Erwartungsgemäß geht es weiter im Streit.
Netanyahu empört über Polens Regierungschef
Mateusz Morawiecki verschärft den Streit mit Israel um das umstrittene Holocaust-Gesetz. Der polnische Premier behauptete auf der Münchner Sicherheitskonferenz, es habe auch "jüdische Täter" gegeben.
Er hatte auf die Frage des israelischen Journalisten Ronen Bergman, ob er nun in Polen als kriminell angesehen würde, nachdem er berichtet hatte, dass polnische Nachbarn einst seine jüdische Familie bei der Gestapo verraten hätten, relativierend geantwortet.
"Natürlich wird es nicht strafbar und kriminell sein, wenn man sagt, dass es polnische Täter gab, so wie es jüdische Täter gab, so wie es russische Täter gab, so wie es Ukrainer gab, nicht nur deutsche Täter", sagte er.
Im Grunde genommen eine Frage der Definitionen. Was ist "kriminell", was ist ein Verbrechen, Mittäterschaft, Kollaboration, was aus der Not geboren, was aus niederen Motiven uvm. Nur bei solchen Themen und gerade beim Holocaust spielen auch Gefühle eine große Rolle, wie auch nüchterner betrachtet die möglichen Entwicklungen in Rechtsfragen eine Rolle.
"Hier haben wir ein Problem der Unfähigkeit, Geschichte zu verstehen, sowie fehlendes Gefühl für die Tragödie unseres Volkes" twitterte der Premier. Er sehe dringenden Redebedarf mit Morawiecki.
Auch der Jüdische Weltkongress (WJC) äußerte sich empört über die "absurde und unverschämte" Aussage Morawieckis. "Polens Regierungschef hat erschreckende Ignoranz gezeigt mit seiner unverschämten Behauptung, dass sogenannte jüdische Täter zum Teil verantwortlich waren für den Versuch der Nazis, das europäische Judentum auszurotten", schrieb WJC-Präsident Ronald Lauder in einer Erklärung. Dies komme einem Versuch der
Geschichtsfälschung gleich.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/b ... 94106.html
Auch hier wieder die Frage, ist es wirklich immer klar, was "Geschichte" ist? Oder obliegt es der jeweiligen Deutung? Jenseits der Frage von den üblichen Verschwörungsexperten eine durchaus wichtige Frage.
Abseits der Problematik des eindeutigen, klaren Umgangs bei diesem Thema, also weg von "Geschichtsfälschung" finde ich das Gefühl interessant. Viele Menschen mit Immigrationshintergrund aus Nahost haben kaum ein Gefühl für jüdische Befindlichkeiten im europäischen Kontext der Progrome und des Holcausts. Wie ich finde immer fälscherweise automatisch mit Nazitum geleichgesetzt. Es ist eben keine orientalische Geschichte und die Menschen im Orient haben weder das europäische (deutsche?) Bewußtsein daraus, noch irgendein daraus abzuleitendes Verantwortungs- oder Schuld
gefühl. Meist sehen sie sich selbst als Opfer. Oder Neonazis in den USA, die kein Problem mit Utensilien dergestalt geschmückt zum Barbecue zu gehen. Oder wie in diesem Fall Polen. Aus deren Perspektive - zugegeben mit rechten Einschlag in der Regierung - sind sie Opfer der Nazis. Und das waren sie massiv. Das aber in diesem, wie ich finde unglücklichen Gesetz, auszudrücken kommt automatisch in Konflikt mit der jüdisch/israelischen Haltung dazu. Sicher nicht beabsichtigt von Warschau. Aber beide sehen sich als massive Opfer der Nazis. Gefühlt sind beide tief getroffen. Das sind keine guten Vorraussetzungen für eine sachliche Auseinandersetzung.