Flüchtlingsproblematik durch Adoptionssystem lösen

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Ein gesamteuropäisches Adoptionssystem...

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apartofme
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Flüchtlingsproblematik durch Adoptionssystem lösen

Beitrag von apartofme »

Die Unterbringung in Massenlagern und Flüchtlingsheimen hat einige Nachteile.

(1) Durch die Massenunterbringung wird die Integration, das Erlernen der Sprache und damit der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert
(2) Sie erzeugen kulturelle Parallelgesellschaften.
(3) Sie stoßen in Teilen der Bevölkerung auf geringe Akzeptanz
(4) Sie stehen unter einem höheren Risiko, Ziele von gewaltsamen fremdenfeindlichen Angriffen zu werden

Insbesondere mit den Flüchtlingen aus den syrischen Kriegsgebieten werden eine Reihe von Problemen assoziiert. Diese Probleme sind nicht so leicht von der Hand zu weisen und umfassen in der Tendenz unter Anderem:
(1) Mit westlichen Grundnormen inkompatible Haltungen zur Homosexualität und zu Frauenrechten
(2) Teils inkompatible Haltungen bezüglich religiöser Toleranz
(3) Antisemitische Grundhaltungen

Diese Aspekte lassen sich ohne Weiteres auch messen. Vielen Menschen in der Bevökerung und auch mir persönlich bereiten sie einige Sorgen. Oft werden sie mit Klischees und Stereotypen vermischt, was eine sachliche Diskussion darüber zunehmend erschwert. Das führt dann unter Anderem dazu, dass sich die öffentliche Diskussion dieser Sache mehr an der Frage des "ob" bei der Flüchtlingsaufnahme konzentriert und nicht so sehr an der Frage des "wie". Dass politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge ein Recht auf Asyl genießen ist jedoch aus meiner Sicht ein unumstößlicher zivilisatorischer Minimalkonsens, an dem es nichts zu verrücken gibt. Die Diskussionen darüber, dass ja andere Länder sich um diese Aufgabe kümmern könnten, sind hier aus meiner Sicht fehl am Platze, da es sich bei der Lösung dieses Problems um eine internationale Aufgabe handelt.

Aus diesen genannten Gründen habe ich mir einige Gedanken darüber gemacht, wie die Flüchtlingsproblematik in Deutschland und Europa effektiver gelöst werden könnte. Meine Schlussfolgerung ist, dass ein Adoptionssystem den angesprochenen Nachteilen am effektivsten entgegenwirkt. Menschen aus der Bevölkerung nehmen Flüchtlinge bei sich oder in ihrer unmittelbaren Nähe auf und begleiten sie mitunter durch ihren Alltag. Das System ist im universitären Bereich und bei Au-Pairs schon relativ bekannt. Wichtig ist, dass der finanzielle Anreiz, Flüchtlinge aufzunehmen so hoch gesteckt wird, dass sich genügend Menschen bereit erklären.

Ein solches System muss europäisch organisiert und finanziert sein und kann seine Vorteile im gesamteuropäischen Rahmen vermutlich am effektivsten ausspielen. Dadurch, dass die Finanzierung durch die Europäische Union vorgenommen würde, könnten wirtschaftlich schwächere Länder in der Finanzierung entlastet werden. Gleichzeitig ergäbe sich der Vorteil, dass aufgrund der höheren Kaufkraft in ärmeren europäischen Ländern, die sich bisher noch stark gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehren, ein viel größerer Anreiz bestünde, Flüchtlinge aufzunehmen oder zu begleiten. Zahle ich einer deutschen Familie 1000 EUR für die Unterbringung eines Flüchtlings, so mag der Anreiz noch relativ gering sein. Erhält eine bulgarische Familie jedoch eine Zahlung in dieser Größenordnung, dann sieht das möglicherweise anders aus. Des Weiteren glaube ich, dass eine solche Organisationsform bei anderen europäischen Ländern auf eine höhere Akzeptanz stoßen würde, da sie von den europäischen Partnern vermutlich als nachhaltiger empfunden würde.

Es gibt einige Gegenargumente gegen ein Adoptionssystem von Flüchtlingen. Zunächst sei hier einmal der Verlust an persönlicher Autonomie der Flüchtenden genannt. Man kann Flüchtlinge nicht dazu zwingen, beispielsweise bei einer Familie zu leben. Das soll jedoch auch nicht geschehen. Die Anreize, dies dennoch zu tun, könnten hierbei finanzieller Natur sein. Auch der Aspekt, dass ein Flüchtling in einer angestammten Familie der Willkür der Familienmitglieder hilflos ausgeliefert sei, spielt eine Rolle. Dem lässt sich jedoch ebenso entgegenwirken, wenn man dafür sorgt, dass es stets eine größere Anzahl von Menschen gibt, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen möchten, als es Flüchtlinge gibt, die sich um einen Platz in einer Familie "bewerben". Gleichzeitig muss weiterhin die Möglichkeit bestehen, in einer Massenunterkunft, einem Flüchtlingslager oder einer Wohnung untergebracht zu werden.

Ein solches System wird Geld kosten. Viel Geld. Es muss die nötigen Anreize nötigenfalls mit unverhältnismäßig hohen finanziellen Zahlungen sichern. Bis jetzt geht man davon aus, dass der starke Anstieg von Flüchtlingen die Sozialkassen mit etwa 3,3 Mrd Euro im Jahr 2015 zusätzlich belasten wird. Ein System in der beschriebenen Art wäre möglicherweise teurer. Der Flüchtlingsproblematik im Nahen Osten werden wir jedoch nur gerecht, wenn wir sie als eine menschliche Aufgabe historischen Ausmaßes begreifen. als eine humanitäre Krise, in der es darum geht, Menschen zu retten. Die Rettung von Menschen kann ungewöhnliche Strategien und einen hohen menschlichen Einsatz fordern. Die Kosten für den amerikanischen Einsatz im Irak werden von verschiedenen Institutionen auf 757 Milliarden bis 1.1 Billionen US-Dollar geschätzt. Gebracht hat dieser Einsatz nicht viel, aber er wurde von den Vereinigten Staaten als nationale Aufgabe gesehen, als Angelegenheit im Sicherheitsinteresse des Staates. Die Flüchtlingsproblematik human und sozial verträglich zu lösen ist aus meiner Sicht eine nationale Aufgabe von nicht minderer Bedeutung. Wie wir mit diesen Krisen umgehen und ob wir in der Lage sind, Flüchtlinge und Einwanderer in unsere Gesellschaft zu integrieren, wird entscheidende Auswirkungen auf die demografische und sozialstrukturelle Zukunft Europas haben.

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Re: Flüchtlingsproblematik durch Adoptionssystem lösen

Beitrag von Tom Bombadil »

Finde ich eine gute Idee, ich würde es aber nicht nur mit monetären Anreizen durchführen. Für die Flüchtlinge selber gäbe es ja noch andere Möglichkeiten, wo man ansetzen könnte, zum Beispiel bevorzugte Behandlung von "adoptierten" Flüchtlingen bei der Wohnungs-, Lehrstellen- und Studienplatzvergabe. Bei den "Adoptiveltern" zieht aber wahrscheinlich meistens der monetäre Vorteil, da fällt mir adhoc auch nichts ein, womit man andere Anreize schaffen könnte.
Zuletzt geändert von Tom Bombadil am Sa 5. Sep 2015, 18:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Flüchtlingsproblematik durch Adoptionssystem lösen

Beitrag von apartofme »

Tom Bombadil » Sa 5. Sep 2015, 18:13 hat geschrieben:Finde ich eine gute Idee, ich würde es aber nicht nur mit monetären Anreizen durchführen. Für die Flüchtlinge selber gäbe es ja noch andere Möglichkeiten, wo man ansetzen könnte, zum Beispiel bevorzugte Behandlung von "adoptierten" Flüchtlingen bei der Wohnungs-, Lehrstellen- und Studienplatzvergabe. Bei den "Adoptiveltern" zieht aber wahrscheinlich meistens der monetäre Vorteil, da fällt mir adhoc auch nichts ein, womit man andere Anreize schaffen könnte.
Prinzipiell sehe ich zwei Probleme beim monetären Ansatz.

Erstens erzeugt er unter Umständen ein gewisses Ungleichgewicht am Markt. Insbesondere in ärmeren europäischen Staaten könnte er zu einer übermäßigen Privilegierung derjeniger führen, die Flüchtlinge aufnehmen.

Zweitens besteht bei den Flüchtlingen, insbesondere in Deutschland, eigentlich kaum noch Spielraum bei der finanziellen Privilegierung von Flüchtlingen, da nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Thematik das, was man ihnen zu geben gesetzlich verpflichtet ist etwa auf dem gleichen Level liegt, wie Hartz IV. Flüchtlinge unter Umständen finanziell besser zu stellen als Hartz IV-Empfänger wäre aber wohl kaum mehrheitsfähig.

Diese Probleme dürften aber lösbar sein. Eine grundsätzlich bevorzugte Behandlung der Adoptierten bei der Lehrstellen- oder Studienplatzvergabe dürfte allerdings wohl gegen Antidiskriminierungsgesetze verstoßen.

Es muss außerdem beachtet werden, dass viele Flüchtlinge mit ihren Familien anreisen oder wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt eine Familienzusammenführung planen. Es dürften sich nur sehr wenige Familien finden, die mehr als einen Flüchtling bei sich aufnehmen können. In solchen Fällen dürften ausgeklügeltere Bezugs- und Begleitsysteme von Nöten sein. Das spricht aber aus meiner Sicht nicht dagegen, auch vollständige Familien temporär in solche bürgerlichen Begleitsysteme einzubinden, ähnlich wie dies auch an Universitäten geschieht, in denen Austauschstudenten so genannte "Buddys" zur Verfügung gestellt bekommen, die sie in das universitäre Umfeld und die Gepflogenheiten einführen.

Siehe z.B. http://www.uni-heidelberg.de/studium/im ... gramm.html
Zuletzt geändert von apartofme am Sa 5. Sep 2015, 20:02, insgesamt 2-mal geändert.
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