Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

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sünnerklaas
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von sünnerklaas »

rain353 hat geschrieben:(08 Jan 2018, 19:11)

Trotzdem bringt eine freie Marktwirtschaft, wie damals unter Erhard (OHNE SUBVENTIONEN) langfristig Wohlstand und sogar unter bestimmen Voraussetzungen Vollbeschäftigung wie damals.... (Damals sehr viel niedrigeren Staatsanteil an der Wirtschaft als heute)
Mit den Subventionen musste der teilweise heftige Strukturwandel im primären Wirtschaftssektor abgefedert werden. Die Landwirtschaft befand sich schon zu Beginn der 50er Jahre in einer schweren Krise: sie war untertechnisiert, es gab massive Probleme durch die Abwanderung von Landarbeitern in besser bezahlte Arbeit, dazu waren für eine Technisierung der Agrarwirtschaft die landwirtschaftlichen Flächen in einem unzureichenden Zustand.
Die richtig schwere Krise des Primären Sektors (Landwirtschaft/Fischerei/Bergbau) begann mit der Aufwertung der DM Anfang der 1960er, was zu einer deutlichen Verbilligung von Importprodukten führte. Um den Rückzug der Landwirtschaft und den Ausstieg aus dem Bergbau sozialverträglich abzufedern und um soziale Unruhen zu vermeiden, waren eben Subventionen notwendig.
Hinzu kam: der ländliche Raum ist ein Gebiet mit einer klassisch konservativen Klientel. Eine Abwanderung zu anderen Parteien wäre eine Katastrophe für CDU und CSU gewesen. Und die Betroffenen wussten, WER da die Entscheidungen getroffen hat - und welche Parteien das waren.
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Alter Stubentiger
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von Alter Stubentiger »

rain353 hat geschrieben:(08 Jan 2018, 19:11)

Trotzdem bringt eine freie Marktwirtschaft, wie damals unter Erhard (OHNE SUBVENTIONEN) langfristig Wohlstand und sogar unter bestimmen Voraussetzungen Vollbeschäftigung wie damals.... (Damals sehr viel niedrigeren Staatsanteil an der Wirtschaft als heute)
Wir haben Vollbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Es ist nur so daß in einer Welt wo es sehr viele Einfachstarbeiten gibt fst jeder einen Job findet. Auch ohne Qualifikation. Ich hab sogar einen Schafscheerer aus der Lüneburger Heide kennengelernt der im Wirtschaftswunder kein Problem hatte im Ruhrpott bei Mannesmann unterzukommen. Man muß so ehrlich sein das solchen Menschen heute nur noch Hartz IV bleibt. Egal wie frei der Markt ist.

Außerdem stand Erhardt nicht für eine freie Marktwirtschaft. Er hat sehr gut erkannt daß ohne Regeln zu viele unter die Räder kommen. Er hat ja auch das Kartellrecht durchgesetzt. Gegen den erbitterten Widerstand der Marktliberalen. Bis dahin meinten nämlich viele Wirtschaftsleute Kartelle wären gut. Klare Preise. Garantierter Absatz und kein ruinöser Preiskampf mit der lästigen Konkurrenz. Der Verbraucher der die Zeche zu zahlen hatte wurde bis dahin von der Wirtschaft nur als Verfügungsmasse wahrgenommen. Erst mit Erhardt kam der Verbraucher in die Lage mit seinem Kaufverhalten Einfluss auf den Märkten zu erlangen.

Ich weiß nicht wieso du einer Ideologie anhängst die aus der Zeit Margret Thatchers stammt und ihre verheerende Wirkung bewiesen hat. Was treibt dich an so ein Fiasko für Deutschland anzustreben?.
Niemand hat vor eine Mauer zu errichten (Walter Ulbricht)
...und die Mauer wird noch in 50 oder 100 Jahren stehen (Erich Honecker)
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Dampflok94
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von Dampflok94 »

rain353 hat geschrieben:(08 Jan 2018, 19:11)

Trotzdem bringt eine freie Marktwirtschaft, wie damals unter Erhard (OHNE SUBVENTIONEN) langfristig Wohlstand und sogar unter bestimmen Voraussetzungen Vollbeschäftigung wie damals.... (Damals sehr viel niedrigeren Staatsanteil an der Wirtschaft als heute)
Laut behauptet ist halb bewiesen, nicht wahr? :D
Auch unter Erhard gab es keine freie Marktwirtschaft. Die gab es fast nie. Und natürlich gab es auch unter Erhard schon Subventionen. Sonst würde heute noch kein Atomreaktor in D stehen.
Es gibt für die Entwicklung der BRD nach dem Krieg viele Gründe. Die dt. Wirtschaftspolitik ist nur ein Grund von mehreren.
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rain353
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von rain353 »

Dampflok94 hat geschrieben:(09 Jan 2018, 08:52)

Laut behauptet ist halb bewiesen, nicht wahr? :D
Auch unter Erhard gab es keine freie Marktwirtschaft. Die gab es fast nie. Und natürlich gab es auch unter Erhard schon Subventionen. Sonst würde heute noch kein Atomreaktor in D stehen.
Es gibt für die Entwicklung der BRD nach dem Krieg viele Gründe. Die dt. Wirtschaftspolitik ist nur ein Grund von mehreren.
Das würde ich nicht so sagen... Im großen und ganzen war die deutsche Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg relativ frei, was jedoch ausgerechnet in den Ländern USA, Großbritrannien nicht so der Fall war(Keynesianismus)
Die Ironie vom ganzen war, dass sehr viele Deutsche eigentlich nie was mit der Marktwirtschaft richtig anfangen, da die Deutschen am wenigsten Eigenkapital haben [Glaub, dass sowas beiträgt, dass man Braun- und Rotsozialisten auf dem Leim geht...)
Ich habe nie behauptet, dass die Wirtschaft Deutschlands je ganz frei war, aber damals war sie im Vergleich zu heute und vorher sehr frei...
Für den Erhard konnte nur eine leistungsfähige Wirtschaft auch sozial sein..
"Es ist nichts so klein und wenig, woran man sich nicht begeistern könnte." - Friedrich Hölderlin
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von pikant »

rain353 hat geschrieben:(09 Jan 2018, 11:12)


Für den Erhard konnte nur eine leistungsfähige Wirtschaft auch sozial sein..
das erinnert mich an den Spruch, sozial ist was Arbeit schafft :)
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von rain353 »

pikant hat geschrieben:(09 Jan 2018, 11:28)

das erinnert mich an den Spruch, sozial ist was Arbeit schafft :)
Dir ist schon klar, dass die Deutschen die Ärmsten in Europa sind... Kein Land in der EU hat so wenig Aktien- und Wohnungseigentum....
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von pikant »

rain353 hat geschrieben:(09 Jan 2018, 11:55)

Dir ist schon klar, dass die Deutschen die Ärmsten in Europa sind... Kein Land in der EU hat so wenig Aktien- und Wohnungseigentum....
das ist mir nicht klar!
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Dampflok94
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von Dampflok94 »

rain353 hat geschrieben:(09 Jan 2018, 11:12)

Das würde ich nicht so sagen... Im großen und ganzen war die deutsche Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg relativ frei, was jedoch ausgerechnet in den Ländern USA, Großbritrannien nicht so der Fall war(Keynesianismus)
Die Ironie vom ganzen war, dass sehr viele Deutsche eigentlich nie was mit der Marktwirtschaft richtig anfangen, da die Deutschen am wenigsten Eigenkapital haben [Glaub, dass sowas beiträgt, dass man Braun- und Rotsozialisten auf dem Leim geht...)
Ich habe nie behauptet, dass die Wirtschaft Deutschlands je ganz frei war, aber damals war sie im Vergleich zu heute und vorher sehr frei...
Für den Erhard konnte nur eine leistungsfähige Wirtschaft auch sozial sein..
Die Wirtschaft mag freier gewesen sein. Ob das besser war? Zum Teil ja, zum Teil nein. Und wenn wir jetzt noch wüßten welcher Teil welcher ist, wäre es einfach. Aber das wissen wir leider nicht. Und so gab es Anfang des Jahrtausends die Deregulierung des Finanzwesens. Mit den bekannten folgen. Die Finanzindustrie wurde zu frei. (Im Moment ist man übrigens gerade dabei, in die andere Richtung zu übertreiben.) Also einfach zu behaupten frei ist toll und weniger frei weniger toll funzt nicht. Ich bin z. B. sehr froh, daß sich im Arbeits- und Sozialrecht seit den 50er Jahren viel getan hat. Das macht die Wirtschaft auch unfreier. Aber es ist die Sache wert. Wirtschaft ist kein Selbstzweck.
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imp
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von imp »

Die Konservativen kommen in Deutschland von der Idee einer wohlwollenden Klassengesellschaft her. Politisch an der Spitze ursprünglich der Kaiser. Der Adel war in Grundbesitz und Landwirtschaft involviert, vor allem ostelbisch die prägende Figur auch im Leben der Leibeigenen und später der Pächter und Angestellten. Verwoben mit Adel und Staat das Militär. Daneben der nationalliberale Bürgerliche mit Handwerk, Manufaktur und Fabrik sowie Handel. Beide im Konflikt vorrangig mit Arbeiterbewegung und Sozialismus. Nicht ganz deckungsgleich der Streit zwischen Kirchenprivileg, persönlicher Freiheit und Hoheitsrechten des Staates.

Zentrum und CDU waren immer auch stark kirchlich geprägt. Durch die Ossis nach 1990 und allgemein schwindende Kirchenbegeisterung ist das etwas aus der Mode gekommen.

Für den nationalliberalen Ratsherrn war es selbstverständlich, in der Fabrik viel zu verlangen, dann aber der Stadt und den Bürgern Institutionen zu stiften. Für den ländlichen Adel war das - relative - Wohlergehen der Leute, die er oft persönlich lebenslang kannte, auch praktisch interessant. War trotzdem alles brutal, ärmlich und keineswegs idyllisch. Aber guckt mal in den Sozialismus oder in die Jahre unter Schmidt und Schröder. Mit der CDU haben wir es gut getroffen.
"Don't say words you gonna regret" - Eric Woolfson
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sünnerklaas
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Re: Wieso waren deutsche Konservative immer relativ sozialdemokratisch

Beitrag von sünnerklaas »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(09 Jan 2018, 15:51)


Für den nationalliberalen Ratsherrn war es selbstverständlich, in der Fabrik viel zu verlangen, dann aber der Stadt und den Bürgern Institutionen zu stiften. Für den ländlichen Adel war das - relative - Wohlergehen der Leute, die er oft persönlich lebenslang kannte, auch praktisch interessant. War trotzdem alles brutal, ärmlich und keineswegs idyllisch. Aber guckt mal in den Sozialismus oder in die Jahre unter Schmidt und Schröder. Mit der CDU haben wir es gut getroffen.

Daraus leitete sich die Subventionspolitik ab Mitte der 1950er Jahre ab. Die Agrarsubventionen waren weniger von sozialistischen Gedanken geleitet. Sie waren der Versuch, die konservative Landbevölkerung bei der Stange zu halten - vor allem ab der DM-Aufwertung zu Beginn der 1960er Jahre.
Flurbereinigungen, "Der Grüne Plan" (1956), die Einführung der gesetzlichen Alterskassen für Landwirte (1957) waren Garanten für die Wahlerfolge von CDU/CSU und .FDP im ländlichen Raum und führten zu einem rasanten Strukturwandel.
Und man sollte immer nicht vergessen: die adlige Gutswirtschaft war ineffizient und die Gutsbetriebe standen stets am Rande der Pleite. Mehr, als das Existenzminimum war da in der Regel nicht drin - auch wenn manche Herrensitze nach außen hin scheinbar etwas anderes aussagen. Es hatte schon seine Gründe, warum auch die Gutsherren in uralten Gebäuden wohnten. Dass das so war, war pure wirtschaftliche Notwendigkeit. Man hatte einfach nicht das Geld, zeitgemässere Gebäude mit höherem Wohnkomfort zu bauen.
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