Internet-Urteile

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Fazer
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Der BGH hat einige Urteile zum Thema Gegenstandswert/Schadensersatz bei Teilnahme an Tauschbörsen gefällt:
Bundesgerichtshof zur Haftung wegen Teilnahme an Internet-Tauschbörsen

Urteile vom 12. Mai 2016 - I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15, I ZR 44/15, I ZR 48/15 und I ZR 86/15

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat hat sich erneut mit Fragen der Haftung wegen der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen befasst.

Die Klägerinnen in den Verfahren I ZR 272/14, I ZR 1/15 und I ZR 44/15 haben die Verwertungsrechte an verschiedenen Filmwerken inne. Sie nehmen die jeweiligen Beklagten wegen der öffentlichen Zugänglichmachung der jeweiligen Filmwerke im Wege des "Filesharing" über ihren Internetanschluss teils auf Schadensersatz (600 € je Filmtitel) sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch, die sie im Verfahren I ZR 272/14 und I ZR 1/15 nach einem Gegenstandswert der Abmahnung in Höhe von 10.000 € auf 506 € sowie im Verfahren I ZR 44/15 nach einem Gegenstandswert der Abmahnung in Höhe von 30.000 € auf 1.005,40 € veranschlagen. Das Berufungsgericht hat die Klage in den Verfahren I ZR 272/14 und I ZR 1/15 wegen des begehrten Schadensersatzes in Höhe von 600 € für begründet erachtet und die Beklagten zudem in allen drei Verfahren zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 130,50 € verurteilt. Das Landgericht hat angenommen, der Gegenstandswert der vorgerichtlichen Abmahnung belaufe sich stets auf das Doppelte des erstattungsfähigen Lizenzschadensersatzes, mithin vorliegend auf 1.200 €.

Auf die Revision der Klägerinnen hat der Bundesgerichtshof die Urteile des Landgerichts aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Gegenstandswert der anwaltlichen Abmahnung belaufe sich stets auf das Doppelte des anzunehmenden Lizenzschadens. Vielmehr ist der Gegenstandswert der Abmahnung in Fällen der vorliegenden Art nach dem Interesse der Klägerinnen an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Die vom Landgericht vorgenommene schematische Bemessung des Gegenstandswerts wird dem Umstand nicht gerecht, dass die zukünftige Bereitstellung eines Werks in einer Internet-Tauschbörse nicht nur die Lizenzierung des Werks, sondern seine kommerzielle Auswertung insgesamt zu beeinträchtigen droht. Die hiernach für die Bemessung des Gegenstandswerts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen - etwa zum wirtschaftlichen Wert des verletzten Rechts, zur Aktualität und Popularität des Werks, zur Intensität und Dauer der Rechtsverletzung sowie zu subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers - hat das Landgericht bislang nicht getroffen.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 43/15 macht geltend, Inhaberin der Rechte an einem Computerspiel zu sein. Sie nimmt den Beklagten wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiels über seinen Internetanschluss auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch, die sie nach einem Gegenstandswert von 30.000 € auf 1.005,40 € veranschlagt. Vor dem Amtsgericht hatte die Klage in Höhe eines Betrages von 39 € Erfolg. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 192,90 € verurteilt. Auch hier hat das Landgericht angenommen, der Gegenstandwert der vorgerichtlichen Abmahnung belaufe sich stets auf das Doppelte des erstattungsfähigen Lizenzschadensersatzes, mithin vorliegend auf 2.000 €.

Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof aus den vorgenannten Gründen das Urteil des Landgerichts ebenfalls aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Klägerinnen im Verfahren I ZR 48/15 sind führende deutsche Tonträgerherstellerinnen. Sie nehmen den Beklagten als Inhaber eines Internetanschlusses wegen der angeblichen öffentlichen Zugänglichmachung von 809 Audiodateien auf Schadensersatz sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerinnen, die Richtigkeit der Ermittlungen sowie seine Täterschaft bestritten. Er hat darauf verwiesen, dass auch seine Ehefrau und seine damals 15 und 17 Jahre alten Kinder Zugriff auf die beiden im Haushalt genutzten Computer mit Internetzugang gehabt hätten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten bis auf einen Teil der Abmahnkosten antragsgemäß verurteilt.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte für die öffentliche Zugänglichmachung der Musikaufnahmen über seinen Internetanschluss haftet. Das Berufungsgericht hat nach Durchführung der Beweisaufnahme zu Recht angenommen, die Ehefrau des Beklagten scheide als Täterin aus. Der Beklagte hat weiter nicht hinreichend konkret dazu vorgetragen, dass seine Kinder ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 86/15 ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an dem Film "Silver Linings Playbook". Sie hat von der Beklagten als Inhaberin eines Internetanschlusses wegen der unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachung des Werks den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 755,80 € verlangt. Die Beklagte hat eingewandt, ihre in Australien lebende Nichte und deren Lebensgefährte hätten anlässlich eines Besuchs mithilfe des ihnen überlassenen Passworts für den WLAN-Router die Verletzungshandlung begangen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der Bundesgerichtshof hat das die Klage abweisende Urteil des Amtsgerichts wiederher-gestellt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haftet die Beklagte nicht als Störer wegen von ihrer Nichte und deren Lebensgefährten begangener Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung. Als Grund für die Haftung kam vorliegend nur in Betracht, dass die Beklagte ihre Nichte und deren Lebensgefährten nicht über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen belehrt hat. Der Beklagten war eine entsprechende Belehrung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses nicht zumutbar. Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, trifft keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... s=0&anz=87
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Re: Warum ? Internet-Urteile

Beitrag von MoOderSo »

immernoch_ratlos hat geschrieben:(13 May 2016, 10:10)Was bekommen "wir" für unsere augenscheinlich wertvollen Daten ?
Offensichtlich ganz gute Suchergebnisse.
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Beitrag von immernoch_ratlos »

MoOderSo hat geschrieben:Offensichtlich ganz gute Suchergebnisse.
Das mag wohl stimmen, angeblich findet "Frau Google" weniger als 25% der gesuchten WEB-Seiten. Nun ja...

Was mir auffällt, im Kapitalismus, also da wo "wir" meist recht gut leben, verschenkt keiner irgendetwas einfach so. Solche "Geschenke" bringen immer deutlich mehr ein, als der "Beschenkte" ahnt.

Meine Daten sind also mehr wert, als ich dafür bekomme - daher bin ich mit allen Mitteln sehr knausrig, wenn ich die in Netz einbringe.

Bei echter Freeware stifte ich ab und an echtes Geld weil diese Leute tatsächlich keine Vorteile aus der Tatsache schlagen können, dass sie z.B. gleich ganze Office-Programme ins Netz stellen - Serverkosten usw. haben die ja auch...
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von MoOderSo »

immernoch_ratlos hat geschrieben:(13 May 2016, 15:23)Bei echter Freeware stifte ich ab und an echtes Geld weil diese Leute tatsächlich keine Vorteile aus der Tatsache schlagen können, dass sie z.B. gleich ganze Office-Programme ins Netz stellen - Serverkosten usw. haben die ja auch...
Tja, Frau Google hat auch eine Menge Kosten. Oder spendet jemand Frau Google Geld dafür, dass sie der Welt die Suche, Maps, Youtube, Drive, GMail, Android und Co. kostenlos zur Verfügung stellt?
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

immernoch_ratlos hat geschrieben:(13 May 2016, 15:23)

Das mag wohl stimmen, angeblich findet "Frau Google" weniger als 25% der gesuchten WEB-Seiten. Nun ja...

Was mir auffällt, im Kapitalismus, also da wo "wir" meist recht gut leben, verschenkt keiner irgendetwas einfach so. Solche "Geschenke" bringen immer deutlich mehr ein, als der "Beschenkte" ahnt.

Meine Daten sind also mehr wert, als ich dafür bekomme - daher bin ich mit allen Mitteln sehr knausrig, wenn ich die in Netz einbringe.

Bei echter Freeware stifte ich ab und an echtes Geld weil diese Leute tatsächlich keine Vorteile aus der Tatsache schlagen können, dass sie z.B. gleich ganze Office-Programme ins Netz stellen - Serverkosten usw. haben die ja auch...
Warum sollten sie "mehr" wert sein, als du bekommst? Der Witz ist schlicht, dass deine Daten nur im Zusammenhang eben z.B. mit einer Suchmaschine einen Wert haben. Dass du z.B. ein bestimmtes Produkt suchst kann eine interessante Information sein. Nur kommt die nicht bei den Herstellern an, du willst das weder an die schicken, noch wollen die dir alle einen Prospekt senden. Aber wenn du nach diesem Produkt googelst kann dir Werbung zur Verfügung gestellt werden - zum Nutzen beider: der Hersteller kann kostengünstig zielgerichtete Werbung treiben, und du bekommst ev. genau das angeboten, was du gesucht hast. Du kannst aber auch in deinen Suchresultaten weiter alleine deine Entscheidung bilden. Ohne Google sind also deine Daten/Präferenzen wertlos.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von immernoch_ratlos »

MoOderS hat geschrieben:Tja, Frau Google hat auch eine Menge Kosten. Oder spendet jemand Frau Google Geld dafür, dass sie der Welt die Suche, Maps, Youtube, Drive, GMail, Android und Co. kostenlos zur Verfügung stellt?
Offenbar geht es hier um das Übliche, wer war zuerst da "Henne oder das Ei". Jemand hatte eine Geschäftsidee - daran ist absolut nichts Verwerfliches - inzwischen entsteht daraus ein monopolistische Konglomerat, das gerade im Kapitalismus als schädlich erkannt werden müsste. Die Frage sollte sein, was kosten all diese o.g. "Goodies" den Nutzer wirklich. Keiner würde dies tun ohne eine erhebliche Gewinnabsicht. Die Bewertung diese Unternehmens beantwortet jeden Zweifel.

Warum sollte jemand unwidersprochen sich derart mächtiger Werkzeuge die durch niemanden mehr kontrollierbar sind, sich derart schrankenlos bedienen dürfen ? Diese Daten werden "auch" durch Suchmaschinen gewonnen, sind aber längst nur der kleinere Teil der monopolistisch "verwalteten Big Data". Einfach mal anschauen, was z.B. "Google Analytics" für den "üblichen User" im WEB bedeutet. Nirgendwo im üblichen Leben ( von Nordkorea einmal abgesehen) ist eine derart lückenlose verhaltensabhängige Überwachung gestattet.

Ich für meine Person möchte eben nicht durch "angepasste Werbealgorithmen" gelenkt werden. Es gab und gibt jede Menge Ansätze in dieser Richtung, welche die frei Entscheidung sehr diffus unterlaufen. Die nach Millionen zählende Schar der Internetnutzer zahlen um genau dieses Netz zu unterhalten erhebliche Beträge in dieses System (an die jeweiligen "Provider") ein und machen es so den Nutzern des Systems erst möglich die o.g. Angebote und Geschäftsmodelle zu lancieren. Wenn schon, dann muss man alle Zusammenhänge betrachten...

Übrigens ist dieses "unternehmerische Verhalten" nichts wirklich Neues. Jeder der z.B. ein Fuhrunternehmen betreibt, nutzt die Infrastruktur eines Landes durchaus "intensiver" als es der für die generelle Unterhaltung verantwortliche Steuerzahler je tun kann. Die Frage ist dabei lediglich wo man eine Grenze zieht. Wo eine "normaler User" übervorteilt wird. Wie man dies vernünftig regeln kann. Eine durchaus politische Frage, wo es keineswegs eine einheitliche Meinung geben kann und darf. Warum sollen gerade auf dem Gebiet der Kommunikation in Demokratien quasi rechtsfreie Räume entstehen ?

Inzwischen ist die Festnetztelefonie zum fixen Bestandteil des WWW geworden. Damit wurde ein weiterer großer Kreis von Teilnehmern erschlossen. Teilnehmer, die nicht alle damit einverstanden sind. Einen "einfachen Telefonanschluss" der außer der damit verbundenen Kommunikation nichts weiter zu tun hat gibt es faktisch nicht mehr. Auch damit hat sich der Kreis der Betroffenen ohne deren Zustimmung erweitert.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von MoOderSo »

immernoch_ratlos hat geschrieben:(15 May 2016, 16:45)Einfach mal anschauen, was z.B. "Google Analytics" für den "üblichen User" im WEB bedeutet. Nirgendwo im üblichen Leben ( von Nordkorea einmal abgesehen) ist eine derart lückenlose verhaltensabhängige Überwachung gestattet.
Keine Ahnung was Google Analytics über mich weiß. Mein Browser redet nicht mit GA-Servern. Aber wenn man natürlich seinen Browser im Bequemlichkeitsmodus benutzt, wo jeder Scheiß, den die Website laden will, freundlich abgenickt wird, dann ist man halt ein gläserner Kunde. Ist aber nicht viel anders als bei der Payback-Karte, nach der man ständig an der Kasse gefragt wird. Auch da kann man nein sagen. Nur ist es dort lästiger, weil es keine Block-Cookies oder Filterregeln gibt, die mir diese blöden Fragen ersparen.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von immernoch_ratlos »

Da will ich Dir MoOderSo keinesfalls widersprechen - ähnlich wie bei den Payback-Karten, verweigere ich mich mit allen Mitteln dieser Schnüffelei. Es ist sehr erfreulich, dass Du da "etwas" unternimmst :thumbup:

Ob nun aus Unkenntnis oder schlicht aus falscher Bequemlichkeit oder warum auch immer, es gibt massig Leute die sich nicht wie Du und ich (hoffentlich genauso effektiv) - verhalten. Was "Google Analytics" dem Nutzer zu bieten hat, ist schlicht "überzeugend" - ergo verwenden diese "Hilfe" jede Menge der WEB-Seiten Betreiber. Ich habe mir das mal zeigen lassen. Was da erkennbar wird ist mehr, als nur einfaches "über die Schulter" schauen... :mad2:
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

BGH, Urteil vom 24.3.2016 - I ZR 185/14

Wer Grit Lehmann heißt, hat auch ein Anrecht auf die Internetadresse "grit-lehmann.de". Wer eine Domain grit-lehmann.de im Namen eines dritten Namensträgers registriert, muß gewährleisten , dass alle Gleichnamigen "einfach und zuverlässig" überprüfen können, dass die Adresse wirklich eine Grit Lehmann nutzt. Der Hinweis auf der Homepage "Hier entsteht eine neue Internetpräsenz" reicht nicht aus.

a) Der Registrierung eines aus einem bürgerlichen Namen bestehenden Domainnamens durch einen Treuhänder kommt im Verhältnis zu Gleichnamigen die Priorität zu, wenn für alle Gleichnamigen eine einfache und zuverlässige Möglichkeit besteht zu überprüfen, ob die Registrierung des Namens als Domainname im Auftrag eines Namensträgers erfolgt ist oder ob der Namensträger die Eintragung nachträglich genehmigt hat, bevor der gleichnamige Prätendent – etwa im Wege eines Dispute-Eintrags bei der DENIC – den Domainnamen beansprucht (Festhaltung an BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – I ZR 59/04, BGHZ 171, 104 – grundke. de).

b) Wird zu dem Zeitpunkt, in dem ein gleichnamiger Prätendent erstmals Ansprüche auf den Domainnamen anmeldet, unter dem Domainnamen im Internet lediglich der Hinweis "Hier entsteht eine neue Internetpräsenz" angezeigt, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass die Registrierung des Domainnamens im Auftrag des Namensträgers erfolgt ist.

BGH, Urteil vom 24. 3. 2016 – I ZR 185/14 – grit-lehmann.de; KG Berlin (lexetius.com/2016,2374)

http://lexetius.com/2016,2374
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Sehr interessantes Urteil zur Störerhaftung bei Betrieb offener WLAns:
EuGH-Urteil: Gewerbetreibende haften nicht für offenes WLAN

Luxemburg (dpa) - Geschäftsleute, die ein kostenloses WLAN-Netz anbieten, haften nicht für Urheberrechtsverletzungen anderer. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg entschieden. Allerdings kann vom WLAN-Betreiber verlangt werden, dass der Anschluss durch ein Passwort gesichert wird (Rechtssache C-484/14). Und Rechtsinhaber könnten bei einer Behörde oder einem Gericht eine Anordnung beantragen, mit der vom Anbieter verlangt wird, Urheberrechtsverletzungen zu stoppen oder ihnen vorzubeugen.

Hintergrund ist ein deutscher Fall. Ein Betreiber eines Geschäfts für Licht- und Tontechnik aus München bot einen ungesicherten WLAN-Hotspot an. Der Musikkonzern Sony mahnte den Mann ab, über dessen Internetzugang ein Album der Gruppe «Wir sind Helden» heruntergeladen worden sein soll. Das Landgericht München muss über den Fall entscheiden und bat den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht.
Pressemitteilung des EuGH:
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs ... 0099de.pdf


Abgesichert ist damit derjenige, der z.B. Eingabe einer Handynummer verlangt, an die er dann ein Passwort schicken würde. M.E. widerspricht das Urteil aber den neuen Vorschlägen in Deutschland, wonach WLAN Netze offen können sein sollen, ohne Passwort.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

EuGH, Urteil vom 16.11.2016 - C - 301/15 Marc Soulier und Sara Doke gegen Premier ministre und Ministre de la Culture et de la Communication

Vergriffene Bücher dürfen nicht ohne Zustimmung des Urhebers digital vervielfältigt werden dürfen. Der Autor muss vorab informiert werden und die Möglichkeit des Widerspruchs haben.

Der Fall kommt aus Frankreich; unklar sind noch die Auswirkungen des Urteils auf § 53 II Nr. 4b) UrhG und vor allem auf § 51 VGG.

Volltext: http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-301/15
Text § 51 VGG: http://www.buzer.de/gesetz/12049/a198811.htm
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fuerst_48 »

Fazer hat geschrieben:(18 Nov 2016, 10:39)

EuGH, Urteil vom 16.11.2016 - C - 301/15 Marc Soulier und Sara Doke gegen Premier ministre und Ministre de la Culture et de la Communication

Vergriffene Bücher dürfen nicht ohne Zustimmung des Urhebers digital vervielfältigt werden dürfen. Der Autor muss vorab informiert werden und die Möglichkeit des Widerspruchs haben.

Der Fall kommt aus Frankreich; unklar sind noch die Auswirkungen des Urteils auf § 53 II Nr. 4b) UrhG und vor allem auf § 51 VGG.

Volltext: http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-301/15
Text § 51 VGG: http://www.buzer.de/gesetz/12049/a198811.htm
Bei uns wurde der Inhaber eines Forums auf 4000.-Euro verklagt, weil er Urheberrechte verletzt hatte. Seither gibt es das Forum nicht mehr.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Fuerst_48 hat geschrieben:(18 Nov 2016, 10:49)

Bei uns wurde der Inhaber eines Forums auf 4000.-Euro verklagt, weil er Urheberrechte verletzt hatte. Seither gibt es das Forum nicht mehr.
Wohl eher auf Unterlassung, oder? Durch Änderungen bei den Gesetzen ist das allerdings eh sehr unattraktiv geworden, wenn eine Urheberrechtsverletzung nicht gewerblich erfolgt.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Wenn ein Dritter sich über einen privaten WLAN Router einloggt, weil der noch das werksseitig eingestellte 16-stellige Passwort hat (das geknackt werden konnte), haftet der Inhaber des Internetanschlusses nicht.


WLAN-Nutzer müssen voreingestelltes Passwort nicht ändern

Eine Frau soll einer Filmfirma 750 Euro zahlen, weil ein Hacker über ihr WLAN einen Film hochlud. Sie hatte die voreingestellte Verschlüsselung des Routers nicht geändert. Nun urteilte der BGH.

https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/ ... ow_twitter
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fuerst_48 »

Fazer hat geschrieben:(24 Nov 2016, 17:40)

Wohl eher auf Unterlassung, oder? Durch Änderungen bei den Gesetzen ist das allerdings eh sehr unattraktiv geworden, wenn eine Urheberrechtsverletzung nicht gewerblich erfolgt.
Nein. Es ging um eine nicht als Zitat kenntlich gemachte Textstelle. Und die Anzeige samt Verurteilung ging auf Urheberrechtsverletzung hinaus. 4000.-Euro Strafe und dann machte er das Forum dicht.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Fuerst_48 hat geschrieben:(24 Nov 2016, 17:54)

Nein. Es ging um eine nicht als Zitat kenntlich gemachte Textstelle. Und die Anzeige samt Verurteilung ging auf Urheberrechtsverletzung hinaus. 4000.-Euro Strafe und dann machte er das Forum dicht.
"Strafe" gibt es bei Urheberrechtsverletzungen in der Regel gar nicht. Höchstens einen Anspruch auf Schadensersatz. Der sich bei einem Zitat in einem Forum gegen Null bewegt. Die Geschichte passt nicht so richtig ...
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fuerst_48 »

Fazer hat geschrieben:(24 Nov 2016, 18:03)

"Strafe" gibt es bei Urheberrechtsverletzungen in der Regel gar nicht. Höchstens einen Anspruch auf Schadensersatz. Der sich bei einem Zitat in einem Forum gegen Null bewegt. Die Geschichte passt nicht so richtig ...
Es war eine Animosität zwischen den Forumsinhaber und dem User, der die Sache angezeigt hatte. Der Titel für die verlangten 4000.-Euor mag ein anderer sein. Als Strafe wurde es empfunden und es führte zur Schließung des Forums.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Michi »

LG Hamburg urteilt: Man muss verlinkte Seiten auf Urheberrechtsverletzungen prüfen.
https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 66919.html

Manche Juristen scheinen echt das Internet nicht zu kapieren. :(
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fuerst_48 »

Michi hat geschrieben:(09 Dec 2016, 15:47)

LG Hamburg urteilt: Man muss verlinkte Seiten auf Urheberrechtsverletzungen prüfen.
https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 66919.html

Manche Juristen scheinen echt das Internet nicht zu kapieren. :(
An sich gibt es (mittlerweile) klare Richtlinien. Sollten auch Juristen verstehen können, auch wenn sie als "Schmalspur-Akademiker" abkanzelt...
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von MoOderSo »

Michi hat geschrieben:(09 Dec 2016, 15:47)
Manche Juristen scheinen echt das Internet nicht zu kapieren. :(
Nun ja, zumindest haben sie mit dem Urteil Gott und der Welt die Erlaubnis erteilt die Hamburger Justiz hochoffiziell zu trollen.
https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 67571.html
Ist doch auch was schönes. :D
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Michi »

MoOderSo hat geschrieben:(09 Dec 2016, 20:17)

Nun ja, zumindest haben sie mit dem Urteil Gott und der Welt die Erlaubnis erteilt die Hamburger Justiz hochoffiziell zu trollen.
https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 67571.html
Ist doch auch was schönes. :D
Das hab ich auch gesehen. :D
Meinungsfreiheit bedeutet, dass deine Meinung nicht illegal ist. Beknackt ist sie trotzdem.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Fuerst_48 hat geschrieben:(09 Dec 2016, 16:22)

An sich gibt es (mittlerweile) klare Richtlinien. Sollten auch Juristen verstehen können, auch wenn sie als "Schmalspur-Akademiker" abkanzelt...
Was für "klare Richtlinien" meinst du denn da?
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Michi hat geschrieben:(09 Dec 2016, 15:47)

LG Hamburg urteilt: Man muss verlinkte Seiten auf Urheberrechtsverletzungen prüfen.
https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 66919.html

Manche Juristen scheinen echt das Internet nicht zu kapieren. :(
Es gab/gibt halt ein EuGH Urteil, das schon in die Richtung ging. Die Anwälte auf Klägerseite wollten da eine Klarstellung erreichen und haben das Gegenteil bekommen. Siehe Interview hier:

https://www.spiritlegal.com/de/aktuelle ... t-weg.html

Urheberrechte werden eben nicht durch das Internet ausgehebelt, auch wenn viele das nicht so eng sehen. Das Urteil des LG Hamburg ist dennoch als falsch zu beurteilen. Niemand ist in der Lage genau zu überprüfen, ob eine verlinkte Seite andere Urheberrechte verletzt. Letzten Endes ist die Politik aufgerufen, hier Klarheit zu schaffen, ähnlich zur Störerhaftung beim W-Lan.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Michi »

Fazer hat geschrieben:(15 Dec 2016, 17:12)

Urheberrechte werden eben nicht durch das Internet ausgehebelt, auch wenn viele das nicht so eng sehen. Das Urteil des LG Hamburg ist dennoch als falsch zu beurteilen. Niemand ist in der Lage genau zu überprüfen, ob eine verlinkte Seite andere Urheberrechte verletzt. Letzten Endes ist die Politik aufgerufen, hier Klarheit zu schaffen, ähnlich zur Störerhaftung beim W-Lan.
Ich hoffe, dass die Politik da reagiert, bevor es deswegen zu Massenabmahnungen kommt. :s
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fuerst_48 »

Fazer hat geschrieben:(15 Dec 2016, 17:10)

Was für "klare Richtlinien" meinst du denn da?
Das Urheberrecht ist klar definiert, somit sind "virtuelle Verletzungen" hervorgerufen durch Zitate auch deutlich erkennbar.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Fuerst_48 hat geschrieben:(15 Dec 2016, 18:20)

Das Urheberrecht ist klar definiert, somit sind "virtuelle Verletzungen" hervorgerufen durch Zitate auch deutlich erkennbar.
Ja, und was hat das jetzt mit diesem deinen Spruch zu tun:

"An sich gibt es (mittlerweile) klare Richtlinien. Sollten auch Juristen verstehen können,"

Wenn ich gewerblich auf eine andere Seite verlinke, mache ich mir potentiell den Inhalt dieser Seite zu eigen. Also nutze ich die dort vorhandenen Bilder/urheberrechtlich geschützten Dokumente. Und genau dazu gibt es eben keine "Richtlinien" oder was du dir so vorstellst. Es gibt das Urheberrecht, dessen Anwendung im Internet eben auch durch Interpretation der Gesetze erfolgt. Und eins ist klar: die Kollegen vom LG Hamburg verstehen sicher mehr als du davon.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fuerst_48 »

Fazer hat geschrieben:(15 Dec 2016, 18:41)

Ja, und was hat das jetzt mit diesem deinen Spruch zu tun:

"An sich gibt es (mittlerweile) klare Richtlinien. Sollten auch Juristen verstehen können,"

Wenn ich gewerblich auf eine andere Seite verlinke, mache ich mir potentiell den Inhalt dieser Seite zu eigen. Also nutze ich die dort vorhandenen Bilder/urheberrechtlich geschützten Dokumente. Und genau dazu gibt es eben keine "Richtlinien" oder was du dir so vorstellst. Es gibt das Urheberrecht, dessen Anwendung im Internet eben auch durch Interpretation der Gesetze erfolgt. Und eins ist klar: die Kollegen vom LG Hamburg verstehen sicher mehr als du davon.
Das will ich hoffen. Sind schliesslich Juristen. Mein Beispiel witer oben bezog sich auf eine Spitzfindigkeit, durch die ein Forenbetreiber wegen Urheberrechtsverletzung zu einem Pönale von 4000.-Euro verdonnert wurde. Das führte zur Schließung des betreffenden Forums.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Fuerst_48 hat geschrieben:(15 Dec 2016, 18:46)

Das will ich hoffen. Sind schliesslich Juristen. Mein Beispiel witer oben bezog sich auf eine Spitzfindigkeit, durch die ein Forenbetreiber wegen Urheberrechtsverletzung zu einem Pönale von 4000.-Euro verdonnert wurde. Das führte zur Schließung des betreffenden Forums.
Ich habe dir schon oben gesagt, dass deine Geschichte nicht ganz schlüssig ist. Im übrigen sind private Foren durch die Entscheidung des LG Hamburg nicht betroffen, da es dort um gewerbliche Nutzung und Verlinkung zu gewerblichen/Gewinnerzielungszwecken ging. Das ist in einem non-Profit Forum nicht gegeben.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fuerst_48 »

Fazer hat geschrieben:(15 Dec 2016, 19:12)

Ich habe dir schon oben gesagt, dass deine Geschichte nicht ganz schlüssig ist. Im übrigen sind private Foren durch die Entscheidung des LG Hamburg nicht betroffen, da es dort um gewerbliche Nutzung und Verlinkung zu gewerblichen/Gewinnerzielungszwecken ging. Das ist in einem non-Profit Forum nicht gegeben.
Ob es aus deiner Sicht nicht ganz schlüssig ist, spielt keine Rolle. Der Sachverhalt war so und die Konsequenz auch.
So what??
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Michi
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Michi »

Fazer hat geschrieben:(15 Dec 2016, 18:41)

Ja, und was hat das jetzt mit diesem deinen Spruch zu tun:

"An sich gibt es (mittlerweile) klare Richtlinien. Sollten auch Juristen verstehen können,"

Wenn ich gewerblich auf eine andere Seite verlinke, mache ich mir potentiell den Inhalt dieser Seite zu eigen. Also nutze ich die dort vorhandenen Bilder/urheberrechtlich geschützten Dokumente. Und genau dazu gibt es eben keine "Richtlinien" oder was du dir so vorstellst. Es gibt das Urheberrecht, dessen Anwendung im Internet eben auch durch Interpretation der Gesetze erfolgt. Und eins ist klar: die Kollegen vom LG Hamburg verstehen sicher mehr als du davon.
Was mich mal interessieren würde, wäre wieviel Juristen von den technischen Hintergründen verstehen und bei der juristischen Bewertung berücksichtigen. Vielleicht kannst du etwas dazu sagen? Beispiel: Webserver liefern HTML-Dateien aus und das ist nur eine spezielle Art von Nur-Text-Datei. Insbesondere enhält so eine HTML-Datei keine Bilder und keine anklickbaren Links, das wird alles erst vom Client gemacht. Und was der Client mit der HTML-Datei anstellt, entzieht sich jeder Kontrolle durch den Server. Inwiefern kann man da einem Werbseitenbetreiber das Setzen eines "bösen Links" vorwerfen, wenn das eigentlich erst im Browser passiert?
Meinungsfreiheit bedeutet, dass deine Meinung nicht illegal ist. Beknackt ist sie trotzdem.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Michi hat geschrieben:(15 Dec 2016, 19:32)

Was mich mal interessieren würde, wäre wieviel Juristen von den technischen Hintergründen verstehen und bei der juristischen Bewertung berücksichtigen. Vielleicht kannst du etwas dazu sagen? Beispiel: Webserver liefern HTML-Dateien aus und das ist nur eine spezielle Art von Nur-Text-Datei. Insbesondere enhält so eine HTML-Datei keine Bilder und keine anklickbaren Links, das wird alles erst vom Client gemacht. Und was der Client mit der HTML-Datei anstellt, entzieht sich jeder Kontrolle durch den Server. Inwiefern kann man da einem Werbseitenbetreiber das Setzen eines "bösen Links" vorwerfen, wenn das eigentlich erst im Browser passiert?
Ganz kann ich dir nicht folgen.

Im entschiedenen Fall war es klar: jemand hatte das Foto eines Fotografen ohne Nutzungserlaubnis auf seiner Homepage. Ein Dritter verlinkte als Teil seines gewerblichen Auftritts auf diese Homepage und damit auch auf dieses Bild. Der Dritte wurde wegen Urheberrechtsverletzung belangt. Dass der Inhaber der Homepage das Urheberrecht verletzt hat war klar und unstreitig. Die einzige Frage ist/war, ob durch das Setzen eines Links auf eine andere Seite der Dritte sich den Inhalt derer (zumindest in dem Zeitpunkt wo er den Link setzt und sehen kann, was sich darauf befindet) zu eigen mache. Es geht insoweit gar nicht um irgendwelche technischen Besonderheiten. Ich halte die Entscheidung jedenfalls für falsch. Nur der Homepagebetreiber selber weiss und kann wissen, ob er die erforderlichen Nutzungsrechte hat. Wenn ich für Linke hafte auf Seiten, die ich sinnvoll gar nicht prüfen kann, dann kann ich keine Links mehr setzen. Damit wird das Internet ad absurdum geführt. Wobei man manchmal eben auch differenzieren muss. Wenn ich z.B. bei einer privaten Homepage etwas über dich schreiben würde und dann verlinke ich mit den Hinweis "mehr zu Michi findet ihr hier". Und dann ist das eine Hetzseite voll Lügen gegen dich, und das habe ich gesehen - dann könntest du mich dafür belangen, da ich mir den Inhalt der anderen Seite quasi zu eigen gemacht habe. ABer eine Haftung im vorliegenden Fall halte ich für falsch.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Michi »

Fazer hat geschrieben:(16 Dec 2016, 00:43)

Wobei man manchmal eben auch differenzieren muss. Wenn ich z.B. bei einer privaten Homepage etwas über dich schreiben würde und dann verlinke ich mit den Hinweis "mehr zu Michi findet ihr hier". Und dann ist das eine Hetzseite voll Lügen gegen dich, und das habe ich gesehen - dann könntest du mich dafür belangen, da ich mir den Inhalt der anderen Seite quasi zu eigen gemacht habe.
Was mich interessiert: Ist es juristisch von Bedeutung, ob der Link anklickbar ist? Um bei deinem Beispiel zu bleiben, angenommen auf der Seite steht: "mehr zu Michi findet ihr in dem Buch ... von ...", und das Buch enthält dann Hetze, ist das dann juristisch genauso zu bewerten?
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Michi hat geschrieben:(16 Dec 2016, 06:41)

Was mich interessiert: Ist es juristisch von Bedeutung, ob der Link anklickbar ist? Um bei deinem Beispiel zu bleiben, angenommen auf der Seite steht: "mehr zu Michi findet ihr in dem Buch ... von ...", und das Buch enthält dann Hetze, ist das dann juristisch genauso zu bewerten?
Ich denke, das ist der entscheidende Unterschied. In dem von mir verlinkten Beitrag mit dem Interview wurde ja auch diskutiert, ob man z.B. durch schlichte Verlinkung auf die erste Seite einer Homepage dem Problem entgehen könnte, also eben keinen deep link setzen würde. Der Verweis auf ein kaufbares Buch, das ich nicht selber z.B. als PDF verlinke/zur Verfügung stelle dürfte nicht ausreichen, um zu sagen, dass ich mir die Aussagen/das Buch zu eigen mache und insoweit selber eine Beleidigung begehe.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von MoOderSo »

Fazer hat geschrieben:(16 Dec 2016, 10:46)In dem von mir verlinkten Beitrag mit dem Interview wurde ja auch diskutiert, ob man z.B. durch schlichte Verlinkung auf die erste Seite einer Homepage dem Problem entgehen könnte, also eben keinen deep link setzen würde.
Ein Verzicht auf DeepLinks macht die Sache nicht besser. Da verkommt jeder Seitenwechsel zu einer elenden Rechercheorgie. Bei entsprechend großer Zielseite könnte das Stunden oder Tage dauern bis man das Gewünschte gefunden hat. Das ist Steinzeitniveau. Da kann ich auch gleich mit dem Fahrrad zur Bibliothek fahren und Bücher durchblättern.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Michi »

Fazer hat geschrieben:(16 Dec 2016, 10:46)

Ich denke, das ist der entscheidende Unterschied. In dem von mir verlinkten Beitrag mit dem Interview wurde ja auch diskutiert, ob man z.B. durch schlichte Verlinkung auf die erste Seite einer Homepage dem Problem entgehen könnte, also eben keinen deep link setzen würde. Der Verweis auf ein kaufbares Buch, das ich nicht selber z.B. als PDF verlinke/zur Verfügung stelle dürfte nicht ausreichen, um zu sagen, dass ich mir die Aussagen/das Buch zu eigen mache und insoweit selber eine Beleidigung begehe.
Dankeschön für die Erklärung.

Kommt mir aber merkwürdig vor, dass die Anklickbarkeit des Links entscheidend sein soll. Aus technischer Sicht müsste man nämlich sagen, dass dafür eher die Browserhersteller zuständig sind, nicht die Seitenbetreiber. Die Webserver liefern nur HTML-Dokumente aus und die enthalten noch keine anklickbaren Links. Erst der Browser erzeugt dann eine hübsche, benutzerfreundliche Seitendarstellung mit Links, die man anklicken kann. Ohne Browser sieht eine Webseite ungefähr so aus:

Code: Alles auswählen

<!DOCTYPE html>
<html>
    <head>
        <meta charset="utf-8">
        <title>Irgendein Titel</title>
    </head>
    <body>
        Mehr zu Michi findet ihr <a href="http://hetzseite.xy">hier</a>
    </body>
</html>
Aber ich muss natürlich auch zugeben, dass ich juristischer Laie bin und die juristische Sichtweise nicht ganz verstehe. Deswegen frage ja nach. ;)
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Michi hat geschrieben:(16 Dec 2016, 17:57)

Dankeschön für die Erklärung.

Kommt mir aber merkwürdig vor, dass die Anklickbarkeit des Links entscheidend sein soll. Aus technischer Sicht müsste man nämlich sagen, dass dafür eher die Browserhersteller zuständig sind, nicht die Seitenbetreiber. Die Webserver liefern nur HTML-Dokumente aus und die enthalten noch keine anklickbaren Links. Erst der Browser erzeugt dann eine hübsche, benutzerfreundliche Seitendarstellung mit Links, die man anklicken kann. Ohne Browser sieht eine Webseite ungefähr so aus:

Code: Alles auswählen

<!DOCTYPE html>
<html>
    <head>
        <meta charset="utf-8">
        <title>Irgendein Titel</title>
    </head>
    <body>
        Mehr zu Michi findet ihr <a href="http://hetzseite.xy">hier</a>
    </body>
</html>
Aber ich muss natürlich auch zugeben, dass ich juristischer Laie bin und die juristische Sichtweise nicht ganz verstehe. Deswegen frage ja nach. ;)
Keine Ahnung, was du da mit deiner Technik willst. Der Browser ist nur Hilfsmittel.

Ich kann ja schon hier im Forum einfach einen Link einkopieren. Wie das technisch funktioniert ist mir ziemlich Schnuppe. Aber wer auf diesen Textlink klickt, der erreicht im Normalfall die verlinkte Seite, und ggf. urheberrechtlich geschütztes Material. Was hier im Forum unkritisch ist, da nicht gewerblich. Und bei einem Gewerbetreibenden dann eben kritisch.
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Michi »

Leicht OT: Es wundert mich, dass dieser Klassiker hier noch nicht verlinkt wurde: http://www.daufaq.de/index.php4

Kostprobe:
F: Wie kommuniziert ein Webbrowser mit einem Webserver?

A: Es antwortet Funke, Susann, Die Speicherung von IP-Adressen, NWB 2008, 2843:
Der Browser fragt dazu für einen Domainnamen ("www.xyz.de") die IP-Adresse bei einem Nameserver an und spricht deren Webserver direkt unter seiner IP-Adresse ("123.45.678.999") an.
Das muss wohl eine Adresse aus dem verschollenen IPv5 sein. :D
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Interessante Entscheidung des BAG zur Mitbestimmungspflichtigkeit eines Facebook Auftritts eines Arbeitgebers. Relevant allerdings nur bei Postings, die unmittelbar veröffentlicht werden und sich auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen.


Pressemitteilung Nr. 64/16

Mitbestimmung des Betriebsrats beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebers

Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite für andere Facebook-Nutzer die Veröffentlichung von sogenannten Besucher-Beiträgen (Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Konzerns, der Blutspendedienste betreibt. Bei den Blutspendeterminen sind ein oder mehrere Ärzte sowie bis zu sieben weitere Beschäftigte tätig. Sie tragen Namensschilder. Im April 2013 richtete die Arbeitgeberin bei Facebook eine Seite für konzernweites Marketing ein. Bei Facebook registrierte Nutzer können dort Postings einstellen. Nachdem sich Nutzer darin zum Verhalten von Arbeitnehmern geäußert hatten, machte der Konzernbetriebsrat geltend, die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite sei mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeberin könne mit von Facebook bereitgestellten Auswertungsmöglichkeiten die Beschäftigten überwachen. Unabhängig davon könnten sich Nutzer durch Postings zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern öffentlich äußern. Das erzeuge einen erheblichen Überwachungsdruck.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seiner Anträge durch das Landesarbeitsgericht hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Mitbestimmung unterliegt die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.


Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 -

http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cg ... m&nr=19003
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Re: Internet-Urteile

Beitrag von Fazer »

Das KG Berlin hat in Sachen Facebook entschieden, dass die Eltern eines Kindes als Erben kein Zugangsrecht zum FB Account des Kindes haben. Grund hierfür ist u.a. der Schutz des Fermeldegeheimnisses, das die Kommunikation zwischen Menschen schützt, in diesem Fall die zwischen der Tochter und Dritten. Das anders lautende Urteil des Landgerichts Berlin wurde damit aufgehoben. Revision zum BGH wurde zugelassen.
Das Kammergericht hat in zweiter Instanz zu Gunsten von Facebook entschieden und die Klage einer Mutter, die den Zugang zu dem Facebook-Account ihres verstorbenen Kindes zusammen mit dem Kindesvater aus Erbrecht durchsetzen wollte, abgewiesen und damit zugleich das Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehe dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.
Das Kammergericht ließ offen, ob die Klägerin und der Kindesvater als Erben in den Vertrag eingerückt seien, den die verstorbene Tochter mit Facebook geschlossen hatte. Es sei zwar grundsätzlich möglich, dass die Erben in die Rechte und Pflichten dieses Vertrages eingetreten seien, und zwar nicht im Sinne der aktiven Fortführung dieses Vertrages, sondern um passive Leserechte zu erhalten. In den von Facebook gestellten Nutzungsbedingungen sei nicht geregelt, ob Rechte aus dem Vertrag im Falle des Todes des Nutzers auf seine Erben übergehen könnten. Auch der Grundgedanke des Vertrages spreche nicht generell dagegen, dass er nicht vererblich sei. Facebook wolle den Nutzern nur eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellen und Inhalte vermitteln. Durch eine Änderung in der Person des Vertragspartners würden die Leistungen in ihrem Charakter nicht verändert.
Andererseits regele das Bürgerliche Gesetzbuch nicht, ob höchstpersönliche Rechtspositionen (ohne vermögensrechtliche Auswirkungen) vererbbar seien, sondern setze für eine Vererbung voraus, dass sie in irgendeiner Form im Eigentum des Verstorbenen verkörpert seien und nicht nur virtuell existierten. Um zu klären, ob es sich bei – nicht verkörperten – E-Mails um solche handele, die aufgrund ihres höchstpersönlichen Inhalts nicht vererbbar seien, oder um solche, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Bezuges vererbbar seien, würde man in der Praxis auf erhebliche Probleme und Abgrenzungsschwierigkeiten stoßen.
Der Senat müsse jedoch die Frage der Vererbbarkeit des Facebook-Accounts nicht entscheiden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass dieser Account in das Erbe falle und die Erbengemeinschaft Zugang zu den Account-Inhalten erhalten müsse, stehe das Fernmeldegeheimnis nach dem Telekommunikationsgesetz entgegen. Dieses Gesetz sei zwar ursprünglich für Telefonanrufe geschaffen worden. Das Fernmeldegeheimnis werde jedoch in Art. 10 Grundgesetz geschützt und sei damit eine objektive Wertentscheidung der Verfassung. Daraus ergebe sich eine Schutzpflicht des Staates und auch die privaten Diensteanbieter müssten das Fernmeldegeheimnis achten. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 16.6.2009, 2 BvR 902/06, BVErfGE 124, 43) erstrecke sich das Fernmeldegeheimnis auch auf E-Mails, die auf den Servern von einem Provider gespeichert seien. Denn der Nutzer sei schutzbedürftig, da er nicht die technische Möglichkeit habe, zu verhindern, dass die E-Mails durch den Provider weitergegeben würden. Dies gelte entsprechend für sonstige bei Facebook gespeicherten Kommunikationsinhalte, die nur für Absender und Empfänger oder jedenfalls einen beschränkten Nutzerkreis bestimmt sind.
Die nach dem Telekommunikationsgesetz vorgesehenen Ausnahmen würden entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht greifen. Zwar sehe das Gesetz vor, dass einem Dritten Kenntnisse vom Inhalt der Kommunikation verschafft werden dürfe, wenn dies erforderlich sei. Als erforderlich könne jedoch nur angesehen werden, was dazu diene, den Dienst technisch zu ermöglichen oder aufrecht zu erhalten. Da Facebook jedoch seine Dienste nur beschränkt auf die Person des Nutzers angeboten habe, sei es auch aus der Sicht der ebenfalls schutzbedürftigen weiteren Beteiligten am Kommunikationsvorgang (Chat) in technischer Hinsicht nicht erforderlich, einem Erben nachträglich Zugang zum Inhalt der Kommunikation zu verschaffen.
Ebenso wenig existiere eine andere gesetzliche Vorschrift, die erlaube, von dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses eine Ausnahme zu machen (sogenanntes „kleines Zitiergebot“). Insbesondere das Erbrecht nach dem BGB lasse nicht erkennen, dass der Gesetzgeber den Willen gehabt habe, das Fernmeldegeheimnis einzuschränken. Auch aus sonstigen Gründen sei es nicht geboten, ohne gesetzliche Regelung Ausnahmen zuzulassen und von dem so genannten “kleinen Zitiergebot“ abzuweichen.
Schließlich komme nicht in Betracht, von einem Verzicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses auszugehen, indem die klagende Mutter sich darauf berufen hatte, die Zugangsdaten von der Tochter überlassen bekommen zu haben. Dieser Umstand war zwischen den Parteien streitig. Eine Beweisaufnahme sei jedoch nicht erforderlich gewesen, da nicht nur die Verstorbene als Nutzerin des Accounts und Vertragspartnerin von Facebook, sondern zumindest auch alle diejenigen, die in einem Zwei-Personen-Verhältnis mit der Verstorbenen kommuniziert haben, auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses verzichtet haben müssten. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. insb. Urteil vom 27.2.2008, 1 BvR 370/07, BVerfGE 120,274, Rz 290 bis 293) folge für den vorliegenden Fall im Endergebnis nichts Abweichendes. Die somit erforderliche Zustimmung dieser anderen Kommunikationspartner liege jedoch nicht vor.
Der Senat hat ferner geprüft, ob zu Gunsten der Klägerin außerhalb des Erbrechts ein Anspruch auf Zugang zu dem Account bestehe. Dies sei zu verneinen. Insbesondere das Recht der elterlichen Sorge verhelfe nicht zu einem solchen Anspruch. Dieses Recht erlösche mit dem Tode des Kindes. Das den Eltern noch zufallende Totenfürsorgerecht könne nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zu dem Social-Media-Account des verstorbenen Kindes herzuleiten. Auch das eigene Persönlichkeitsrecht der Mutter sei nicht geeignet, einen Anspruch auf diesen Zugang zu begründen. Als ein Teilbereich des Persönlichkeitsrechts sei z.B. anerkannt, seine eigene Abstammung zu kennen. Trotz des verständlichen Wunsches der Eltern, die Gründe für den tragischen Tod ihres Kindes näher zu erforschen, lasse sich hieraus kein Recht auf Zugang zu dem Account ableiten. Auch wenn eine verbleibende Unkenntnis darüber die Persönlichkeitsentfaltung der Eltern massiv beeinträchtigen könne, gebe es auch vielfältige andere Ereignisse, die die gleiche Wirkung zeigen könnten. Dadurch würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem konturenlosen und nicht mehr handhabbaren Grundrecht führen.
Das Urteil des Kammergerichts ist nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat.
Die schriftlichen Urteilsgründe werden in Kürze nachfolgend veröffentlicht.

Landgericht Berlin, Urteil vom 17. Dezember 2015, Aktenzeichen 20 O 172/15
Kammergericht, Urteil vom 31. Mai 2017, Aktenzeichen 21 U 9/16

http://www.berlin.de/gerichte/presse/pr ... 596076.php
Freiheit bedeutet Verantwortung; das ist der Grund, weshalb sich die meisten vor ihr fürchten. (George Bernard Shaw)
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