Es gibt noch einen weiteren Test, nach den Trump knapp faschistisch eingestuft wird."Das erste Merkmal des Urfaschismus ist der Traditionskult", beginnt Eco. Es gehe um die "ursprüngliche Wahrheit", um das Quasireligiöse faschistischer Bewegungen. Bei Trump ist das nicht besonders ausgeprägt, er kommt aus dem Immobiliengeschäft und der Reality-Show, eine philosophisch-religiöse Untermauerung spielte bislang keine große Rolle. Negativ also.
Kandidat Trump im Wahlkampf in Tampa, Florida
Picture Alliance/ Zuma Press
Kandidat Trump im Wahlkampf in Tampa, Florida
Punkt zwei ist die "Ablehnung der Moderne", des Kapitalismus, vor allem aber der Aufklärung und der Vernunft, "des Geistes von 1789", wie Eco schreibt, der Französischen Revolution also. Trump ist Kapitalist, hat politisch aber einen starken Zug zum Irrationalen, Unbeherrschten gezeigt. Hier gilt ein Unentschieden.
Eindeutig ist Punkt drei, "Misstrauen gegenüber der Welt des Intellekts". In Trumps Welt sind die meisten Intellektuellen Teil des verhassten "Establishments".
In Punkt vier geht es Eco um das geschlossene Weltbild, um totale "Übereinstimmung". Ein Weltbild, dem sich alles unterwerfen muss, ist bei Trump derzeit nicht erkennbar.
Punkt fünf: "Der Urfaschismus sucht Unterstützung, indem er die natürliche Angst vor Unterschieden ausbeutet und verschärft. Der erste Appell einer faschistischen oder vorfaschistischen Bewegung richtet sich gegen Eindringlinge. So ist der Urfaschismus qua Definition rassistisch." Das klingt, als hätte Eco über Trump, AfD, Le Pen geschrieben.
Punkt sechs: "Der Urfaschismus entstand aus individueller oder sozialer Frustration. Deshalb gehörte zu den typischen Merkmalen des historischen Faschismus der Appell an eine frustrierte Mittelklasse, eine Klasse, die unter einer ökonomischen Krise oder der Empfindung politischer Demütigung litt und sich vor dem Druck sozialer Gruppen von unten fürchtete." Besser lässt sich Trumps Appell an seine Wähler nicht beschreiben.
Nationalismus ist Ecos siebter Punkt. Trump in Reinform.
Umberto Eco hat versucht, eine Art Frühwarnsystem zu errichten - 14 Kriterien für den "Urfaschismus".
Nach der Hälfte von Ecos Katalog steht es so: Vier Kriterien sprechen für Urfaschismus, zwei nicht, einmal Unentschieden.
Punkt acht: "Die Anhänger müssen sich vom offensichtlichen Reichtum und der Macht ihrer Feinde gedemütigt fühlen." Dem jungen Eco wurde eingeimpft, dass die Engländer fünfmal am Tag essen würden, häufiger als "die armen, aber nüchternen Italiener". Auch die Juden seien unangenehm reich. Obwohl Trump als Milliardär gilt, treibt viele Anhänger die Wut gegen ein Establishment um, das sich bereichert habe.
Für den Urfaschismus, Punkt neun, ist das Leben "nur um des Kampfes willen da". Ewiger Krieg also. Das gehört eindeutig nicht zu Trumps Botschaften.
Punkt zehn: Eco sieht beim Urfaschismus ein "massenhaftes Elitebewusstsein". Wer Mitglied der Bewegung, der Partei, der Nation ist, schaut auf die jeweils anderen herab. Sicherlich verachten manche weiße Anhänger Trumps Schwarze, aber noch ist das Demütigungsgefühl stärker als das Elitebewusstsein.
"Der urfaschistische Held erwartet den Tod mit Ungeduld" - Punkt elf. Alle würden in diesem Sinne erzogen. Gilt nicht.
Für Eco "überträgt der Urfaschist seinen Willen zur Macht auf die Sexualität". Punkt zwölf. Trifft zu.
Punkt dreizehn: "Wo immer ein Politiker die Legitimität eines Parlaments in Zweifel zieht, weil es den Willen des Volkes nicht mehr zum Ausdruck bringe, riecht es nach Urfaschismus." Das ist die Grundlage des Rechtspopulismus. Die in Washington, die in Berlin, die in Paris wüssten nicht mehr, was "das Volk" wolle.
Anti-Trump-Protest in New York
Pacific Press Agency/ Imago
Anti-Trump-Protest in New York
Zu seinem letzten Punkt schreibt Eco: "Alle Nazi- oder faschistischen Schulbücher bedienten sich eines verarmten Vokabulars und einer elementaren Syntax, um die Instrumente komplexen und kritischen Denkens im Keim zu ersticken. Aber wir müssen uns auch auf andere Formen von Newspeak einstellen, selbst wenn sie in der scheinbar unschuldigen Form einer populären Talkshow daherkommen." Aus diesen Zeilen grinst einen Trump geradezu an.
Achtmal Ja, fünfmal Nein, einmal Unentschieden, das ist das Ergebnis von Ecos Faschismustest, angewandt auf Donald Trump. Eco hat nicht hinterlassen, wie die Ergebnisse zu deuten sind, nur einen Satz: Jedes einzelne Kriterium könne "zu einem Kristallisationspunkt für den Faschismus werden".
Spannende Frage ist, wie immun das amerikanische nichtfaschistische System gegen einen solchen Präsidenten ist.
Meines Erachtens ist nicht die Situation in den USA das Problem, sondern die Vorbildfunktion für andere Staaten, vor allem in der dritten Welt. Denn deren politischen Systeme sind bei weitem nicht so stabil, wie das System der USA oder gar das in ewesteuropäischen Ländern.