Alexyessin hat geschrieben:(11 Mar 2016, 21:09)Bitte? Es gab zu diesem Zeitpunkt nicht mal so was wie eine gemeinsame Sprache. Ist dir bewusst, das bis Anfang des letzten Jahrhunderts in Norddeutschland noch durchweg Platt gesprochen wurde? Eine Sprache, die dem Niederländischen wesentlich ähnlicher ist als dem standartisierten Hochdeutschen?
Von kultureller Gemeinsamkeit mal ganz zu schweigen.
Vermutlich haben alle hier Recht. Natürlich sprachen die
deutschen Stämme jeder seine angestammte Sprache, aber
als Unterarten, die zwar auf keine gemeinsame Grundsprache
zurück gingen, die sich aber dann doch sehr ähnelten;
Sprachen mit vielen örtlichen Besonderheiten, über die wir
noch heute schmunzeln. Mir selbst ist das Moselfränkische
mütterlicherseits und das Niederdeutsche väterlicherseits
vertraut, das Bayerische oder Alemannische ist mir weniger
vertraut.
Aber es ist doch auch keine Lüge, daß die Lutherbibel so
angelegt war, daß sie im deutschen Sprachbereich verstanden
werden konnte. Das war doch geradezu der Witz dieser
Bibel, daß man keinen Pfarrer mit Lateinstudium benötigte,
um "Gottes Wort" inhaltlich verstehen zu können. Ok, man
musste wenigstens lesen können... oder gut zuhören. Das
muß aber gelungen sein.
Also diese standardisierte Verständigung stand ab dem
frühen 16. Jahrhundert zur Verfügung; vielleicht lehne ich mich
jetzt zu weit aus dem Fenster: Mittelhochdeutsch gab es
schon vorher mit einer weiten Verbreitung durch mittelalterliche
Dichter. Ich will hier nicht behaupten, daß das die Sprache der
einfachen Leute war. Aber "deutsche" Leute haben sich damit
offenbar überregional verständigt. Diese Texte kann ein Deutscher
ohne Wörterbuch schon ganz gut lesen und verstehen.
Seit nahezu 1.000 Jahren gibt es also solche Zeugnisse deutscher
Sprache. Zuvor gab es Althochdeutsch, aber das ist dann wirklich
sehr fremd... kaum zugänglich ohne Wörterbuch.
Es wäre also auch nicht richtig, die gemeinsame sprachliche Grund-
lage nicht wahr haben zu wollen.
Mit Blick auf die Niederlande ist an zu merken, daß das Nieder-
deutsche sehr nahe daran anschloß... kein Wunder, daß ein
Nordlicht nach einiger Gewöhnung diese Sprache versteht. Wie
es da einem Alemannen oder Bayern geht, das kann ich nicht
beurteilen.
Aber so in etwa seit 1.000 Jahren gibt es so etwas wie eine
deutsche Gemeinsamkeit, also mehr als eine "germanische"
Gemeinsamkeit... und spätestens seit der Lutherbibel war diese
Gemeinsamkeit auch im Bereich des Niederdeutschen wirksam.
Wir streiten uns hier doch über "Deutschland"... und da werde
ich das Gefühl nicht los, daß das den Menschen, die doch
ein wenig ihren Wohnort verändern mussten, ganz bewußt war,
wo auf jeden Fall nicht mehr Deutschland war.