Leider ist da historisch einiges schief gelaufen, wohl von beiden Seiten aus.palulu hat geschrieben:(17 Feb 2016, 20:49)
Welcher Deutsche akzeptiert die gesamtkulturellen Differenzen zwischen einem Deutschen und einem Deutschtürken?
Prinzipiell erwarte ich von Einwanderern, dass sie sich für die neue Heimat begeistern; schließlich muss es ja einen Grund geben, dass sie in ein bestimmtes Land einwandern wollen. Selbstverständlich können gewisse kulturelle Eigenheiten mitgenommen werden, aber die Loyalitäten müssen klar sein. Wenn jemand nach Deutschland einwandert, erwarte ich von ihm, dass er Deutscher werden will, und dass er seine Kinder als Deutsche aufwachsen sehen will. "Deutsch" in diesem Sinne hat dann selbstverständlich eine weitere, umfassendere Bedeutung als "deutsch" im traditionellen Sinne.
Auf der anderen Seite dürfen Einwanderer dann auch erwarten, dass sie nach einiger Zeit voll akzeptiert werden, nicht nur als Gäste oder als "ausländische Mitbürger", sondern als vollwertige Staatsbürger. Beispielsweise darf es für die Karriere nicht von Belang sein, ob man nun Schmidt oder Yilmaz heißt, ob man zu Jahwe oder Allah betet, oder ob man Schnitzel oder Döner isst.
All dies hat bisher nur begrenzt stattgefunden. Ich kenne wenige Deutsche türkischer Herkunft, die sich selbstbewusst als Deutsche sehen und zu 100% für dieses Land eintreten; viele sehen sich als Türken, obwohl ihnen bei Türkeibesuchen dann doch häufig klar wird, dass sie dort nicht zu Hause sind. Ich war allerdings ziemlich geschockt, in welchem Ausmaß nach Erdogans Wahlsieg in Deutschland gefeiert wurde. Da gab es Autokorsos und Fahnenschwenken, die die Loyalitäten nur zu schmerzhaft deutlich gemacht haben. Auf der anderen Seite gibt es auch immer noch viele autochthone Deutsche, die Schwierigkeiten haben, einen Deutschen türkischer Herkunft als vollwertigen Deutschen zu betrachten.
In gewissem Sinne ist dies auch ein Teufelskreis und letztlich Folge nicht der aktuellen Politik, sondern den spezifischen Umständen der Gastarbeitermigration in den 1960er- bis 1980er-Jahren geschuldet.