Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Moderator: Moderatoren Forum 4

Antworten
Benutzeravatar
jack000
Vorstand
Beiträge: 41392
Registriert: So 1. Jun 2008, 18:21
Wohnort: Stuttgart

Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von jack000 »

Müllheims Fußgängerzone, die Wilhelmstraße, ist schön, hat aber ein gravierendes Problem: Es fehlen die Fußgänger und damit Kunden für die dort ansässigen Geschäfte. Einzelhändler und Gewerbeverein wünschen sich nun, dass die Stadt die Wilhelmstraße probeweise und behutsam wieder für den Autoverkehr öffnet. Im Bauausschuss des Müllheimer Gemeinderates stieß diese Idee aber vor allem auf Skepsis.
http://www.badische-zeitung.de/muellhei ... abschaffen

M.E. wird das i.d.R. nichts bringen. Die Konkurrenz ist auf der grünen Wiese, bzw. in "Shopping Malls" mit Parkhäusern. Insgesamt gibt es aber in der Tat die Problematik in Zentren, die den Autoverkehr durch große Fußgängerzonen anziehen.

In Wolfsburg war die heutige Fußgängerzone mal eine 4-spurige Strasse und die Einzelhändler in der heutigen Fußgängerzone (Porschestrasse) sind nicht gerade in einer guten Situation, nur das Einkaufszentrum am Rande der Fußgängerzone funktioniert wirklich gut. Hier hätte man 2 Spuren belassen und aus den verbleibenden Spuren Parkplätze machen sollen.

In Stuttgart ist die Fußgängerzone recht groß und auch hier dominieren die Einkaufszentren und die ziehen viel Verkehr aus dem Umland an, was zu Verkehrsproblemen führt.

=> Sollten die Fußgängerzonen neu überdacht werden? Macht es Sinn mehrere Fußgängerzonen anstatt nur 1 Fußgängerzonen zu schaffen, aber dafür sollen diese kleiner sein?
=> Ziel: Verkehrs- und Menschenkonzentrationen auf mehrere Standorte verteilen um so negative Auswirkungen zu vermeiden
Sledge Hammer: Ich mag einem Verbrecher nicht seine Verbrechen vorlesen ... aber ich kann wenigstens lesen!
Benutzeravatar
Teeernte
Beiträge: 32036
Registriert: Do 11. Sep 2014, 18:55
user title: Bedenkenträger

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von Teeernte »

Man sollte - vor allem bei kleineren Ortschaften solche Dinge überdenken....

Wohnviertel (Dorf) mit Ortsumgehung - ohne Kneipe und Geschäfte ...... oder "Stadt".

....wenn die Stadt den Bahnhof nicht kauft....wird die Stadt meist "abgekoppelt"....

Warum gibt es die Stadt ? ..dort "handelte" man Waren.....aß nebenbei...und trank.

Sterben die Geschäfte - verfällt der Ort. Auch "dank" teuerer Parkplätze.

Gern bauen die Stadtoberen auch "Katzenkopfstrassen" - um das alter der Stadt zu unterstreichen.....

- um danach zu erkennen - dass es doch sehr lärmt......

Keine Gewerbesteuer ??? - selbst Schuld.
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47101
Registriert: Sa 4. Apr 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von frems »

Also wir haben einige BIDs, die ziemlich gut laufen. Vor allem jene, wo für weniger Pkw-Verkehre gesorgt wurde, z.B. durch Reduzierung des Tempolimits, sodaß sich die Abkürzung nicht mehr lohnte und die Pkw-Fahrer die Einkaufsstraße umfahren. Anfangs waren die Händler sehr skeptisch, weil sie befürchteten, daß weniger Menschen kommen, aber die Umsätze zogen signifikant an. Das geht schon so weit, daß sie auch die Wirtschafts- bzw. Güterverkehre so weit wie möglich runterschrauben wollen. Fahrzeuge, die im Weg stehen oder Lärm machen, sind halt kein attraktives Aushängeschild. Ein idyllisches Restaurant mit ein paar Bäumen sowie Sitzbänken sieht dann wieder anders aus. Da kommen die Leute gerne hin, die nicht "einkaufen", sondern "shoppen" wollen. Wichtig war bloß, daß in der Nähe (max. fünf Gehminuten) noch Parkplätze zu finden sind und daß man mit dem ÖPNV erreichbar bleibt. Dazu für drei Euro ein paar Radabstellanlagen und fertig ist die Laube.

Pauschalisieren kann man das natürlich nicht. Der Einzelhandel ist ein kleineren Städten ganz anders strukturiert, genau wie die Kundschaft. Da kann es im Einzelfall durchaus sein, daß mehr Autogerechtigkeit etwas bringt. In den nächsten Jahren werden aber vermutlich sehr viele Geschäfte in Deutschland schließen und mit teuren, verkehrsplanerischen Maßnahmen zögert man das höchstens hinaus. Ob das Sinn und Zweck von Steuergeldern ist, muß man sich dann gut überlegen.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
Provokateur
Beiträge: 12535
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 16:44
user title: Alpha by choice&Liberalpatriot
Wohnort: जर्मनी

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von Provokateur »

frems » Sa 14. Nov 2015, 22:40 hat geschrieben:In den nächsten Jahren werden aber vermutlich sehr viele Geschäfte in Deutschland schließen und mit teuren, verkehrsplanerischen Maßnahmen zögert man das höchstens hinaus. Ob das Sinn und Zweck von Steuergeldern ist, muß man sich dann gut überlegen.
Wie teuer könnte es denn sein, eine Fußgängerzone wieder aufzumachen?
Schilder tauschen
Poller raus
Parkplätze einzeichnen und Parkscheinautomaten aufstellen
Eventuell noch einen Blitzer

Die ersten drei Maßnahmen dürften zusammen für mich etwa mit maximal 15.000€ zu Buche schlagen. Eher weniger. Ein Blitzer kostet natürlich etwas mehr. Aber da kann man zuerst mal die Polizei evaluationsweise einsetzen.

Und wenn alle Maßnahmen fruchten, bekommt die Stadt über Parkscheine, Geschwindigkeitssünder und Falschparker wieder mehr rein, als das ganze am Anfang gekostet hat. Natürlich nicht sofort, sondern über die Jahre. Und auch die Steuereinnahmen könnten steigen (wobei ich nicht weiß, wie der Einzelhandel durch die Kommunen besteuert wird).

Alles in allem einen Versuch wert.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
twitter.com/Provokateur_Tom
Dingo
Beiträge: 1576
Registriert: Sa 18. Apr 2015, 20:24
user title: olle Tante

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von Dingo »

Provokateur » So 15. Nov 2015, 12:42 hat geschrieben:
Wie teuer könnte es denn sein, eine Fußgängerzone wieder aufzumachen?
Schilder tauschen
Poller raus
Parkplätze einzeichnen und Parkscheinautomaten aufstellen
Eventuell noch einen Blitzer

Die ersten drei Maßnahmen dürften zusammen für mich etwa mit maximal 15.000€ zu Buche schlagen. Eher weniger. Ein Blitzer kostet natürlich etwas mehr. Aber da kann man zuerst mal die Polizei evaluationsweise einsetzen.

Und wenn alle Maßnahmen fruchten, bekommt die Stadt über Parkscheine, Geschwindigkeitssünder und Falschparker wieder mehr rein, als das ganze am Anfang gekostet hat. Natürlich nicht sofort, sondern über die Jahre. Und auch die Steuereinnahmen könnten steigen (wobei ich nicht weiß, wie der Einzelhandel durch die Kommunen besteuert wird).

Alles in allem einen Versuch wert.
In meiner Heimatstadt wäre das nicht so einfach. Da ist die Fußgängerzone nicht nur durch Poller abgetrennt. Es gibt keine Fahrbahn mehr, die gesamte Fläche ist gepflastert. In der Mitte, also genau dort, wo man die Fahrbahn wieder einrichten müßte, wurden Bäume gepflanzt, Brunnen gebaut, Bänke hingestellt.
Ich bin ein Flüchtlingskind.

Sollten weiterführende Links auf Seiten, die ich verlinke, zu Inhalten führen, die als Gewaltaufruf verstanden werden könnten, so mache ich mir diese ausdrücklich nicht zu eigen.
Benutzeravatar
Provokateur
Beiträge: 12535
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 16:44
user title: Alpha by choice&Liberalpatriot
Wohnort: जर्मनी

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von Provokateur »

Okay, DAS ginge ins Geld.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
twitter.com/Provokateur_Tom
Benutzeravatar
Teeernte
Beiträge: 32036
Registriert: Do 11. Sep 2014, 18:55
user title: Bedenkenträger

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von Teeernte »

frems » Sa 14. Nov 2015, 23:40 hat geschrieben:Also wir haben einige BIDs, die ziemlich gut laufen. Vor allem jene, wo für weniger Pkw-Verkehre gesorgt wurde, z.B. durch Reduzierung des Tempolimits, sodaß sich die Abkürzung nicht mehr lohnte und die Pkw-Fahrer die Einkaufsstraße umfahren. Anfangs waren die Händler sehr skeptisch, weil sie befürchteten, daß weniger Menschen kommen, aber die Umsätze zogen signifikant an. Das geht schon so weit, daß sie auch die Wirtschafts- bzw. Güterverkehre so weit wie möglich runterschrauben wollen. Fahrzeuge, die im Weg stehen oder Lärm machen, sind halt kein attraktives Aushängeschild. Ein idyllisches Restaurant mit ein paar Bäumen sowie Sitzbänken sieht dann wieder anders aus. Da kommen die Leute gerne hin, die nicht "einkaufen", sondern "shoppen" wollen. Wichtig war bloß, daß in der Nähe (max. fünf Gehminuten) noch Parkplätze zu finden sind und daß man mit dem ÖPNV erreichbar bleibt. Dazu für drei Euro ein paar Radabstellanlagen und fertig ist die Laube.

Pauschalisieren kann man das natürlich nicht. Der Einzelhandel ist ein kleineren Städten ganz anders strukturiert, genau wie die Kundschaft. Da kann es im Einzelfall durchaus sein, daß mehr Autogerechtigkeit etwas bringt. In den nächsten Jahren werden aber vermutlich sehr viele Geschäfte in Deutschland schließen und mit teuren, verkehrsplanerischen Maßnahmen zögert man das höchstens hinaus. Ob das Sinn und Zweck von Steuergeldern ist, muß man sich dann gut überlegen.

Ein altes - Schweizer - im Osten funktionierendes Konzept.....

http://www.ardmediathek.de/tv/Gartensta ... d=27462860

Ein Wohnviertel..
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47101
Registriert: Sa 4. Apr 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von frems »

Provokateur » So 15. Nov 2015, 12:42 hat geschrieben:
Wie teuer könnte es denn sein, eine Fußgängerzone wieder aufzumachen?
Schilder tauschen
Poller raus
Parkplätze einzeichnen und Parkscheinautomaten aufstellen
Eventuell noch einen Blitzer

Die ersten drei Maßnahmen dürften zusammen für mich etwa mit maximal 15.000€ zu Buche schlagen. Eher weniger. Ein Blitzer kostet natürlich etwas mehr. Aber da kann man zuerst mal die Polizei evaluationsweise einsetzen.

Und wenn alle Maßnahmen fruchten, bekommt die Stadt über Parkscheine, Geschwindigkeitssünder und Falschparker wieder mehr rein, als das ganze am Anfang gekostet hat. Natürlich nicht sofort, sondern über die Jahre. Und auch die Steuereinnahmen könnten steigen (wobei ich nicht weiß, wie der Einzelhandel durch die Kommunen besteuert wird).

Alles in allem einen Versuch wert.
So ein Szenario wäre leider die Ausnahme. Speziell in kleineren Städten sieht es dann so aus, daß sich die öffentliche Hand aus dem Straßenbau weitestgehend zurückgezogen hat. Für Pkw-Verkehre gelten aber nach RASt 06 andere Ansprüche als für Fuß- und Radwege. Da sollte man eher teure, mehrmonatige Arbeiten erwarten, die manch Geschäft dann das Genick bricht. Eine nachhaltige Revitalisierung wird das nicht geben.

Der Trick mit den Parkgebühren, Blitzern etc. funktioniert in der Praxis nicht. Symbolische Beiträge für Parkplätze sind lediglich ein finanzielles Anreizsystem in der Verkehrslenkung, während Blitzer an gefährlichen Stellen dafür sorgen sollen, daß vom Tempo gegangen wird. Ginge es darum Autofahrer auszuquetschen, würden die Systeme ganz anders aussehen.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47101
Registriert: Sa 4. Apr 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von frems »

Teeernte » So 15. Nov 2015, 13:55 hat geschrieben:

Ein altes - Schweizer - im Osten funktionierendes Konzept.....

http://www.ardmediathek.de/tv/Gartensta ... d=27462860

Ein Wohnviertel..
Gab's schon unterm Kaiser. Leider ökologischer Unsinn, aber das wußten unsere Vorfahren halt nicht besser. Zeitgeist, Herausforderungen/Rahmenbedingungen und Technik waren halt auf einem anderen Stand. In der heute üblichen integrierten Stadt- und Verkehrsentwicklung implementiert man solche Konzepte auch nicht mehr. Da redet man lieber vom Gegenteil, der Nachverdichtung.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
epona
Beiträge: 9812
Registriert: Mi 14. Dez 2011, 13:51

Re: Einzelhändler wollen Fußgängerzone testweise abschaffen

Beitrag von epona »

jack000 » Sa 14. Nov 2015, 21:26 hat geschrieben: http://www.badische-zeitung.de/muellhei ... abschaffen

M.E. wird das i.d.R. nichts bringen. Die Konkurrenz ist auf der grünen Wiese, bzw. in "Shopping Malls" mit Parkhäusern. Insgesamt gibt es aber in der Tat die Problematik in Zentren, die den Autoverkehr durch große Fußgängerzonen anziehen.

In Wolfsburg war die heutige Fußgängerzone mal eine 4-spurige Strasse und die Einzelhändler in der heutigen Fußgängerzone (Porschestrasse) sind nicht gerade in einer guten Situation, nur das Einkaufszentrum am Rande der Fußgängerzone funktioniert wirklich gut. Hier hätte man 2 Spuren belassen und aus den verbleibenden Spuren Parkplätze machen sollen.

In Stuttgart ist die Fußgängerzone recht groß und auch hier dominieren die Einkaufszentren und die ziehen viel Verkehr aus dem Umland an, was zu Verkehrsproblemen führt.

=> Sollten die Fußgängerzonen neu überdacht werden? Macht es Sinn mehrere Fußgängerzonen anstatt nur 1 Fußgängerzonen zu schaffen, aber dafür sollen diese kleiner sein?
=> Ziel: Verkehrs- und Menschenkonzentrationen auf mehrere Standorte verteilen um so negative Auswirkungen zu vermeiden
Müllheim/Baden gehörte zu den ersten Orten die ich nach meinem Umzug nach BW kennenlernte.
War ein netter Ort. Durch die Wilhelmstr. konnte man fahren und mit ein wenig Glück einen Parkplatz ergattern. Es gab eine schicke Klamottenboutique, Parfümerie und nette Cafes.
Heute komme ich nicht mehr hin. Verkehrsführung, Fußgängerzone wirken nicht sehr einladend.
Grundsätzlich ist für viele kl. Städte durchaus anzumerken, dass die Fußgängerzonen mangels abwechslungsreicher interessanter Einzelhandelsangebote nicht mehr viel her machen.
Ein Rückbau ist in m.A. durchaus sinnvoll.
Antworten