Flüchtlingsgipfel in Stuttgart, Scheitern als Durchbruch

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Cat with a whip
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Flüchtlingsgipfel in Stuttgart, Scheitern als Durchbruch

Beitrag von Cat with a whip »

Seit langem führt die Divergenz zwischen Delegation des Flüchtlingsproblems an die Gemeinden einerseits und die mangelnde Finanzierung des Aufwands durch die Gemeinschaft andererseits zu Engpässen bei der Versorgung von Flüchtlingen. So ist der Flüchtlingsfipfel in Stuttgart auch als Eingeständnis des Scheiterns eines Landes zu verstehen.

Im wesentlichen erreichte der gestrige Gipfel eine zeitlich auf 2 Jahre gestaffelte Kapazitätsverdoppelung der billgieren Erstaufnahmelager als Notlösung, um die Heime in den Kommunen nicht weiter zu belasten. Aus diesen Erstaufnahmelagern kann wie zuvor nach Ablehnung abgeschoben werden bevor Flüchtlinge verteilt werden. Eine Verbesserung der Bedingungen für Flüchtlinge wird damit nicht erreicht, eher wird die bisher aufgestaute Arbeit verstärkt angegangen. Immerhin, lediglich syrische Flüchtlinge sollen bei der Bescheidung ihrer Asylanträge bevorzugt werden mit Aussicht auf Bleiberecht und Arbeitsmöglichkeit und gleich in die Gemeinden verteilt werden, da hier die Annerkennungsquote erfahrungsgemäß höher ist. Damit wird umgekehrt auch der Zweck der Erstaufnahmlager als Abschiebelager mit gewollt prekären Lebensbedingungen und Sanktionsmöglichkeiten deutlich. Zweiklassenasyl ist damit geschaffen. Die zugesicherten Hilfen für den Ausbau weiterer Wohnplätze in den Gemeinden wird erst morgen die eigentlich vorhersehbaren Probleme nichtmal mildern. Da aber die zugesicherten Hilfen nicht ausreichen, setzt man die zuvor für 2016 projektierte Erweiterung der Wohnfläche pro Person aus und verschiebt sie auf 2018. D.h. weiterhin 4,5 qm, statt 7 qm Wohnraum pro Mensch, was der Beimessung des Wohnraums für Gefängnisinsassen entspricht. Bekannt ist jedoch dass das dauerhafte Einpferchen von Menschen auf zu engen Raum zu gefährlichen Situationen führt, in denen sich der psychisch aufgestaute Druck entläd.

Den Kommunen sind die Pläne zu wenig.

Pragmatismus zeigt sich immerhin in der Bereitsschaft zur Öffnung des Landes in Sachen Arbeitsmigration für Menschen aus dem Westbalkan. Immerhin hier ein ehrlicher Umgang mit der Realität.

Interessant auch die Entgegnung Kretschmanns in einem ZDF-Interview auf die Frage, ob die steigenden Flüchtlingszahlen nicht vorhersehbar waren. Kretschmann verwies dazu auf die Vorgabe aus dem BAMF und darauf, dass die Prognosen immer weiter nach oben korrigiert wurden und man selbst den angemeldeten Bedarf ohnehin übererfüllt hätte. Sieht man sich jedoch die zeitliche Entwicklung der Zahl der gestellten Asylanträge an, konnte der aktuelle Wert anhand des Dynamikverlaufs spätestens seit 2012 recht verlässlich extrapoliert und damit auch prognotiziert werden. Zusammen mit der Kenntnis der politischen Umwälzungen im arabischen Raum mit ihren gewaltigen Flüchtlingsströmen kann man über den Anstieg nicht überrascht sein. Kretschmann ist also ahnungslos und gibt die Verantwortung für den Verzug an den Bund ab.

Fazit: Der humanitären Katastrophe hinterhertrödeln.

http://www.br.de/nachrichten/fluechtlin ... n-100.html
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... b4832.html
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/ ... -Stuttgart
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/ ... rzehnfacht
http://www.taz.de/!5217951/
"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum
HugoBettauer

Re: Flüchtlingsgipfel in Stuttgart, Scheitern als Durchbruch

Beitrag von HugoBettauer »

Cat with a whip » Di 28. Jul 2015, 15:23 hat geschrieben:Seit langem führt die Divergenz zwischen Delegation des Flüchtlingsproblems an die Gemeinden einerseits und die mangelnde Finanzierung des Aufwands durch die Gemeinschaft andererseits zu Engpässen bei der Versorgung von Flüchtlingen. So ist der Flüchtlingsfipfel in Stuttgart auch als Eingeständnis des Scheiterns eines Landes zu verstehen.

Im wesentlichen erreichte der gestrige Gipfel eine zeitlich auf 2 Jahre gestaffelte Kapazitätsverdoppelung der billgieren Erstaufnahmelager als Notlösung, um die Heime in den Kommunen nicht weiter zu belasten. Aus diesen Erstaufnahmelagern kann wie zuvor nach Ablehnung abgeschoben werden bevor Flüchtlinge verteilt werden. Eine Verbesserung der Bedingungen für Flüchtlinge wird damit nicht erreicht, eher wird die bisher aufgestaute Arbeit verstärkt angegangen. Immerhin, lediglich syrische Flüchtlinge sollen bei der Bescheidung ihrer Asylanträge bevorzugt werden mit Aussicht auf Bleiberecht und Arbeitsmöglichkeit und gleich in die Gemeinden verteilt werden, da hier die Annerkennungsquote erfahrungsgemäß höher ist. Damit wird umgekehrt auch der Zweck der Erstaufnahmlager als Abschiebelager mit gewollt prekären Lebensbedingungen und Sanktionsmöglichkeiten deutlich. Zweiklassenasyl ist damit geschaffen. Die zugesicherten Hilfen für den Ausbau weiterer Wohnplätze in den Gemeinden wird erst morgen die eigentlich vorhersehbaren Probleme nichtmal mildern. Da aber die zugesicherten Hilfen nicht ausreichen, setzt man die zuvor für 2016 projektierte Erweiterung der Wohnfläche pro Person aus und verschiebt sie auf 2018. D.h. weiterhin 4,5 qm, statt 7 qm Wohnraum pro Mensch, was der Beimessung des Wohnraums für Gefängnisinsassen entspricht. Bekannt ist jedoch dass das dauerhafte Einpferchen von Menschen auf zu engen Raum zu gefährlichen Situationen führt, in denen sich der psychisch aufgestaute Druck entläd.

Den Kommunen sind die Pläne zu wenig.

Pragmatismus zeigt sich immerhin in der Bereitsschaft zur Öffnung des Landes in Sachen Arbeitsmigration für Menschen aus dem Westbalkan. Immerhin hier ein ehrlicher Umgang mit der Realität.

Interessant auch die Entgegnung Kretschmanns in einem ZDF-Interview auf die Frage, ob die steigenden Flüchtlingszahlen nicht vorhersehbar waren. Kretschmann verwies dazu auf die Vorgabe aus dem BAMF und darauf, dass die Prognosen immer weiter nach oben korrigiert wurden und man selbst den angemeldeten Bedarf ohnehin übererfüllt hätte. Sieht man sich jedoch die zeitliche Entwicklung der Zahl der gestellten Asylanträge an, konnte der aktuelle Wert anhand des Dynamikverlaufs spätestens seit 2012 recht verlässlich extrapoliert und damit auch prognotiziert werden. Zusammen mit der Kenntnis der politischen Umwälzungen im arabischen Raum mit ihren gewaltigen Flüchtlingsströmen kann man über den Anstieg nicht überrascht sein. Kretschmann ist also ahnungslos und gibt die Verantwortung für den Verzug an den Bund ab.

Fazit: Der humanitären Katastrophe hinterhertrödeln.

http://www.br.de/nachrichten/fluechtlin ... n-100.html
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... b4832.html
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/ ... -Stuttgart
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/ ... rzehnfacht
http://www.taz.de/!5217951/
Diesen Faden widme ich Kettwissewipp. Der humanitären Katastrophe hinterhertrödeln trifft es sehr gut. Katastrophe ist in Deutschland, wenn ungefähr so viele Leute kommen wie vor 10 Jahren schonmal. Derweil gehen in den Nachbarländern der Schauplätze von Flucht und Vertreibung ganz andere Szenen ab, obwohl die von deutschen Katastrophen nur träumen könnten.
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