Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

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H2O
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

@ schokoschedretzki:

Sie sind aber tüchtig dabei, den Maastrichtvertrag zu verreißen. Über allen kommerziellen Dingen steht in der EU seit Anbeginn das gemeinsame Wertegerüst des demokratischen Rechtsstaats mit Gewaltenteilung und unabhängiger Justiz. Wenn Ungarn diesem Wertegerüst entspricht, dann hat es in der EU seinen verdienten Platz. Verfehlt Ungarn nach erfolgreich bestandener Eignungsprüfung durch Verfassungsänderungen das Wertegerüst, dann gibt es Ärger mit dem EuGH, verbunden mit Strafzahlungen für jeden Tag, an dem das Land nach Urteilsverkündung die beanstandete Abweichung vom EU-Wertegerüst nicht beseitigt hat.

Das hat jüngst Polens Regierung sehr schnell bewegt, im Sejm durchgewunkene Verfassungsänderungen zurück zu nehmen. Zur "Gesichtswahrung" hat Polen gegen das Urteil Berufung eingelegt... aber damit werden alle Parteien im Prozeß in aller Stille umgehen... und den Streit beilegen. Mich sollte es wundern, wenn nun längere Zeit kein Urteil gegen ungarische Verfassungsänderungen erlassen werden sollte.

Wenn schon die Ungarn selbst unruhig werden, dann kann das Gericht auch abwarten, obwohl ich meine, entsprechende Prozesse liefen schon.

Sie haben zwei merkwürdige Sachverhalte getrennt behandelt: Einmal reiben Sie sich an großen deutschen Investitionen in Ungarn, mit einer brummenden Auslastung, anderseits beklagen Sie die Abwanderung von Fachkräften ins westliche EU-Ausland, sprich: Deutschland, Österreich. Im Grunde hätte also die deutsche Wirtschaft noch mehr gut bezahlte Arbeitsplätze in Ungarn aufbauen sollen! So ungefähr ist auch die Sachlage in Polen. Deutsche Investoren gründen/kaufen polnische Betriebe als Teil des dann internationalen Unternehmens. Einige Nationalisten wollen, daß diese Ausgründungen nationalisiert werden sollen... als ob dadurch in Polen auch nur ein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz gewonnen werden würde.

Die international tätigen "deutschen" Unternehmen bringen Marktzugänge mit, Betriebsorganisation, fehlendes know-how und Investitionsgelder im Mrd € Bereich. Alles Dinge die Polen (mit welchen Produkten?) erst einmal entwickeln müßte. Damit wird die Abwanderung von Fachkräften gebremst, die dennoch sehr hoch ist. Aus meiner Sicht ist die engstmögliche Zusammenarbeit der deutschen und der polnischen Wirtschaft und Politik das beste Mittel, in Polen rasch Wohlstand überall im Lande zu schaffen. Das war und ist doch auch das Ziel der EU!

Praktische Erfahrung Ost: Ich suchte Abdeckgitter für Möbel als Lüftungsgitter. Riesenauswahl in Pilsen/Tschechien über Internet. Deutschsprachiges Verkaufspersonal, ganz einfache Abwicklung ohne Zoll und doppelten Boden, ratz-fatz. So macht Europa Spaß! Ich brauchte einen Kleinherd mit Backofen und 2 Kochfeldern im Ceranfeld. Deutsches Produkt Rommelsbacher angeboten in Nordostpommern zu günstigem Preis. Bestellt und umstandslos geliefert in wenigen Tagen. Gut, da brauchte ich keinen deutschsprachigen Verkauf.

Wenn man solche Erfahrungen macht, dann weiß man sehr bald die EU zu schätzen.

Demnächst brauche ich Landmaschinen für eine kleine Feldwirtschaft. Da scheint Italien gut aufgestellt zu sein, jedenfalls vom Internetangebot her. Die LED-Lampen im Hause habe ich in den Niederlanden beschafft, weil dort in der benötigten Menge sofort lieferbar. Da konnte mein polnischer Elektriker ohne Wartezeit durcharbeiten... prima! Meine Vollholzmöbel stammen aus Riga/Lettland... auch höchst einfach zu beziehen und preisgünstig ab Fabrik gegen Vorkasse.

Solche günstigen Entwicklungen bemerkt niemand, der still vor sich hin seinen Bedarf im Supermarkt oder im nächsten Baumarkt deckt. Ich nehme an, daß die wirtschaftliche Verflechtung in der EU viel weiter fortgeschritten ist, als wir uns das im Augenblick vorstellen können. Das dürfte wohl die ganz große Entdeckung in GB werden, wenn ab 29. März 2019 der hard BREXIT durchgezogen werden muß.
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schokoschendrezki
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(02 Jan 2019, 11:10)

@ schokoschedretzki:

Sie sind aber tüchtig dabei, den Maastrichtvertrag zu verreißen. Über allen kommerziellen Dingen steht in der EU seit Anbeginn das gemeinsame Wertegerüst des demokratischen Rechtsstaats mit Gewaltenteilung und unabhängiger Justiz. Wenn Ungarn diesem Wertegerüst entspricht, dann hat es in der EU seinen verdienten Platz. Verfehlt Ungarn nach erfolgreich bestandener Eignungsprüfung durch Verfassungsänderungen das Wertegerüst, dann gibt es Ärger mit dem EuGH, verbunden mit Strafzahlungen für jeden Tag, an dem das Land nach Urteilsverkündung die beanstandete Abweichung vom EU-Wertegerüst nicht beseitigt hat.
Ich glaube, Sie werden sich an das schier unglaubliche Gezerre um Maaastricht 1992 noch erinnern können. Im Prinzip stand für viele tatsächlich die Umwandlung der "Wirtschaftsgemeinschaft" EWG/EG in eine Wertegemeinschaft Europa zur Debatte. Es ist aber im Prinzip eine WIrtschafts- und Währungsunion geworden. Es hätte auch anders kommen können. Ist aber nicht! Im Zentrum des Maastricht-Vertrags stehen Wirtschafts-, Währungs-, Handels- und Sozialfragen. Und eben nicht Wertefragen. Auch wenn diese rechtlich-formal verankert sind.
Das hat jüngst Polens Regierung sehr schnell bewegt, im Sejm durchgewunkene Verfassungsänderungen zurück zu nehmen. Zur "Gesichtswahrung" hat Polen gegen das Urteil Berufung eingelegt... aber damit werden alle Parteien im Prozeß in aller Stille umgehen... und den Streit beilegen. Mich sollte es wundern, wenn nun längere Zeit kein Urteil gegen ungarische Verfassungsänderungen erlassen werden sollte.
Dazu ist es ohnehin zu spät. Nicht erst die geplanten Verfassungsänderungen sondenn die ganze neue Verfassung selbst (von 2011, da war Ungarn bereits EU-Mitglied) entspricht eigentlich nicht den "Werten der EU" und der Vorstellung von Demokratie. Nur zur Veranschaulichung der Absurdität: Ungarn hat sich in dieser Verfassung von der Selbstbezeichnung "Republik" verabschiedet und sieht sich verfassungsrechtlich dennoch als "RepubliK". Quasi als Königreich ohne König. (Naja, nicht ganz ohne König ... :p ) Vergleiche mit Polen werden häufig gezogen, aber, ganz wichtig (Sie werden das wissen): Die PiS wird nach dem Ausscheiden der britischen CP politisch endgültig isoliert dastehen. Orbáns Fidesz dagegen nach dem Richtungsentscheid Weber vs. Stubb integrierter als irgendwann zuvor. Auf die wirtschaftliche Entwicklung scheint all dies kaum einen bedeutenden Einfluss zu haben. Haben vielleicht die entsprechenden Industrieverbände ohnehin mehr Einfluss sowohl in Brüssel als auch in den Ländern als die gewählten EU-Parlamentsfraktionen?
Sie haben zwei merkwürdige Sachverhalte getrennt behandelt: Einmal reiben Sie sich an großen deutschen Investitionen in Ungarn, mit einer brummenden Auslastung, anderseits beklagen Sie die Abwanderung von Fachkräften ins westliche EU-Ausland, sprich: Deutschland, Österreich. Im Grunde hätte also die deutsche Wirtschaft noch mehr gut bezahlte Arbeitsplätze in Ungarn aufbauen sollen! So ungefähr ist auch die Sachlage in Polen. Deutsche Investoren gründen/kaufen polnische Betriebe als Teil des dann internationalen Unternehmens. Einige Nationalisten wollen, daß diese Ausgründungen nationalisiert werden sollen... als ob dadurch in Polen auch nur ein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz gewonnen werden würde.
Dann ist ein falscher Eindruck entstanden. Ich versuche - soweit einem das überhaupt irgendwie möglich ist - sachlich und unvoreingenommen die Ist-Lage zu schildern. Zusätzliche Arbeitsplätze sind weder in Polen noch in Ungarn das Problem. DIe Arbeitslosenquote ist dermaßen niedrig, dass man eigentlich von Vollbeschäftigung reden müsste. Sonst hätte man ja auch nicht ausgerechnet - wie in Ungarn - die Zahl der möglichen Überstunden erhöhen müssen. Die Abwanderung bzw. das Nichtvorhandensein von Fachkräften ist das Problem. Gänzlich anders als in Italien oder Spanien.
Die international tätigen "deutschen" Unternehmen bringen Marktzugänge mit, Betriebsorganisation, fehlendes know-how und Investitionsgelder im Mrd € Bereich. Alles Dinge die Polen (mit welchen Produkten?) erst einmal entwickeln müßte. Damit wird die Abwanderung von Fachkräften gebremst, die dennoch sehr hoch ist. Aus meiner Sicht ist die engstmögliche Zusammenarbeit der deutschen und der polnischen Wirtschaft und Politik das beste Mittel, in Polen rasch Wohlstand überall im Lande zu schaffen. Das war und ist doch auch das Ziel der EU!
Mitte/Ende der 90er war die Stettiner Werft die größte in Europa und die fünftgrößte der Welt. Heute ist (so gut wie) nix davon übrig. Nur als Beispiel. Und bekanntermaßen stellt die Region um Katowice etwas ähnliches dar wie das Ruhrgebiet in Deutschland. Es sind also nicht so sehr Aufbau- sondern vielmehr Umbruch-Prozesse, die die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Mittelosteuropa prägen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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H2O
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Ja, das stimmt! Die Umwandlung der Industriegesellschaften in große arbeitsteilige Netze macht überall Sorgen. Aber auch da ist ohne den starken Partner D gar nicht viel zu reißen. Unser Markt ist augenblicklich so groß, daß ohne Zugang dazu kein Neuaufbau möglich ist. Wer soll wonach nachfragen?
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Kölner1302 »

In Ungarn hat nun die rechtsnationale Regierung - wie schon zuvor auch die rechtsnationale Regierung in Österreich - die Arbeitszeit per Gesetz extrem verlängert.
Wegen des von den Ungarn "Sklavengesetz" genannten Abeitszeitgesetzes droht in Ungarn nun ein Generalstreik.
https://www.igmetall.de/ungarn-proteste ... -30151.htm
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Cat with a whip
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Cat with a whip »

Unter dem Deckmäntelchen der Seuchenbekämpfung baut Oban die faschistische Diktatur aus.
So sollen diejenigen, die bewusst Falschinformationen verbreiten, mit mehrjähriger Haft bestraft werden können. Dass derart schwammige und krude Vorschriften vor allem auf JournalistInnen zielen ist klar, und was sie in der Praxis bedeuten, kann man bereits bei Orbáns Bruder im Geiste, Russlands Präsident Wladimir Putin, besichtigen. Aber in Sachen Gleichschaltung und Kriminalisierung unabhängiger Medien hat der Budapester Rechtsausleger ja ohnehin schon wertvolle Vorarbeit geleistet. Auch die politische Opposition dürfte weiter unter Druck geraten. Denn wann, wenn nicht jetzt, kann Orbán sein geliebtes Narrativ vom „Volksverräter“ für seine KritikerInnen publikumswirksam noch weiter strapazieren.

Auch im Ausland lauert übrigens Verrat – in Gestalt des US-Milliardärs Georges Soros. Der will über seine Stiftung eine Million Euro für den Kampf gegen das Virus nach Ungarn schicken. Doch wieso sollte ein Mann, der laut Orbán Ungarn mit „Geflüchteten fluten will“ plötzlich nicht aus niederen Beweggründen handeln?
Angesichts von Orbáns Durchmarsch reagieren die Europäische Union, deren Rechtsstaatsverfahren gegen Budapest in der Warteschleife hängt, und der Europarat wie schon so oft: mit Appellen, Kritik und verhaltenen Drohungen.

https://taz.de/Ermaechtigungsgesetz-in-Ungarn/!5675700/
"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum
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H2O
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Angesichts von Orbáns Durchmarsch reagieren die Europäische Union, deren Rechtsstaatsverfahren gegen Budapest in der Warteschleife hängt, und der Europarat wie schon so oft: mit Appellen, Kritik und verhaltenen Drohungen.
Die EU sieht ihre Untätigkeit als Gewohnheitsrecht. Spätestens seit Präsident Hollandes Ansatz einer EU der Willigen hätte sich die EU entscheiden müssen, ob sie eine Wertegemeinschaft sein möchte, oder sich auf gemeinsame Wirtschaftsentwicklung beschränken will. Auf jeden Fall geht es so konzeptionslos nicht mehr weiter.

Zwar ist hier Ungarn und seine politische Entwicklung das Thema, aber auch die gegenwärtige Corona-Krise zeigt sehr deutlich bis hin zu bösartigen Straftaten zum Nachteil von Partnern, daß in der EU jeder Partner sich selbst der Nächste ist.

Schnorrer unter den Partnern kalt abblitzen lassen!
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Fighter »

[quote="H2O"][url=viewtopic.php?p=4714598#p4714598] (31 Mar 2020, 12:45)[/url]

Die EU sieht ihre Untätigkeit als Gewohnheitsrecht. Spätestens seit Präsident Hollandes Ansatz einer EU der Willigen hätte sich die EU entscheiden müssen, ob sie eine Wertegemeinschaft sein möchte, oder sich auf gemeinsame Wirtschaftsentwicklung beschränken will. Auf jeden Fall geht es so konzeptionslos nicht mehr weiter.

Zwar ist hier Ungarn und seine politische Entwicklung das Thema, aber auch die gegenwärtige Corona-Krise zeigt sehr deutlich bis hin zu bösartigen Straftaten zum Nachteil von Partnern, daß in der EU jeder Partner sich selbst der Nächste ist.

Schnorrer unter den Partnern kalt abblitzen lassen![/quote]

Moin!

[quote]Die EU sieht ihre Untätigkeit als Gewohnheitsrecht.[/quote]

Die EU, die doch eine Wertegemeinschaft sein will, hat zugelassen, dass in ihrer Mitte eine Diktatur entsteht. Und es gibt keine Möglichkeit, den Fremdkörper abzustoßen. Das fügt der Gemeinschaft schweren ideellen Schaden zu. Denn eine EU, die nicht bis in ihre letzten Winkel Demokratie und Rechtsstaat durchsetzen kann, ist keine Wertegemeinschaft, sondern ein Geldautomat. Man geht hin, kassiert ab - und dreht ihm den Rücken zu.
Gruß aus HB

Wer kriecht, kann nicht fallen!
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von sünnerklaas »

Fighter hat geschrieben:(31 Mar 2020, 18:17)


Die EU, die doch eine Wertegemeinschaft sein will, hat zugelassen, dass in ihrer Mitte eine Diktatur entsteht. Und es gibt keine Möglichkeit, den Fremdkörper abzustoßen. Das fügt der Gemeinschaft schweren ideellen Schaden zu. Denn eine EU, die nicht bis in ihre letzten Winkel Demokratie und Rechtsstaat durchsetzen kann, ist keine Wertegemeinschaft, sondern ein Geldautomat. Man geht hin, kassiert ab - und dreht ihm den Rücken zu.

Das Problem ist, dass die EU eben geschichtlich bedingt eine Wirtschaftsgemeinschaft aus der Zeit des Kalten Krieges ist, deren urpsprüngliches Ziel es war, (West-)Deutschland einzuhegen, um zu verhindern, dass dort ein wirtschaftlich zu starkes Zentrum entsteht. Die "Werte" wurden nur öffentlichkeitswirksam vor sich hergetragen.
Ein ganz großes Dilemma ist, dass die osteuropäischen Staaten eben auch Siegestrophäen waren und sind. Der Sieg über die Sowjetunion, der gleichzeitig noch etwas anderes mitbrachte: Heerscharen von Billigarbeitskräften.
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H2O
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

Denn eine EU, die nicht bis in ihre letzten Winkel Demokratie und Rechtsstaat durchsetzen kann, ist keine Wertegemeinschaft, sondern ein Geldautomat. Man geht hin, kassiert ab - und dreht ihm den Rücken zu.
Da sind wir uns einig! Und ich würde die Opfer nicht mehr bringen wollen, die uns in Vorleistung einer Wertegemeinschaft auferlegt wurden. Das meinte ich mit: "Den Schnorrern den Geldhahn abdrehen!" Denn ich bin davon überzeugt, daß doch viele Europäer geduldig ihre Abgaben zahlen, weil sie auf die Wertegemeinschaft hoffen. Aber es fällt zunehmend schwerer, das alles so gut zu finden.
BenJohn

Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von BenJohn »

Die EU als Sekte ist keine gute Idee. Die EU sollte auf wirtschaftlicher und militärischer Basis zusammenarbeiten. Der Rest ist unwichtig. Den soll jedes Land mit sich selbst ausmachen.
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von H2O »

BenJohn hat geschrieben:(31 Mar 2020, 20:06)

Die EU als Sekte ist keine gute Idee. Die EU sollte auf wirtschaftlicher und militärischer Basis zusammenarbeiten. Der Rest ist unwichtig. Den soll jedes Land mit sich selbst ausmachen.
Einverstanden; dann aber bitte unter Verzicht auf Wohlaten, die im Vorgriff auf eine enger zusammenrückende Gemeinschaft von Nettozahlern erarbeitet werden müssen.
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Orbiter1
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Orbiter1 »

Von Seiten der EU-Kommission nach wie vor großes Schweigen zur Einführung der De-facto-Diktatur in Ungarn. Zumindest haben sich 13 EU-Staaten aufgerafft und eine Erklärung zur Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und den EU-Grundwerten abgegeben. Selbstverständlich ist darunter kein Staat aus Osteuropa. In der Vergangenheit gab es mal (weitgehend hilflose) Versuche gegen Verstöße der EU-Verträge vorzugehen, aber mit der Totalversagerin vdL als Kommissionspräsidentin ist es offenbar auch damit vorbei. Wann werden wir von dieser Schrott-EU erlöst? Höchste Zeit für eine Nachfolgeorganisation.
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Fighter
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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Fighter »

[quote="sünnerklaas"][url=viewtopic.php?p=4714986#p4714986] (31 Mar 2020, 19:36)[/url]

Das Problem ist, dass die EU eben geschichtlich bedingt eine Wirtschaftsgemeinschaft aus der Zeit des Kalten Krieges ist, deren urpsprüngliches Ziel es war, (West-)Deutschland einzuhegen, um zu verhindern, dass dort ein wirtschaftlich zu starkes Zentrum entsteht. Die "Werte" wurden nur öffentlichkeitswirksam vor sich hergetragen.
Ein ganz großes Dilemma ist, dass die osteuropäischen Staaten eben auch Siegestrophäen waren und sind. Der Sieg über die Sowjetunion, der gleichzeitig noch etwas anderes mitbrachte: Heerscharen von Billigarbeitskräften.[/quote]

Moin!
Ja, mit dieser Erklärung kann man Eindruck schinden! ;)
Gruß aus HB

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Re: Ungarn: Ein EU-Land auf dem Weg zur Diktatur?

Beitrag von Adam Smith »

sünnerklaas hat geschrieben:(31 Mar 2020, 19:36)

Das Problem ist, dass die EU eben geschichtlich bedingt eine Wirtschaftsgemeinschaft aus der Zeit des Kalten Krieges ist, deren urpsprüngliches Ziel es war, (West-)Deutschland einzuhegen, um zu verhindern, dass dort ein wirtschaftlich zu starkes Zentrum entsteht. Die "Werte" wurden nur öffentlichkeitswirksam vor sich hergetragen.
Ein ganz großes Dilemma ist, dass die osteuropäischen Staaten eben auch Siegestrophäen waren und sind. Der Sieg über die Sowjetunion, der gleichzeitig noch etwas anderes mitbrachte: Heerscharen von Billigarbeitskräften.
Das ist nicht richtig. Das Ziel der EU war erstens eine Lehre aus den Kriegen zu ziehen.
Nationalstaaten sind zwar das Grundelement außen­politischer Aktivitäten, sie sind jedoch nicht mehr in der Lage, alle politischen und gesellschaftlichen Probleme jeder für sich zu lösen;
nur ein relativ freizügi­ger Wirtschaftsverkehr, wie er vor dem Ersten Weltkrieg den Han­delsaustausch bestimmte, trägt zur weiteren Verflechtung freier Gesellschaften bei;
Konflikt und Interessenunterschiede unter Staaten und Gesellschaften dürfen nicht mittels Gewal­tandrohung und Diktat herbeigeführt werden, wie dies in den beiden Weltkriegen geschah; sie müssen friedensstabilisierende Wirkungen haben.
https://www.konrad-adenauer.de/politikf ... e-einigung

Zweitens diente natürlich die Einigung zum Schutz vor der Sowjetunion. Stalin hat dieses dann natürlich auch gleich erkannt und auf dumme Deutsche gehofft.
Die Prioritäten des Bundeskanzlers Konrad Adenauer waren deutlich: Eine Westintegration der Bundesrepublik und eine Wiedervereinigung nur als abstraktes und nicht wirklich erwartetes Fernziel. „Die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien, geeinten Europa“ galt zwar als das oberste Ziel seiner Regierung. In einem freien, geeinten Europa sollte dies für ihn bedeuten, dass eine Wiedervereinigung erst hätte stattfinden können, nachdem die Westintegration der Bundesrepublik gesichert war. Seine Vorstellung ging sogar so weit, dass gleichzeitig mit einer Wiedervereinigung auch der Osten Europas eine Umwälzung erfahren müsste. Gelänge die Integration der Bundesrepublik in ein westeuropäisches Bündnis hingegen nicht, geriete Westdeutschland unvermeidlich in den Sog der Sowjetunion. Eine Armee, die die Sicherheit eines neutralen Deutschlands gewähren könnte, wäre von Deutschland allein schon finanziell nicht tragbar, befand er. Adenauer ging also von einem zeitlich unabsehbaren Nebeneinander von zwei deutschen Staaten aus und verfolgte dies hintergründig als Ziel.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stalin-Noten

Wobei ohne die USA Westeuropa eh überrant worden wäre.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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