Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

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adal
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 18:18 hat geschrieben:Oh, hat sich das Thema Medienbehörde nun für Dich erledigt oder warum verweist Du jetzt darauf, daß sich ein paar ausländische Großkonzerne über Steuern beschweren? Hab mir extra Mühe gegeben, Dir die Chose möglichst einfach zu erklären. Mensch Adal, so schnell am Ende? :?: :(
Im Flaming bist du Klasse. Zur Frage, ob in Deutschland Zensur stattfindet, kam von dir bisher nur bräunlich angehauchte heiße Luft.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

adal » Sa 1. Jan 2011, 18:21 hat geschrieben: Im Flaming bist du Klasse. Zur Frage, ob in Deutschland Zensur stattfindet, kam von dir bisher nur bräunlich angehauchte heiße Luft.
Das stimmt. Es ist sehr braun, wenn man darauf verweist, daß z.B. volksverhetzende, nationalsozialistische und/oder jugendgefährdende Inhalte in Deutschland bestraft werden. Sehr gut erkannt. Da hilft es auch sehr, den anderen als dumm zu bezeichnen, wenn einem zum eigentlichen Thema nichts mehr einfällt, um sein Geplappere irgendwie aufrechtzuerhalten. Du läßt wirklich nach, adal. Oder einfach nur das falsche Thema? Hast Dich ja zum Thema Jugendschutz, Medienanstalten usw. sehr verrannt und die Punkte lieber schnell weggeschoben.

Ich kann's ja nochmal sagen: wartet die Praxis ab und schreit los, wenn unangemessene Strafen ausgesprochen werden. Wenn die Opposition, sofern es sich nicht um Extremisten handelt, in den Medien benachteiligt wird, bin ich sicherlich einer der Ersten, die sich darüber empören. Aber das, was in Ungarn nun eingeführt wurde, ist fernab von "Menschenrechtsverletzungen" oder gar hin zu einer Diktatur, die man mit dem Dritten Reich vergleicht. Ansonsten haben wir ziemlich viele Diktaturen in Europa, aber es soll ja Menschen gegeben, die dies so sehen ...
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 18:29 hat geschrieben:Das stimmt. Es ist sehr braun, wenn man darauf verweist, daß z.B. volksverhetzende, nationalsozialistische und/oder jugendgefährdende Inhalte in Deutschland bestraft werden. Sehr gut erkannt.
Du eierst. Ist für dich der Jugendschutz und der Straftatbestand der Volksverhetzung jetzt Zensur, namentlich politische Zensur? Ja oder ja?

Und auf welche Weise ließe sich damit politische Berichterstattung manipulieren, abgesehen mal vom Verbot islamistischer oder nationalsozialistischer Pamphlete mit eindeutig volksverhetzendem Inhalt? Nenn doch endlich mal Beispiele, wo deiner Meinung nach in Deutschland Zensur stattfindet?
Zuletzt geändert von adal am Sa 1. Jan 2011, 18:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

adal » Sa 1. Jan 2011, 18:40 hat geschrieben:Du eierst. Ist für dich der Jugendschutz und der Straftatbestand der Volksverhetzung jetzt Zensur, namentlich politische Zensur? Ja oder ja?

Und auf welche Weise ließe sich damit politische Berichterstattung manipulieren, abgesehen mal vom Verbot islamistischer oder nationalsozialistischer Pamphlete mit eindeutig volksverhetzendem Inhalt? Nenn doch endlich mal Beispiele, wo deiner Meinung nach in Deutschland Zensur stattfindet?
Ich eiere, weil Du mal wieder alles als braun abstempelst, wenn Dir die Argumente ausgehen und Dir zum Thema einfach nichts mehr einfällt? Du änderst Deine billige Masche wohl nie. :rolleyes:

Du setzt Bußgelder von Behörden mit staatlicher Zensur gleich, nicht ich. Und dies geschieht in Ungarn wie auch in Deutschland oder Frankreich, egal ob die Inhalte nun politisch sind oder nicht. Und selbst wenn Du im Bürgerfunk zur Gewalt aufrufst, ist dies nicht mit der Pressefreiheit gedeckt, versteh bzw. akzeptier doch endlich. Du verstößt damit gegen Gesetze. Und wenn dies in Ungarn auch der Fall ist, finde ich das äußerst begrüßenswert. Und Bußgelder für jugendgefährdende Inhalte sind keine Zensur. Empfindest Du denn die deutsche Demokratie als gefährdet, wenn um 15 Uhr auf RTL weder Hitlerjunge Quex noch blutige Metzelfilme noch Pornos laufen dürfen? Selbst für Dieter Bohlens DSDS-Sprüche, die nach Ermessen von Prüfern "unsozial" und "beleidigend" seien, wurde RTL schon zu einer sechsstelligen Summe verdonnert. Das nimmt aber kaum einer zur Kenntnis. Wenn es in Ungarn eine Grundlage für solche Strafen gibt, schreit aber jeder los. Warum? Das ist demnach (nach Deiner kleinen Sichtweise) doch Zensur, zumal RTL auch noch aufgefordet wurde, die entsprechenden Inhalte aus ihrer Internetplattform zu entfernen. Ich bezeichne dies nicht als Zensur. Warum auch?

Die Behörde manipuliert und zensiert nicht, sondern kann bei Gesetzesverstoß Bußgelder verhängen. Wenn Du den Unterschied nicht erkennen willst oder ihn für irrelevant hältst, kann ich das auch nicht ändern. Eine Diktatur der Medien ist es sicherlich nicht. Und nochmal: so lange in Ungarn keine unangemessenen Strafen ausgesprochen werden, die unanfechtbar sind und in anderen EU-Ländern nicht auch geahndet würden, braucht man hier nicht aufschreien und sich unnötig empören, nur weil in Ungarn rechte Parteien gewählt wurden und die ein Gesetz verabschiedet hat, das wohl böse, undemokratisch usw. zu sein hat.
Zuletzt geändert von frems am Sa 1. Jan 2011, 19:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 19:05 hat geschrieben:Du setzt Bußgelder von Behörden mit staatlicher Zensur gleich, nicht ich.
Willst du dich schon wieder lächerlich machen?
Bei Verstößen gegen vage Vorschriften im Mediengesetz drohen hohe Geldstrafen, die für manche Medien den Ruin bedeuten können.

DIE ZEIT, Jan-Werner Müller:

...Bereits im Vorfeld der Wahl hatte er [Orban] versprochen, nun werde endlich Schluss sein mit dem ewigen Parteienhader; eine einzige Partei solle langfristig stabil regieren und den authentischen Volkswillen zur Geltung bringen.

Orbán argumentiert klassisch populistisch: Das ganze komplizierte System von Gewaltenteilung und checks and balances ist angeblich nur ein Hindernis, um effektiv durchzuregieren; Eliten wie Verfassungsrichter und kritische Journalisten stehen einer wahren Demokratie im Wege...
Zuletzt geändert von adal am Sa 1. Jan 2011, 19:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

adal » Sa 1. Jan 2011, 19:11 hat geschrieben: Willst du dich schon wieder lächerlich machen?
Bei Verstößen gegen vage Vorschriften im Mediengesetz drohen hohe Geldstrafen, die für manche Medien den Ruin bedeuten können.
Nein adal, ich möchte Dir nur helfen und Dein Herz schonen, das sich unnötig aufregt. :)
Im Übrigen habe ich auch diesmal mehr als einen Satz geschrieben. Langsam fürchte ich aber, daß Du nicht nur darauf angewiesen bist, Dir einzelne Begriffe herauszupicken, weil Dir nichts mehr einfällt, sondern daß Du auch noch eine Leseschwäche hast. Ansonsten müßte ich mich nicht so oft wiederholen, um Dir mal etwas zu erklären, von dem Du scheinbar keinen Schimmer hast. Kannst doch gerne einen Strang zu Ungarns böser Regierung aufmachen, wo Du solch schöne Verweise sammelst, wie z.B. das Beklagen von Großkonzernen über Steuern oder daß geahndet wird, wenn ein Lied von Polizistenmord, Enthauptungen und Mutterfickern handelt und dies ja nur angeblich jugendgefährdend sei, aber trotzdem von der staatlichen Zensur geahndet wird. ;)

Wie vage sind die Vorschriften denn? Dem Prüfungsermessen, das erwähnt wurde? Natürlich liegt es im Ermessen von Prüfern. Wie auch sonst? Verstand einschalten. Und nur weil es eine Höchstgrenze für Strafen gibt, heißt es nicht, daß diese auch unangemessen eingesetzt wird. In anderen Ländern kann eine Straftat auch den Ruin bedeuten. Wenn es in Ungarn konkrete Fälle gibt, können wir uns gerne darüber unterhalten und schauen, ob das Durchgreifen der Behörde unangemessen ist, ob Strafen unanfechtbar sind und ob es in anderen Ländern nicht genau so gehandhabt wird. Zur Zeit ist das alles nur Schwachsinn und Interpretation fernab von Tatsachen. Und da hilft es auch nicht, wenn Du alle, die Dir nicht nachplappern, als "bräunlich angehaucht" bezeichnest. Ob trifft Godwins Gesetz tatsächlich zu?

Ungarns Regierungschef Orban wies alle Vorwürfe zurück. Er nannte es «bedauerlich», dass die internationale Kritik «nichts Konkretes» enthalte, sondern «nur Befürchtungen und Drohungen». Entsprechende Gesetze gebe es schon in anderen EU-Staaten. Orbans Sprecherin sagte dazu in der Silvesternacht in Budapest, die Kritik am Gesetz beruhe auf «Missverständnissen». Gerade während der Ratspräsidentschaft werde Budapest viele Gelegenheiten haben, diese auszuräumen. Orbans Regierung hat eine starke Position, weil seine rechtspopulistische Partei FIDESZ im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt.
http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1090527

Ich denke mal, daß auch Du so langsam eingesehen hast, daß das anfängliche Gequieke ziemlich ohne Grundlage war und daß bald irgendein anderes Thema gefunden wurde, über das man sich aufregen kann. Vielleicht auch mal eins mit nachvollziehbaren Gründen. ;)
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 19:33 hat geschrieben:Natürlich liegt es im Ermessen von Prüfern. Wie auch sonst?
:D Wie auch sonst? Wie wäre es ganz ohne "Prüfer" (mal abgesehen von den deutschen Jugendschutzwächtern), wie es in demokratischen Rechtsstaaten allgemein üblich ist?
Zuletzt geändert von adal am Sa 1. Jan 2011, 19:42, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

adal » Sa 1. Jan 2011, 19:39 hat geschrieben: :D Wie auch sonst? Wie wäre es ganz ohne Prüfer (mal abgesehen von den deutschen Jugendschutzwächtern)?
Das ist eine interessante Vorstellung. Leider fällt mir kein Land in Europa ein, welches sich z.B. nicht an volksverhetzenden, extremistischen Lügengeschichten stört. Wäre für Dich die Pressefreiheit nur gewährleistet, wenn ich ohne Konsequenzen im Radio den Holocaust leugnen kann? ;)
, wie es in demokratischen Rechtsstaaten allgemein üblich ist?
Dann nenn mir doch die vielen demokratischen Rechtsstaaten, in denen Rundfunk und Printmedien nicht überprüft werden und man in diesen ohne Konsequenzen gegen Gesetze verstoßen darf. :?:
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 19:46 hat geschrieben: Leider fällt mir kein Land in Europa ein, welches sich z.B. nicht an volksverhetzenden, extremistischen Lügengeschichten stört. Wäre für Dich die Pressefreiheit nur gewährleistet, wenn ich ohne Konsequenzen im Radio den Holocaust leugnen kann?
Schon wieder der Blödsinn. Ich habe - anders als manch "Freiheitskämpfer" in diesem Forum - kein Problem mit dem Straftatbestand nach § 130 StGB, für dessen Verfolgung übrigens auch die Ungarn keine Behörde brauchen. Es gibt, du wirst es nicht glauben, sogar in Ungarn eine Justiz.

Ebensowenig habe ich etwas gegen den Jugendschutz (ob einer ein bißchen mehr oder weniger Sex und Gewalt publizieren darf, geht mir ehrlich gesagt am Arsch vorbei) und ich habe auch grundsätzlich nichts gegen den Persönlichkeitsschutz.

Aber ich hätte etwas gegen eine Zensurbehörde, die von der Regierung kontrolliert wird und über so schwammige Tatbestände zu befinden hat wie die "Ausgewogenheit" der Berichterstattung und die Erfüllung von "Informationspflichten". Verhängte Geldstrafen sind sofort zu bezahlen, die Erlaubnis zu publizieren kann zusätzlich auch sofort entzogen werden.
Zuletzt geändert von adal am Sa 1. Jan 2011, 20:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

Was für Freiheitskämpfer? Und warum sollte ich nicht glauben, daß es in Ungarn eine Justiz gibt? Und vor allem: Was hat es damit zu tun, daß man aufgrund der Justiz keine Aufsichtsbehörde benötigt? Und wie sollen Medien ohne Prüfer überprüft werden? Die Medienverträge sind nicht gerade dünn und ich zweifle, daß Du dort jemals reingeschaut hast. Könnte behilflich sein. Außerdem hast Du mir keinen "demokratischen Rechtsstaat" genannt, welches ohne solche Einrichtungen auskommt. Kommt da noch etwas Handfestes oder war es einfach nur ein erfundenes Märchen deinerseits? :?:

Oh, und ob es Dir am Arsch vorbeigeht, ist ziemlich egal. Denn genau dafür gibt es, in Deutschland wie in Ungarn, Prüfer, die Teil der jeweiligen Landesverwaltung sind.
Zuletzt geändert von frems am Sa 1. Jan 2011, 20:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 20:22 hat geschrieben: Außerdem hast Du mir keinen "demokratischen Rechtsstaat" genannt, welches ohne solche Einrichtungen auskommt.
Nenne mir doch mal einen Rechtsstaat, in dem es eine Zensurbehörde gibt, die über die "Ausgewogenheit der Berichterstattung" befindet und obendrein den betroffenen Medien sofort - ohne vorgeschalteten Gerichtsbeschluss - die Publikationserlaubnis entziehen kann.
Zuletzt geändert von adal am Sa 1. Jan 2011, 20:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

adal » Sa 1. Jan 2011, 20:25 hat geschrieben: Nenne mir doch mal einen Rechtsstaat, in dem es eine Zensurbehörde gibt, die über die "Ausgewogenheit der Berichterstattung" befindet.
Kanada. Broadcasting Act von 1991. Der Staat erzwingt rechtlich die Ausgewogenheit der Berichterstattung. Zuständig hierfür ist die staatliche Canadian Radio-television and Telecommunications Commission. Kommt nun noch ein Land deinerseits? Ich bin echt neugierig.

Mensch, ändere doch nicht ständig Deine Kommentare. Und welchen staatlichen Nachrichten soll die Medienbehörde eine Lizenz entziehen? Und in Deutschland sind auch Bußgelder und sonstige Strafen der hoheitlich tätigen Medienanstalten, deshalb erwähnte ich, daß sie Teil der Landesverwaltung sind, ohne Gericht gültig.
Zuletzt geändert von frems am Sa 1. Jan 2011, 20:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Kibuka »

Ich finde es recht amüsant, wenn an dieser Stelle andere Themen, wie Italien, angeschnitten werden, um von dem eigentlichen Strangthema abzulenken.

Soweit ich das aufgefasst habe, und das scheint bei diesem Gesetz wahrlich nicht leicht zu sein, gibt es bei Verstössen hohe Strafen, die man erstmal bezahlen muss, bevor ein Richter geklärt hat, ob man im Recht oder Unrecht ist. Das allein hat schon ein Geschmäckle. Bei Verstössen gegen das Mediengesetz kann man sogar aus dem Medienregister gelöscht werden und verliert damit die rechtliche Möglichkeit, in Ungarn weiter publizieren zu können. Bei bestimmten Themen sollen Journalisten in Ungarn künftig auch ihre Quellen offenlegen müssen. Desweiteren soll diese "unabhängige" Behörde NMHH mehrheitlich von der rechten Regierung in Ungarn besetzt werden.

Ziel des Gesetzes ist es wohl mehr oder weniger, eine gewisse Kontrolle über die Medien zu bekommen, damit die jetzige Regierung weiter an der Macht bleiben kann. Ich kann mir jedenfalls keinen anderen Grund vorstellen, warum man so eine Behörde in dieser Form ins Leben rufen muss.

Das muss noch keine Diktatur und keine Zensur sein, aber wer das nicht merkwürdig findet, der scheint mir doch ein wenig naiv zu sein.

Dazu ein Kommentar bei der SZ.
Das Papier, das auch auf der Website der ungarischen Botschaft in Berlin nachgelesen werden kann, ist ein detailreicher, offenbar von kundigen Juristen verfasster Text mit rechtlichen Beispielen aus ganz Europa, auch Deutschland. In 21 Punkten stellt das Justizministerium Kritikpunkte an dem neuen Mediengesetz vor und beantwortet diese selbst.

Mal wird der neue, auf neun Jahre gewählte Medienrat, den die Orbán-Regierung dank ihrer Macht im Parlament de facto im Alleingang besetzen kann, mit anderen Gremien verglichen, hier der (nur auf sechs Jahre ernannten) Kommunikationsbehörde Austria. Ein andermal wird die Höhe möglicher Strafzahlungen mit Irland, Finnland oder Deutschland ("ein Verstoß gegen Kinderschutzbestimmungen kann Bußgelder von bis zu 500.000 Euro nach sich ziehen") verglichen. Der Zweck ist klar: Durch die vielen Vergleiche soll der Eindruck erweckt werden, dass das, was in Ungarn 2011 in Kraft tritt, europäischer Usus ist.

Dieses Argument wird in einigen Punkten sogar überzeugend vorgetragen, was auch daran liegt, dass es vielerorts politisch-mediale Verwicklungen gibt, die kritikwürdig sind, von Silvio Berlusconis Italien angefangen bis hin zur machtvollen Mitsprache der großen Parteien bei ARD und ZDF.

Doch das ungarische Gesetz geht weiter. Das zeigt auch das Verteidigungspapier aus Budapest: Da, wo es im Text wirklich interessant wird, fehlen die Antworten und Vergleiche.

Etwa bei der Frage nach der "nationalen Sicherheit". Wenn diese tangiert ist, sollen Journalisten in Ungarn künftig ihre Quellen offenlegen. Das Ministerium verweist im Papier auf eine Lücke im Strafrecht, die das neue Gesetz geschlossen habe, gibt aber zu: Ja, es gibt künftig "einige Einschränkungen". Zu diesen selbst folgt dann nichts mehr.

Und die großen Fragen bleiben: Was heißt hier nationale Sicherheit? Wo fängt sie an?

Ähnlich nebulös bleibt die umstrittene Aufforderung an die Medien (mit Ausnahme der Presse), "ausgewogen" zu berichten. Das Papier verweist lediglich auf eine Resolution des ungarischen Verfassungsgerichts, die erklären soll, was der Begriff bedeute. Interessanter wäre es gewesen, zu erfahren, was er für Ungarns Regierung bedeutet. Oder warum an dieser Stelle im Text der sonst so wortreiche Vergleich zu anderen Ländern der EU fehlt.

http://www.sueddeutsche.de/politik/unga ... -1.1040839
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 20:36 hat geschrieben:Kanada. Broadcasting Act von 1991.
Da bist du - wie üblich halbinformiert - auf dem Holzweg.

Nach dem Broadcasting Act von 1991 wird der staatliche kanadische Rundfunk, CBC/Radio-Canada, kontrolliert - das Pendant zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, über dessen "Ausgewogenheit" und über dessen "Informationspflichten" hierzulande ebenfalls ein Gesetz - sowie der - Rundfunkrat wacht.

Der Broadcasting Act von 1991 kontrolliert keine nichtstaatlichen Medien, das ungarische Mediengesetz schon.

Der ungarischen Behörde sind alle Medien unterstellt. Ausnahme in letzter Sekunde: Internet-Blogs, die 1. für die Meinungsbildung der breiten Masse ohnehin irrelevant sind und 2. nur mit einem Aufwand verfolgt werden könnten, der den Kontrollwahn der Orban-Regierung aufs Schönste vorführen würde.
Zuletzt geändert von adal am Sa 1. Jan 2011, 20:59, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

Das hat niemand gesagt. Du fragst nach einer rechtlichen Verpflichtung zur Ausgewogenheit. Die habe ich Dir gegeben, obwohl Du mit der Frage einfach meiner Frage ausgewichen bist, was Du oft machst, wenn andere mal gerade nicht halbinformiert und braun angehaucht sind. Ich frag einfach mal ein drittes und letztes Mal: welche demokratischen Rechtsstaaten prüfen keine Medien? Du nanntest es "allgemein üblich". Hinter so einer Behauptung muß doch etwas stecken. Ansonsten bist Du als Diskutant nicht mehr ernstzunehmen.

Lies Dir doch mal Kibukas Text durch und unterscheide zwischen Gesetz und Zuständigkeiten der Behörde. Vielleicht hilft Dir das. Ich fürchte nicht. Du willst eine Zensurbehörde sehen, die so in keinen Ländern gibt, und folglich gibt es eine. Märchenstunden benötigt man nicht. Dann bieg Dir weiter die kleine Welt zurecht, in der alles so ist, wie Du es gerade gerne hättest. :rolleyes:
Zuletzt geändert von frems am Sa 1. Jan 2011, 21:03, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

frems » Sa 1. Jan 2011, 20:59 hat geschrieben:Du fragst nach einer rechtlichen Verpflichtung zur Ausgewogenheit. Die habe ich Dir gegeben
Informiere dich, bevor du Blödsinn schreibst. Staatliche Medien werden vom Staat kontrolliert. Wer hätte das gedacht? Schlimm nur, wenn nur eine Partei dort etwas zu melden hat und es obendrein keine echte Alternative zu den staatlichen und staatsnahen Medien gäbe, wie im Reich des "vorbildlichen Demokraten" Putin. In die Liga ist Ungarn heute "aufgestiegen", weil die neugeschaffene Behörde eben nicht nur die staatlichen, sondern alle Medien gängeln kann.
frems » Sa 1. Jan 2011, 20:59 hat geschrieben:Lies Dir doch mal Kibukas Text durch und unterscheide zwischen Gesetz und Zuständigkeiten der Behörde.
Guter Tipp. Du hast den Unterschied zwischen einem Gerichtsverfahren und einem Verwaltungsakt, der sofort zu vollziehen ist, immer noch nicht begriffen. Abgesehen davon befinden Gerichte in ordentlichen Rechtsstaaten sowieso nicht über die "Ausgewogenheit der Berichterstattung" unabhängiger Medien.
Zuletzt geändert von adal am Sa 1. Jan 2011, 21:18, insgesamt 8-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dass Dinge wie Holocaustleugnung, Aufruf zu Gewalt, Verleumdung von Personen usw. eigentlich bereits von den Gesetzen und Gerichten abgedeckt werden und nicht von einer Behörde behandelt werden müssen, die direkt der Regierung untersteht, ist schon der zentrale und berechtigte Kritikpunkt. Der nächste Schritt wäre dann der Schutz der christlich-abendländischen Werte, die Unfehlbarkeit des Ministerpräsidenten und schließlich die stets anzuerkennende "Schmackhaftigkeit des Szegediner Krautfleischs" wie es in einem Presseartikel dazu heißt.

Natürlich muss man die Beeinflussung der öffentlich-rechtlichen Medien durch Regierungen (zum Beispiel die Absetzung und Neubesetzung des ZDF-Chefredakteurs) genauso kritisch sehen. Aber hier gibts immer noch das Gegengewicht der privaten Medien. (Anders sieht es da schon in Italien aus....)

Ich halte aber die voreilige ziemlich populistische Losung ("Was hat dieses Land noch in unserer 'Wertegemeinschaft' zu suchen?") für sehr unüberlegt. Noch einmal: Noch 2010 stufen Reporter ohne Grenzen Ungarn bezüglich Pressefreiheit wesentlich höher ein als etwa Frankreich. Es ist also vielleicht nicht 'das Land' sondern die herrschende Partei und ihr Vorsitzender. Auch wenn diese von einer Mehrheit gewählt wurden. Das Mediengesetz wird in Ungarn von einer kritischen Öffentlichkeit aber auch etwa in der OSZE bereits seit Anfang 2010 diskutiert. Aber erst jetzt gibt es hier diesen plötzlichen Aufschrei. Die Fidesz ist zusammen mit der CDU Teil der Europäischen Volkspartei. Hier zum Beispiel hätte die Auseinandersetzung längst stattfinden können. Diese unguten Entwicklungen sind alle längst bekannt. Es gibt seit September ein Papier des OSZE-Beauftragten.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Bei den Diskussionen um das Thema hat man zuweilen fast den Eindruck, als wäre dieses Mediengesetz in Ungarn geradezu ein willkommener Anlass, den Prozess der europäischen Verständigung wieder zurückzudrehen. Ja, am besten wieder in die Zeit des Eisernen Vorhangs zurückzukehren. Die Zeit, als in Publikationen wie Lettre International große europäische Intellektuelle wie Havel ihre Vorstellungen eines europäischen Kulturraums publizierten, scheint vorbei. Heute wird dort die schräge Vererbungslehre Sarrazins und die Angst vor einem Ende des "Deutschtums" publiziert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

schokoschendrezki » So 2. Jan 2011, 10:59 hat geschrieben:...Der nächste Schritt wäre dann der Schutz der christlich-abendländischen Werte, die Unfehlbarkeit des Ministerpräsidenten und schließlich die stets anzuerkennende "Schmackhaftigkeit des Szegediner Krautfleischs" wie es in einem Presseartikel dazu heißt.
:thumbup:
schokoschendrezki » So 2. Jan 2011, 10:59 hat geschrieben:Noch 2010 stufen Reporter ohne Grenzen Ungarn bezüglich Pressefreiheit wesentlich höher ein als etwa Frankreich.
Ja, - vor - Inkrafttreten des ungarischen Mediengesetzes.
schokoschendrezki » So 2. Jan 2011, 10:59 hat geschrieben:Es ist also vielleicht nicht 'das Land' sondern die herrschende Partei und ihr Vorsitzender. Auch wenn diese von einer Mehrheit gewählt wurden. Das Mediengesetz wird in Ungarn von einer kritischen Öffentlichkeit aber auch etwa in der OSZE bereits seit Anfang 2010 diskutiert. Aber erst jetzt gibt es hier diesen plötzlichen Aufschrei.
Na klar, schließlich tritt es auch jetzt erst inkraft. Dem ungarischen Wähler scheint es Recht zu sein.
Zuletzt geändert von adal am So 2. Jan 2011, 17:05, insgesamt 6-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Kaukas »

Nicht, daß ich Mitleid hätte, aber irgendwo hört der Spaß mal auf, und das fängt nicht erst bei rückwirkenden Sondersteuern an.
http://www.n-tv.de/wirtschaft/Ungarn-ae ... 69491.html

Es klingt ja fast schon wie ein Marketinggag europäischer Konzerne....
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

Kaukas » So 2. Jan 2011, 12:40 hat geschrieben:Nicht, daß ich Mitleid hätte, aber irgendwo hört der Spaß mal auf, und das fängt nicht erst bei rückwirkenden Sondersteuern an.
http://www.n-tv.de/wirtschaft/Ungarn-ae ... 69491.html

Es klingt ja fast schon wie ein Marketinggag europäischer Konzerne....
Es klingt eher wie ein schlechter Marketinggag rechtspopulistischer EU- und Freihandelsgegner. Das Motto der ungarischen Ratspräsidentschaft könnte lauten: "Protektionismus und paternalistische Zensur führen Europa in eine leuchtende Zukunft."
Zuletzt geändert von adal am So 2. Jan 2011, 17:00, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Die ungarischen "Krisensteuern" (zunächst für Banken und Finanzwirtschaft, dann u.a. für Telekommunikations- und Energieunternehmen) muss man natürlich vor dem Hintergrund einer neoliberalen, äußerst investorenfreundlichen Politik der letzten 20 Jahre sehen. Verdient haben die großen Unternehmen in dieser Zeit wahrhaftig weit mehr als sie jetzt an Zusatzsteuern zahlen sollen. Mitleidstränen sind da völlig unangebracht. Davon abgesehen werden sie die finanziellen Forderungen ungerührt an ihre ungarischen Kunden weitergeben. Eine "patriotische Wirtschaftspolitik" halte ich zwar für die noch weitaus schlechtere Alternative zum Neoliberalismus, aber von unserer Regierung würde ich mir - aus ökologischen Gründen zum Beispiel - dieses Standing gegenüber den Mächtigen etwa der Energiewirtschaft schon manchmal lwünschen. Und es ist doch fatal, aus den weltweiten Krisen des Neoliberalismus nun gar nix zu lernen und einfach so weiterzumachen, als wäre nix passsiert.

Auf jeden Fall sind solche RobinHoodiaden wie die Krisensteuer ("Umverteilungen von Oben, Außen und Unten zur Mitte" nannte sie ein gut unterrichteter Kommentator) einer der Gründe für die Popularität der Fidesz. Real betrachtet stellen sie allerdings ein enormes Risiko dar: Denn, wenn sie den angepeilten Wirtschaftsaufschwung des ungarischen MIttelstands in den nächsten Jahren nicht in Gang setzen, könnte quasi alles verloren sein.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

schokoschendrezki » So 2. Jan 2011, 18:28 hat geschrieben:. Mitleidstränen sind da völlig unangebracht.
Mitleidstränen sind auch nicht das Thema. Protektionismus hat die unangenehme Eigenschaft, ansteckend zu sein.
Zuletzt geändert von adal am So 2. Jan 2011, 20:25, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Rebhahn »

Thomas I » Mo 27. Dez 2010, 22:42 hat geschrieben:
Falls Sie damit auf die Machtergeifung anno 1933 anspielen: Das war alles ganz und garnicht gesetzeskonform. Nicht einmal sozusagen.
Dazu müsstest du dann schon ein paar Worte mehr verlieren, als das mal eben so zu behaupten - ein Putsch war Hilters Ernennung zu Reichskanzler jedenfalls nicht.
Der Ausdruck „Machtergreifung“ suggeriert, dass die NSDAP dem frei gewählten Parlament und dem Rechtsstaat die Macht gegen deren Willen und ausschließlich mit illegalen Mitteln entzogen habe. Tatsächlich jedoch hatte die NSDAP eine nicht unerhebliche Unterstützung in der Bevölkerung.

Außerdem waren auch konservative Politiker und Parteien an der Übertragung der Macht an Hitler beteiligt, und zwar durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg, durch die Beteiligung an der von Hitler geführten Regierung, durch die Verordnungen des Reichspräsidenten und durch die Zustimmung zum 4. Ermächtigungsgesetz im Deutschen Reichstag 1933. Der Antikommunismus war Anfang 1933 das verbindende Glied der Parteien der Rechten (NSDAP, DNVP) und der Parteien der Mitte (Zentrum, DVP, DStP). Der Regierungsantritt Hitlers war dem Recht der Weimarer Republik nach legal, ebenso weitere machtpolitische Elemente wie die Reichstagswahl am 5. März. Bei dieser Wahl hatte die NSDAP zwar nicht die erhoffte absolute Mehrheit der Sitze im Reichstag errungen, verfügte aber gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner, der Deutschnationalen Volkspartei, über eine zuverlässige parlamentarische Mehrheit.
http://de.wikipedia.org/wiki/Machtergreifung

Das 4. Ermächtigungsgesetz, also die Übertragung außergewöhnlicher Vollmachten an die Regierung durch das Parlament, war zwar wider die geltende Verfassung, aber mit Zweidrittel Mehrheit ALLER Konservativen verabschiedet, mit der auch Verfassungsänderungen möglich waren.
Zusammen mit der von Hindenburg erlassenen "Reichstagsbrandverordnung", vorgeblich "zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte", die aber de fakto die Grundrechte für alle Deutschen außer Kraft setzte, war der Weg frei für die Diktatur.

Formal legal alles paletti aus damaliger Rechtssicht.
Davon abgesehen, dass man es hinterher immer anders beurteilen kann, entspricht "formal juristisch legal" ja keineswegs automatisch dem "Geist" von Gesetzen, einer Verfassung.

Wer die NSDAP war, was ihr bzw. Hitlers Ziel war, sowie ihre Methoden incl. Terror, war hinreichend bekannt, aber wenn es gegen die KPD und Teile der SPD ging störte das die Konservativen ja nicht, weiter - im Gegenteil.

Wer Hitler den Weg an die Macht ebnete und warum, das ist ja wohl ziemlich eindeutig.
Dass einzelne Abgeordnete auch der konservativen Parteien wider besseres Wissen pro stimmten, ob sie sich nun dem Fraktionszwang unterwarfen, oder aus persönlicher Angst, das mag schon sein, ändert aber nichts daran, dass die Konservativen Hitler flott durchmarschieren ließen obwohl der ja schon 1930 deutlich gemacht hatte, wie es sich das so vorstellte:
Hitler hatte bereits in seiner Zeugenaussage von 1930 dargelegt: »Die Verfassung schreibt uns nur die Methoden vor, nicht aber das Ziel. Wir werden auf diesem verfassungsmäßigen Wege die ausschlaggebenden Mehrheiten in den gesetzgebenden Körperschaften zu erlangen versuchen, um in dem Augenblick, wo uns das gelingt, den Staat in die Form zu bringen, die unseren Ideen entspricht.
Quelle s.o.


Auch Orbans Hauptziel war die Zerstörung der Sozialisten, allerdings reichte es sich deren Politikversuchen - eben ohne eigene Mehrheit - zu verweigern, und durch unzählige Korruptionsaffairen haben sich die Soziailisten zudem selbst unwählbar gemacht.

Nun hat er, ordentlich gewählt, eine Zweidrittelmehrheit.
Er kann alle Gesetze diskussionslos im Eilverfahren durchwinken lassen, und eine neue Verfassung ist auch schon geplant.
Rebhahn

Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Rebhahn »

frems hat geschrieben:daß man dann zu diesem Zeitpunkt schon eine Diktatur erkennen könne
Das hat auch niemand behauptet, auch der Threadtitel nicht, und schon gar nicht, dass dieses Mediengesetz alleine aus Ungarn eine Diktatur macht.
Wenn er das aber vorhat ist es ein wichtiger Baustein.
frems hat geschrieben:Vielleicht ist es ja doch etwas überbewertet. Oder kann mir mal einer erklären, was Pressefreiheit ist (welche Indikatoren sind dafür ausschlaggebend) und was nicht? Wo unterscheidet sich diese Medienbehörde von unseren Medienanstalten? Welche Länder sind denn "frei" und welche nun nicht? Was darunter zu verstehen ist, weiß niemand wirklich.
Was unter Pressfreiheit zu verstehen ist, das weiß man allerdings, für D sieht das so aus:

http://bundesrecht.juris.de/gg/art_5.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Pressefreiheit

Was nun in Ungarn definitiv ausbaufähig wäre:
Fest steht nur, dass ein Kontrollsystem etabliert wird, dessen Befugnisse weit über das hinausragen, was in Demokratien heute Standard ist. Ein von Regierungsmitgliedern besetzter "Medienrat" soll Bußgelder von bis zu 730.000 Euro verhängen dürfen, wenn Medien nicht "ausgewogen" berichten - was auch immer das heißt. Wer über "Fragen der nationalen Sicherheit" berichtet, soll seine Quellen offenlegen. Der Staat soll in Redaktionen ermitteln und auch Einsicht in Dokumente verlangen dürfen.
http://www.sueddeutsche.de/politik/medi ... -1.1039626
Der Zweck ist klar: Durch die vielen Vergleiche soll der Eindruck erweckt werden, dass das, was in Ungarn 2011 in Kraft tritt, europäischer Usus ist.
Dieses Argument wird in einigen Punkten sogar überzeugend vorgetragen, was auch daran liegt, dass es vielerorts politisch-mediale Verwicklungen gibt, die kritikwürdig sind, von Silvio Berlusconis Italien angefangen bis hin zur machtvollen Mitsprache der großen Parteien bei ARD und ZDF.
Doch das ungarische Gesetz geht weiter. Das zeigt auch das Verteidigungspapier aus Budapest: Da, wo es im Text wirklich interessant wird, fehlen die Antworten und Vergleiche.
Etwa bei der Frage nach der "nationalen Sicherheit". Wenn diese tangiert ist, sollen Journalisten in Ungarn künftig ihre Quellen offen legen. Das Ministerium verweist im Papier auf eine Lücke im Strafrecht, die das neue Gesetz geschlossen habe, gibt aber zu: Ja, es gibt künftig "einige Einschränkungen". Zu diesen selbst folgt dann nichts mehr.
Und die großen Fragen bleiben: Was heißt hier nationale Sicherheit? Wo fängt sie an?
Ähnlich nebulös bleibt die umstrittene Aufforderung an die Medien (mit Ausnahme der Presse), "ausgewogen" zu berichten. Das Papier verweist lediglich auf eine Resolution des ungarischen Verfassungsgerichts, die erklären soll, was der Begriff bedeute. Interessanter wäre es gewesen, zu erfahren, was er für Ungarns Regierung bedeutet. Oder warum an dieser Stelle im Text der sonst so wortreiche Vergleich zu anderen Ländern der EU fehlt.
http://www.sueddeutsche.de/politik/unga ... -1.1040839

Und weil der liebe Doppelagent es nicht einmal für nötig hält uns den Link zum Beschwichtigungsschreiben der ungarischen Regierung zu präsentieren, liest eh keiner, behaupten wir einfach mal Null Problemo, den dann auch noch:

http://mfa.gov.hu/kulkepviselet/DE/de/d ... 101223.htm
Zum Vergleich mit obigem SZ Artikel
frems hat geschrieben:Welche Länder sind denn "frei" und welche nun nicht?
http://en.rsf.org/press-freedom-index-2010,1034.html

Lesen musst du aber doch selber....................

"Prüfer" zumal die einer einzigen Partei sind was durchaus anderes als Richter und Gerichte.

Sind diese deine "Prüfer" unabhängig?

Aber auch mit der Unabhängigkeit der Richter wenn sie es sind, insbesondere bis sie es sind, ist das so eine Sache in Deutschland
"....In der Empfehlung des Europarates über die Rolle der Richter und in den Kriterien der Europäischen Union über die Aufnahme neuer Mitgliedsländer heißt es: »Die für die Auswahl und Laufbahn der Richter zuständige Behörde sollte von der Exekutive unabhängig sein«. Das ist so in Frankreich, Spanien, Italien, Norwegen, Dänemark und in den Niederlanden - in Deutschland nicht. Deutschland wäre also, wäre es nicht schon Kernland der EU, ein problematischer Beitrittskandidat....."
http://gewaltenteilung.de/prantl.htm

Wenn dann eine Partei alleine alles im Griff hat, und die Auswahl der Richter nicht unabhängig von der Exekutuve geschieht, dann ist auch die Justiz schnell gleichgeschaltet.

Auch das kennt man von Deutschland aus der Nazizeit.
Zuletzt geändert von Rebhahn am So 2. Jan 2011, 20:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frems »

Es ist schön, wenn Du den PFI wie ich erwähnst. Aber darum ging es bei der Frage nicht, sondern um eine Behauptung, die nicht gehalten werden konnte. Manchmal stehen Sätze in einem Zusammenhang. ;)
Zuletzt geändert von frems am So 2. Jan 2011, 20:06, insgesamt 1-mal geändert.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Rebhahn »

frems » So 2. Jan 2011, 20:05 hat geschrieben:Es ist schön, wenn Du den PFI wie ich erwähnst. Aber darum ging es bei der Frage nicht, sondern um eine Behauptung, die nicht gehalten werden konnte. Manchmal stehen Sätze in einem Zusammenhang. ;)
Welche Behauptung von wem konnte nicht gehalten werden?
Schön wäre es auch wenn du kenntlich machst, an wen du dich richtest.

Ich antwortete auf was von die weiter vorne, was sich aber nicht erledigt hatte, weil du ewig weiter so tatest, als ob ne Jugendschutzstelle und eine Zensurbehörde, sowie Gerichte alles eins wären, und überall in Europa wäre das so.

DAS ist es NICHT, und Deutschland liegt in etlichen Dingen nicht gerade in der Spitzengruppe in Europa, und Ungarn auch nicht.

Deine Sätze stehen für mich aber generell entweder unter einer unglaublichen politischen Naivität kombiniert mit Nichtwissen was die wesentlichen Kennzeichen eines demokratisch pluralistischen Rechtsstaats sind - oder dass du einen solchen eben gar nicht möchtest.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

adal » So 2. Jan 2011, 20:01 hat geschrieben: Mitleidstränen sind auch nicht das Thema. Protektionismus hat die unangenehme Eigenschaft, ansteckend zu sein.
Unter "Protektionismus" versteht man - soweit ich es kapiere - den Aufbau von Handelshemmnissen, um einen Inlandsmarkt vor Einfuhren aus dem Ausland zu schützen.

In diesem Fall werden jedoch Sondersteuern für bestimmte Branchen erhoben. Nur, weil in diesen Branchen (Telekommunikation, Finanzdienste, Energie, Handel) vorwiegend ausländische Unternehmen in Ungarn tätig sind, trifft es eben ausländische Unternehmen eher als inländische. Es wird auch nicht - jedenfalls nicht direkt - die Einfuhr von Produkten behindert - die entsprechenden Firmen sind ja im inländischen Markt bereits fest etabliert. Dass die Bevorzugung bzw. Benachteiligung einzelner Branchen selbst mit den Richtlinien der am ritterlichsten für Liberalismus kämpfenden deutschen Partei, der FDP, vereinbar ist, zeigt mindestens auch der Hotel-Steuerrabatt.

Das Vorgehen der ungarischen Regierung weckt aus ganz anderen Gründen mein Misstrauen: Es erinnert fatal an die alte nationalsozialistische Unterscheidung von "schaffendem" und "raffendem" Kapital. Firmen wie Daimler, die in Ungarn demnächst große Produktionskapazitäten eröffnen werden, sind davon völlig unbetroffen. "Protektionismus" ist doch eine eher linke Idee.

Überhaupt, denke ich, irren die meisten Kommentatoren, die in den aktuellen Entwicklungen in Ungarn einen irgendwie nicht vollständig aus den Köpfen verschwundenen Staatssozialismus vermuten. Nirgendwo in Osteuropa bestand der Staatsozialismus so sehr "nur" aus den stationierten sowjetischen Panzern wie in Ungarn. Das macht die Sache freilich nicht viel besser: Den modrigen, völkisch nationalen Geist der Horthy-Zeit können wir noch viel weniger gebrauchen. Fatal ist dieser Irrtum, weil er den Blick auf durchaus parallele, beunruhigende Entwicklungen im übrigen Europa verstellt. Wenn es um den "Schutz der nationalen Industrie" geht, kann man fast überall auf populäre Zustimmung rechnen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von adal »

schokoschendrezki » Mo 3. Jan 2011, 10:48 hat geschrieben:In diesem Fall werden jedoch Sondersteuern für bestimmte Branchen erhoben. Nur, weil in diesen Branchen (Telekommunikation, Finanzdienste, Energie, Handel) vorwiegend ausländische Unternehmen in Ungarn tätig sind, trifft es eben ausländische Unternehmen eher als inländische.
So ein Zufall aber auch. :D
schokoschendrezki » Mo 3. Jan 2011, 10:48 hat geschrieben:Den modrigen, völkisch nationalen Geist der Horthy-Zeit können wir noch viel weniger gebrauchen. Fatal ist dieser Irrtum, weil er den Blick auf durchaus parallele, beunruhigende Entwicklungen im übrigen Europa verstellt. Wenn es um den "Schutz der nationalen Industrie" geht, kann man fast überall auf populäre Zustimmung rechnen.
Das ist richtig. Allerdings haben nirgendwo in Europa Parteien, die solches promovieren, die Mehrheit, geschweige denn eine sagenhafte - verfassungsänderungsfähige - Zweidrittelmehrheit.
Zuletzt geändert von adal am Mo 3. Jan 2011, 11:12, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Kaukas »

adal » Mo 3. Jan 2011, 12:02 hat geschrieben: Allerdings haben nirgendwo in Europa Parteien, die solches promovieren, die Mehrheit, geschweige denn eine sagenhafte - verfassungsänderungsfähige - Zweidrittelmehrheit.
In der Tendenz funktioniert das, wie ich fürchte, auch mit blanker Kapitalkraft, statt verfassungsändernden Mehrheiten. Sarkozy und Berlusconi mögen da die Richtung aufzeigen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sarkozys "Kampagne für Nationale Identität" vor gut einem Jahr hat vermutlich mehr als zwei Drittel der Franzosen zu einer zumindest "gefühlten" Mehrheit zusammengeführt. Und es gibt - wenn ich richtig informiert bin - auch knallharte Regelungen bei den Pflichtangeboten, die es weitaus schwerer machen, ein spanisches oder französisches Unternehmen zu übernehmen bzw. dort eine Anteilsmehrheit aufzubauen als etwa ein deutsches wie HochTief.

Dass sich die "Junge Freiheit" in ihrer aktuellen Ausgabe vor eine nationalpatriotische Mediengesetzgebung stellt, wundert mich überhaupt nicht. "Junge Freiheit" und "FIDESZ" (= (ursprünglich) 'Bund junger Demokraten') - stehen nicht beide für eine gesamteuropäische sehr ungute Entwicklungslinie der neunziger und nuller Jahre von rechtsliberal nach patriotisch-nationalkonservativ? Ich sehe die geflissentliche "Entsorgung" des Phänomens des ungarischen Nationalismus als staatsozialistisches Erbe genauso kritisch wie dieses Phänomen selbst.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Doppelagent »

Kibuka » Sa 1. Jan 2011, 21:42 hat geschrieben:Ich finde es recht amüsant, wenn an dieser Stelle andere Themen, wie Italien, angeschnitten werden, um von dem eigentlichen Strangthema abzulenken.

Soweit ich das aufgefasst habe, und das scheint bei diesem Gesetz wahrlich nicht leicht zu sein, gibt es bei Verstössen hohe Strafen, die man erstmal bezahlen muss, bevor ein Richter geklärt hat, ob man im Recht oder Unrecht ist. Das allein hat schon ein Geschmäckle. Bei Verstössen gegen das Mediengesetz kann man sogar aus dem Medienregister gelöscht werden und verliert damit die rechtliche Möglichkeit, in Ungarn weiter publizieren zu können. Bei bestimmten Themen sollen Journalisten in Ungarn künftig auch ihre Quellen offenlegen müssen. Desweiteren soll diese "unabhängige" Behörde NMHH mehrheitlich von der rechten Regierung in Ungarn besetzt werden.

Ziel des Gesetzes ist es wohl mehr oder weniger, eine gewisse Kontrolle über die Medien zu bekommen, damit die jetzige Regierung weiter an der Macht bleiben kann. Ich kann mir jedenfalls keinen anderen Grund vorstellen, warum man so eine Behörde in dieser Form ins Leben rufen muss.

Das muss noch keine Diktatur und keine Zensur sein, aber wer das nicht merkwürdig findet, der scheint mir doch ein wenig naiv zu sein.

Dazu ein Kommentar bei der SZ.
tja, auch die sz tut sich verdammt schwer, etwas in dem ungarischen gestz zu finden, was es nicht auch schon in anderen europäischen staaten gibt. :-)
und dass in fragen der nationalen sicherheit journalisten ihre quellen zu nennen haben, das sollte solgar dem schmierfink aus münchen einleuchten.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Doppelagent » Mi 5. Jan 2011, 12:14 hat geschrieben:
tja, auch die sz tut sich verdammt schwer, etwas in dem ungarischen gestz zu finden, was es nicht auch schon in anderen europäischen staaten gibt. :-)
Umso weniger schwer tut sich das erste direkt betroffene ungarische Medium (das freie Bürgerradio "Tilos" (="Verboten")) damit, eine klare Stellung zur Angelegenheit zu beziehen:
Blackout for Hungary

On the 21st of December the party holding the majority of the Hungarian parliament voted in favor of a new media law that is a collection of some of the most oppressive and undemocratic laws from all over Europe and with some worrying changes.

To show our concern for fundamental rights and free speech we black out our online presence on the 5th January 2011 for 24 hours.
--> http://www.tilos.hu

Sollte "Tilos Radio" wegen der völlig an den Haaren herbeigezogenen Angelegenheit (Bereits im September 2010 wurde ein Song des Rappers Ice T zu nicht altersgemäßer Zeit gesendet) finanziell in Schwierigkeiten kommen, können alle europäischen Freiheitsfreunde ihre Solidarität in Form einer finanziellen Zuwendung zum Ausdruck bringen (Einzelheiten siehe Homepage oben).
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Rebhahn »

Doppelagent » Mi 5. Jan 2011, 11:14 hat geschrieben:
tja, auch die sz tut sich verdammt schwer, etwas in dem ungarischen gestz zu finden, was es nicht auch schon in anderen europäischen staaten gibt. :-)
Eigentlich nicht.
Sie bezeichnet aber exakt die entscheideden Punkte, die die ungarische Regierung im Gegensatz zu allem anderen ausgiebigem Geschwafel sehr diskret ausspart an Wort- und Vergleichsreichtum.

und dass in fragen der nationalen sicherheit journalisten ihre quellen zu nennen haben, das sollte solgar dem schmierfink aus münchen einleuchten.
Was sind "Fragen der nationalen Sicherheit", die nicht ohnehin vom Strafrecht abgedeckt sind?

Quellen nennen - auf Gerichtsbeschluss möglicherweise - mit Sicherheit nicht mal eben so einem obksurem Medienrat, besetzt ausschließlich mit Parteiemitgliedern.

Nicht dass man es so nicht auch mal versuchen könnte, mißliebige Medeien auszuschalten, es funktioniert aber halt nicht so einfach, wenn Gerichte involviert werden müssen, auch wenn sich die Politik große Mühe gibt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegel-Aff%C3%A4re
Wolfgang
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Statement bzw. Vorstellung

Beitrag von Wolfgang »

Hallo Forenmitglieder, Forengäste und Moderatoren,

ich wurde im Zusammenhang mit meinen Beiträgen gebeten - ein kurzes Statement bzw. Vorstellung abzugeben.

In meinen Beiträgen, befindet sich am Ende immer ein Hinweis auf meine Internetseite, die zum Lesen eines Aufsatzes (Buch mit ISDN-Nummer) verweist. Leicht könnte man denken, dass ich hier auf dem Forum Buch-Werbung betreibe.

Es ist dem nicht so. Zum Einen entstehen dem User keine Kosten auf meiner Seite und zum Anderen gibt es auch keine Aufforderung zu Spenden, Kontonummer oder ähnlichem.

2010 ging ich in Rente und gehöre somit der älteren Generation an, was nicht immer passend für diverse Foren ist.

Doch zurück zum Hinweis auf meinen Internetseite. Ich bin ein politisch vollkommen neutraler Mensch und nicht in die politische Farbenlehre einzureihen. In meinem Leben habe ich mir immer wieder Gedanken gemacht, wie es möglich sein könnte, die politische Situationen - so zu verändern, was dem Gemeinwohl im Sinne von Demokratie hilfreich sein kann.

Anfang letzten Jahres schrieb ich einen Aufsatz, der sich damit befasst. Jetzt bin ich kein Besserwisser oder gestandener Schriftsteller, sondern ein einfach gestrickter Mensch, der sich nur auf einfache Weise ausdrücken kann.

Ich suche Menschen, die mit mir meine Beiträge diskutieren und natürlich auch welche, die den Inhalt meines Aufsatzes diskutieren und mir helfen, diesen Ansatz wie ich es nenne, in der Diskussion verbessern und ergänzen. Wo kann man das besser, als auf einem politischen Forum, wo Sachverstand und ein weit gefächertes Meinungspotenzial vorhanden ist.

Im Verlaufe der letzten Monate habe ich mit Hilfe von Forenbeiträgen und Mails, die mich erreichten diese von mir geschriebene, ich sage jetzt einfach mal Zukunftsvision, 3 mal umgeschrieben und die Hilfe dazu, aus der Diskussion dankend angenommen.

Leider hat dieser Text ca. 150.000 Zeichen, so dass ich ihn nicht im Zusammenhang, als Beitrag hier einspielen kann. Er steht jedoch zum Lesen und auch Vorlesen (AUDIO) für und ich sage ausdrücklich, nur für den interessierte Forenbeobachter unter dem Link, am Ende meiner Beiträge, zur Verfügung. Ich will hier auch ausdrücklich warnen, denn die Vorlesezeit beträgt ca. 90 Minuten.

Gewollt von mir ist einzig eine Diskussion zu meinen Beiträgen und Darstellungen, die ich hier aufs Forum stelle und der benannte Text ist lediglich ein Hintergrund, der den Leuten zur Verfügung steht, die sich bewusst dafür interessieren.

Ich hoffe, dass dies legitim ist, was ich hier auf diesem Forum tue. Gerne bin ich bereit meine politische, neutrale Arbeit auf eurem Forum einzustellen, wenn meine Beiträge Unruhe erzeugen, das liegt nicht in meinem Interesse und wer mich kennt weiß dies. Jedoch, sollte man mir begründen, warum ich auf dem Forum unerwünscht bin, auch das ist in einem Forum legitim, ich werde gegebenenfalls über den Moderator freiwillig handeln. Ein Sperre kann vermieden werden, indem ich das Forum verlasse.

Ich hoffe ich konnte mich auch bei denen Erklären, die meinen Beiträge misstrauisch gegenüberstehen.

Gruß Wolfgang
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von ToughDaddy »

Einige Journalisten durften jetzt erfahren, was es bedeutet:
"Den Vorwurf, er schaffe die Pressefreiheit ab, hat Premier Orbán stets bestritten. Jetzt wurden 600 kritische Journalisten öffentlich-rechtlicher Medien gefeuert."

Und das, obwohl doch einige User abgestritten haben, dass es um Zensur usw. geht.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von daimos »

Auch sehr zu empfehlen ist der Verfassungsblog von Max Steinbeis:
  • Orbán verdoppelt seinen Einsatz
    Viktor Orbáns Versuch, seine Macht konstitutionell abzusichern, geht weiter: Das Verfassungsgericht und das Wahlrecht sind die jüngsten Angriffsziele, und in beiden Punkten gibt es Beunruhigendes zu berichten. [...]
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cattrell »

So etwas ist im sauberen Deutschland unvorstellbar! Fragt nur Eva Herrmann...
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von ToughDaddy »

Cattrell » So 17. Jul 2011, 07:55 hat geschrieben: So etwas ist im sauberen Deutschland unvorstellbar! Fragt nur Eva Herrmann...
Wow 600:1.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cattrell »

ToughDaddy » So 17. Jul 2011, 11:35 hat geschrieben:
Wow 600:1.
Einen bestrafen, tausend erziehen. Ein altbewährtes Mittel.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von ToughDaddy »

Cattrell » So 17. Jul 2011, 11:46 hat geschrieben: Einen bestrafen, tausend erziehen. Ein altbewährtes Mittel.
Echt? Gibts also keine kritischen Journalisten mehr?
Cattrell

Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cattrell »

ToughDaddy » So 17. Jul 2011, 11:47 hat geschrieben:
Echt? Gibts also keine kritischen Journalisten mehr?
Was hat diese Frage mit meiner Aussage zu tun?
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von ToughDaddy »

Cattrell » So 17. Jul 2011, 11:51 hat geschrieben: Was hat diese Frage mit meiner Aussage zu tun?
Naja durch den Abschuss von Eva Herrmann, was natürlich eigentlich nichts mit einer angeblichen kritischen Journalistin zu tun hat, müßten doch viele wirklich kritische Journalisten Angst haben oder?
Ansonsten: Ich sehe weiterhin einen Unterschied zwischen Eva Herrmanns Selbstabschuss und dem Rauswurf von 600 Journalisten.
Cattrell

Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cattrell »

ToughDaddy » So 17. Jul 2011, 11:53 hat geschrieben:
Naja durch den Abschuss von Eva Herrmann, was natürlich eigentlich nichts mit einer angeblichen kritischen Journalistin zu tun hat, müßten doch viele wirklich kritische Journalisten Angst haben oder?
Jeder Journalist weiß jetzt, was passieren kann. Und ist entsprechend vorsichtig. Das nennt man auch "Schere im Kopf".
Ansonsten: Ich sehe weiterhin einen Unterschied zwischen Eva Herrmanns Selbstabschuss und dem Rauswurf von 600 Journalisten.
Die 600 Journalisten haben sich wohl auch selbst abgeschossen, nicht wahr? Denn sie hätten ja einfach politisch korrekt berichten können! Dann wäre ihnen das nicht passiert. :D
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Mind-X »

http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/ ... Id=7800546

http://www.globkult.de/politik/europa/6 ... -in-ungarn


Armes Ungarn... Es sieht nicht gut aus.


Warum kann dieses Regierung eigentlich immer noch so weitermachen?
"und du wirst wahnsinnig werden von dem, was deine Augen sehen müssen." (5. Mose 28,34)

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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Mind-X » So 31. Jul 2011, 13:11 hat geschrieben:http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/ ... Id=7800546

http://www.globkult.de/politik/europa/6 ... -in-ungarn


Armes Ungarn... Es sieht nicht gut aus.


Warum kann dieses Regierung eigentlich immer noch so weitermachen?
Einige Gründe:

Natürlich zunächst, weil eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit dies zulässt. Und diese Zweidrittelmehrheit eben auch einigermaßen die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft wiederspiegelt.

Zum anderen ist die ungarische Medienlandschaft - auch ohne das Mediengesetz - ähnlich heruntergekommen wie in weiten Teilen Europas. Im Unterschied etwa zu (jüngst) Großbritannien gibt es aber leider keine Selbstreinigungskräfte und keine Qualitätsmedien wie den "Independent", die relevant genug wären, die faktische Teilmachtübernahme durch das Boulevard zu begrenzen.

Dann ist die Fidesz-Partei Orbáns fest eingebunden in die europäische Parteienkoalition EVP (Europäische Volkspartei). Orbán selbst ist einer der Vizepräsidenten. Mehr noch: Bestimmte Teile der CSU, insbesondere der Europa-Abgeordnete Bernd Posselt werden nicht müde, die Orbán-Regierung und ihre Maßnahmen nicht nur nicht kritisch zu sehen, sondern geradezu als Leitsterne und Vorbilder europäischer Politik hinzustellen. Wers nicht glaubt, lese nur einmal Posselts Lobeshymne auf genau dieses hier in Frage stehende Mediengesetz von Anfang diesen Jahres: http://www.bernd-posselt.de/article.php ... tikel=1338

Besonders fatal finde ich die Stellung der ungarischen Amtskirchen zur Regierungspolitik. (Darauf wurde auch in dem erwähnten sehr guten globkult-Artikel hingewiesen). Die Kirchen sind sowohl Katalysator als auch gewissermaßen Beglaubiger dieser Politik.

Es gibt besorgniserregende Tendenzen in der ungarischen Gesellschaft und Kultur mit teilweise faschistoiden Merkmalen. Ich würde aber dennoch das "offizielle" Ungarn nicht als präfaschistischen Staat bezeichnen. Nationalkonservativ-Christlich passt schon. Es verwunderte mich von daher nicht, auch in den Schriften des norwegischen Attentäters Breivik (am Ende seines "Manifests", in den Tagebuchnotizen) Loblieder auf Ungarn und seine Hauptstadt, die er mehrfach besuchte, zu lesen. Nicht nur wegen der - in der Tat - interessanten Elektronik-Musikszene.

Besonders deutlich wird diese Unterscheidung bei der Frage der Roma-Politik. Offizielle Regierungspolitik, Inhalt einer erst kürzlich verabschiedeten Absichtserklärung und auch einer der Schwerpunkte der zurückliegenden ungarischenn EU-Ratspräsidentschaft ist an sich und dem Wort nach eine roma- und minderheitenfreundliche Ausrichtung. Aber - und das ist ein großes aber - die Mindehreitenpolitik hat sich den gesamtnationalen Interessen unterzuordnen. Sprich: "Es geht der Regierung weniger um die Ursachen der sozialen und ethnischen Spannungen bzw. deren Beseitigung, sondern darum, 'welche Kräfte daran Interesse haben, Ungarns Ruf im Ausland zu schädigen'" (Pester Lloyd). Das nenne ich "nationalkonservativ" und nicht "faschistisch". Man muss es genau nehmen und darf solche Reizvokabeln nicht inflationär in den Raum streuen.

Eine Desintegration des Landes aus der EU muss jedoch unter allen Umständen verhindert werden. Dafür kommen wirtschaftliche, vor allem aber auch kulturelle Verbindungen zu den - zugegebenermaßen nicht mehr sehr zahlreichen - progressiv und kosmopolitisch denkenden Bevölkerungsteilen in Frage. Budapest gehört historisch gesehen zu den herausragenden Zentren europäischer Kultur und Wissenschaft. An diese Traditionslinie muss man appellieren.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von enfant_terrible »

Garfield335 » Mi 22. Dez 2010, 09:07 hat geschrieben:In Deutschland gab es noch nie Medienfreiheit.

Und es wird es auch so lange nicht geben, solange es den Paragraphen 130stgb gibt.
Der Strang von Thomas I. ist - zwar nicht böse gemeint - allerdings schwer erträglich.

Er suggeriert, es gäbe in Deutschland Pressefreiheit. Das ist natürlich in realitas völliger Blödsinn. Ich zitiere mal aus dem Artikel:

"Sie nehmen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Recht, seine eigenen Nachrichten zu produzieren", sagte der Sozialist. "Leute, das ist doch wie im Lukaschenko-Land"

Hahaha!

Das ist in Deutschland natürlich gaanz anders:

Zwar haben die öffentlich-rechtlichen Sender das Recht, regierungskritisch zu berichten... Nachdem aber die Intendanten der Sender von den regierenden Parteien eingesetzt und fürstlich bezahlt werden, berichten die ÖR-Sender 100 % regierungstreu.

Ebenso haben die meisten Parteien Anteile an den Zeitungen.

Diese dämliche scheiß Arroganz der Deutschen ... ähm wollte sagen doitschen Medien, den Leuten weiszumachen, wir Deutschen hätten Pressefreiheit, während alle anderen natürlich rückständig sind.

Die deutsche "Pressefreiheit" wird übrigens auch sehr schön im rechtswidrigen Vorgehen (Hausfriedensbruch) der GEZ dokumentiert. Kein Gericht geht dagegen an. Schließlich gibt es nichts geileres, als Regierungspropaganda abzusenden und das Volk dafür auch noch bezahlen zu lassen. Deutsche Demokratie!
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Forstsetzung.

Gestern wurde im Europaparlament die Debattte über das Thema Ungarn fortgesetzt. Nach wie vor geht es darum, einen Verstoß gegen Artikel 7.1. des Lissabon-Vertrags seitens der Ungarn dingfest zu machen, der da wörtlich lautet:
Artikel 7:
(1) Auf begründeten Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments oder der Europäischen Kommission kann der Rat mit der Mehrheit von vier Fünfteln seiner Mitglieder nach Zustimmung des Europäischen Parlaments feststellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht. Der Rat hört, bevor er eine solche Feststellung trifft, den betroffenen Mitgliedstaat und kann Empfehlungen an ihn richten, die er nach demselben Verfahren beschließt.

Der Rat überprüft regelmäßig, ob die Gründe, die zu dieser Feststellung geführt haben, noch zutreffen.
Mit der Mehrheit der sozialdemokratischen, grünen, linken und liberalen Abgeordneten wurde eine Resolution verabschiedet, mit der "die Kommission dazu aufgefordert wird, umstrittene Gesetzte in Ungarn genauestens zu prüfen und notfalls die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. ". Die EVP-Fraktion Orbáns und unserer momentan so populären Kanzlerin war natürlich dagegen. Ebenso wie (erwartungsgemäß) die EU-kritische ECR-Fraktion. Besonders vehement tat sich wieder einmal Ungarns Schutzpatron Nr. 1 (Bernd Posselt, CSU) hervor: Er wünscht sich (wörtlich) "eine so vorbildhaft durchgesetzte Meinungsfreiheit wie in Ungarn in jedem anderen EU-Land".
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Adam Smith »

schokoschendrezki » Fr 17. Feb 2012, 10:52 hat geschrieben:Forstsetzung.

Besonders vehement tat sich wieder einmal Ungarns Schutzpatron Nr. 1 (Bernd Posselt, CSU) hervor: Er wünscht sich (wörtlich) "eine so vorbildhaft durchgesetzte Meinungsfreiheit wie in Ungarn in jedem anderen EU-Land".
Die Gefahr für Deutschland und Europa geht nicht von den Muslimen aus.
Das ist Kapitalismus:

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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von frank&reich »

Es ist nur logisch, dass in europäischen Demokratien ein Trend zur Medienbeherschung vorliegt.
Ohne Medien wird niemand mehr Präsident, Kanzler oder Premierminister.

Natürlich sollte man das bedauern und sich dagegen empören, zum Beispiel indem man unabhängige Medien wie Internet-foren zur Meinungsbildung nutzt. :)

Aber: Wäre Berlusconi ohne sein Medienimperium an die Macht gekommen, bzw so lange an der Macht geblieben?

Sarkozy hat sich in einem parlamentarischen Handstreich dass Recht erworben, den Intendanden der staatlichen
Fernsehanstalten zu kontrollieren. Ausserdem ist es Tradition in Frankreich, dass Spitzenjournalisten und Moderatorenstars
jeweils mit Spitzenpolitikern liiert sind, sodas man fast von einer mediopolitischen Oligarchie reden kann.

Wer empört sich da?

Jetzt hängt es davon ab, wie die Ungarn im Einzelfall mit Pressefreiheit umgehen. Dissidenten kann sich Ungarn nicht leisten. Da wird ein Sturm durch die europäischen Medien fegen...wer informiert sich heute noch rein inländisch?
REM TENE, VERBA SEQUENTUR
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