Die Zukunft einer europäischen Bewegung

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schokoschendrezki
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Re: Die Zukunft einer europäischen Bewegung

Beitrag von schokoschendrezki »

Woppadaq hat geschrieben:(20 Mar 2018, 15:40)

Gibt es Gründe, daran zu zweifeln? (Ich gehe davon aus, dass du "Regime" nicht mit "Diktatur" gleichsetzt....)
Natürlich nicht. Regime als ein Modell zur Regelung internationaler Beziehungen im Sinne der von Robert O. Keohane entwickelten und - ich glaube - von User Unité 1 - hier in die Diskussion eingebrachten Regimetheorie. Eine rein theoretische und begriffliche Anfrage. Ich habe mich inzwischen auch entsprechend informiert. "Subsidiarität" gehört in der viergliedrigen Struktur der Regimetheorie (Prinzipien, Normen, Regeln, Verfahren) zu den Prinzipien, den gemeinsamen Grundannahmen. In einem internationalen kooperativen Regime bleiben die Staaten die eigentlichen Akteure. Es ist schlicht die Erkenntnis des gemeinsamen Vorteils für alle, die sie dazu bringt, solche Regime zu vereinbaren.
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schokoschendrezki
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Re: Die Zukunft einer europäischen Bewegung

Beitrag von schokoschendrezki »

Helmuth_123 hat geschrieben:(22 Feb 2018, 21:48)

Eine europäische Bewegung braucht Menschen mit einem europäischen Bewusstsein. Dieses Bewusstsein bildet sich aber nicht an Bürokratie, Verwaltung oder staatlichen Institutionen aus, sondern aus der Beschäftigung mit der europäischen Kultur und Geschichte und aktives Erleben Europas. Hinzu kommt noch, dass es nicht nur eine europäische Idee gibt. Es gibt viele Ideen und Vorstellungen darüber, wie ein gemeinsames Europa aussehen soll. Das „unter einen Hut zu bringen“ ist nicht so einfach.
Da muss man aufpassen, dass die Wirtschaftsaktivitäten von international agierenden Unternehmen der "Beschäftigung mit der europäischen Kultur und Geschichte" der Bürger nicht davoneilen oder längst schon davongeeilt sind. Während Literaturwissenschaftler noch darüber nachdenken, ob und wieweit das Interesse an literarischen Übersetzungen als europäischer Kulturvermittlung zu- oder abnimmt, fahren Kolonnen von LKWs Güter in Europa hin und her und verstehen sich (zumindest nach innen und nicht unbedingt in der Außendarstellung) große Unternehmen überhaupt nicht mehr als "nationale" Einrichtungen. Das (mit Abstand) nach Umsatz und Beschäftigten größte Unternehmen in Ungarn, MOL (Erdöl und Erdgas) - nur als Beispiel - beschäftigt im eigenen Land 14500 Menschen und international 34000. Das zweitgrößte ist Audi Hungaria mit Hauptsitz in Ingolstadt. Ganze Legionen von Wirtschaftslobbyvertretern in Brüssel bestimmen zunehmend, dass das auch so bleibt und die Maschinerie weiter brummt. Ich will das gar nicht weiter bewerten, sondern nur meinen Verdacht äußern, dass wir mit dieser Vorstellung einer kulturgeschichtlichen Integration Europas längst auf irgendeinem Nebenschauplatz herumirren.
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Helmuth_123
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Re: Die Zukunft einer europäischen Bewegung

Beitrag von Helmuth_123 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Mar 2018, 10:43)

Da muss man aufpassen, dass die Wirtschaftsaktivitäten von international agierenden Unternehmen der "Beschäftigung mit der europäischen Kultur und Geschichte" der Bürger nicht davoneilen oder längst schon davongeeilt sind. Während Literaturwissenschaftler noch darüber nachdenken, ob und wieweit das Interesse an literarischen Übersetzungen als europäischer Kulturvermittlung zu- oder abnimmt, fahren Kolonnen von LKWs Güter in Europa hin und her und verstehen sich (zumindest nach innen und nicht unbedingt in der Außendarstellung) große Unternehmen überhaupt nicht mehr als "nationale" Einrichtungen. Das (mit Abstand) nach Umsatz und Beschäftigten größte Unternehmen in Ungarn, MOL (Erdöl und Erdgas) - nur als Beispiel - beschäftigt im eigenen Land 14500 Menschen und international 34000. Das zweitgrößte ist Audi Hungaria mit Hauptsitz in Ingolstadt. Ganze Legionen von Wirtschaftslobbyvertretern in Brüssel bestimmen zunehmend, dass das auch so bleibt und die Maschinerie weiter brummt. Ich will das gar nicht weiter bewerten, sondern nur meinen Verdacht äußern, dass wir mit dieser Vorstellung einer kulturgeschichtlichen Integration Europas längst auf irgendeinem Nebenschauplatz herumirren.
Das für ein gemeinsames Europa auch eine politische und wirtschaftliche Integration braucht, steht außer Frage. Ich wollte mit meinem Beitrag auch nicht sagen, dass eine istitutionell-bürokratische, wirtschaftliche und politische (und langfristig auch soziale) Integration nicht notwendig wäre. Diese ist genau so notwendig, wenn das Projekt eines gemeinsamen Europa klappen soll. Dazu gehören gemeinsame europäische Gesetze und Regeln für die Wirtschaft (und auch die Finanzen). Aber der geistes- und kulturgeschichtliche Teil bzw. die Menschen, die aktiv Europa erleben (durch Reisen, Schüleraustausche, Auslandssemester, Auslandsjahre, evtl europäische Austauschprogramme für Auszubildende) ist genau so notwendig. Ohen europäisches Bewusstsein, *ohne europäische Identität,* der Menschen wird es langfristig kein gemeinsames Europa geben können.

Nachtrag meinerseits durch ** markiert.
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schokoschendrezki
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Re: Die Zukunft einer europäischen Bewegung

Beitrag von schokoschendrezki »

Helmuth_123 hat geschrieben:(25 Mar 2018, 21:00)

Das für ein gemeinsames Europa auch eine politische und wirtschaftliche Integration braucht, steht außer Frage. Ich wollte mit meinem Beitrag auch nicht sagen, dass eine istitutionell-bürokratische, wirtschaftliche und politische (und langfristig auch soziale) Integration nicht notwendig wäre. Diese ist genau so notwendig, wenn das Projekt eines gemeinsamen Europa klappen soll. Dazu gehören gemeinsame europäische Gesetze und Regeln für die Wirtschaft (und auch die Finanzen). Aber der geistes- und kulturgeschichtliche Teil bzw. die Menschen, die aktiv Europa erleben (durch Reisen, Schüleraustausche, Auslandssemester, Auslandsjahre, evtl europäische Austauschprogramme für Auszubildende) ist genau so notwendig. Ohen europäisches Bewusstsein, *ohne europäische Identität,* der Menschen wird es langfristig kein gemeinsames Europa geben können.

Nachtrag meinerseits durch ** markiert.
Es ging mir auch gar nicht so sehr, darum, dass irgendetwas von alledem nicht notwendig wäre ... sondern, dass Wirtschaft, Handel, aber auch z.B. Wissenstransfer längst schon - und zwar als Wirklichkeit! - meilenweit dem nur als Forderung bestehenden kulturellen Gemeinschaftsbewusstsein davongeeilt sind.
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