20 Jahre Leitkultur

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schokoschendrezki
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(12 May 2017, 12:59)

Eben - ein Entwicklungsprozess(!) und kein "Normbruch". Kein Entwicklungsprozess - nicht ein einziger - verläuft "geradlinig/linear oder kummulativ". Es gibt immer und überall Zäsuren - egal ob man die Evolution betrachtet, da gab es mehrere Massensterben, es entwickelten sich vollkommen neue Arten, die den Bedingungen besser angepasst waren/sich besser anpassen konnten, egal ob man die kulturelle/gesellschaftliche Evolution der menschlichen Zivilisation betrachtet - auch da gab es immer wieder Zäsuren, die Entwicklung begann auf niedrigerem Niveau neu, nahm eine "andere Richtung" oder ob man die Wissenschaftsgeschichte betrachtet - auch da gab es Zäsuren und einen "Neubeginn". Wer weiß denn heute, dass bereits im 4. bzw 3. Jh bc der Herz-Lungen-Kreislauf entdeckt wurde, dass um diese Zeit bereits Nerven entdeckt wurden oder dass das Prinzip der Dampfmaschine bekannt war? Dieses Wissen ging durch kulturelle/gesellschaftliche Zäsuren verloren und wurde erst ca. 2000 Jahre später neu entdeckt.
Seltsam. Was ist eine Zäsuer, ein Einschnitt anderes als (mindestens auch) ein Niormbruch, eine Abweichung von der Norm, ein Neuentwurf dessen, was bislang für normal gehalten wurde. Das Missvertsändnis rührt möglicherweise daher, dass für dich "Norm" automatisch aufs methodische oder auch ethische beschränkt ist.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von schokoschendrezki »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(12 May 2017, 13:11)
Das liest man eben in dieser oder ähnlicher Form sehr oft. Ist aber meines Erachtens falsch, weil eben das Grundgesetz sich ausschließlich an den Staat richtet. Kein Bürger muss das GG in irgendeiner Art und Weise anerkennen. Das nun als im Rahmen der Leitkulturdiskussion von Migranten zu fordern ist absurd. Wir fordern es ja auch nicht von den Deutschen. Dazu kann ja jeder seine Meinung haben wie er will.
Ganz richtig. Und das beste Beispiel ist das grundgesetzliche Gebot der Gleichberechtigung (Artikel 3). Es gebietet dem Staat, (u.a.) ein nach diesen Grundsätzen laufendes Bildungswesen zu betreiben. Kein Bürger jedoch ist verpflichtet, sich dazu zu bekennen. Weder gibt es irgendeine Pflicht zum Sympathischsein noch steht das Recht zum Unsympathischsein in irgendeinem Widerspruch zu irgendwelchen Gesetzen. Der Leitkulturansatz jedoch steht im Widerspruch zu diesen liberalen Grundsätzen.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Dark Angel hat geschrieben:(12 May 2017, 13:35)


Doch muss er. Jeder Bürger hat die Grund- und Freiheitsrechte - die im GG verankert sind - als allgemeingültig anzuerkennen.
Auch das ist ein falsches Verständnis. Deine Anmerkung bezog sich ja auf das Grundgesetz. Aber schon im ersten Abschnitt des Grundgesetzes (dem über die Grundrechte) wird ja den eigentlichen Grundrechten weniger Raum gegeben, als den Möglichkeiten des Staates eben diese Grundrechte einzuschränken. Schon das ist ja ein Anhaltspunkt, dass es durchaus erlaubt ist eben nicht das GG als allgemeingültige Basis für eine Leitkultur zu sehen.
Es gehört eben zur Leitkultur in Deutschland, dass auch Kritik am Grundgesetz erlaubt ist. Deswegen ändert es sich ja auch im Laufe der Zeit und ist ja auch bis auf wenige Ausnahmen abänderbar.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 13:42)

Ganz richtig. Und das beste Beispiel ist das grundgesetzliche Gebot der Gleichberechtigung (Artikel 3). Es gebietet dem Staat, (u.a.) ein nach diesen Grundsätzen laufendes Bildungswesen zu betreiben. Kein Bürger jedoch ist verpflichtet, sich dazu zu bekennen. Weder gibt es irgendeine Pflicht zum Sympathischsein noch steht das Recht zum Unsympathischsein in irgendeinem Widerspruch zu irgendwelchen Gesetzen. Der Leitkulturansatz jedoch steht im Widerspruch zu diesen liberalen Grundsätzen.
genau so ist es. Wenigstens einer hier, der das versteht.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 13:42)

Ganz richtig. Und das beste Beispiel ist das grundgesetzliche Gebot der Gleichberechtigung (Artikel 3). Es gebietet dem Staat, (u.a.) ein nach diesen Grundsätzen laufendes Bildungswesen zu betreiben. Kein Bürger jedoch ist verpflichtet, sich dazu zu bekennen. Weder gibt es irgendeine Pflicht zum Sympathischsein noch steht das Recht zum Unsympathischsein in irgendeinem Widerspruch zu irgendwelchen Gesetzen. Der Leitkulturansatz jedoch steht im Widerspruch zu diesen liberalen Grundsätzen.
Genau. Und da alles schon ausführlich genug formuliert ist im Gundgesetz, steckt also ganz offensichtlich etwas anderes dahinter, so einen seltsamen Deutschlandknigge zu verfassen. Was, glaubst du, ist es? Meine Meinung hab ich ja schon geschrieben, dass ich es für schlichten CDU-Wahlkampf halte, um die abtrünnigen Schäfchen von rechts außen wieder zurückzuholen. Was sagst du?
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(12 May 2017, 14:11)

Genau. Und da alles schon ausführlich genug formuliert ist im Gundgesetz, steckt also ganz offensichtlich etwas anderes dahinter, so einen seltsamen Deutschlandknigge zu verfassen. Was, glaubst du, ist es? Meine Meinung hab ich ja schon geschrieben, dass ich es für schlichten CDU-Wahlkampf halte, um die abtrünnigen Schäfchen von rechts außen wieder zurückzuholen. Was sagst du?
Ich habe diese Passage schon öfter zitiert:
Konzepte, die Kultur nicht als historisch konstruiert und nicht als veränderbar betrachten, und in denen Vorstellungen von Kultur „in einem solchen Maße verdinglicht und essentialisiert werden“, dass Kultur „zum funktionalen Äquivalent des Rassenbegriffs wird“, werden von einigen Forschern als „Kulturalismus“ oder „kultureller Rassismus“ bezeichnet.
Die Forderung nach Leitkultur-Ausforrmulierung ist - objektiv gesehen - für mich einfach eine Form dieser Art von Kulturalismus. Eine verbreitete neurechte Ideologie. Oder läuft jedenfalls darauf hinaus.

Intendiert ist die Neuentfachung der Leitkultur-Debatte jedoch ganz offensichtlich als Anbiederung an rechte und konservative Wähler.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 13:35)

Seltsam. Was ist eine Zäsuer, ein Einschnitt anderes als (mindestens auch) ein Niormbruch, eine Abweichung von der Norm, ein Neuentwurf dessen, was bislang für normal gehalten wurde. Das Missvertsändnis rührt möglicherweise daher, dass für dich "Norm" automatisch aufs methodische oder auch ethische beschränkt ist.
Norm (normal) = eine Eigenschaft, die den Erwartungen entspricht/die zielgerichtet sind, eine Beobachtung, die mit gleicher/gleich bleibender Häufigkeit auftritt, Statistik = stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung.
In Entwicklungsprozessen gibt es keine Norm - keine Eigenschaften, die den Erwartungen entsprechen. Entwicklungsprozesse sind immer unvorhersehbar, zufällig, nicht kalkulierbar, nicht beeinflussbar. Und darum kann bei Entwicklungsprozessen auch nicht von "Normbruch" gesprochen werden.
Das gilt für gesellschaftliche/kulturelle Entwicklungsprozesse genauso wie für Erkenntnisprozesse in "der Wissenschaft".
Es handelt sich eben nicht einfach um einen "Bruch der Denkgewohnheiten die mit scheinbar feststehenden Weltbildern einher gingen". Weltbilder basieren auf Erkenntnissen, auf Wissen und Beobachtungen - sie sind niemals "feststehend" auch nicht scheinbar. Waren sie in der Geschichte menschlicher Zivilisation zu keiner Zeit. Weltbilder unterlagen (und unterliegen) immer internen und externen Einflüssen, selbst religiöse Glaubensvorstellungen sind davon nicht ausgenommen.
Und weil Weltbilder auf Wissenzuwachs und Erkenntnisgewinn basieren, waren weder Kopernikus' heliozentrisches Weltbild" noch Einsteins Realtivitätstheorien "Normbrüche", weil eben kein Bruch in den Denkgewohnheiten stattfand, sondern basierend auf gewonnener Erkenntnis nachprüfbare Theorien entwickelt wurden.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 14:18)

Ich habe diese Passage schon öfter zitiert:


Die Forderung nach Leitkultur-Ausforrmulierung ist - objektiv gesehen - für mich einfach eine Form dieser Art von Kulturalismus. Eine verbreitete neurechte Ideologie. Oder läuft jedenfalls darauf hinaus.

Intendiert ist die Neuentfachung der Leitkultur-Debatte jedoch ganz offensichtlich als Anbiederung an rechte und konservative Wähler.
Richtig. Danke. Über den Kulturalismus der Neurechten sprachen wir hier ja auch bereits ziemlich ausführlich. Weiß nur nicht mehr, in welchem Thread. Passt aber :thumbup:
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von pikant »

Selina hat geschrieben:(12 May 2017, 14:11)

Genau. Und da alles schon ausführlich genug formuliert ist im Gundgesetz, steckt also ganz offensichtlich etwas anderes dahinter, so einen seltsamen Deutschlandknigge zu verfassen. Was, glaubst du, ist es? Meine Meinung hab ich ja schon geschrieben, dass ich es für schlichten CDU-Wahlkampf halte, um die abtrünnigen Schäfchen von rechts außen wieder zurückzuholen. Was sagst du?
und vor allem was macht man mit einem Ungarn oder Polen, der sich an die deutsche Leitkultur nicht haelt, aber gegen keine Gesetze verstoesst?
darauf gibt man nie eine Antwort
natuerlich will die CDU mit dieser Diskussion wieder der AfD Waehler entreissen und ja es wird Hunderttausende Deutsche geben, die die Thesen als Kloopapier benutzen - was macht man mit diesen?
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 04:17)

Na, Du hast ja vielleicht Vorstellungen. Die "Norm" in der Physik Ende des 19. Jahrhunderts war die Meinung, dass es so gut wie nix mehr zu entdecken gibt. Einstein und Heisenberg haben kurz und gut das hinter sich gelassen, was man die klassische Physik nennt. Das sind natürlich keine sozialen oder rechtlichen Normen. Die werden ja auch in Gesetzen, Verfassungen usw. geregelt. Was die Leitkulturalisten wollen, läuft jedoch auf eine Reglementierung von Gebräuchlichkeiten hinaus, die nicht nur nicht geregelt werden müssen, sondern die nicht geregelt werden dürfen. Mehr noch: Die nicht geregelt werden können. Die menschliche Kreativität lässt sich auf Dauer nicht in Ketten legen.
Die angebliche Norm, daß es nichts mehr zu erforschen gäbe, war keine Norm, sondern eine Fehleinschätzung.
Deswegen setzt du die Norm ja jetzt auch in Anführungszeichen. Deine Behauptung "Alle großen wissenschaftlichen Entdeckungen und künstllerischen Neuentwürfe begannen mit Abweichungen von der Norm." ist ganz offensichtlich falsch.

Soziale Normen werden übrigens nicht durch Gesetze geregelt, sonst wären es Rechtsnormen.

Wer die "Leitkulturalisten" sind, weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht so brennend, weil ich schon den Begriff der Leitkultur für verfehlt halte.
Wenn du auf de Maizière anspielst, solltest du halt einfach lesen, was er geschrieben hat:

"Ich finde den Be­griff "Leit­kul­tur" gut und möch­te an ihm fest­hal­ten. Denn er hat zwei Wort­be­stand­tei­le. Zu­nächst das Wort Kul­tur. Das zeigt, worum es geht, näm­lich nicht um Rechts­re­geln, son­dern un­ge­schrie­be­ne Re­geln un­se­res Zu­sam­men­le­bens. Und das Wort "lei­ten" ist etwas an­de­res als vor­schrei­ben oder ver­pflich­ten. Viel­mehr geht es um das, was uns lei­tet, was uns wich­tig ist, was Richt­schnur ist. Eine sol­che Richt­schnur des Zu­sam­men­le­bens in Deutsch­land, das ist das, was ich unter Leit­kul­tur fasse."

"Kann eine Leit­kul­tur vor­ge­schrie­ben wer­den? Ist sie ver­bind­lich? Nein. Wie der Name Kul­tur schon sagt, geht es hier nicht um vor­ge­schrie­be­ne Re­geln. Die Leit­kul­tur prägt und soll prä­gen. Sie kann und soll ver­mit­telt wer­den."

http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... ettansicht

Es vollkommen legitim, dieses Leitkulturzeugs zu verwerfen.
Es ist allerdings unredlich, Dinge zu unterstellen, die weder gesagt wurden noch beabsichtigt sind.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von pikant »

Dark Angel hat geschrieben:(12 May 2017, 13:35)




Doch muss er. Jeder Bürger hat die Grund- und Freiheitsrechte - die im GG verankert sind - als allgemeingültig anzuerkennen.
Dies zu garantieren, ist Schutzpflicht des Staates
muss der Buerger eben nicht und dagegen kann der Staat auch nichts machen, solange der Buerger keine Gesetzesbrueche veruebt.
Wenn ein Buerger zB. die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht anerkennt, aber nicht gegen das Gleichstellungsgesetz verstoesst, hat kein Staat das Recht den Buerger zu sanktionieren.
es muss immer ein Gesetzesbruch vorliegen und das hat mit der Anerkennung des GG nichts zu tun.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Selina »

pikant hat geschrieben:(12 May 2017, 14:21)

und vor allem was macht man mit einem Ungarn oder Polen, der sich an die deutsche Leitkultur nicht haelt, aber gegen keine Gesetze verstoesst?
darauf gibt man nie eine Antwort
natuerlich will die CDU mit dieser Diskussion wieder der AfD Waehler entreissen und ja es wird Hunderttausende Deutsche geben, die die Thesen als Kloopapier benutzen - was macht man mit diesen?
Für mich ist das son Wahlkampf-Test-Ballon. Allerdings mit dem etwas ernsteren Hintergrund, Fremden durch die Blume zu sagen, dass sie eigentlich nicht dazugehören und nicht erwünscht sind, weil man sie nicht für "gut genug" hält. Das macht man natürlich nicht direkt, sondern durch die Hintertür über solche Kulturleitsätze. Wenn die wenigstens originell oder intelligent wären. Sie sind aber nur bieder und kleinkariert.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

pikant hat geschrieben:(12 May 2017, 14:27)

muss der Buerger eben nicht und dagegen kann der Staat auch nichts machen, solange der Buerger keine Gesetzesbrueche veruebt.
Wenn ein Buerger zB. die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht anerkennt, aber nicht gegen das Gleichstellungsgesetz verstoesst, hat kein Staat das Recht den Buerger zu sanktionieren.
es muss immer ein Gesetzesbruch vorliegen und das hat mit der Anerkennung des GG nichts zu tun.
wie geschrieben. Kein Bürger kann gegen das GG verstoßen. Das kann nur der Staat.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(12 May 2017, 14:19)

Norm (normal) = eine Eigenschaft, die den Erwartungen entspricht/die zielgerichtet sind, eine Beobachtung, die mit gleicher/gleich bleibender Häufigkeit auftritt, Statistik = stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung.
In Entwicklungsprozessen gibt es keine Norm - keine Eigenschaften, die den Erwartungen entsprechen. Entwicklungsprozesse sind immer unvorhersehbar, zufällig, nicht kalkulierbar, nicht beeinflussbar. Und darum kann bei Entwicklungsprozessen auch nicht von "Normbruch" gesprochen werden.
Das gilt für gesellschaftliche/kulturelle Entwicklungsprozesse genauso wie für Erkenntnisprozesse in "der Wissenschaft".
Es handelt sich eben nicht einfach um einen "Bruch der Denkgewohnheiten die mit scheinbar feststehenden Weltbildern einher gingen". Weltbilder basieren auf Erkenntnissen, auf Wissen und Beobachtungen - sie sind niemals "feststehend" auch nicht scheinbar. Waren sie in der Geschichte menschlicher Zivilisation zu keiner Zeit. Weltbilder unterlagen (und unterliegen) immer internen und externen Einflüssen, selbst religiöse Glaubensvorstellungen sind davon nicht ausgenommen.
Und weil Weltbilder auf Wissenzuwachs und Erkenntnisgewinn basieren, waren weder Kopernikus' heliozentrisches Weltbild" noch Einsteins Realtivitätstheorien "Normbrüche", weil eben kein Bruch in den Denkgewohnheiten stattfand, sondern basierend auf gewonnener Erkenntnis nachprüfbare Theorien entwickelt wurden.
Für moderne physikalische Theorien existiert nicht nur ein Nachprüfungs-, Falsifizierungs-, Konsistenzprüfungsgebot sondern auch ein Interpretationsbedarf. Das beste Beispiel ist die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik durch Bohr und Heisenberg.

Ich hab' da allerdings wenig Lust, mich um Begrifflichkeiten zu streiten. Nenn es meinetwegen Bereitschaft zum Nonkonformismus. Oder Bereitschaft zum Bruch nicht mit Normen sondern mit bestehenden theoretischen Modellen. In jedem Fall steht vor wissenschaftlichen und vor allem auch künstlerischen kreativen Leisten diese innere Bereitschaft und die Lust zum Bruch mit irgendetwas Bestehendem. Wie solls auch anders sein? Und auch wenn das nur eine notwendige und keine hinreichende Voraussetzung ist. Und das steht im Widerspruch zur Idee eines fixierten Katalogs von kulturellen Gebräuchlichkeiten.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von pikant »

Selina hat geschrieben:(12 May 2017, 14:32)

Für mich ist das son Wahlkampf-Test-Ballon. Allerdings mit dem etwas ernsteren Hintergrund, Fremden durch die Blume zu sagen, dass sie eigentlich nicht dazugehören und nicht erwünscht sind, weil man sie nicht für "gut genug" hält. Das macht man natürlich nicht direkt, sondern durch die Hintertür über solche Kulturleitsätze. Wenn die wenigstens originell oder intelligent wären. Sie sind aber nur bieder und kleinkariert.
ich werde mir diese Leitsaetze dann mal anschauen und wenn ich Lust habe sie befolgen oder auch nicht!
fuer mich ist Leitkultur in Deutschland das Gesetz - mehr und nicht weniger
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(12 May 2017, 14:11)

Genau. Und da alles schon ausführlich genug formuliert ist im Gundgesetz, steckt also ganz offensichtlich etwas anderes dahinter, so einen seltsamen Deutschlandknigge zu verfassen. Was, glaubst du, ist es? Meine Meinung hab ich ja schon geschrieben, dass ich es für schlichten CDU-Wahlkampf halte, um die abtrünnigen Schäfchen von rechts außen wieder zurückzuholen. Was sagst du?
Mit dem Verständnis des Grundprinzips unseres Grundgesetzes haben ja so einige Probleme. Das merkt man auch z.B. am gerne zitierten Satz 2 von Artikel 14, der eben gerne unabhängig von Satz 1 gesehen wird.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(12 May 2017, 14:25)

Die angebliche Norm, daß es nichts mehr zu erforschen gäbe, war keine Norm, sondern eine Fehleinschätzung.
Deswegen setzt du die Norm ja jetzt auch in Anführungszeichen. Deine Behauptung "Alle großen wissenschaftlichen Entdeckungen und künstllerischen Neuentwürfe begannen mit Abweichungen von der Norm." ist ganz offensichtlich falsch.
Gerade eben habe ich erklärt bekommen, dass eine Norm etwas ist, das mit voraussehbarer, etwa gleicher Wahrscheinlichkeit eintritt. Um 1900 herum vertrat ein beliebiger Naturwissenschaftler mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit die Auffassung, in der Physik gebe es nix mehr groß zu entdecken. Dass das eine (grobe) Fehleinschätzung war, ändert daran ja nix. Unabhängig davon, was Planck dann nun tatsächlich entwickelte: Es war bereits ein Zeichen von Nonkonformismus, sich überhaupt der Entdeckung von Neuem in der Physik zu widmen.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Zunder »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(12 May 2017, 14:45)

Mit dem Verständnis des Grundprinzips unseres Grundgesetzes haben ja so einige Probleme. Das merkt man auch z.B. am gerne zitierten Satz 2 von Artikel 14, der eben gerne unabhängig von Satz 1 gesehen wird.
Satz 3 gibt es übrigens auch. Der steht im Zusammenhang mit Satz 2.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Zunder hat geschrieben:(12 May 2017, 14:48)

Satz 3 gibt es übrigens auch. Der steht im Zusammenhang mit Satz 2.
kann aber auch nicht losgelöst von Satz 1 gesehen werden.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(12 May 2017, 14:25)
Wer die "Leitkulturalisten" sind, weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht so brennend, weil ich schon den Begriff der Leitkultur für verfehlt halte.
Wenn du auf de Maizière anspielst, solltest du halt einfach lesen, was er geschrieben hat:

"Ich finde den Be­griff "Leit­kul­tur" gut und möch­te an ihm fest­hal­ten. Denn er hat zwei Wort­be­stand­tei­le. Zu­nächst das Wort Kul­tur. Das zeigt, worum es geht, näm­lich nicht um Rechts­re­geln, son­dern un­ge­schrie­be­ne Re­geln un­se­res Zu­sam­men­le­bens. Und das Wort "lei­ten" ist etwas an­de­res als vor­schrei­ben oder ver­pflich­ten. Viel­mehr geht es um das, was uns lei­tet, was uns wich­tig ist, was Richt­schnur ist. Eine sol­che Richt­schnur des Zu­sam­men­le­bens in Deutsch­land, das ist das, was ich unter Leit­kul­tur fasse."

"Kann eine Leit­kul­tur vor­ge­schrie­ben wer­den? Ist sie ver­bind­lich? Nein. Wie der Name Kul­tur schon sagt, geht es hier nicht um vor­ge­schrie­be­ne Re­geln. Die Leit­kul­tur prägt und soll prä­gen. Sie kann und soll ver­mit­telt wer­den."

http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... ettansicht

Es vollkommen legitim, dieses Leitkulturzeugs zu verwerfen.
Es ist allerdings unredlich, Dinge zu unterstellen, die weder gesagt wurden noch beabsichtigt sind.
Ich habe das schon verstanden und auch entsprechende Texte gelesen. Leitkultur ist im Sinne einer Prägung und Vermittlung als informelle Richtschnur gedacht. Aber das ist ja gerade das perfide. Oder anders gesagt: Gerade die Formalität der Strafgesetze macht ihre Liberalität aus. Es ist in einem juristischen Verfahren klärbar, ob gegen sie verstoßen wird oder nicht. Bei der Leitkultur tritt an die Stelle der Justiz irgendein Wir. Irgendeine kollektive Instanz. Wie in irgendeinem Kuhkaff, wo die Leute gemobbt werden, wenn sie sich etwas eigensinniger kleiden.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 14:46)
Es war bereits ein Zeichen von Nonkonformismus, sich überhaupt der Entdeckung von Neuem in der Physik zu widmen.
Das ist nicht Nonkonformismus. Das ist Wissenschaft.
Die Neuerungen des 20. Jahrhunderts fußen auf dem Wissensstand des 19. Jahrhunderts, in dem vieles schon angelegt war, was vollkommen NORMal ist.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Zunder »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(12 May 2017, 14:50)

kann aber auch nicht losgelöst von Satz 1 gesehen werden.
Natürlich nicht. Sonst gäbe es ja auch nichts zu enteignen.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Zunder hat geschrieben:(12 May 2017, 14:57)

Natürlich nicht. Sonst gäbe es ja auch nichts zu enteignen.
klar, aber primär gilt Satz 1. So auch die Logik des GG.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 14:55)

Ich habe das schon verstanden und auch entsprechende Texte gelesen. Leitkultur ist im Sinne einer Prägung und Vermittlung als informelle Richtschnur gedacht. Aber das ist ja gerade das perfide. Oder anders gesagt: Gerade die Formalität der Strafgesetze macht ihre Liberalität aus. Es ist in einem juristischen Verfahren klärbar, ob gegen sie verstoßen wird oder nicht. Bei der Leitkultur tritt an die Stelle der Justiz irgendein Wir. Irgendeine kollektive Instanz. Wie in irgendeinem Kuhkaff, wo die Leute gemobbt werden, wenn sie sich etwas eigensinniger kleiden.
Wenn in einem Kuhkaff Leute gemobbt werden, hat das nichts mit Kultur zu tun. Das geht ja wohl eher in Richtung Barbarei.

Die Fixierung auf Rechtsnormen halte ich für hochgradig problematisch. Nicht das geltende Recht garantiert die freiheitliche Ordnung, sondern die Gesellschaft, die die dem Recht zugrundeliegenden Werte anerkennt, bewahrt und notfalls verteidigt.

Hitler mußte seinen Legalitätseid nicht brechen, um an die Macht zu kommen.

Wir können in Echtzeit zuschauen, wie in der Türkei mit vollkommen legalen Mitteln demokratische Strukturen zerstört werden.

Das Vertrauen in das Grundgesetz wird definitiv nicht reichen, um die Grundrechte bewahren zu können. In einem Land, das schon einmal eine Demokratie versemmelt hat, ist diese Gesetzesgläubigkeit noch unverständlicher als ohnehin schon.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Zunder hat geschrieben:(12 May 2017, 15:11)

Das Vertrauen in das Grundgesetz wird definitiv nicht reichen, um die Grundrechte bewahren zu können. In einem Land, das schon einmal eine Demokratie versemmelt hat, ist diese Gesetzesgläubigkeit noch unverständlicher als ohnehin schon.
nicht nur einmal, sondern mit der DDR auch zweimal im letzten Jahrhundert.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Selina »

Guter Kommentar zum (Un)Sinn einer "deutschen Leitkultur":

Zitat:

Die vorgeschlagene Leitkultur würde ungeschriebene Gesetze zu geschriebenen Gesetzen machen und drängte dabei tief in die individuelle Freiheit aller Menschen unserer Gesellschaft ein. Denn wer eine Leitkultur für Migranten einfordert, der muss sie für alle gelten lassen, denn sonst hat sie keinerlei Legitimation.

Leiten wir also ab, dass gesellschaftliche Konventionen aus der Gesellschaft entspringen, dann sind diese ihr Kitt. Doch dieser Kitt ist und muss flexibel bleiben. Er darf nicht als „Leitkultur“ zementiert werden, denn sonst wird die Gesellschaft uniform und Individualität oder die Einzigartigkeit sozialer Gruppen zur Abnormität erklärt. Eine Gesellschaft ist stets im Fluss und ändert ihre Eigenschaften und Gewohnheiten, wie wir an diversen Einstellungsänderungen über die letzten Jahrzehnte hinweg beobachten können.


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Dark Angel
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 May 2017, 14:40)

Für moderne physikalische Theorien existiert nicht nur ein Nachprüfungs-, Falsifizierungs-, Konsistenzprüfungsgebot sondern auch ein Interpretationsbedarf. Das beste Beispiel ist die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik durch Bohr und Heisenberg.

Ich hab' da allerdings wenig Lust, mich um Begrifflichkeiten zu streiten. Nenn es meinetwegen Bereitschaft zum Nonkonformismus. Oder Bereitschaft zum Bruch nicht mit Normen sondern mit bestehenden theoretischen Modellen. In jedem Fall steht vor wissenschaftlichen und vor allem auch künstlerischen kreativen Leisten diese innere Bereitschaft und die Lust zum Bruch mit irgendetwas Bestehendem. Wie solls auch anders sein? Und auch wenn das nur eine notwendige und keine hinreichende Voraussetzung ist. Und das steht im Widerspruch zur Idee eines fixierten Katalogs von kulturellen Gebräuchlichkeiten.
Auch wenn du diesen Unsinn noch ein paarmal wiederholst, wird er nicht richtiger!
Wissenschaftliche Leistungen stellen keine "innere Bereitschaft und die Lust zum Bruch mit irgendetwas Bestehendem." dar - es geht um Weiterentwicklung darum hinreichend genaue Erklärungen zu finden, die bestehende Theorien nicht liefern können. Das hat nicht das geringste mit "Bruch"/"Normbruch" zu tun.
Vorstellungen, dass die Sonne den Mittelpunkt unseres Sonnensystems bildet, gab es bereits bei den Pythagoräern im antiken Griechenland - etwa 500 Jahre bevor Claudius Ptolemäus sein geozentrisches Weltbild, welches ausschließlich auf dem "Augenscheinlichen" beruhte, veröffentlichte. Kopernikus griff auf diese antike Idee zurück, behielt jedoch Erklärungsansätze des Ptolemäus bei - nämlich die Schalentheorie und die Epizykel.
Wo ist denn da ein "Normbruch"
Einsteins SRT basiert u.a auf Vorarbeiten von Lorentz und Poincaré sowie auf Neumann und Mach. Die SRT kommt ohne den, noch von Lorentz und Poincaré postulierten Äther aus.
Und wo ist hier der "Normbruch"?
Die Quantenphysik wurde ursprünglich als Notlösung für die Notwendigkeit die theoretischen Beschreibung empirischen Faktenmaterials zu ermöglichen.
Wo ist denn hier dein "Normbruch"?
Es handelt sich eindeutig um Entwicklungsprozesse, die auf vorhandenem Erkenntnis- und Wissensstand aufbauen und die wiederum einem Entwicklungsprozess unterliegen.
Da ist nix mit "innere[r] Bereitschaft und d[er] Lust zum Bruch mit irgendetwas Bestehendem." - es geht schlicht darum Erklärungen zu finden, die vorhandene Theorien nicht liefern können. Nennt sich Erkenntnisgewinn und ist die Norm in den Wissenschaften
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(12 May 2017, 15:14)

Guter Kommentar zum (Un)Sinn einer "deutschen Leitkultur":

Zitat:

Die vorgeschlagene Leitkultur würde ungeschriebene Gesetze zu geschriebenen Gesetzen machen und drängte dabei tief in die individuelle Freiheit aller Menschen unserer Gesellschaft ein. Denn wer eine Leitkultur für Migranten einfordert, der muss sie für alle gelten lassen, denn sonst hat sie keinerlei Legitimation.

Leiten wir also ab, dass gesellschaftliche Konventionen aus der Gesellschaft entspringen, dann sind diese ihr Kitt. Doch dieser Kitt ist und muss flexibel bleiben. Er darf nicht als „Leitkultur“ zementiert werden, denn sonst wird die Gesellschaft uniform und Individualität oder die Einzigartigkeit sozialer Gruppen zur Abnormität erklärt. Eine Gesellschaft ist stets im Fluss und ändert ihre Eigenschaften und Gewohnheiten, wie wir an diversen Einstellungsänderungen über die letzten Jahrzehnte hinweg beobachten können.


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Ich brings mal auf den Punkt. Es gibt die Tendenz die freiheitlich demokratische Grundordnung dadurch zu schützen, dass man sie in Frage stellt. Und genau da ist vollkommen absurd.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Zunder »

Selina hat geschrieben:(12 May 2017, 15:14)

Guter Kommentar zum (Un)Sinn einer "deutschen Leitkultur":

Zitat:

Die vorgeschlagene Leitkultur würde ungeschriebene Gesetze zu geschriebenen Gesetzen machen und drängte dabei tief in die individuelle Freiheit aller Menschen unserer Gesellschaft ein. Denn wer eine Leitkultur für Migranten einfordert, der muss sie für alle gelten lassen, denn sonst hat sie keinerlei Legitimation.

Leiten wir also ab, dass gesellschaftliche Konventionen aus der Gesellschaft entspringen, dann sind diese ihr Kitt. Doch dieser Kitt ist und muss flexibel bleiben. Er darf nicht als „Leitkultur“ zementiert werden, denn sonst wird die Gesellschaft uniform und Individualität oder die Einzigartigkeit sozialer Gruppen zur Abnormität erklärt. Eine Gesellschaft ist stets im Fluss und ändert ihre Eigenschaften und Gewohnheiten, wie wir an diversen Einstellungsänderungen über die letzten Jahrzehnte hinweg beobachten können.


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Rate mal, wer das geschrieben hat:

"Kann eine Leit­kul­tur vor­ge­schrie­ben wer­den? Ist sie ver­bind­lich? Nein. Wie der Name Kul­tur schon sagt, geht es hier nicht um vor­ge­schrie­be­ne Re­geln."
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Selina
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Selina »

Also die Wissenschaftler oder Gelehrten (einer der ersten soll Aristoteles gewesen sein), die davon sprachen, dass die Erde keine Scheibe ist, die begingen in ihren jeweiligen Zeiten und Epochen durchaus einen Normbruch. Im Mittelalter galt diese Behauptung sogar als Ketzerei.
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Re: 20 Jahre Leitkultur

Beitrag von Provokateur »

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