Wohl nicht. Selbst in Italien verpufft die kurzfristige Aufmüpfigkeit wieder. In Spanien und Griechenland will man derzeit davon auch nichts hören. Auf WELT ONLINE ist ein Interview mit Niall Ferguson, ein britischer Wissenschaftler, zu diversen Fragen bezüglich EU und Eurozone vorhanden.
Da sollte man auch ein Buch in Portugal nicht überbewerten. Es spricht ja nichts dagegen, diverse Szenarien mal durchzurechnen und zu schauen, welche Alternative langfristig die sinnvollste für Europa ist. Bloß wird die Debatte ja seit Jahren geführt.
Insgesamt sieht es eher so aus, als würde der Widerstand zunehmen und sich über den ganzen Mittelmeerraum ausbreiten. Es ist eben keine kurzfristige Aufmüpfigkeit, sondern ein auf lange Sicht angelegter Widerstand, der es nicht ertragen will, weiter innerhalb der Eurozone zu Armut, Demokratieabbau und Massenarbeitslosigkeit verdammt zu sein. Die Leidensfähigkeit der Menschen im Mittelmeerraum ist erschöpft und sie organisieren jetzt zunehmend Widerstand gegen das Euro-Projekt. Daß die momentane Situation zu verbreiteter Resignation, Hoffnungslosigkeit und sich-in-sein-Schicksal-fügen führt stimmt insgesamt nicht. Die Leute lassen sich nicht alles gefallen und organisieren Gegenwind.
Deswegen hat Ferguson im Interview auch Unrecht, wenn er meint, die euroskeptische Parteien hätten ihren Zenit schon überschritten. Schließlich haben sich die beiden griechischen Pro-Drachmen-Parteien erst in den letzten Monaten gegründet und auch in Portugal ist die Debatte durch das neue Buch voll entflammt und geht durch die gesamte Bevölkerung, die Medien und die politischen Parteien. Das ist übrigens relativ neu, denn 2009 galt die Position des Euro-Austritts noch als randständig und wurde kaum geführt, erst seit 2011 ist die Debatte entflammt und nimmt jetzt wieder Fahrt auf. Auch in Griechenland wird innerhalb der politischen Parteien erst seit Ende 2012 verbreiteter über einen Euro-Austritt diskutiert, während das Thema vorher auch bei Parteien wie der Syriza, die das Troika-Memorandum ablehnten, tabuisiert war. Seit Anfang 2013 zieht die Debatte aber immer weitere Kreise und es haben sich erstmals zwei Parteien gegründet, die sich explizit für die Wiedereinführung der Drachme einsetzen. Das war 2012 noch nicht der Fall. Auch in Italien wird erst seit Anfang 2013 mit dem Erstarken von Grillos 5-Sterne-Bewegung der Euro-Austritt offen diskutiert, während das Thema vorher ein Tabu-Sujet war.
Es hat sich also seit 2009/2010 eine Menge in Südeuropa geändert und der damals noch kaum ins Spiel gebrachte und als randständig beurteilte Euro-Austritt wird jetzt in der gesamten Gesellschaft diskutiert, von immer mehr Ökonomen befürwortet und es bilden sich immer mehr Parteien, die explizit den Euro-Austritt als Hauptprogrammpunkt haben. Das war 2009 unvorstellbar. Übrigens auch in Zypern, wo jetzt 80% der Bevölkerung für den Euro-Austritt sind und sich liberalkonservative wie linke Parteien für ein Referendum zu der Frage einsetzen.
Auch in Deutschland wird der Euro-Austritt erst seit 1-2 Jahren offen als ernsthafte Option diskutiert und der Trend verstärkt sich: Wir haben jetzt erstmals eine Partei, die explizit den Euro auflösen will und in Umfragen will die Mehrheit der Deutschen die D-Mark zurück, wofür auch alle rationalen wirtschaftspolitischen Erwägungen sprechen (billige Importe, starke Kaufkraft, hoher Binnenkonsum, sinkende Energie- Strom- Und Benzinpreise, günstige Auslandsreisen, Wohlstandsmehrung für die Bürger usw.).
Das Interview ist insgesamt sehr interessant, aber Fergusons Analyse ist mit vielen Fehlern behaftet und repräsentiert nicht die Meinung der meisten Briten. Vor allem verschweigt Ferguson, als er von der UKIP spricht, das seine pro-Euro-Position momentan eine absolute Minderheit in Großbritannien ist und die deutliche Mehrheit der Briten sogar die EU verlassen will. Die einzige offen für die EU eintretende Partei, die LibDems, sind auf 6% abgerutscht, die UKIP liegt momentan in Umfragen zwischen 19 und 23%.
Während Ferguson (euroskeptisch übersetzt) für Großbritannien euroskeptische Hoffnung sieht, scheint er der Zukunft des Kontinentes aber sehr pessimistisch entgegenzublicken und meint, die Bürger der Eurozone würden sich widerstandslos in einen Superstaat führen lassen. Bei den vielen Anti-Euro-Parteien, die neu entstehen bzw. große Erfolge haben von Finnland bis Zypern scheint seine Hoffnungslosigkeit aber nicht ganz berechtigt, auch wenn die Eurozone ein sehr starrer Block ist und die Länder so stark darin gefangen sind, daß es schwer wird, diese Strukturen aufzubrechen.
Da in der "Welt" aber selten Euroskeptiker zu Wort kommen und selbst aus Britannien noch die winzige Minderheit der Euro-Befürworter eingeladen wird, werde ich als Gegengewicht mal eine Rede von Geert Wilders einstellen, die sicherlich nicht an jedem Punkt recht hat und auch diskussionswürdig ist, aber interessante Einsichten vermittelt.
Vor allem analysiert Wilders messerscharf die jetzige Lage Europas, bennent die Schuldigen und die Probleme klar und deutlich und zeigt mögliche Lösungen auf. Er thematisiert die Eurokrise, Aufstieg und Chancen euroskeptischer Parteien in Europa und die relativ neue langsam zum Mainstream werdende Infragestellung des Euro innerhalb der meisten Mitgliedsländer.
Da es sehr lang ist und auch Themenabschnitte zum Islamismus und zu Israel enthält, habe ich die besten Sequenzen zum Thema herausgesucht.
Zuerst beschreibt Wilders den Zustand der EU und nennt Gründe der Krise und bennent die Schuldigen.
Europa befindet sich in einem schrecklichen Zustand. Stück für Stück verlieren europäische Länder ihre nationale Souveränität. Die Wirtschaft liegt am Boden.
Die Europäer fühlen, daß die Kluft zwischen ihnen und denen, die sie regieren, sich vergrößert. Viele fühlen sich nicht länger von ihren Politikern repräsentiert. Es ist eine vollständige Entkopplung erfolgt zwischen den Leuten, die über Europa herrschen, und den Leuten, die darin leben.
Die Schuld dafür liegt zu einem Großteil bei der Europäischen Union und dem schwachen Führungsverhalten innerhalb der europäischen Länder, die ihre nationale Souveränität aufgegeben haben. Die EU kann nicht mit den Vereinigten Staaten verglichen werden. Europa ist ein Kontinent von vielen verschiedenen Völkern mit ihren eigenen Identitäten, Traditionen und Sprachen. Die EU ist eine supranationale Organisation, aber ihre Führer wollen sie in einen Staat verwandeln. Zu diesem Zweck zerstören sie Wohlstand, Identität und Freiheiten der bestehenden Nationalstaaten in Europa.
Wilders wirbt eindeutig für ein Umdenken in Sachen Europa und eine Dezentralisierung Europas sowie für die Wiedererrichtung der staatlichen Souveränitäten und der Demokratie.
Liebt Euer Land und schätzt seine nationalen Institutionen. Solange Ihr dies tut, wird Euer Land das Land der Freien bleiben. Aber wenn Ihr darin versagt, werdet Ihr Eure Freiheiten verlieren. Dies ist die Lektion, die wir Europäer auf die harte Tour gelernt haben in den vergangenen sechs Jahrzehnten des Experimentierens mit dem EU-Transnationalismus.
Und das allerschlimmste, meine Freunde, das allerschlimmste ist, daß wir es hätten besser wissen können und sollen.
In ihrem letzten Buch „Statecraft“ schrieb Margaret Thatcher — ich zitiere: „Daß ein derart unnötiges und irrationales Projekt wie der Aufbau eines europäischen Superstaates jemals begonnen wurde, wird in zukünftigen Jahren wahrscheinlich als die größte Torheit der modernen Ära überhaupt angesehen werden.“ — Zitat Ende.
Er bezieht sich dabei auf den tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus, der schon lange vor den zentralistischen Tendenzen in der EU gewant hat.
Während seiner zehn Jahre im Amt weigerte sich Präsident Klaus, die EU-Flagge über dem tschechischen Präsidentenpalast wehen zu lassen. Er weist darauf hin, daß die EU — ich zitiere — „auf einer starken und gängelnden Regierung basiert, auf umfassender Regulierung menschlichen Verhaltens und großflächiger Umverteilung von Einkommen. Sie verschiebt die Regierung eine Stufe nach oben, was bedeutet, auf eine Ebene, wo es keine demokratische Rechenschaftspflicht gibt und wo Entscheidungen von Bürokraten getroffen werden, die von Politikern ernannt wurden, nicht von Bürgen in freien Wahlen gewählt.“ — Zitat Ende. Herr Klaus.
Wilders analysiert auch den Zustand des Euro und die Katastrophe, die er ausgelöst hat, klar und eindeutig.
Alle Länder, die dem Euro beigetreten sind, haben die Macht verloren, ihre Währung an ihre eigenen wirtschaftlichen Bedürfnisse anzupassen. Sie haben ihre Volkswirtschaften zerstört und haben ihre Menschen zu steigender Armut und Arbeitslosigkeit verurteilt.
Letztes Jahr hat meine Partei, die niederländische Partei für die Freiheit, eine Studie bei dem renommierten britischen Büro Lombard Street Research über die bisherigen Kosten des Euro für die Niederlande in Auftrag gegeben.
Die Studie hat ergeben, daß, seit die Niederländer den Euro eingeführt haben, das Wachstum in den Konsumausgaben nicht mehr länger dem Wachstum des BIP entspricht, so wie es war bevor wir dem Euro beitraten und wie es immer noch ist in all den Ländern, die der Eurozone ferngeblieben sind. Der Preis dafür war ein gigantischer Rückgang in den Konsumausgaben.
Die EU-Länder haben auch die Souveränität über ihre eigenen nationalen Haushalte verloren. Die Europäische Kommission — nicht unsere nationale Regierung — entscheidet, wie groß ihre Defizite und nationalen Schulden sein dürfen. Sie verhängt Sparmaßnahmen. Aber zur gleichen Zeit verlangt sie, immer größere Summen nach Brüssel zu überweisen oder an sogenannte Rettungsoperationen für den Euro und um Ländern wie Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern aus der Klemme zu helfen.
Im Gegensatz zu Ferguson sieht Wilders eine langfristig wachsende EU- und euro-kritische Stimmung in Europa. In Ländern wie Österreich oder den Niederlanden wird sogar ein EU-Austritt offen diskutiert, während dort vor wenigen Jahren selbst eine Diskussion über einen Euro-Austritt undenkbar war.
Eine Umfrage nach der anderen ergibt, daß gewöhnliche Europäer nicht wollen, daß ihre Demokratie untergraben wird. Letzten April ergab eine paneuropäische Umfrage, daß eine klare Mehrheit der Bevölkerung in den großen EU-Mitgliedsstaaten der EU als Institution nicht länger vertraut. Sogar in Deutschland hat diese Zahl fast 60% erreicht.
Diese Woche zeigte eine Gallup-Umfrage, daß zum ersten Mal in der Geschichte der Niederlande genauso viele Menschen die EU verlassen wollen wie drinbleiben wollen. Vor ein paar Jahren war dies undenkbar.
Wir können daran, wie die EU mit der Krise der Eurozone umgeht, sehen, wie der Mechanismus funktioniert. Anstatt den zerstörerischen Weg zu verlassen, dem man bislang gefolgt ist, benutzt Brüssel die Krise, um eine noch stärkere Kontrolle über die Mitgliedsstaaten zu erzwingen.
Die Europäische Union kann ganz einfach nicht demokratisiert werden, weil die gesamte Struktur auf einer Negation von Demokratie aufgebaut ist. Wie Präsident Klaus dargelegt hat, kann es keine europäische Demokratie geben, weil es keinen europäischen Demos gibt — kein europäisches Volk. Es kann nur verschiedene europäische Demokratien geben — Plural! — in den verschiedenen europäischen Nationen. Was die EU tut, ist diese verschiedenen Demokratien zu zerstören.
Wilders teilt die pessimistische Haltung Fergusons, der glaubt, daß sich die Bürger in der Eurozone ohne Widerstand in einen von ihnen nicht gewollten Superstatt führen lassen, keineswegs. Er sieht enormes Widerstandspotential und spielt dabei grade auf liberalkonservative und souveränistische Parteien an.
Überall in Europa wachsen die Anti-EU-Gefühle. Überall in Europa gibt es patriotische Parteien, die die Wiederbelebung von Nationalstolz in ihren Ländern reflektieren, sei es die Niederlande, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Finnland, Dänemark, Österreich, Italien, Flandern, die Tschechische Republik, Deutschland und die anderen Nationen, die gegenwärtig in der Europäischen Union gefangen sind.
Wie ich sagte, hier sind die guten Nachrichten.
Europa könnte sich am Beginn eines fundamentalen Wandels zum Besseren befinden. Wir scheinen am Vorabend eines bedeutenden und wahrhaft historischen Ereignisses zu stehen. In Europa ist die Zeit reif für eine glorreiche demokratische und gewaltlose Revolution, um unsere nationalen Freiheiten zu erhalten und unsere Souveränität wiederherzustellen.