Rückkehr des Nationalismus in der EU

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think twice
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von think twice »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(23 Jul 2017, 23:17)

Ich will dir doch nichts absprechen. Du machst da sicher eine wertvolle Arbeit, genau wie andere hier.
Ich bin nur fassungslos, wie man mit diesem Hintergrund so einen kollektivistischen Unsinn verbreiten kann, der jedem Polenwitz an Plumpheit in nichts nachsteht. Sind wir dann gleich bei schmutzigen Griechen, faulen Italienern und so weiter?


Ich schon, meine Zeit auf Erden ist endlich und meistens ist Warten auf Nachzügler und Unorganisierte kein Spaß. Ob in der Arbeit, in der Freizeit oder im politischen Verein: Pünktlichkeit spart Lebenszeit. Mit dem Fleiß ist es dasselbe, die Minderleistung Einzelner ist das Problem für alle. Das gilt ganz unabhängig von Kapitalismus, Sozialismus oder Allesselbstmachenmuss. Nicht dem Fleiß gegenüberstellen sollte man die Fauleit, denn die treibt tatsächlich zu Innovation und Mehrleistung an.

Der moderne Nationalismus indessen hat sich von solchen Charakterschablonen emanzipiert. Wie neokonservative Kreise dem armen Individuum seine Armut als persönlichen Fehler vorhalten, so können sie sich die Staatenkonkurrenz auch nur als eigenes Anrecht auf Erfolg und das Scheitern anderer Staaten nur als deren Schwäche und Dekadenz herleiten. Die EU jenseits von Sonntagsreden als Konkurrenzmittel der Staaten für ihren individuellen, nationalen Erfolg zu begreifen, erspart so manche Enttäuschung. Eine Rückkehr des Nationalismus entpuppt sich über weite Strecken als bloße Neubewertung der EU-Institutionen auf ihre Nützlichkeit für den konkreten Einzelstaat.


Das ist doch verständlich. Man kann sich Lebensstile angewöhnen und sie erklären sich oft aus vorfindlichen Umständen. Die traditionelle Siesta in Spanien ist / war ein anderes Beispiel für einen solchen angepassten Lebensstil. Nur ist es dem Individuum überlassen, solche Gewohnheiten zu haben, zu behalten oder anzupassen wenn es sinnvoll ist. So wenig wie eine durchschnittliche Kriminalität ist also auch ein regional verbreiteter Lebensstil eine dem einzelnen Menschen innewohnende "Volkseigenschaft" oder dergleichen. Wir sollten solche Denkfiguren totschießen, wo wir sie finden.
Ich weiß jetzt nicht, warum du dich bei mir aufregst und Nomen Nescio zustimmst und sogar noch das Beispiel mit der Siesta nennst. Ich weiss auch nicht, warum du Unpünktlichkeit und fehlende Lust auf Leistungszwang mit faul und schmutzig gleichsetzst. Bestimmte Lebensstile pflegen Individuen, aber auch pauschal Menschen in den verschiedensten Regionen dieser Welt.über die pauschale Aussage, die Deutschen lieben Pünktlichkeit und Fleiß, regst du dich ja auch nicht auf. ;)
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H2O
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(23 Jul 2017, 23:08)

als ich in den tropen wohnte, war es so heiß, daß notgedrungen viel sachen aufgeschoben wurden. heute nicht? na ja, dann morgen. das ist eine lebensstil die man sich angewöhnen muß, aber womit sich gut leben läßt. noch immer habe ich einige züge behalten.
finde ich etwas nicht wichtig, dann kann es morgen auch. wenn mich dagegen was interessiert, dann muß es gestern schon erledigt sein statt heute.
Sie nehmen die Sache mit "zuverlässig, pünktlich, fleißig" ein wenig zu persönlich! In meinem Beruf kam es darauf an, daß viele Menschen ihre körperlichen und geistigen Kräfte gleichzeitig einsetzten, um ein aufwendiges Werk zu verrichten und gemeinsam Erfolg damit zu haben. Folgerichtig waren die für weniger bedeutsam erklärten Eigenschaften die Voraussetzung für den Erfolg unserer Gemeinschaft. Entsprechend sorgfältig verfuhren wir bei der Auslese unserer Mitarbeiter.

Natürlich gab es auch scheiternde Gemeinschaften; von denen redet heute niemand mehr.
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Hyde
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hyde »

Billie Holiday hat geschrieben:(23 Jul 2017, 22:10)

Also als Rassistin sehe ich dich auf keinen Fall.
Jetzt spontan fällt mir auch kein Schwarzer ein, der die schwarze Rasse als beste von allen hervorhebt. Jedoch gibt es viele Beispiele von Weißen, die Schwarze und andere für minderwertig erklären.
Rassistisches Gedankengut gibt es überall, in Europa, in Asien, in Afrika, in Amerika. Das hat erstmal nichts mit der Ethnie zu tun, es gibt auch in jeder Ethnie Idioten und Bösartigkeit.

Die weiße Rasse war in der Vergangenheit aufgrund ihrer technologischen Überlegenheit jedoch die einzige Ethnie gewesen, die Rassismus im großen Stil ausleben konnte und andere unterwerfen konnte.
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imp
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von imp »

think twice hat geschrieben:(23 Jul 2017, 23:30)

Ich weiß jetzt nicht, warum du dich bei mir aufregst und Nomen Nescio zustimmst
Könnte daran liegen, dass er was anderes zum Thema hat als du.
über die pauschale Aussage, die Deutschen lieben Pünktlichkeit und Fleiß, regst du dich ja auch nicht auf.
Die ist genau so bescheuert. In dieselbe Kategorie fällt dann "schwarz gut, weiß böse".
Hyde hat geschrieben:Die weiße Rasse war in der Vergangenheit aufgrund ihrer technologischen Überlegenheit jedoch die einzige Ethnie gewesen, die Rassismus im großen Stil ausleben konnte und andere unterwerfen konnte.
Die Japaner hatten durchaus die technischen Möglichkeiten, in China und Korea zu wüten. Über Idi Amin informiere sich bitte jeder selbst. Der Fakt, dass Europäische Kolonialreiche weltumspannend und rassistisch Mensch und Natur ausbeuteten, ist unbestritten. Daraus darf aber nicht folgen, dass wir heute zu Themen zu schweigen hätten, über die andere sprechen dürften.
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Nomen Nescio
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(23 Jul 2017, 23:30)

Sie nehmen die Sache mit "zuverlässig, pünktlich, fleißig" ein wenig zu persönlich! In meinem Beruf kam es darauf an, daß viele Menschen ihre körperlichen und geistigen Kräfte gleichzeitig einsetzten, um ein aufwendiges Werk zu verrichten und gemeinsam Erfolg damit zu haben. Folgerichtig waren die für weniger bedeutsam erklärten Eigenschaften die Voraussetzung für den Erfolg unserer Gemeinschaft. Entsprechend sorgfältig verfuhren wir bei der Auslese unserer Mitarbeiter.
ich wäre bei deinem betrieb deutlich durchgefallen. :D
ich konnte es mich leisten, denn verrichtete fast nut denkarbeit. und das ist schwer !
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(23 Jul 2017, 23:17)
Das ist doch verständlich. Man kann sich Lebensstile angewöhnen und sie erklären sich oft aus vorfindlichen Umständen. Die traditionelle Siesta in Spanien ist / war ein anderes Beispiel für einen solchen angepassten Lebensstil. Nur ist es dem Individuum überlassen, solche Gewohnheiten zu haben, zu behalten oder anzupassen wenn es sinnvoll ist. So wenig wie eine durchschnittliche Kriminalität ist also auch ein regional verbreiteter Lebensstil eine dem einzelnen Menschen innewohnende "Volkseigenschaft" oder dergleichen. Wir sollten solche Denkfiguren totschießen, wo wir sie finden.
Völlig richtig. Es ist systemisch erklärbar, dass sich durch Interaktion (Wirtschaft, Kommunikation, persönliche Beziehungen, Kultur natürlich ....) Prägnanzen herausbilden und sich wiederum und nicht zuletzt durch Gewohnheit, Nennung, Reflexion systemisch verstärken. Dass man dies mit Nationen, Ethnien, Nationalstaaten verknüpft, war vor allem eine Idee des 19. Jahrhunderts.

Es läuft übrigens gerade eine zehnteilige Sendung innerhalb der Reihe "swr2 wissen" zum Thema "Das neue Deutschland", in welcher all die Themenbereiche dieses Threads, also zum Beispiel, ob "Pünktlichkeit und Ordnung" typisch deutsch sind, ob es eine "Deutsche Denke" gibt usw. ausführlichst behandelt werden. http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml

Der Mensch des 21. Jahrhunderts benötigt solches Wissen nicht, um sein "Nationalbewusstsein" oder gar seinen "Nationalstolz" zu festigen (--> 19. Jh.), sondern weil er im Austausch mit anderen dringend etwas benötigt, was man sich angewöhnt hat, als "interkulturelle Kompetenz" zu bezeichnen. Wir befinden uns - so sehe ich es jedenfalls - in einer Übergangsphase von der Welt der Nationalstaaten hin zu einer globalisierten Welt, in der es gut und nützlich ist, zu wissen, dass Menschen, die aus dem Raum Deutschland kommen, im Durchschnitt Wert auf Pünktlichkeit legen und es lieben, direkt zur Sache zu kommen, während für Menschen aus dem Raum Nordamerika Small Talk nichts Ünnötiges und Überflüssiges sondern wichtiger Bestandteil sozialer Interaktion ist. Das ist schlicht und einfach Wissen. So wie ich wissen muss, dass ich für bestimmte Weltregionen je nach Klima unterschiedliche Kleidungsausstattungen benötige.

Gerade die Tatsache, dass es in Form von Neonationalismus, Renaissance der Religionen usw. aktuell und fast überall heftigsten Widerstand gegen eine solche Entwicklung gibt, bestärlkt mich in dieser Ansicht.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Billie Holiday »

Nomen Nescio hat geschrieben:(23 Jul 2017, 23:08)

als ich in den tropen wohnte, war es so heiß, daß notgedrungen viel sachen aufgeschoben wurden. heute nicht? na ja, dann morgen. das ist eine lebensstil die man sich angewöhnen muß, aber womit sich gut leben läßt. noch immer habe ich einige züge behalten.
finde ich etwas nicht wichtig, dann kann es morgen auch. wenn mich dagegen was interessiert, dann muß es gestern schon erledigt sein statt heute.
Pünktlichkeit bedeutet, die Zeit des Wartenden wertzuschätzen und ist ein Zeichen seiner Verlässlichkeit.
Ich hasse Unpünktlichkeit, habe noch nie Vorteile darin gesehen, irgendwo zu spät zu erscheinen, andere warten zu lassen oder selbst auf andere zu warten.
„Wer mich beleidigt, bestimme ich.“ (Klaus Kinski)

„Just because you’re offended, doesn’t mean you’re right.“ (Ricky Gervais)
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Nomen Nescio »

Billie Holiday hat geschrieben:(24 Jul 2017, 06:21)

Pünktlichkeit bedeutet, die Zeit des Wartenden wertzuschätzen und ist ein Zeichen seiner Verlässlichkeit.
Ich hasse Unpünktlichkeit, habe noch nie Vorteile darin gesehen, irgendwo zu spät zu erscheinen, andere warten zu lassen oder selbst auf andere zu warten.
weißt du, als ich 15 war besuchte ich einmal einen freund aus meiner klasse. seine mutter öffnete die tür und fragte mir »weißt du wohl wie spät es ist«? es war 20.15 uhr. dagegen war ich gewöhnt daß menschen ruhig um 21 uhr klingeln konnten.

und als wir einmal nachts (±01.30 uhr) angerufen wurden durch gute bekannten die gerade in antwerpen arriviert waren, wurde selbstverständlich alles geregelt daß sie mehrere tage bei uns verbleiben konnten und würden.

in meiner jugend hörte man gegen abendessenszeit sagen - falls es noch nicht verstanden war - »wir müssen jetzt aber essen«.
bei uns war es usus daß besucher mitaßen.

das sind nun mal gewohnheiten die wir aus den tropen haben. allmählich sind die sitten in europa auch geändert.
heute kannst du nicht mehr pünktlich sein mit den vielen staus. aber man kann es versuchen. ;)
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 03:38)

ich wäre bei deinem betrieb deutlich durchgefallen. :D
ich konnte es mich leisten, denn verrichtete fast nut denkarbeit. und das ist schwer !
Ja, wir sind leichten Mutes im Tanzschritt unserer Arbeit nachgegangen, so als frei schaffende Künstler, während andere für uns dachten. Ja, so wird's gewesen sein!
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 07:51)

Ja, wir sind leichten Mutes im Tanzschritt unserer Arbeit nachgegangen, so als frei schaffende Künstler, während andere für uns dachten. Ja, so wird's gewesen sein!
touché :thumbup:
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von imp »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 06:35)
in meiner jugend hörte man gegen abendessenszeit sagen - falls es noch nicht verstanden war - »wir müssen jetzt aber essen«.
bei uns war es usus daß besucher mitaßen.
Man wird doch nicht die Besucher unverrichtet beim Essen zuschauen lassen!
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 06:35)

...

heute kannst du nicht mehr pünktlich sein mit den vielen staus. aber man kann es versuchen. ;)
Heute gibt es aber Mobiltelefone, mit denen man seine unverschuldete Verspätung ankündigen kann; verbunden mit der Bitte, mit dem Abendbrot doch schon einmal zu beginnen. Dann sind beide Seiten frei. Man kann warten oder auch nicht. Irgend einen Nutzen haben diese Spielzeuge dann doch noch. :D
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think twice
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von think twice »

Billie Holiday hat geschrieben:(24 Jul 2017, 06:21)

Pünktlichkeit bedeutet, die Zeit des Wartenden wertzuschätzen und ist ein Zeichen seiner Verlässlichkeit.
Ich hasse Unpünktlichkeit, habe noch nie Vorteile darin gesehen, irgendwo zu spät zu erscheinen, andere warten zu lassen oder selbst auf andere zu warten.
Ja, so haben wir es auch begründet. Einige finden es immer noch doof, die meisten haben aber die Vorteile der Pünktlichkeit durchaus erkannt.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Nomen Nescio »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:52)

Man wird doch nicht die Besucher unverrichtet beim Essen zuschauen lassen!
nein, man sagte ihm einfach »verschwinde«. das waren zeiten wo viel menschen sich noch ganz gut WK II erinnerten.

na ja, glücklich war das bei uns anders.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

gödelchen hat geschrieben:(23 Jul 2017, 13:55)

(...)

Ohne National/national geht nichts. National bedeutet ja erst mal nicht zwangsläufig, das Bewusstsein, Stolz oder sonst ein Begriff dazu gesetzt wird. Wir brauchen Nation/national. Einmal weil wir es aus juristischen/völkerrechtlichen Begründungen heraus brauchen, sonst könnte ich keine Institution/Körperschaft / Staat verpflichtend einbinden. Dann bedeutet national ja einen Staat betreffend. Also ist national unbedingt an einen Staat z.B. Deutschland gebunden.
Bevor es ab 1871 einen deutschen "Staat", das Kaiserreich gab, gab es denn da keine deutsche "Nation"? 1871 wurde die sog. "kleindeutsche Lösung" verwirklicht. Gehörten alle anderen "deutschen" Regionen und Länder außerhalb des Kaiserreiches denn nicht zur deutschen "Nation"?

Anders gefragt: Braucht eine "Nation" nur 1 (in Worten: einen) "Staat"; oder kann sich eine "Nation" auch auf mehrere Staaten verteilen? Braucht ein "Staat" überhaupt eine "Nation"; oder genügt es für einen "Staat", Staatsbürger zu haben, die sich mit ihm identifizieren und seine "Institutionen" mit Leben füllen?
Dabei ergibt sich nicht die Frage was braucht Deutschland. Und weil wir eine Basis für Verhandlungen, Verträgen und Absprachen mit anderen Menschen brauchen , haben wir uns auf das geeinigt, dass Menschen, die in einem bestimmten Gebiet, das sie als für sich bindend und von andern gültig als deren Gebiet anerkannt haben, dieses Gebiet Nation nennen, wenn bestimmte rechtliche Kriterien dort erfüllt sind (...)
Dieses "Gebiet" nennt sich Bundesrepublik Deutschland, hat eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ist organisiert in: Bund, Länder, Kommunen. Die Bundesrepublik hat ein Staatsvolk, "die Deutschen", zu denen alle Menschen zählen, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Hyde hat geschrieben:(23 Jul 2017, 15:06)

(...)

Wir können nicht in einer demokratischen Welt leben, in der es keine Nationen gibt.

(...)
Sollte man nicht präziser so formulieren: Wir können nicht in einer demokratischen Welt leben, in der es keine S t a a t l i c h k e i t gibt.
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Woppadaq hat geschrieben:(23 Jul 2017, 16:38)

(...) Gesundes Nationalbewusstsein bedeutet, in seinem Heimatland mehr zu sehen als nur Nazizeit, ohne das man diese vergessen sollte.
Nein, das nennt man Geschichtsbewusstsein, das geradezu gebietet, sowohl die guten als auch die schlechten Seiten vorallem der eigenen Geschichte (und günstigenfalls auch der in diese Geschichte involvierten Länder) zu kennen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Hyde hat geschrieben:(23 Jul 2017, 17:32)

Du hast folgendes gesagt:
"Bei mir verursacht die Kombination von "gesund" und "Nation", egal in welcher Form, nur einen Brechreiz."

Das sagt nunmal aus, dass du das Modell einer "Nation" als ungesund empfindest.
Für mich ist aber die Nation etwas ganz natürliches, sogar etwas notwendiges. Seit Anbeginn der Zeit hat der Mensch sich in Gruppen organisiert, in der Steinzeit, in der Antike, in der Moderne. Das liegt in der Natur des Menschen.




Wenn jemand sagt, dass er "stolz" auf etwas ist (auf seine Tochter, auf seinen Lieblingsverein, auf sein Land, auf was auch immer), dann muss das erstmal nichts Schlechtes sein, es sei denn man definiert "stolz" per se als eine negative Empfindung und als eine negative Charaktereigenschaft.
Vielleicht sollte man einmal die Begriffe unterscheiden!

Nation -> bedeutet eigentlich nur Volk, Volksstamm.

Wenn man aber noch ein "-alismus" dranhängt, dann wird aus Nation sogleich ein Glaubenssystem bzw. eine Ideologie. Ich füge eine meiner Ansicht nach zutreffende Definition von Nationalismus ein:
Aus kulturalistischer Sicht wird Nationalismus 1. als ein System gedachter Ordnungen verstanden, das geeignet ist, Menschen zu Gruppen zu integrieren. 2. Die Abgrenzung gegenüber "anderen" ist für den Nationalismus konstitutiv. Er ist eine Integrationsideologie, in der Inklusion und Exklusion einander bedingen. 3. Nationalismus beruft sich auf einen scheinbar überzeitlichen ethnischen Kern, den er jedoch selbst erst hervorbringt. Deswegen sind 4. nationale Mythologeme für seine Legitimation und Verbreitung von entscheidender Bedeutung. 5. Weiterhin ist die Konstruktion spezifischer Geschlechtsidentitäten dem Nationalismus inhärent.

Unter politischem Gesichtspunkt wird unter Nationalismus 6. ein säkulares Glaubenssystem verstanden, das als oberstes Legitimationsprinzip Anspruch auf Loyalität und Vorrang vor anderen Werten erhebt. Nationalismus bezieht sich 7. auf ein bestimmtes Territorium und tendiert dazu, die Grenzen von Nation und Staat zur Deckung zu bringen. 8. Zwischen Nationalismus und Krieg herrscht eine innige Wechselbeziehung. 9. Nationalismus enthält eine Teilhabeverheißung und greift damit über bestehende politische Ordnungen hinaus. Unter Berufung auf den Nationalismus lassen sich Partizipationsansprüche anmelden. 10. Daher vermag Nationalismus Menschen zum Handeln zu bewegen.

Sozialgeschichtlich gesehen werden 11. nationale Vorstellungen zunächst von einer bestimmten, sozial abgrenzbaren Trägerschicht mit spezifischen Interessen artikuliert. Später zeichnen sich diese Vorstellungen 12. durch eine hinreichende Verbreitung aus und lassen sich dauerhaft über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten. Zu dieser Ausdehnung muss ein Mindestmaß an strukturellen Voraussetzungen vorliegen - etwa ein gemeinsamer Kommunikations- und Wirtschaftsraum oder übergreifende Institutionen.
Quelle: http://www.bpb.de/apuz/28089/nation-und ... chte?p=all

In dem Aufsatz wird auch ein kurzer historischer Blick auf die Begriffe "Nation und Nationalismus" geworfen.
MfG

H.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Hyde hat geschrieben:(23 Jul 2017, 19:20)

Wenn man stolz auf das heutige Deutschland ist mit all seinen Errungenschaften, die vergangene Generationen aufgebaut haben, wenn man also stolz auf die Leistungen eines Landes (das heißt: stolz auf die Leistungen von Menschen) ist, dann ist das nicht gleichbedeutend damit, stolz auf die eigene Herkunft zu sein.
Außerdem finde ich die verschiedenen Maßstäbe merkwürdig, die bei solchen Themen an den Tag gelegt werden. Wenn jemand sagt: "Ich bin stolzer Saarländer!" oder "Ich bin stolzer Hamburger!", dann stört sich daran niemand. Wenn jedoch jemand sagt: "Ich bin stolzer Deutscher!", dann ist das plötzlich schlecht. Wer das eine gut findet, muss auch das andere gut finden, wer das eine schlecht findet, muss auch das andere schlecht finden.
Oder wenn jemand sagt: "I'm a proud african-american!" ("Ich bin ein stolzer Afro-Amerikaner!"), dann würden sich links eingestellte Menschen wie Selina nicht daran stören, obwohl sie doch eigentlich so eine negative Einstellung zum Wort "Stolz" haben. Wenn aber jemand sagen würde: "I'm white and proud!", dann wäre von den gleichen Leuten schnell die nächste Anti-Rassismus-Demo angemeldet.
Das Wort "stolz" ist deshalb wenig geeignet, weil es nicht nur eine Identifikation mit Leistungen des Heimatlandes umschreibt, sondern mehr. "Stolz" ist "ein Wort, welches ursprünglich den Begriff der Höhe, der Größe, oder Hervorragung über andere hat (...)" [Adelung: Wörterbuch Bd. 4, S. 401] - und das macht dieses Wort im Zusammenhang mit "Staat" und "Nation" so negativ: das Gefühlt der "Hervorragung über andere"!
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Woppadaq »

Hieronymus hat geschrieben:(24 Jul 2017, 16:12)

Nein, das nennt man Geschichtsbewusstsein, das geradezu gebietet, sowohl die guten als auch die schlechten Seiten vorallem der eigenen Geschichte (und günstigenfalls auch der in diese Geschichte involvierten Länder) zu kennen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Ich weiss schon, was Geschichtsbewusstsein bedeutet, aber das meinte ich nicht. Vielleicht sollte ich es anders formulieren: Gesundes Nationalbewusstsein beinhaltet eine positive emotionale Bindung an sein Heimatland, ohne die schlechten Seiten auszusparen oder zu verharmlosen.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Woppadaq »

Hieronymus hat geschrieben:(24 Jul 2017, 16:34)

Nation -> bedeutet eigentlich nur Volk, Volksstamm.
Nee, bedeutet es eben nicht, sonst wären wir und die Ösis eine Nation. Sind wir aber nicht.

Google sagt: "durch dieselbe Abstammung, Sprache und Kultur verbundene Gemeinschaft von Menschen, die in einem politischen System zusammenleben."

Ist schon wichtig, denn letzendlich ist es das politische System, welches die Nation ausmacht.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Ein Terraner »

Woppadaq hat geschrieben:(24 Jul 2017, 18:19)

Ist schon wichtig, denn letzendlich ist es das politische System, welches die Nation ausmacht.
Da wird Nation gefordert und meint doch nur Verwaltung.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Woppadaq »

Ein Terraner hat geschrieben:(24 Jul 2017, 18:45)

Da wird Nation gefordert und meint doch nur Verwaltung.
Wer an nationale Gefühle appeliert, wird wohl kaum an Verwaltungsgefühle appelieren.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Woppadaq hat geschrieben:(23 Jul 2017, 21:29)

Die Frage war nicht, ob Europa eine Nation werden soll, sondern ob jemand, der das anstrebt, ein Nationalist ist, und inwiefern das, trotz aller Zweifelhaftigkeit der Position, verwerflich ist.
"Die EU eine Nation": diese Begriffe hast du zusammengebracht - und ich habe dazu Stellung bezogen!

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

think twice hat geschrieben:(23 Jul 2017, 22:27)

:thumbup: Jetzt machst du bestimmt alle ein bischen stolz und das ist auch völlig OK, finde ich. :)
Ich will niemanden "stolz" machen. Eine Identifikation mit unserem Land und Staat, mit Freiheit und Menschenrechten und mehr Engagement für unsere Demokratie - daraus sollen die Menschen Freude und Zufriedenheit gewinnen können. :)
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jul 2017, 22:35)

Phrasen! Phrasen! Phrasen!
Bedauerlich, dass das, was ich schrieb, für dich nur "Phrasen" sind. Mach' die Alternativen, die für dich wichtiger zu sein scheinen, mit deinem Gewissen ab.
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Woppadaq hat geschrieben:(24 Jul 2017, 18:10)

Ich weiss schon, was Geschichtsbewusstsein bedeutet, aber das meinte ich nicht. Vielleicht sollte ich es anders formulieren: Gesundes Nationalbewusstsein beinhaltet eine positive emotionale Bindung an sein Heimatland, ohne die schlechten Seiten auszusparen oder zu verharmlosen.
Ein "Heimatland" ist ein Land, keine Nation, allenfalls wäre also eine Art "Heimatbewusstsein" als Emotion möglich.
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Woppadaq hat geschrieben:(24 Jul 2017, 18:19)

Nee, bedeutet es eben nicht, sonst wären wir und die Ösis eine Nation. Sind wir aber nicht.

Google sagt: "durch dieselbe Abstammung, Sprache und Kultur verbundene Gemeinschaft von Menschen, die in einem politischen System zusammenleben."

Ist schon wichtig, denn letzendlich ist es das politische System, welches die Nation ausmacht.
Was denn, was denn, die Österreicher grenzt du aus der deutschen "Nation" aus? Das hatten wir doch schonmal. :D

Wie ich in einem vorherigen Beitrag schon schrieb: "das politische System", also der Staat, kann auch, wie das Kaiserreich 1871, eine unvollständige Nationsbildung sein.
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Ein Terraner »

Mal eine Frage an die raus aus der EU Leute und jede Nation für sich Fraktion, wie stellt ihr euch eigentlich so Gemeinschaftsprojekte wie Galileo vor ?

[youtube][/youtube]

Würdet ihr dann bewusst auf solche Technologien verzichten oder seit ihr der Meinung das könnte auch ein Land für sich alleine stemmen ?
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Selina
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2017, 05:27)

Völlig richtig. Es ist systemisch erklärbar, dass sich durch Interaktion (Wirtschaft, Kommunikation, persönliche Beziehungen, Kultur natürlich ....) Prägnanzen herausbilden und sich wiederum und nicht zuletzt durch Gewohnheit, Nennung, Reflexion systemisch verstärken. Dass man dies mit Nationen, Ethnien, Nationalstaaten verknüpft, war vor allem eine Idee des 19. Jahrhunderts.

Es läuft übrigens gerade eine zehnteilige Sendung innerhalb der Reihe "swr2 wissen" zum Thema "Das neue Deutschland", in welcher all die Themenbereiche dieses Threads, also zum Beispiel, ob "Pünktlichkeit und Ordnung" typisch deutsch sind, ob es eine "Deutsche Denke" gibt usw. ausführlichst behandelt werden. http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml

Der Mensch des 21. Jahrhunderts benötigt solches Wissen nicht, um sein "Nationalbewusstsein" oder gar seinen "Nationalstolz" zu festigen (--> 19. Jh.), sondern weil er im Austausch mit anderen dringend etwas benötigt, was man sich angewöhnt hat, als "interkulturelle Kompetenz" zu bezeichnen. Wir befinden uns - so sehe ich es jedenfalls - in einer Übergangsphase von der Welt der Nationalstaaten hin zu einer globalisierten Welt, in der es gut und nützlich ist, zu wissen, dass Menschen, die aus dem Raum Deutschland kommen, im Durchschnitt Wert auf Pünktlichkeit legen und es lieben, direkt zur Sache zu kommen, während für Menschen aus dem Raum Nordamerika Small Talk nichts Ünnötiges und Überflüssiges sondern wichtiger Bestandteil sozialer Interaktion ist. Das ist schlicht und einfach Wissen. So wie ich wissen muss, dass ich für bestimmte Weltregionen je nach Klima unterschiedliche Kleidungsausstattungen benötige.

Gerade die Tatsache, dass es in Form von Neonationalismus, Renaissance der Religionen usw. aktuell und fast überall heftigsten Widerstand gegen eine solche Entwicklung gibt, bestärlkt mich in dieser Ansicht.
Genau. Das ist eher ein letztes Aufbäumen einiger Leute gegen eine folgerichtige Entwicklung.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Ein Terraner hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:12)

Mal eine Frage an die raus aus der EU Leute und jede Nation für sich Fraktion, wie stellt ihr euch eigentlich so Gemeinschaftsprojekte wie Galileo vor ?

[youtube][/youtube]

Würdet ihr dann bewusst auf solche Technologien verzichten oder seit ihr der Meinung das könnte auch ein Land für sich alleine stemmen ?

Na ja, die Menschheit hat ja nicht darauf verzichtet; da gibt es seit fast 50 Jahren GPS und GLONASS (tickt das noch?). Aber das haben eben nur Staaten mit weltpolitischem Ehrgeiz im Programm. Die EU hat sich solche Ziele gesetzt und will durch Gemeinschaftsprojekte sowohl die technischen als auch organisatorischen Fähigkeiten als auch die enge Zusammenarbeit der beteiligten Partnerstaaten fördern. Vielleicht entsteht auch auf diese Weise in einigen Jahrzehnten so etwas wie eine Europäische Föderation...
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Woppadaq »

Hieronymus hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:06)

Ein "Heimatland" ist ein Land, keine Nation, allenfalls wäre also eine Art "Heimatbewusstsein" als Emotion möglich.
Ein Heimatland kann sehr wohl eine Nation sein, muss es aber nicht. Ist halt alles nicht so einfach bei Deutschland. Ein Sachse beispielsweise hat meist ein grosses Heimats- oder Landesbewusstsein, wie immer man das auch sehen mag, er hat aber auch immer ein deutsches Nationalbewusstsein. Sind halt 2 verschiedene Sachen.

Und ein Gefühl ist noch keine Emotion (wenn wir hier schon beim Dauerklugscheissen sind....)
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Woppadaq »

Hieronymus hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:10)

Was denn, was denn, die Österreicher grenzt du aus der deutschen "Nation" aus?
Ob ich das nun tue oder die, ist glaub ich egal. Aber ja, Österreich ist eine andere Nation als Deutschland. Irgendwo muss man nen Strich ziehen, sonst gehört die Schweiz auch noch zur deutschen Nation.

Wie ich in einem vorherigen Beitrag schon schrieb: "das politische System", also der Staat, kann auch, wie das Kaiserreich 1871, eine unvollständige Nationsbildung sein.
Inwiefern war das deutsche Kaiserreich eine unvollständige Nation?
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Ein Terraner »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:29)

Vielleicht entsteht auch auf diese Weise in einigen Jahrzehnten so etwas wie eine Europäische Föderation...
Ah ja, raus aus der EU und eine EF anstreben, leuchtet ein. :?
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Ein Terraner hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:40)

Ah ja, raus aus der EU und eine EF anstreben, leuchtet ein. :?
Ja, sagen Sie einmal, klappt das denn? :D
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Ein Terraner »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:45)

Ja, sagen Sie einmal, klappt das denn? :D
Das einleuchten, nö.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Ein Terraner hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:49)

Das einleuchten, nö.
Ja, das kommt in den besten Familien vor; kein Grund, sich zu schämen!
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:37)
Ob ich das nun tue oder die, ist glaub ich egal. Aber ja, Österreich ist eine andere Nation als Deutschland. Irgendwo muss man nen Strich ziehen, sonst gehört die Schweiz auch noch zur deutschen Nation.
Die gedankliche Verbindung und Assoziation von "Nation" und "Staat" ist eben ein historisch vergleichsweise sehr sehr junges Phänomen. Katharina die Große von Russland stammte aus einem Fürstengeschlecht von Sachsen-Anhalt-Zerbst, Friedrich der Große von Prueßen sprach meist französisch ... es gab in Europa noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine Gruppe von einflussreichen Familien mit einem jeweiligen geographischen Machtbereich. Und es gab und gibt natürlich Sprachverbreitungsräume. Aber das wars schon. Für das einfache Volk gab es bis dahin nicht einmal durchgängig Schulen, und es konnte sich eine solche Vorstellung vom Platz der eigenen Nation eigentlich kaum herausbilden. Erst mit dem Aufstieg des Bürgertums Anfang, Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich dieser (heutige) Nationenbegriff dann herauszubilden. Und gegenwärtig löst er sich gerade schon wieder auf. "Nationalbewusstsein" ist also eine temporäre, vorübergehende Erscheinung. Die Begleiterscheinung einer soziologischen Entwicklung, die mit Industrie, Handel, Städtewachstum, Bildung, Familienstruktur zusammenhängt. Keineswegs auch nur annähernd eine Art anthropologische Konstante oder Universalie.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Jul 2017, 09:15)

Die gedankliche Verbindung und Assoziation von "Nation" und "Staat" ist eben ein historisch vergleichsweise sehr sehr junges Phänomen. Katharina die Große von Russland stammte aus einem Fürstengeschlecht von Sachsen-Anhalt-Zerbst, Friedrich der Große von Prueßen sprach meist französisch ... es gab in Europa noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine Gruppe von einflussreichen Familien mit einem jeweiligen geographischen Machtbereich. Und es gab und gibt natürlich Sprachverbreitungsräume. Aber das wars schon. Für das einfache Volk gab es bis dahin nicht einmal durchgängig Schulen, und es konnte sich eine solche Vorstellung vom Platz der eigenen Nation eigentlich kaum herausbilden. Erst mit dem Aufstieg des Bürgertums Anfang, Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich dieser (heutige) Nationenbegriff dann herauszubilden. Und gegenwärtig löst er sich gerade schon wieder auf. "Nationalbewusstsein" ist also eine temporäre, vorübergehende Erscheinung. Die Begleiterscheinung einer soziologischen Entwicklung, die mit Industrie, Handel, Städtewachstum, Bildung, Familienstruktur zusammenhängt. Keineswegs auch nur annähernd eine Art anthropologische Konstante oder Universalie.
Weitestgehend einverstanden; vielleicht noch das dumpfe Gefühl, daß Untertanen kaum besser gestellt als Leibeigene selten ein Gefühl der aufrichtigen Treue zu ihrem Herrn und seinem Herrschaftsbereich entwickeln... die sind nur zu gern abgehauen nach Amerika oder sonst wo hin. So war aber die Welt beschaffen bis zur französischen Revolution.

Aber dann setzte doch in Frankreich ein Nationalgefühl ein, wie es sich dann im Text der Marseillaise Bahn brach. Da gab es dann schon "wir" und "die anderen". Später dann wieder die "Klassenbrüder" über alle Völker hinweg. Aber der Nationalismus hat die Zeiten besser überstanden.

Und nun haben wir Europäer daraus das Beste zu machen!
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von gödelchen »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Jul 2017, 09:15)

Die gedankliche Verbindung und Assoziation von "Nation" und "Staat" ist eben ein historisch vergleichsweise sehr sehr junges Phänomen. Katharina die Große von Russland stammte aus einem Fürstengeschlecht von Sachsen-Anhalt-Zerbst, Friedrich der Große von Prueßen sprach meist französisch ... es gab in Europa noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine Gruppe von einflussreichen Familien mit einem jeweiligen geographischen Machtbereich. Und es gab und gibt natürlich Sprachverbreitungsräume. Aber das wars schon. Für das einfache Volk gab es bis dahin nicht einmal durchgängig Schulen, und es konnte sich eine solche Vorstellung vom Platz der eigenen Nation eigentlich kaum herausbilden. Erst mit dem Aufstieg des Bürgertums Anfang, Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich dieser (heutige) Nationenbegriff dann herauszubilden. Und gegenwärtig löst er sich gerade schon wieder auf. "Nationalbewusstsein" ist also eine temporäre, vorübergehende Erscheinung. Die Begleiterscheinung einer soziologischen Entwicklung, die mit Industrie, Handel, Städtewachstum, Bildung, Familienstruktur zusammenhängt. Keineswegs auch nur annähernd eine Art anthropologische Konstante oder Universalie.
mmhmmm

Du hast was vergessen :-)

Du hat den Begriff Bindung vergessen in deiner Betrachtung. Diese Universalie im Humanum ist die zwangsläufige soziologische Folge unserer Abstammung aus der Horde. Sir Dahrendorf hat das politisch in den Begriff Ligaturen geprägt.

Zu jeder Zeit unter den von Menschen geschaffenen Bedingungen hat sich diese Bindung in anderen Formen gezeigt. Im politischen ist die Nation eine davon. Durch was sie ersetzt wird, ist offen..wie immer. wann sie ersetzt wird ist noch offener...... nur so ,wie wie hier in D damit umgehen hat das mit Offenheit nichts zu tun.

Spontisprcuch dazu: wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht

Wir wissen noch nicht einmal , wohin wir offen sein sollen. Wir eiern um das herum, was eigentlich angesagt wäre. Den Begriff Nation zb durch vereinte Nationen weiter zu entwickeln , zu ersetzen. Wir Doofs lassen uns von den Autokraten der Welt die Debatte darüber auf diktieren, wir lassen die Putins , Erdogans, Orbans und Co nicht auflaufen.

Komme auf den servant leader zurück. Wir können diese rückständigen , mit menschenverachtenden Methoden und Selbstbereicherungs-Attiduten der Potentaten einfach zu lasch entgegen. Bedeutet z.B. Visegrad-Staaten raus aus den Bemühungen um die vereinten Nationen Europas, die haben eh nichts Großes dazu beizutragen. Werkbänke und Geldströme so einsetzen, dass die Idee der vereinten Nation Europas eine Chance hat.

Vielleicht wäre ein Coup a la Bismarck hilfreich. Also erst einmal ist die Nation die Klammer immer noch dessen heute , was die Rechtssicherheit und Hallt im Dasein des Globalen gibt. So wie wir in D aufgestellt sind werden wir wenig zur Fortentwicklung hin zu den vereinten Nationen liefern können. Wir sind schlechte Verkäufer der gewollten Bindung, wir merkeln lieber..
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(25 Jul 2017, 19:10)

Weitestgehend einverstanden; vielleicht noch das dumpfe Gefühl, daß Untertanen kaum besser gestellt als Leibeigene selten ein Gefühl der aufrichtigen Treue zu ihrem Herrn und seinem Herrschaftsbereich entwickeln... die sind nur zu gern abgehauen nach Amerika oder sonst wo hin. So war aber die Welt beschaffen bis zur französischen Revolution.

Aber dann setzte doch in Frankreich ein Nationalgefühl ein, wie es sich dann im Text der Marseillaise Bahn brach. Da gab es dann schon "wir" und "die anderen". Später dann wieder die "Klassenbrüder" über alle Völker hinweg. Aber der Nationalismus hat die Zeiten besser überstanden.
ich weiß nicht ob ich hier »ja« sagen muß. erinnere mich zu gut unsere geschichte, und die geschichte von anderen ländern.

1672 war was wir nannten das »katastrophenjahr«. das volk war blind vor wut; die regierung war ratlos und das land schien rettungslos verloren (het volk was redeloos; de regering radeloos en het land reddeloos).
da schrie die bevölkerung nach dem hausen oranien. gerade das, was die regenten hatten versucht zu widerstreben, passierte dann doch. wilhelm III, der später auch könig von GB/E (??) wurde, wurde zum statthalter ernannt.
das haus oranien war und ist bis heute das synonym fur nationalstolz.

die schoten haben sehr lange versucht ihre unabhängigkeit von england zu bekämpfen. auch bei skandinavien sieht man was derartiges.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(25 Jul 2017, 19:44)

ich weiß nicht ob ich hier »ja« sagen muß. erinnere mich zu gut unsere geschichte, und die geschichte von anderen ländern.

1672 war was wir nannten das »katastrophenjahr«. das volk war blind vor wut; die regierung war ratlos und das land schien rettungslos verloren (het volk was redeloos; de regering radeloos en het land reddeloos).
da schrie die bevölkerung nach dem hausen oranien. gerade das, was die regenten hatten versucht zu widerstreben, passierte dann doch. wilhelm III, der später auch könig von GB/E (??) wurde, wurde zum statthalter ernannt.
das haus oranien war und ist bis heute das synonym fur nationalstolz.

die schoten haben sehr lange versucht ihre unabhängigkeit von england zu bekämpfen. auch bei skandinavien sieht man was derartiges.
Oh je, ohne wiki läuft da bei mir nichts mehr. Mein Eindruck: Da haben sich Adelsfamilien abgelöst und sich wechselseitig zur Provinz anderer Adelsfamilien machen lassen. So richtig Volk und Vaterland, das gehört eher in die Zeit nach der französischen Revolution.

Oder wir machen aus dem Volk von Rom eine Nation: SPQR. Sono pazzi questi Romani gez. Asterix
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Woppadaq »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Jul 2017, 09:15)

Die gedankliche Verbindung und Assoziation von "Nation" und "Staat" ist eben ein historisch vergleichsweise sehr sehr junges Phänomen. Katharina die Große von Russland stammte aus einem Fürstengeschlecht von Sachsen-Anhalt-Zerbst, Friedrich der Große von Prueßen sprach meist französisch ... es gab in Europa noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine Gruppe von einflussreichen Familien mit einem jeweiligen geographischen Machtbereich. Und es gab und gibt natürlich Sprachverbreitungsräume. Aber das wars schon. Für das einfache Volk gab es bis dahin nicht einmal durchgängig Schulen, und es konnte sich eine solche Vorstellung vom Platz der eigenen Nation eigentlich kaum herausbilden. Erst mit dem Aufstieg des Bürgertums Anfang, Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich dieser (heutige) Nationenbegriff dann herauszubilden. Und gegenwärtig löst er sich gerade schon wieder auf.
Du redest gerade von Deutschland? Weil andere Nationen wie die Franzosen, die Schweizer, die Polen oder die Schweden kannst du nicht meinen. Da gab es Nationalbewusstsein schon, bevor man sich in Deutschland auf eine gemeinsame Sprache, das hochdeutsch, geeinigt hatte.

Nationalbewustssein speist sich nicht nur aus den Strukturen, die die Staaten oder Reiche mit dem Volk schufen, sondern auch aus dem, was diese Nationen zusammen erreichten oder erlebten. Deswegen war in meinen Augen Österreich immer eine andere Nation als das Deutschland, was sich mit dem Norddeutschen Bund erst entwickeln sollte. zum einen war es ein Kaiserrreich, zum zweiten war es Besatzungsmacht von anderen Nationen wie die Ungarn, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Kroatier. Ihr Interesse an Deutschland war nicht annähernd so gross wie bei den Preussen, die der eigentliche Kitt von Deutschland waren.
"Nationalbewusstsein" ist also eine temporäre, vorübergehende Erscheinung. Die Begleiterscheinung einer soziologischen Entwicklung, die mit Industrie, Handel, Städtewachstum, Bildung, Familienstruktur zusammenhängt. Keineswegs auch nur annähernd eine Art anthropologische Konstante oder Universalie.
Damit kannst du die Existenz von Weissrussland z.B. nicht wirklich erklären. Oder warum die Schotten selbst 300 Jahre nach Zusammenlegung mit England wieder nach Unabhängigkeit streben.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Woppadaq hat geschrieben:(26 Jul 2017, 20:51)

Du redest gerade von Deutschland? Weil andere Nationen wie die Franzosen, die Schweizer, die Polen oder die Schweden kannst du nicht meinen. Da gab es Nationalbewusstsein schon, bevor man sich in Deutschland auf eine gemeinsame Sprache, das hochdeutsch, geeinigt hatte.

Nationalbewustssein speist sich nicht nur aus den Strukturen, die die Staaten oder Reiche mit dem Volk schufen, sondern auch aus dem, was diese Nationen zusammen erreichten oder erlebten. Deswegen war in meinen Augen Österreich immer eine andere Nation als das Deutschland, was sich mit dem Norddeutschen Bund erst entwickeln sollte. zum einen war es ein Kaiserrreich, zum zweiten war es Besatzungsmacht von anderen Nationen wie die Ungarn, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Kroatier. Ihr Interesse an Deutschland war nicht annähernd so gross wie bei den Preussen, die der eigentliche Kitt von Deutschland waren.
Aus meiner Sicht verrühren Sie die Neuzeit mit den aufkommenden Nationalstaaten mit den Stammesherrschern, die ihr Herrschaftsgebiet über andere Stämme ausdehnten, sie aufsaugten oder aber sein ließen, was sie waren. Dadurch wird aber die Definition, wann denn ein Nationalstaat im heutigen Sinne entstand, ziemlich unscharf und widersprüchlich.
Damit kannst du die Existenz von Weissrussland z.B. nicht wirklich erklären. Oder warum die Schotten selbst 300 Jahre nach Zusammenlegung mit England wieder nach Unabhängigkeit streben.
Warum soll nicht in einem großen Reich wie dem Russischen Kaiserreich bei passender Gelegenheit ein Gebiet sich loslösen, das sich in Religion und Sprache von anderen Provinzen sehr deutlich unterschied und das in seiner Geschichte mal zu Litauen, mal zu Polen und am Ende zu Rußland gehörte, ohne deshalb Litauer oder Polen oder Russen zu sein? Dennoch schwer zu verstehen... wie auch die Schotten. Vielleicht lange Zeit vernachlässigte Provinzen?
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Woppadaq »

H2O hat geschrieben:(26 Jul 2017, 22:50)

Aus meiner Sicht verrühren Sie die Neuzeit mit den aufkommenden Nationalstaaten mit den Stammesherrschern, die ihr Herrschaftsgebiet über andere Stämme ausdehnten, sie aufsaugten oder aber sein ließen, was sie waren. Dadurch wird aber die Definition, wann denn ein Nationalstaat im heutigen Sinne entstand, ziemlich unscharf und widersprüchlich.
Sorry, aber ein Nationalbewusstsein ist nicht an einen bestimmten Staat gebunden, sondern an eine Nation. Dass das Phänomen des Nationalstaates recht jung ist, will ich nicht abstreiten.
Warum soll nicht in einem großen Reich wie dem Russischen Kaiserreich bei passender Gelegenheit ein Gebiet sich loslösen, das sich in Religion und Sprache von anderen Provinzen sehr deutlich unterschied und das in seiner Geschichte mal zu Litauen, mal zu Polen und am Ende zu Rußland gehörte, ohne deshalb Litauer oder Polen oder Russen zu sein? Dennoch schwer zu verstehen... wie auch die Schotten. Vielleicht lange Zeit vernachlässigte Provinzen?
Es kann auch genau umgekehrt sein: eine Provinz ist sich ihrer industriellen Macht bewusst, will sie aber nicht mehr teilen. War definitiv bei Slowenien der Fall.

Ich denke aber, dass Nationen in sich selbst eine Struktur schaffen, die auch durch andere Herrschaftshäuser selbst bei rigorosen Vorgehen nicht beseitigt werden können. Auf diese Strukturen besinnt man sich wieder, wenn es mit grösseren Staatsstrukturen nicht mehr so läuft.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von H2O »

Woppadaq hat geschrieben:(26 Jul 2017, 23:01)

Sorry, aber ein Nationalbewusstsein ist nicht an einen bestimmten Staat gebunden, sondern an eine Nation. Dass das Phänomen des Nationalstaates recht jung ist, will ich nicht abstreiten.
Genau darum ging es mir. Denn andernfalls gibt es einen Wettstreit, welche der heutigen Nationen die älteste ist. Und dann haben wir etliche 1000-jährige und mindestens eine 3000-jährige Nation in der EU.
Es kann auch genau umgekehrt sein: eine Provinz ist sich ihrer industriellen Macht bewusst, will sie aber nicht mehr teilen. War definitiv bei Slowenien der Fall.
Unbestritten gibt es viele Ausgangspunkte, wie aus einer Provinz ein Staat und eine Nation entstehen kann. Ich vermute, daß den Slowenen als alter slawischer Sprach- und Volksgruppe die alltägliche Dominanz der Serben unerträglich wurde. Unter Tito wurden viele Anstrengungen gemacht, um die Minderheiten zufrieden zu stellen. Das versuche man einmal, wenn ein dominierendes Teilvolk wie die Serben vor Nationalismus schier zerplatzt!
Ich denke aber, dass Nationen in sich selbst eine Struktur schaffen, die auch durch andere Herrschaftshäuser selbst bei rigorosen Vorgehen nicht beseitigt werden können. Auf diese Strukturen besinnt man sich wieder, wenn es mit grösseren Staatsstrukturen nicht mehr so läuft.
Das sehe ich auch so, wenn einmal das Empfinden, doch einem Volk an zu gehören, sich entwickelt hat. Das könnte die Schotten bewegen oder bewegte eben die Slowenen zur Unabhängigkeit. Erfreulich, daß diese beiden Völker sich nun besonders gut in der EU aufgehoben fühlen.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Woppadaq hat geschrieben:(24 Jul 2017, 21:37)

(…) Aber ja, Österreich ist eine andere Nation als Deutschland. (…)
War die DDR eine „andere Nation“ als die Bundesrepublik? Worin unterscheiden sich die Staaten Österreich und Deutschland als „Nation“? Ich kann keine signifikanten Unterschiede erkennen!
Inwiefern war das deutsche Kaiserreich eine unvollständige Nation?
Im 19. Jahrhundert, vorallem seit der Revolution 1848, wurde in politisch-intellektuellen Kreisen diskutiert, ob eine deutsche Nationalstaatsbildung mit oder ohne Österreich erfolgen könne oder solle. Ausgangspunkt aller Betrachtungen war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, und zu diesem hatte auch Österreich gehört. Bismarck hat dadurch Fakten geschaffen, dass Österreich 1871 nicht Teil des Kaiserreiches wurde. Das nannten die damaligen Zeitgenossen eine „kleindeutsche Lösung“, man sprach auch von einer „unvollständigen Nation“.

Hitler hat, wie bekannt, 1938 Österreich „heim ins Reich“ gezwungen. Seitdem nannte man, an die Diskussionen des 19. Jahrhunderts anknüpfend, Deutschland auch „Großdeutsches Reich“ oder „Großdeutschland“.
MfG

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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von think twice »

Hieronymus hat geschrieben:(28 Jul 2017, 17:18)

War die DDR eine „andere Nation“ als die Bundesrepublik? Worin unterscheiden sich die Staaten Österreich und Deutschland als „Nation“? Ich kann keine signifikanten Unterschiede erkennen!
Ist Nation nicht einfach nur ein anderer Begriff für Staat?
Hieronymus
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

Woppadaq hat geschrieben:(26 Jul 2017, 20:51)

Nationalbewustssein speist sich nicht nur aus den Strukturen, die die Staaten oder Reiche mit dem Volk schufen, sondern auch aus dem, was diese Nationen zusammen erreichten oder erlebten.
Es gab ein „gemeinsames Erleben“, und das über viele Jahrhunderte, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.
Deswegen war in meinen Augen Österreich immer eine andere Nation als das Deutschland, was sich mit dem Norddeutschen Bund erst entwickeln sollte. zum einen war es ein Kaiserrreich, zum zweiten war es Besatzungsmacht von anderen Nationen wie die Ungarn, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Kroatier. Ihr Interesse an Deutschland war nicht annähernd so gross wie bei den Preussen, die der eigentliche Kitt von Deutschland waren.
Das deutsche „Nationalbewusstsein“ entwickelte sich in Auseinandersetzung mit der französischen Revolution bzw. ihren Eroberungen, und ganz besonders in Abgrenzung zur rücksichtslosen Herrschaft Napoleons. Nach 1815, besonders seit der Revolution 1848, wurde in politisch-intellektuellen Kreisen intensiv die Frage einer klein- (= ohne Österreich) oder großdeutschen (= mit Ö.) Reichsbildung diskutiert, an der sich auch die Deutschen Österreichs beteiligten. Diese Diskussion blieb wie in Deutschland, so auch in Österreich lebendig. Das belegen auch dortige Bestrebungen, nach dem WK I und dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie dem Deutschen Reich beizutreten, dem das ebenfalls zugesagt hätte, was aber von den siegreichen Alliierten verboten worden ist.

Was das Kaiserreich Österreich-Ungarn angeht, so war es ein Vielvölkerreich, in dem Österreich keineswegs als „Besatzungsmacht“ fungierte. Alle Länder waren über die Dynastie der Habsburger miteinander verbunden, jedes Land, besonders umfangreich Ungarn, hatte Autonomie- bzw. Selbstverwaltungsrechte, was auch in der Bezeichnung als sog. „k. u. k. Monarchie“ zum Ausdruck kam: „kaiserlich“ (Österreich), aber eben auch „königlich“ (Ungarn, Böhmen). Damals bestand die „k. u. k. Monarchie“ aus „Nationen“, und die Österreicher fühlten sich als Deutsche.
MfG

H.
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Re: Rückkehr des Nationalismus in der EU

Beitrag von Hieronymus »

think twice hat geschrieben:(28 Jul 2017, 17:22)

Ist Nation nicht einfach nur ein anderer Begriff für Staat?
Früher nein, heute ja.
MfG

H.
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