Boraiel hat geschrieben:(15 Feb 2016, 22:08)Ein solches Urteil
https://de.wikipedia.org/wiki/Obergefell_v._Hodges ist einfach fahrlässig, ignorierend jahrhundertelange Rechtslage, den ausgesprochen Willen der Bürger in einigen Staaten. […] Als Richter sollte man gegenüber solchen großen Entscheidungen doch sehr konservativ eingestellt sein und die Umkehrung des Status Quo besser dem Volk überlassen.
Mit der gleichen Argumentation hätte man auch gegen die Erlaubnis der gemischtrassigen Ehe durch den Supreme Court argumentieren können, was darauf hindeutet, dass sie etwas schwach ist.
Boraiel hat geschrieben:(15 Feb 2016, 22:08)Aufgabe des Gerichts ist nun mal nicht Politik zu machen, wie das die demokratischen Richter und Richter Kennedy offensichtlich wollten.
Ich stimme zu, dass es nicht Aufgabe der Richter ist, Politik zu machen. Es ist allerdings auch nicht Aufgabe der Richter, den Status Quo unangetastet zu lassen - die Politik korrigieren zu können ist wichtige Funktion eines Verfassungsgerichts. Die Behauptung, fünf der Richter hätten »offensichtlich« Politk machen wollen, ist eine Unterstellung (und immer sehr beliebt wenn ein Verfassungsgericht anders entscheidet, als man es gern hätte) - die Argumentation ist klar und nachvollziehbar auf dem 14. Zusatzartikel und vorangehenden Entscheidungen aufgebaut. Der 14. Zusatzartikel ist eben sehr weitreichend. Man muss diese Argumentation nicht teilen, um anzuerkennen, dass es eine ordentliche juristische Argumentation ist. Ob Aufgaben und Macht der Judikative insgesamt angemessen sind, ist wiederum eine andere Frage.
John Galt hat geschrieben:(15 Feb 2016, 22:27)5:4 Entscheidungen haben ja schon fast Rubbellosniveau […] Einer Person so viel Macht ohne Kontrolle zu geben ist schlichtweg ein
Konstruktionsfehler.
[...]
Verfassungsrichter sollten unabhängig von ihrer Ernennung oder politischen Affiliation in der Lage sein, offensichtlich verfassungswidriges Verhalten der Regierung oder der Gesetzgebung mit einer 6:3 Mehrheit festzustellen.
Es ist nicht eine Person sondern es sind immer noch fünf.
Aber es ist richtig: 5:4 ist nicht sehr eindeutig. Als Physiker wäre ich bei so einem Messergebnis sehr vorsichtig, Schlüsse zu ziehen. Polemisch: In 5 Fällen ist der Apfel nach unten gefallen, 4 mal nach oben, also ist klar, dass sich alle Körper anziehen. Aber Juristerei ist keine Naturwissenschaft, wesentlich weniger exakt und definiert.
Verfassungen sind der Versuch, etwas Definiertheit hineinzubringen, aber es ist schwierig.
Wenn ein verfassungswidriges Verhalten offensichtlich ist, sollten es unter hochqualifizierten Top-Juristen, wie es Verfassungsrichter sind, eigentlich 9:0 ausgehen. Allerdings, bei einem Top-Juristen ist nichts mehr offensichtlich. Während in der Mathematik aus bestimmten Axiomen etwas eindeutiges folgt, erhält man aus einer bestimmten Verfassung schon bei 2 Juristen 5 Ansichten - u. a. weil eben doch noch unbestimmte Begriffe ausgelegt und Rechtsgüter abgewogen werden müssen.
6:3 wäre schon realistisch, allerdings bedeutet es, dass die Judikative schwieriger und seltener korrigieren kann - in der Folge wären in strittigen Situationen häufiger Legislative und Exekutive am Zug, Verfassungrichtiger könnten schwieriger in die Politik eingreifen, und die Politik kämer leichter mit verfassungsrechtlich Strittigem durch. Kann man machen - ob es sinnvoll ist, an der Gewaltenteilung eine solche Verschiebung vorzunehmen, weiß ich nicht - dazu wäre es vielleicht sinnvoll, vergangene 5:4-Entscheidungen zu untersuchen, am besten solche auf die man mit einer gewissen historischen Distanz blicken kann (also losgelöst von Auseinandersetzungen der aktuellen Politik).