H2O hat geschrieben:(19 Feb 2017, 17:33)
Manchmal überwiegt auch bei mir der Eindruck, daß die Aussicht auf einen EU-Beitritt tatsächlich das Bemühen der Balkanstaaten um gute Regierungsführung befeuert. Aber gleich nach erreichtem Ziel kommt der Rückfall in alte Gewohnheiten, nun wohl verstärkt durch höhere Mittel, die aus EU-Schatullen reichlich verfügbar sind. Ein wenig ermutigend nun der Volkszorn in Rumänien, der sich an der ganz ungeniert versuchten Legalisierung der Korruption entzündet hat. Hoffen wir also daß das kein kurzzeitiges Aufbäumen war, sondern eine dauerhafte Wende.
Wobei die Wut der Rumänen ja nicht gegen die EU gerichtet ist, im Gegenteil. Die Bürger demonstrieren gegen ihre nationale Regierung, weil sie -- vermutlich wohl aus guten Gründen -- fürchten, dass es wieder Rückschritte bei der Korruptionsbekämpfung geben könnte. So wie ich's aber mitbekam, hat die Regierung das umstrittene Gesetz aufgrund der Proteste zurückgezogen und strebt nun einen Volksentscheid an.
Populisten suggerieren gerne, dass mit und in der EU alles schlechter wird. Es gehe abwärts. Permanent. So werden Ängste verstärkt. Sie sollen Stimmen bringen. Ängste machen aber auch blind. Blind für den Kampf der Rumänen zum Beispiel.
Seit mehr als zwei Wochen demonstrieren sie zu Hunderttausenden gegen eine Regierung, die gewissermaßen das Klauen legalisieren wollte. Die Kundgebungen sind voller EU-Flaggen.
http://blog.zeit.de/ladurnerulrich/2017 ... trationen/
Ich habe volles Verständnis dafür, daß junge Leute in Kroatien wenig Lust haben, ihren heimischen Saustall eigenhändig aus zu misten. Dann haben wir diese jungen Talente und ihren Gemeinsinn in unserer Mitte. Was tun mit einem EU-Land, das nach Lage der Dinge offenbar überaltert und seine Bildungseliten zusehends verliert?
Kann es sein, daß die Grundfreiheiten in Rumänien noch nicht wirksam sind, und daß deshalb die Rumänen mit politischen Maßnahmen gegen die Mißstände in ihrem Lande angehen? Fast könnte man vorher sehen, was geschehen wird, wenn diese Freiheiten endlich auch dort in Kraft gesetzt werden.
Müßte sich nicht schon längst die EU, also das EU-Parlament und der EU-Ministerrat, über diese systematischen Schieflagen Gedanken machen und Abhilfen suchen?
Naja, so überaltert wie Deutschland ist Kroatien ja nicht und für die Sozialsysteme, sowohl bei uns als auch im Herkunftsland, ist es ganz gut, wenn die Leute in Deutschland einzahlen statt in Land X Arbeitslosengeld zu kassieren. Und nach Deutschland kamen ja schon viele Rumänen und Bulgaren in den letzten Jahren. Die fallen nur meistens nicht auf.
Freizügigkeit genießen sie schon auf dem Balkan. Ich hab jetzt nur die Zahlen von 2014 und vermute, dass die heutigen höher sind, aber demnach leb(t)en in Deutschland 137.000 Bulgaren, 596.000 Rumänen und 361.000 Kroaten. (Mikrozensus 2014 vom Statistischen Bundesamt:
https://www.destatis.de/DE/Publikatione ... cationFile S. 128)
Und die Kommission ist mit der Schieflage ja beschäftigt. Nicht grundlos legte Juncker einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Wunder kann er aber auch nicht bewirken, da die Wirtschaftspolitik in Händen der Nationalstaaten liegt und die EU somit neben Vorschlägen nur finanzielle Förderungen anbieten kann.