Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

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Nomen Nescio
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von Nomen Nescio »

Hieronymus hat geschrieben:(30 Jul 2017, 17:59)

Dass die Römer dem Ansturm der germanischen Völker unterlagen, ist nur die halbe Wahrheit. Die Germanen wollten Teil des römischen Reiches werden und seine Vorzüge genießen. Umwelteinflüsse, wirtschaftliche Krisen und innere Unruhen bzw. Auseinandersetzungen über viele Jahrzehnte (sog. Reichskrise des 3. Jahrhunderts) haben die Kräfte des Reiches geschwächt.
es gibt ein buch, ich muß es aber aufsuchen »in ravenna ging rom verloren«. der inhalt habe ich komplett vergessen. der titel aber ist intrigierend. ich meine mich zu erinnern, daß es was mit (ost?)gothen zu tun hatte.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Agesilaos Megas
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von Agesilaos Megas »

Nomen Nescio hat geschrieben:(17 Sep 2017, 18:34)

was denkst du von dekadenz. etwas daß viel völker erlebten. zuerst geht alles gut, sind die leute aktiv. später sind es kaufmänner die vielmehr alles in geld ausdrucken. etwas daß ich z.z. bei den amerikanern sehe. aber auch bei den russen.
Ich persönlich stehe der Dekadenztheorie sehr kritisch gegenüber. Es gibt wenig Indizien dafür, dass Rom nach den Adoptivkaisern angeblich an "Dekadenz" zugrunde gegangen sei, zumal sie sich schlecht definieren lässt. Ist Dekadenz ethisch? Welcher Ethos hätte eine Dekadenz verhindern können? Aber an derartigen Vermutungen sind die Römer selbst schuld: In der lat. Lit. findest Du schon in republikanischer Zeit zahlreiche Theorien über den Niedergang der Republik. Jahrhunderte bevor der Westen verloren ging, als Rom in wunderbarer Kraft stand, bemängelten (meist konservative Oberschichts)Römer den "Zerfall". Von Cicero, Sallust über Seneca Maior bis hin zu Florus findest Du ein Rombild, das davon ausgeht, dass die Bürgerkriege durch luxuria und avaritia entstanden seien: Reichtum und Gier seien die Folge. Tacitus (aus politischer Ambition?) und teilweise Sueton prägten zudem das Schreckensbild "dekadenter Kaiser". Sueton versucht z.B., Nero in ein schlechtes Licht zu rücken, indem er ausführlich beschreibt, wie Nero gefesselte Männer oral befriedigt, selbst ein Tierfell tragend, und dann später von seinem "Ehemann" durchgenommen wird, Frauenschreie bei einer Vergewaltigung imitierend. Seneca Maior stellt den Verlust der libertas (Freiheit) als Motiv voran. Florus redet über die inertia Caesarum ("Unfähigkeit der Caesaren") und bezeichnet Roms Kaiserzeit als senectus ("Greisenalter"). Es herrschte wohl später eine populäre Anschauung, dass das Reich zu groß sei. Auch das ist eine typische geschichtstheoretische Vorstellung, die weit zurückreicht: Von Florus zurück zu Livius herrschte schon der Glaube, dass das Reich zu groß sei.

Zu den Amis: Es gibt sehr viele Parallelen zwischen Rom und den USA, aber in der Geldfrage sehe ich einen wesentlichen Unterschied: Die Römer hatten ein direktes materielles Geldsystem. D.h., dass der Wert des Materials Garant für den Wert der Münze war. Das hatte den Nachteil, dass man auf erschöpfliche Ressourcen angewiesen war und eine Währung nur schlecht auf- und abwerten konnte. So konnte der Anteil wertvoller Materialien stetig sinken, so dass Rohstoffe wertvoller als die Währung wurden und ersetzten. Und da Silber erschöpflich ist, die Ausgaben Roms aber mit jeder Expansion stiegen, enthielt der denarius (schon seit den pun. Kriegen!) immer weniger Silber. Die USA können als Weltreserverwährungsnation den Dollar Aufwerten und somit die eingehenden Waren billig halten. Die Römer hatten dieses Werkzeug nicht. Ob man auch bei den USA von Dekadenz sprechen soll, ist mir unklar.
gentibus solidaritas, una fit humanitas.
Adam Smith
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von Adam Smith »

Im Prinzip hat die Reichsteilung das Ende des Römischen Reiches eingeleitet. Der Osten fehlte und war dann auch vermutlich Vorbild für weitere Unabhängigkeitsbestrebungen. Denn das Oströmische Reich war erfolgreich.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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aleph
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von aleph »

Agesilaos Megas hat geschrieben:(17 Sep 2017, 06:33)

Ahoi!

Ich glaube, Du wirst an ANRW viel Freude haben.

Zur Diskussion: Die Forschung wird Dir nicht mehr zustimmen, dass die Demographie das große Problem Roms gewesen sei. Dazu war das Reich zu groß und vielfältig. Mir ist in der Auseinandersetzung mit dem Ende der röm. Republik und der August. Zeit bis zu den Adoptivkaisern vielmehr eine langfristigere Ursache aufgefallen. In der frührepublikanischen Zeit bis Marius/Sulla findest Du das röm. Militär als praktische Milizarmee. Praktisch vor allem deshalb, weil es wieder leicht aufgefüllt, ausgerüstet werden konnte und nicht stehend war. Mit der Expansion begann die Berufslegion. Das stehende Heer war ein neuer Kostenfaktor und belastete die öfftl. Kassen sehr. Es zementierte sich als Machtfaktor und sicherte sich umso mehr weitere öfftl. Gelder. Die mil. Infrastruktur war enorm. Das hatte auch zur Folge, dass die Römer mehr und mehr auf Auxiliartruppen (billig, billig, billig) angewiesen waren. Schon Augustus stellte viele Expansionen ein, weil die öfftl. Gelder einfach nicht mehr ausreichten. Abgesehen von ihrer Bedeutung in den Bürgerkriegen, wuchs die röm. Armee von Tiberius bis zu Severus auf, wir schätzen, um 250.000 auf eine halbe Million an. Wir schätzen auch, dass dabei 5% des BIP verwendet wurde. Das entspräche heute den Ausgaben/BIP von Russland (die USA: 3%). Da das röm. Reich eine sehr freie Marktwirtschaft hatte und konstante Probleme mit Münzen und Steuern, spiegelt das BIP natürlich nicht 100% staatl. Einnahmen wieder. Wir gehen sogar davon aus, dass die öfftl. Hand 2/3 ihres Budgets für das Militär verwendete. Das war ein relativ schmaler Spielraum und war obendrein gefährlich: Die Grundlagen des röm. Berufsheeres - Geld, Nahrung, Ausrüstung, Rekruten - waren, anders als Milizheere, in Krisenzeiten sehr angreifbar. Jede mil. Niederlage konnte zur Folge haben, dass Rekrutierungsgebiete verloren gingen, eingeplante Gelder verschwendet wurden, noch mehr Getreide aus der harten Landwirtschaft abgezogen werden musste etc. - das in einer inflationären Zeit. Die Konsequenz war deutlich: Die Legion, das loyale Kernstück, verschwand mehr und mehr gegenüber billigen Hilfstruppen etc., die vor allem in den Grenzgebieten angeworben wurden. EIne kleine Revolution geschah mit der Gleichstellung der peregrini (const. Antonin.); hier zeichneten sich schon die Fliehkräfte - von Italien weg - ab. Die Unfähigkeit, kostengünstig Zentralisierung mithilfe des Militärs in den Provinzen durchzusetzen, führte nach den erschöpfenden Krisen dazu, sich auf die foederati zu verlassen, was letztendlich die geduldete Desintegration der Provinzen bewirkte. Und da muss ich Dir auch widersprechen: Die Integration von Germanen in die reguläre Armee funktionierte. Die Integration der foederati jedoch nicht - diese waren nur die kostengünstige Alternative und sollten für Rom in die Bresche springen, ohne dafür dieselben Rechte zu haben. Es war jene Praxis, die schon damals die socii in Italien betraf. Zur Assim.: Die Romanisierung des westl. Mittelmeerraumes ist doch beträchtlich. Aber ich widerspreche Dir da nicht: Der Italozentrismus stand der Reichsidee lange entgegen. Lies mal Florus (2. Jhdt.): Es wäre besser gewesen, hätten wir (=Florus u. die Römer) uns mit Italien begnügt. Keine Ahnung, wie in China die Han so erfolgreich sein konnten. Vllt. hilfst Du mir ja aus. :)
Danke für Deine Ausführungen. Ich stimme Dir zu. Zu China: da bin ich auch kein Spezialist. Ich kann nur so viel sagen: China war ähnlich vielfältig in ethnischer Hinsicht, wie Europa. Aber der Prozess der Assimilierung dieser Völker (die zum Teil mit Vietnamesen und Khmer verwandt waren), setzte früher ein. Man weiß sehr wenig über den Zustand dieser Regionen. Die Handynastie hatte wohl auch etwas mehr Glück mit ihrem zentralen Staatswesen. Um Christi Geburt konnte die Handynastie sich noch mal etablieren. Um ca. 200 nach Christus dagegen gab es den Aufstand der gelben Turbane, der die Handynastie vor solch großen Aufgaben stellte, dass sie die Provinzgouverneure mit mehr Macht ausstatten musste, die diese auch gleich für sich ausnutzten und die Macht an sich rissen, so dass China in mehrere Reiche zersplitterte. So einen griechisch-römischen Dualismus gab es in China nicht. Dort war die Region um Huang Ho und Jangtse immer der Bevölkerungsschwerpunkt, anders im römischen Reich. Dort war der Schwerpunkt immer in Kleinasien und Ägypten. Der Westteil war daher immer fragiler, denke ich.
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Alpha Centauri
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von Alpha Centauri »

Die Spaltung des Imperium Romanum in einen West und einen Ostteil war sicherlich der Anfang vom Ende, des großartigen Rom.
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nyan cat
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von nyan cat »

Ich glaube das Römische Reich hielt so lange durch, weil es die eroberten Völker halbwegs in Ruhe ließ. Sie mussten zwar Steuern an Rom abliefern und loyal sein, aber sonst durften sie fast machen was sie wollten, sogar eigene Könige haben, sich selbst regieren, usw.
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unity in diversity
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von unity in diversity »

Alpha Centauri hat geschrieben:(10 Jun 2018, 16:40)

Die Spaltung des Imperium Romanum in einen West und einen Ostteil war sicherlich der Anfang vom Ende, des großartigen Rom.
Hannibal hätte nach dem Sieg bei Cannae, die Bretterbudenstadt Rom frontal angreifen müssen.
Spartakus hätte vom Vesuv aus auf Rom antreten müssen, anstatt nach Süden auszuweichen, um das Reich zu Fall zu bringen.
Na ja, verlorene Siege und deshalb herrscht römisches Recht in Europa.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von Alpha Centauri »

nyan cat hat geschrieben:(10 Jun 2018, 16:47)

Ich glaube das Römische Reich hielt so lange durch, weil es die eroberten Völker halbwegs in Ruhe ließ. Sie mussten zwar Steuern an Rom abliefern und loyal sein, aber sonst durften sie fast machen was sie wollten, sogar eigene Könige haben, sich selbst regieren, usw.

Ja da ist schon was dran denke ich,nur diese Könige waren größtenteils Vasallen Roms.
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nyan cat
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Re: Bedeutung und Untergang des Römischen Reiches

Beitrag von nyan cat »

Alpha Centauri hat geschrieben:(10 Jun 2018, 21:05)

Ja da ist schon was dran denke ich,nur diese Könige waren größtenteils Vasallen Roms.
Ja klar, vor ihrem Volk duften sie groß sein, aber vor Rom mussten sie kriechen. Damit konnten sich offenbar viele gut abfinden.
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