungskraft schon übel. Auch bei der Harmonisierung der Steuern, Abgaben, Sozialleistungen hätte sie Präsident Macron beim Wort nehmen oder noch mehr Druck in Richtung des europäischen Projekts aufmachen sollen, anstatt sich aus zu schweigen.

Die einzige Entschuldigung, die ich da sehe, war der Wunsch, möglichst alle Partner mit zu nehmen, anstatt nur die Euro-Partner in Gang zu setzen. So, wie die Dinge jetzt stehen, war das eine Fehlentscheidung, die ihr nicht gedankt wird.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 16:53)

Daran erinnere ich mich noch:
wollte mendes-france nicht auch etwas derartiges? ungefähr 60 jahre zurück...
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Ger9374 »

DarkLightbringer hat geschrieben:(20 Nov 2018, 16:43)

Frankreich liebt uns aber. So ähnlich hat es Präsident Macron gesagt.
Man muss Deutschland und sein Volk lieb haben.
Wie sind wie der liebe Onkel der selten zu Besuch kommt, aber dann Geschenke verteilt.Merkel und die Sozis sowieso, alle anderen geben sich da nicht viel.Kritische Worte oder gar unbotmässige Widerworte kommen aus Berlin in Richtung anderer Regierungen sowieso nicht.Da lässt man sich lieber als Nazi usw. Titulieren.
Siehe Griechenland und Türkei.
Nein das Rückrad haben Deutsche Regierungen lange nicht mehr.Und das Deutsche Volk ist zu einem Haufen BILD LESER verkommen, deren Nivieu sich an RTL 2 Fernsehen orientiert.
Es gibt noch geistige Grössen die sich trauen klare Worte zu fassen, aber gegen das Merkel Stigmata
befeuert durch Einheitsmedien ist schwer anzustinken!
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(20 Nov 2018, 18:58)

wollte mendes-france nicht auch etwas derartiges? ungefähr 60 jahre zurück...
Möglich; Premier Mendes-France ist mir im Gedächtnis als überzeugter Milchtrinker. Aber mit der Politik hatte ich das damals nicht so.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 23:13)

Möglich; Premier Mendes-France ist mir im Gedächtnis als überzeugter Milchtrinker. Aber mit der Politik hatte ich das damals nicht so.
ja, durch die bände mit niederländisch indien/indonesien ist das bei mir ganz anders. so lange ich mich erinnern kann wurde bei uns über politik und die machtlosigkeit von einfachen bürgern geredet.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Ger9374 »

[quote="Nomen Nescio"](21 Nov 2018, 00:19)

ja, durch die bände mit niederländisch indien/indonesien ist das bei mir ganz anders. so lange ich mich erinnern kann wurde bei uns über politik und die machtlosigkeit von einfachen bürgern geredet.[/quote


Das klingt wie im derzeitigen Deutschland, so wiederholt sich vieles;-);-)
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(20 Nov 2018, 23:13)

Möglich; Premier Mendes-France ist mir im Gedächtnis als überzeugter Milchtrinker. Aber mit der Politik hatte ich das damals nicht so.
nein, ich habe mich geirrt. mendes-france schickte august 1954 als premier den plan für eine europäische verteidigungs gemeinschaft zum abgeordnetenhaus.
dort wurde es mit 319 gegen 264 stimmen verworfen. anfang des plans ist von 1952.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(21 Nov 2018, 05:00)

nein, ich habe mich geirrt. mendes-france schickte august 1954 als premier den plan für eine europäische verteidigungs gemeinschaft zum abgeordnetenhaus.
dort wurde es mit 319 gegen 264 stimmen verworfen. anfang des plans ist von 1952.
Gemäß Wiki gilt PM Mendes-France als einer der klügsten politischen Köpfe seiner Zeit. Der konnte sich sogar mit CdG anlegen und zurücktreten, ohne dafür abgestraft zu werden. Graue Eminenz im Hintergrund. So einer fehlt bei uns in Deutschland... hoch geachtet und selbstlos.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo.
Die Frage nach einer Europäischen Armee - ob wir eine wollen oder brauchen oder nicht, ... darüber kann und sollte nicht ohne Berücksichtigung oder ohne Beurteilung der Frage nach einem Bundesstaat oder einem schlichten Staatenbund geurteilt werden.

Jahrzentelang war es Großbritannien, das einen schlichten, auf Wirtschaftsfragen orientierten Staatenbund propagierte - ohne Zentralregierung. Souveräne (EU-) Staaten sollten sich lediglich zum Zwecke wirtschaftlicher Fragen zusammenschließen. Paris war dessen Gegenspieler - Berlin respektive: Bonn war weitgehend an dessen Seite. London war auch dafür verantwortlich, daß der EU-Außenminister nicht Außenminister heißt ... heißen darf, ... lediglich EU-Außenbeauftragter war genehmigt.

Da nun Großbritannien 2016 beschloßen hat, ab sofort nicht mehr zur EU zu gehören, stand einer vertiefenden Zusammenarbeit aller EU-Mitgliedstaaten nichts mehr im Wege. Vielleicht deshalb unterzeichneten im November 2017 Minister aus 23 Mitgliedstaaten eine gemeinsame Notifizierung zur "ständigen strukturierten Zusammenarbeit" - kurz SSZ. Im Dezember 2017 verabschiedete sodann der Rat einen Beschluß zur Einrichtung von "Permanent Structured Cooperation" - kurz PESCO. Daraufhin erklärten vorerst 25 EU-Mitgliedstaaten in einer gemeinsamen Mitteilung ihre Absicht, an PESCO teilzunehmen. Im darauffolgenden Monat gaben auch Irland und Portugal ihre Entscheidung bekannt, PESCO beizutreten. Nun sind alle noch verbliebenen EU-Mitgliedstaaten zu einer "dauerhaft strukturierten Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik" willig. Dieser "permanente Rahmen für die Verteidigungszusammenarbeit" sieht die Möglichkeit vor, daß mehrere EU-Mitgliedstaaten im Bereich Sicherheit und Verteidigung enger zusammenarbeiten. Daß heißt nun nicht, daß nun die EU mit einer Stimme spricht - was ihr bisher immer negativ angelastet worden ist ... weshalb die EU-Mitgliedstaaten immer gegeneinander ausgespielt worden sind, ... aber diese Vereinbarung ermöglicht es, daß willige und fähige Mitgliedstaaten in gemeinsame Projekte investieren, um so "die Einsatzbereitschaft und den Beitrag ihrer Streitkräfte zu verbessern."

Durch die Verteidigungszusammenarbeit und die verbindlicheren gemeinsamen Verpflichtungen, die die teilnehmenden Mitgliedstaaten eingegangen sind - darunter "regelmäßige Erhöhung der Verteidigungshaushalte, um die vereinbarten Ziele zu erreichen", ... dadurch besteht jedenfalls die Möglichkeit, daß daraus eine EU wird, die in der Außenwirkung mit einer Stimme spricht ... eine EU, die also dadurch etwas ernster genommen wird ... die nicht mehr so schnell auseinanderdividiert wird. Darüberhinaus kann sich so eventuell auch eine Vertiefung in anderen EU-Angelegenheiten ergeben. Es wurde nämlich gleichzeitig eine Erklärung verabschiedet, daß eine übergeordnete Ebene die Kohärenz und den Ehrgeiz von PESCO und seiner teilnehmenden Mitgliedstaaten überwacht. Durch spezifische Verwaltungsverfahren auf Verwaltungsebene (einschließlich der Sekretariatsfunktionen für PESCO) soll sichergestellt werden, daß Bereiche wie Ausbildung, Fähigkeitsentwicklung und Einsatzbereitschaft im Verteidigungsbereich durchgeführt und die eingegangenen Verpflichtungen auch eingehalten werden.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Eine Art Zwangsläufigkeit zum europäischen Staat ist mit PESCO nicht verbunden. Aber die Möglichkeit dazu ist deutlich gewachsen. Dazu dient einerseits das Sekretariat der PESCO, das Bummelanten wachrütteln wird, aber auch die praktische Wirkung der sich vertiefenden Zusammenarbeit. In der Schengenzone haben wir uns schon daran gewöhnt, daß unsere Bewegung so frei ist, als ob wir die Grenze eines deutschen Bundeskands überquerten. Die Währungsunion macht uns voneinander abhängig, macht Gespräche notwendig, wenn einmal etwas zu mißlingen droht. Am Arbeitsplatz begegnen uns Kollegen aus allen EU-Partnerstaaten... die Briten werden mir ein wenig fehlen.

Hoffen wir nun, daß die ansteckende Krankheit des Populismus uns nicht wieder das Leben zur Hölle machen wird. Wenn die EU jetzt in den Fällen Polen, Ungarn und Italien mit aller Klarheit und Härte auf der Einhaltung der Regeln der EU besteht und ihre Befolgung erzwingt, dann steht die Wahrscheinlichkeit gut, daß wir das europäische Projekt in einigen Jahrzehnten erfolgreich abschließen werden... in Vielfalt vereint, mit einer nach außen gemeinsamen Regierung und gemeinsamen Streitkräften.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Alle Jahre wieder gibt es eine Europäische Sicherheitskonferenz in München, jetzt einmal ohne die Staatschefs der bedeutendsten NATO-Partner USA, GB, F.

Ein erster Gedanke, die Kernwaffen Frankreichs in einen europäischen Schutzschirm um zu bauen, stieß bei Herrn Roettgen/CDU auf Widerspruch: Gut gemeint, aber ein Spaltpilz der NATO. Die USA könnten sich in Europa entbehrlich fühlen und die Ost-EU abgehängt.

https://www.deutschlandfunk.de/nukleare ... _id=977081

Aus meiner Sicht bringen die USA sich in Europa ein, weil das in Ihrem Interesse ist. So lange dieses Engagement im europäischen Interesse ist, wird es keinen Streit mit dieser Supermacht geben. Die deutliche Ansage Obamas, daß die USA ihre wesentlichen Zukunftsinteressen rund um den Pazifik sehen, und das überdeutliche Auftreten Trumps zeigen, daß Europa für die USA eher lästig als nützlich erkannt wurde, trotz der Teilnahme der europäischen Verbündeten am Kampf gegen Al Kaida in Afghanistan oder gegen den IS im Irak oder gegen Gaddhafi in Libyen.

Aus meiner Sicht wird es höchste Zeit, daß Europa sich auf sich selbst besinnt und eigene Schutzmechanismen aufbaut. Dazu ist Europa in der Lage... die Fähigkeiten sind vorhanden und sie können ausgebaut werden.

Der erste und zuverlässigste Schritt ist der Wiederaufbau einer eigenständigen Wehrtechnik, rationalisiert im Zusammenwirken mit PESCO, wo jeder Partner sein Bestes gibt, um zum Erfolg zu kommen. Der nächste Schritt muß sein, daß wenigsten Deutschland sich an der Pflege und dem Ausbau der französischen Kernwaffen beteiligt, ohne an der Kommandogewalt teil zu haben. Dieses Thema sollte im Rahmen des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags besprochen und vertraglich festgelegt werden. Dann sollte der französische Atomschirm auch Deutschland schützen... und Rußland vor Leichtsinn bewahren. Denn seine Nuklearwaffen ermutigen Rußland, sich gegen "die Kleinen" etwas heraus zu nehmen, wie man sehr deutlich sieht in Georgien oder jetzt in der Ukraine.

Die USA könnten sich dann als Freund Osteuropas in Stellung bringen. Dort hat Deutschland und der Rest Westeuropas nichts zu gewinnen. Wenn ein EU-Partner zum Zeitpunkt einer Europäischen Sicherheitstagung eine Nahostfriedenskonferenz organisiert, dann ist politisch doch klar, wo dieser Partner sich besser aufgehoben fühlt.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Ihr seht das zu negativ. Der Zusammenschluss europäischer Streitkräfte passiert bereits. Schließt noch nicht alle ein, aber das muss ja auch nicht. Blaupause für den Prozess könnte die deutsche Entwicklung zwischen den napoleonischen Kriegen und der Reichsgründung sein.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Kohlhaas hat geschrieben:(27 Feb 2019, 18:13)

Ihr seht das zu negativ. Der Zusammenschluss europäischer Streitkräfte passiert bereits. Schließt noch nicht alle ein, aber das muss ja auch nicht. Blaupause für den Prozess könnte die deutsche Entwicklung zwischen den napoleonischen Kriegen und der Reichsgründung sein.
Auha, als diese Zeit dran war, habe ich gerade in der Schule gefehlt. Natürlich ist schon PESCO ein richtiger Schritt in die richtige Richtung... und inzwischen beteiligt sich auch Polen daran, wo Polen sich in Fragen der Wehrtechnik doch besonders innig an die USA angeschmiegt hatte.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

PESCO ist sicher ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Nur ist es wieder so, dass alle ihren Willen bekunden und alle weiter ihr eigenes Ding machen können.

Ich bezog mich mit der Aussage nicht auf PESCO, sondern auf das Framework Nations Concept (Rahmennationen-Konzept). Auf der Ebene sind Kooperationen eingeleitet worden, die inzwischen recht weit gehen und eben nicht die Teilnahme aller EU-Mitglieder erfordern. Das Europa der zwei Geschwindigkeiten... Deutschland ist "Initiator" dieses Rahmennationen-Konzepts und treibt das auch immer weiter voran. Die Kooperation zwischen D. und den Niederlanden ist schon recht weit fortgeschritten. Da sind die gepanzerten Kräfte und die luftverlegbaren Einheiten der Niederlande in die Bundeswehr integriert worden, das deutsche Seebataillon ist der niederländischen Marine angegliedert worden. Tschechien und Rumänien haben Brigaden an die Bundeswehr angegliedert, eine Kooperation mit Litauen scheint kurz bevor zu stehen, eine Reihe von weiteren Nationen hat Interesse an der Teilnahme bekundet. Selbst Nationen, die nicht der Nato oder der EU angehören. Schweden, Finnland, Österreich, Schweiz. Da ist schon einiges im Gange.

Die Parallele zur "Vorzeit" der deutschen Staatsgründung habe ich gezogen, weil die Struktur Europas heute recht ähnlich ist, wie die Struktur "Deutschlands" in der Zeit zwischen 1815 und 1871. Es gab damals keine "Nation", sondern einen Staatenbund. Einen sehr losen Staatenbund! So lose, dass die Mitglieder kein Problem damit hatten, gegeneinander Krieg zu führen. Der letzte innerdeutsche Krieg fand 1866 statt (mit sowas ist in der EU zum Glück nicht mehr zu rechnen...). Trotzdem ist es in der Phase gelungen, "gemeinsame Streitkräfte" aufzubauen. Nach ganz ähnlichen Mustern entwickelt sich das heute in Europa.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Vielen Dank für Ihren Beitrag zum Rahmenkonzept der Nationen. Ja, auch das macht Mut, weil es auf der Ebene der bestehenden Streitkräfte wirkt. Aus meiner Sicht ungelöst bleibt dabei die Aufstellung im Konfliktfall. Im Rahmen der NATO dürfte dieses Problem wohl längst durch Einsatzregeln gelöst worden sein. Ich stelle mir die wohl wirklich sehr enge Zusammenarbeit mit den Niederländern beispielhaft vor. Wie wird dann die Verfügung über Bundeswehrangehörige geregelt? Müssen dann Bundestag und das Niederländische Parlament einen gemeinsamen Marschbefehl erteilen... etwa weil Marine-Landetruppen an einem Ort außerhalb der EU dringend friedensschaffend eingesetzt werden müssen... meinetwegen nach furchtbaren Unruhen in Algerien oder Libyen? Man muß ja, so schlimm wie das auch ist, eine Vorstellung entwickeln, wann die Gemeinsamkeit auf die Probe gestellt werden könnte. Für Sonn- und Feiertage haben wir ja die Musikschau der Nationen mit Tchingderassabum und Täterätätä.

Mit unseren unmittelbaren Nachbarn habe ich auch gar kein gedankliches Problem mit diesem Konstrukt. Aber wie geht so etwas denn technisch mit unseren rumänischen Verbündeten? Sind die so weit eingebunden, daß sie an Übungen der Bundeswehr mit den Niederländern in der Heide mitmachen, oder bezieht sich das Ganze mehr oder weniger auf Ausbildungsgänge und gemeinsame Nutzung von Ausbildungsmaterial? So lange die Bundeswehr in Litauen nicht nur symbolisch Sicherheit gewährleistet, kann man sich eine sehr enge Verflechtung der Einheiten ganz gut ausmalen. Kann man sich aber vorstellen, daß der litauische Oberbefehlshaber auch die Bundeswehrtruppen dort in Marsch setzt? Einen kurzen Draht in den Bundestag unterhält der Oberbefehlshaber doch bestimmt nicht.

Ich frage das hier nicht kritisch, sondern neugierig, denn ähnliche Hindenisse hatte es doch auch bei der deutsch-französischen Brigade gegeben, als Frankreich seine Soldaten einsetzen wollte, das aber gar nicht so einfach ohne die deutschen Kameraden möglich war. Sehr zuverlässig immer den selben Fehler muß man da doch nicht machen!

Der Blick auf die deutsche Geschichte ab Napoleon zeigte doch eins sehr klar: Das Habsburger Reich war nicht dabei. Dabei waren nur die, die sich heute als Deutsche bezeichnen. Interessant war auch ein Beitrag von garfield zu seinen Luxemburgern. Die waren anfänglich dabei, und die Deutsch-Österreicher, als in der Paulskirche die ersten Gehversuche zu einem gemeinsamen demokratischen Deutschland gemacht wurden. Hoffentlich wiederholt sich das im entstehenden Europa nicht in größerem Umfange... Kriege schließe ich da wegen der NATO und der Verfügung über Kernwaffen einmal aus.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

Man könnte es so wie im Nordatlantikrat machen - jede Nation hat eine Stimme. Und möchte ein Alliierter zwar nichts beitragen, aber die übrigen nicht behindern, so enthält er sich der Stimme.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(28 Feb 2019, 22:17)

Man könnte es so wie im Nordatlantikrat machen - jede Nation hat eine Stimme. Und möchte ein Alliierter zwar nichts beitragen, aber die übrigen nicht behindern, so enthält er sich der Stimme.
Das ist dort auch höchst einfach geregelt: Die nationalen Streitkräfte sind ohne Kraftanstrengung zu trennen und können getrennt ihrer Wege gehen. Das war zeitweise in der deutsch-französischen Brigade nicht zu machen, und da gab es Streit und Trennung. Eigentlich genau das, was wir in der EU nicht so gern wollen. Aber ohne ein klares Konzept, das nun einmal weg von nationaler Verfügungsgewalt führt, sind solche Verschmelzungen nicht vorstellbar. Welche Befehlskette setzt die Streitkräfte des Framework Nations Concept in Marsch?

Die Militärmusikschau der Nationen wird von einer Konzertagentur gesteuert. Wer steuert die Streitkräfte des "Frameworks"?
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(28 Feb 2019, 22:31)

Das ist dort auch höchst einfach geregelt: Die nationalen Streitkräfte sind ohne Kraftanstrengung zu trennen und können getrennt ihrer Wege gehen. Das war zeitweise in der deutsch-französischen Brigade nicht zu machen, und da gab es Streit und Trennung. Eigentlich genau das, was wir in der EU nicht so gern wollen. Aber ohne ein klares Konzept, das nun einmal weg von nationaler Verfügungsgewalt führt, sind solche Verschmelzungen nicht vorstellbar. Welche Befehlskette setzt die Streitkräfte des Framework Nations Concept in Marsch?

Die Militärmusikschau der Nationen wird von einer Konzertagentur gesteuert. Wer steuert die Streitkräfte des "Frameworks"?
Weiß ich auch nicht.

Denke mal, es gibt einen militärischen Oberbefehlshaber, über dem der Verteidigungsminister der Führungsnation steht.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(28 Feb 2019, 21:49)Ja, auch das macht Mut, weil es auf der Ebene der bestehenden Streitkräfte wirkt. Aus meiner Sicht ungelöst bleibt dabei die Aufstellung im Konfliktfall. Im Rahmen der NATO dürfte dieses Problem wohl längst durch Einsatzregeln gelöst worden sein. Ich stelle mir die wohl wirklich sehr enge Zusammenarbeit mit den Niederländern beispielhaft vor. Wie wird dann die Verfügung über Bundeswehrangehörige geregelt? Müssen dann Bundestag und das Niederländische Parlament einen gemeinsamen Marschbefehl erteilen...

*Lach*....

Und da liegt Dein Finger genau mitten in der offenen Wunde!

Beim Framework Nations Concept ist Deutschland einerseits Vorreiter (das ganze wurde auf deutsche Inititative ins Leben gerufen) und anderseits der größte Bremser - weil gerade Deutschland sich gern internationalen Einsätzen verweigert. Das ist aber ein politisches Problem, kein militärisches. Es kann auch nur von Politikern gelöst werden. In den Niederlanden ist das einfach. Dort gibt es keine "Parlamentsarmee". Die Regierung muss das Parlament nur über Einsatzbefehle informieren, aber keine Zustimmung einholen. In Deutschland ist das halt anders. Da muss das Parlament mit all seiner (zumeist durchaus berechtigen!!!) Behäbigkeit jedem Einsatz erstmal zustimmen. Deshalb ist Framework Nations auch durchaus umstritten in Europa. Die möglichen Partner fragen sich, ob sie sich denn auf Deutschland als "Rahmennation" verlassen können. Außerdem haben viele den Verdacht, dass Deutschland all das nur tut, um seine Rüstungsindustrie zu stärken... Wenn wir der Wahrheit die Ehre geben, dann könnte an diesem Vorwurf sogar was dran sein. Das ist aber, wie schon geschrieben, die rein politische Diskussion!

Auf militärischer Ebene gibt es solche Probleme nicht. Die Truppenteile, die in die Bundeswehr integriert wurden oder noch werden, werden genauso behandelt wie deutsche Truppenteile. Gleiche Ausrüstung, gleiche Ausbildung, gleiche Führungsstrukturen. Das sind Einheiten, die zur Bundeswehr gehören und unter deutschem Kommando stehen - mit der Option, dass die Herkunftsnationen diese Truppenteile "zurückholen" können, wenn sie sie brauchen. Was wir alle nicht hoffen wollen!

Wenn das Konzept konsequent weiter verfolgt wird, dann ist es so, als würde Deutschland im Moment schon mit dem Aufbau einer europäischen Armee unter deutschem Kommando beginnen. Das habe ich jetzt bewusst etwas überspitzt formuliert.

Der große Vorzug des Konzepts liegt darin, dass durch "Angliederung" die zwangsläufig begrenzten militärischen Fähigkeiten kleiner und kleinster Nationen für eine EUROPÄISCHE! Verteidigung "nutzbar" gemacht werden können. Die Streitkräfte der vier großen Nationen (künftig ja nur noch drei...) muss man nicht zusammenfassen. Alle vier verfügen über alle relevanten Fähigkeiten, um auf eigenen Füßen zu stehen. Es reicht völlig, diese Streitkräfte im Bedarfsfall unter ein Oberkommando zu stellen. Bei den Kleineren ist das ganz anders. Die haben einfach nicht die Mittel, um Verbände aufzustellen, die eigenständig operieren können. Sie müssen sich irgendwo angliedern. Das machen sie auch. Ich erinnere mich da zum Beispiel an einen Zeitungsbericht über einen Einsatz einer deutschen Fregatte gegen ein Frachtschiff, das von Piraten gekapert worden war (Somalia). Das Enterkommando bestand dabei aus litauischen Soldaten.

Auf der militärischen Seite alles kein Problem. Politisch sieht es anders aus. Ich gehe allerdings davon aus, dass Deutschland mit der Festigung solcher Kooperationen auch eine Verantwortung gegenüber den kleineren Partnern übernimmt, aus der sich die Politik dann nicht mehr so einfach herausstehlen kann. Das Auftreten als "Rahmennation" verpflichtet Deutschland in gewisser Weise, im Interesse der Partner an einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mitzuwirken.

Aus Sicht der deutschen Politik ist das Framework Nations Concept im Moment möglicherweise trotzdem nur der Versuch, den "Personalmangel" der Bundeswehr schnell zu beheben. Schneller als durch Eingliederung ausländischer Verbände kann die Bundeswehr nicht auf den Personalstand gebracht werden, den sie eigentlich braucht. Kalt-rational betrachtet, stört mich das aber auch gar nicht. Die EU-Länder haben derzeit zusammen etwa 1,5 Millionen Soldaten unter Waffen. Gut 50 Prozent mehr als Russland. Nach dem Ausscheiden der Briten werden es immer noch 1,3 Millionen sein. Mehr müssen es auch nicht sein. Das reicht völlig, wenn alle in eine Organisationsstruktur eingebunden sind.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Oh, das hört sich ja trotz aller politischen (deutsch-gemachten) Klemmer immer noch recht gut an. Dann dürfen wir also damit rechnen, daß Rumänen, Litauer, Tschechen und Niederländer unter der EU-Flagge mit ihren deutschen Kameraden antreten zu Einsätzen. Ich würde mir wünschen, daß es ähnliche Verflechtungen gibt mit unseren französischen Nachbarn, schon um jeder Rivalität Nord-Süd zuvor zu kommen. Aber zuerst müssen die Hemmstufen abgeräumt werden, die jeder für seine Armee erfunden hat. Da muß Frau Mogherini 'ran, oder ihre Nachfolgerin im Amt, und diesen Sack Flöhe auf Vordermann bringen.

Zugleich könnte man über PESCO sicher stellen, daß nicht nur die deutsche wehrtechnische Industrie von den Zusammenschlüssen Vorteile im Wettbewerb hat. Viele Kleine sind auf dem Gebiet ohnehin besser als wenige Große, wenn eine gut aufgestellte Zentrale für vernünftige Normen und Schnittstellen zwischen Systemteilen sorgt.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Der Wille zur Zusammenarbeit wird wohl dadurch gefördert, dass die USA angekündigt haben, bei internationalen Einsätzen künftig nur noch höchstens die Hälfte der Last zu tragen. Vermutlich war das mit ein Anstoß für Pesco.

Auch in anderer Hinsicht wird Deutschland sich die Sonderrolle nicht mehr leisten können: Heute kochte in der Koalition der Streit über Rüstungsexporte hoch. Je enger die Nationen zusammenarbeiten, desto häufiger werden sie Waffen und Großgerät gemeinsam entwickeln. Da werden die Partner sich kaum auf die relativ harten deutschen Exportrichtlinien verpflichten lassen. In der Presse hieß es heute bereits, dass Airbus angeblich erwägt, ein Transportflugzeug ganz ohne deutsche Komponenten zu bauen.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

@ Kohlhaas

Ich hatte PESCO so verstanden, daß man in Europa das Beschaffungswesen für Wehrmaterial bündeln möchte. Daß also nicht 27 EU-Mitglieder ihre Schießprügel in ihren Dorfschmieden herstellen, sondern sie ihre Fähigkeiten verbinden für höhere Qualität und Stückzahl. Die heutige Vielzahl an Systemen führt dazu, daß die logistische Zusammenarbeit (sprich: Versorgung) der vereint auftretenden Truppen sehr behindert wird. Im Zusammenhang mit den Diskussionen um das Sturmgewehr G36 hatte ich gelernt, daß Frankreich in seinen Sturmgewehren andere Munition einsetzt als andere NATO-Partner. Das ist eine gute Idee für französische Hersteller, aber wohl eine schlechte bei gemeinsamen Unternehmungen. Den Planungsfehler hat man hoffentlich längst beseitigt... oder es wird höchste Zeit, daß das endlich geschieht.

Ja klar, wenn man gemeinsam entwickelt, dann darf das nie bedeuten, daß ein Partner allein die Komponenten für das gemeinsame Waffensystem herstellt. Das muß aus meiner Sicht an mehreren Orten in der EU geschehen, um die Verwundbarkeit der Produktion möglichst gering zu halten. Dann werden Exportrichtlinien für Waffen aus deutscher Produktion auch keine Waffengeschäfte der Partner behindern. Die wären dann ja auch in der Lage, ohne deutsche Mitwirkung ihre Industrie mit der Fertigung zu beauftragen.

Sinn und Zweck der gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung muß doch sein, die Fähigkeiten der Partner zu steigern und bei der gemeinsamen Beschaffung durch höhere Stückzahlen Mittel ein zu sparen. Die Nebenwirkung, daß ein Beteiligter den Export der anderen Partner behindert, halte ich für vermeidbar durch Verträge, die in solchen Fällen die Fertigung von Teilen durch andere Partner vorsehen. Noch vernünftiger wäre aus meiner Sicht, wenn die EU selbst entschiede, welche Kunden mit welchen Systemen beliefert werden dürfen... die nationale Vermarktung von Gemeinschaftsentwicklungen also entfällt. Aber das dürfte noch ein weiter Weg sein.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

H2O hat geschrieben:(02 Mar 2019, 01:47)Ich hatte PESCO so verstanden, daß man in Europa das Beschaffungswesen für Wehrmaterial bündeln möchte. Daß also nicht 27 EU-Mitglieder ihre Schießprügel in ihren Dorfschmieden herstellen, sondern sie ihre Fähigkeiten verbinden für höhere Qualität und Stückzahl.
Die gemeinsame Beschaffung ist sozusagen der "kleinste gemeinsame Nenner". Die Zusammenarbeit über PESCO folgt aber den EU-Regeln zu "abgestufter Integration" und "verstärkter Zusammenarbeit". Da geht es wieder um das Europa der zwei Geschwindigkeiten. Es müssen nicht mehr alle Beteiligten bei allem mitmachen. Österreich z.B. ist bei PESCO dabei, darf aber dabei sein Neutralitätsgesetz dabei nicht missachten, also unter anderem keine Waffen an kriegführende Staaten liefern. Das begrenzt die Möglichkeiten Österreichs, auch als Produzent an einem gemeinsamen Beschaffungswesen teilzunehmen.

PESCO sieht aber neben gemeinsamer Beschaffung unter anderem auch die Erhöhung der Rüstungsausgaben und die Bereitstellung von Einsatztruppen für die EU-Battlegroups und EUFOR-Einsätze vor. Insbesondere ist da auch die Rede von der "Verbesserung der Interoperabilität der Streitkräfte". Das bezieht sich nicht nur auf die Ausrüstung, sondern auch auf eine Angleichung von Strategie, Taktik, Ausbildung, Kommandostrukturen.... etc. Das Problem dabei ist wieder, dass all das freiwillig bleibt. Es wird wohl ein langer Prozess, bis daraus soetwas wie ein "europäisches Militär" wird.
Im Zusammenhang mit den Diskussionen um das Sturmgewehr G36 hatte ich gelernt, daß Frankreich in seinen Sturmgewehren andere Munition einsetzt als andere NATO-Partner.
Das wusste ich nicht. Ich dachte, das FAMAS-Gewehr würde Nato-Munition verwenden. Vielleicht liegt hier ein Grund dafür, dass Frankreich dabei ist, das HK416 als Standardgewehr einzuführen.
Ja klar, wenn man gemeinsam entwickelt, dann darf das nie bedeuten, daß ein Partner allein die Komponenten für das gemeinsame Waffensystem herstellt. Das muß aus meiner Sicht an mehreren Orten in der EU geschehen, um die Verwundbarkeit der Produktion möglichst gering zu halten. Dann werden Exportrichtlinien für Waffen aus deutscher Produktion auch keine Waffengeschäfte der Partner behindern. Die wären dann ja auch in der Lage, ohne deutsche Mitwirkung ihre Industrie mit der Fertigung zu beauftragen.
So einfach ist das nicht. Nehmen wir Großgerät wie den Eurofighter als Beispiel: Teile der Maschinen werden in Deutschland gefertigt, andere Teile in Frankreich, wieder andere in Großbritannien. Alle Flugzeuge werden dann in der Endmontage aus diesen Teilen "zusammengebaut". Nach deutschem Recht dürfte dann keine Maschine in ein "Krisengebiet" exportiert werden - also z.B. nach Saudiarabien. Der von Deutschland beschlossene Exportstopp nach Saudiarabien behindert schon jetzt Exporte.
Noch vernünftiger wäre aus meiner Sicht, wenn die EU selbst entschiede, welche Kunden mit welchen Systemen beliefert werden dürfen... die nationale Vermarktung von Gemeinschaftsentwicklungen also entfällt. Aber das dürfte noch ein weiter Weg sein.
Genau das wäre auch aus meiner Sicht die einzig mögliche Lösung. Ich würde sogar wetten, dass man damit bei der Industrie offene Türen einrennt... ;-)

Es ist nur die Frage, ob die deutsche Politik bereit ist, sich von der restriktiven Rüstungsexportpolitik zu verabschieden. Darum dreht sich auch der Streit in der Koalition, der gestern öffentlich wurde.
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von H2O »

Kohlhaas hat geschrieben:(02 Mar 2019, 16:50)

Die gemeinsame Beschaffung ist sozusagen der "kleinste gemeinsame Nenner". Die Zusammenarbeit über PESCO folgt aber den EU-Regeln zu "abgestufter Integration" und "verstärkter Zusammenarbeit". Da geht es wieder um das Europa der zwei Geschwindigkeiten. Es müssen nicht mehr alle Beteiligten bei allem mitmachen. Österreich z.B. ist bei PESCO dabei, darf aber dabei sein Neutralitätsgesetz dabei nicht missachten, also unter anderem keine Waffen an kriegführende Staaten liefern. Das begrenzt die Möglichkeiten Österreichs, auch als Produzent an einem gemeinsamen Beschaffungswesen teilzunehmen.

PESCO sieht aber neben gemeinsamer Beschaffung unter anderem auch die Erhöhung der Rüstungsausgaben und die Bereitstellung von Einsatztruppen für die EU-Battlegroups und EUFOR-Einsätze vor. Insbesondere ist da auch die Rede von der "Verbesserung der Interoperabilität der Streitkräfte". Das bezieht sich nicht nur auf die Ausrüstung, sondern auch auf eine Angleichung von Strategie, Taktik, Ausbildung, Kommandostrukturen.... etc. Das Problem dabei ist wieder, dass all das freiwillig bleibt. Es wird wohl ein langer Prozess, bis daraus soetwas wie ein "europäisches Militär" wird.


Das wusste ich nicht. Ich dachte, das FAMAS-Gewehr würde Nato-Munition verwenden. Vielleicht liegt hier ein Grund dafür, dass Frankreich dabei ist, das HK416 als Standardgewehr einzuführen.


So einfach ist das nicht. Nehmen wir Großgerät wie den Eurofighter als Beispiel: Teile der Maschinen werden in Deutschland gefertigt, andere Teile in Frankreich, wieder andere in Großbritannien. Alle Flugzeuge werden dann in der Endmontage aus diesen Teilen "zusammengebaut". Nach deutschem Recht dürfte dann keine Maschine in ein "Krisengebiet" exportiert werden - also z.B. nach Saudiarabien. Der von Deutschland beschlossene Exportstopp nach Saudiarabien behindert schon jetzt Exporte.


Genau das wäre auch aus meiner Sicht die einzig mögliche Lösung. Ich würde sogar wetten, dass man damit bei der Industrie offene Türen einrennt... ;-)

Es ist nur die Frage, ob die deutsche Politik bereit ist, sich von der restriktiven Rüstungsexportpolitik zu verabschieden. Darum dreht sich auch der Streit in der Koalition, der gestern öffentlich wurde.
Ja, richtig, die gemeinsame Nutzung von Ausbildungseinrichtungen hatte ich bei PESCO verschlabbert. Stimmt ja! Aber die Kommandohoheit über die vereinigten Truppen oder dann wieder Teile davon muß dringend geklärt werden. Das ist doch kein Musikkorps! Ebenso das Exportgeschäft, ohne das die wehrtechnische Industrie nicht überleben kann.

Da gibt es doch nur "entweder-oder": Entweder beschäftigt der Staat seine staatliche Industrie mit Steuergeld "rund um die Uhr", und dann ist er selbst verantwortlich für seine Investitionen, oder er hat eine privatwirtschaftliche wehrtechnische Industrie, und er hält sich sehr zurück mit Exportverboten. Aber das werden unserer Bundesregierung die Partnerstaaten wohl erklären und sich von der Bundesregierung unabhängig machen. Das kommt doch so sicher wie das Amen in der Kirche! Wen juckt da ein Koalitionsstreit in Berlin!
Kohlhaas
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Der Koalitionsstreit in Berlin ist für mich Ausdruck der Erkenntnis in der deutschen Politik, dass es mit der deutschen "Sonderrolle" so nicht weiter gehen kann. Die "Erklärungsversuche" der Verbündeten scheinen also schon zu fruchten ;-)

Aus historischen Gründen war die militärische Zurückhaltung Deutschlands seinerzeit vollkommen berechtigt. Heute ist sie einfach nicht mehr zeitgemäß. Das wird langsam auch den Verantwortlichen klar.
Slava Ukraini
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kölner1302 »

Solche Nachlässigkeiten wie in der deutschen Armee machen die Partner in jedem Militärbündnis zu recht fassungslos. Sind die Deutschen militärisch noch teamfähig?
Kohlhaas
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Re: Zusammenschluss aller Streitkräfte zur europäischen Armee?

Beitrag von Kohlhaas »

Kölner1302 hat geschrieben:(02 Mar 2019, 19:08)

Solche Nachlässigkeiten wie in der deutschen Armee machen die Partner in jedem Militärbündnis zu recht fassungslos. Sind die Deutschen militärisch noch teamfähig?
Aus heutiger Sicht ist Deine Frage berechtigt.

Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass es die von Dir zitierten Partner waren, die den Prozess eingeleitet haben. Die Bundeswehr ist seit Anfang der 1990er Jahre konsequent "kaputt gespart" worden. Auf Wunsch der "Partner"! Insbesondere Russland und Frankreich hätten damals der Wiedervereinigung nie zugestimmt, wenn sie nicht mit einer massiven Abrüstung verbunden gewesen wäre. Es waren damals die (ehemaligen) Alliierten, die verhindern wollten, dass Deutschland erneut machtpolitische Ambitionen entwickelt.

Insofern entspricht die Haltung, die Deutschland heute einnimmt, genau dem, was die Ex-Alliierten uns 1990 "auferlegt" haben. Seitdem hat sich nur vieles geändert. Und heute wird Deutschland auch von den USA getadelt, weil es noch heute genau das tut, was auch die USA damals wollten.

Dass Deutschland "teamfähig" ist, wird bewiesen durch den Umstand, dass gerade DEUTSCHLAND den Aufbau einer europäischen Armee befürwortet. Um diese europäische Armee möglich zu machen, werden deshalb gerade deutsche Politiker von der Vorstellung Abschied nehmen müssen, dass so eine europäische Armee nach deutschen Vorstellungen geleitet werden muss. Das ist keine leichter Prozess. Der weiter oben erwähnte Koalitionsstreit ist ein Schritt in diese Richtung. Leider, sage ich persönlich. Ich bin eigentlich ein Anhänger von Positionen "links der Mitte". Und die Fraktion "links der Mitte" macht in dieser Diskussion gerade keine gute Figur.
Slava Ukraini
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