Mehrheitswahlrecht

Moderator: Moderatoren Forum 2

Fazer
Beiträge: 3993
Registriert: Mi 21. Okt 2015, 10:40

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Fazer »

Tomaner hat geschrieben:(11 Dec 2017, 11:46)

und in welchen Ländern ist alles so um Längen besser, dass wir denen es nachmachen sollten? Nimmt man Bayern, hätte man da beinahe nur noch 100 Prozent CSU! Was Stichwahlen angeht, wählen viele dann entweder gar nicht oder kleineres Übel. Was spricht dagegen, dass die Interessen des Volkes auch Prozentual so in den Parlamenten so vertreten ist? Warum sind Kompromisse negativ? Wenn verschiedene Interessensgruppen einen Kompromis ausarbeiten soll dies grundsätzlich schlechter sein, als wenn sich eine Gruppe immer zu 100 Prozent durchsetzt?
Ich bin nicht unbedingt für ein Mehrheitswahlrecht, aber wie gesagt - es ist nicht per se undemokratisch, wie man in GB sieht. Dennoch bleibt das Problem der Unregierbarkeit, wenn man nicht zumindest eine adäquate Sperrklausel hat. Aber selbst die kann zu Zersplitterung führen. Krass z.B. die Situation in Berlin, mit 4 Parteien, die alle bei um die 20% liegen. Und noch mal: warum mögen die Menschen die GroKo nicht mehr? Weil in einer Koalition eben Kompromisse geschlossen werden müssen. Ich halte das an sich für ganz gut, denn es vermeidet, dass eine Minderheit quasi überfahren wird. Aber in der öffentlichen Debatte werden Kompromisse als grosses Übel dargestellt, weil man natürlich die "reine Lehre" verwässert.
Freiheit bedeutet Verantwortung; das ist der Grund, weshalb sich die meisten vor ihr fürchten. (George Bernard Shaw)
Benutzeravatar
Dampflok94
Beiträge: 13204
Registriert: Mo 2. Jun 2008, 17:59
user title: ex-Betriebsrat
Wohnort: Berlin

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Dampflok94 »

Fazer hat geschrieben:(11 Dec 2017, 23:03)
Und noch mal: warum mögen die Menschen die GroKo nicht mehr? Weil in einer Koalition eben Kompromisse geschlossen werden müssen.
Das ist sicherlich nicht der Grund. Seir Bestehen der Bundesrepublik gab es genau für vier Jahre eine absolute Mehrheit für eine Partei. Für die CDU unter Adenauer. Ansonsten gab es immer Koalitionen. Und insgesamt wird man wohl behaupten können, daß D damit sehr gut gefahren ist.

Es geht nicht um die Tatsache der Kompromisse an sich, es geht um die Art der Kompromisse. Sonst hätte nicht Jamaika durchaus vieleFürsprecher gehabt. Denn das hätte noch mehr Kompromisse bedeutet.
Leute kauft mehr Dampflokomotiven!!!
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 46981
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von H2O »

Dampflok94 hat geschrieben:(12 Dec 2017, 09:43)

Das ist sicherlich nicht der Grund. Seir Bestehen der Bundesrepublik gab es genau für vier Jahre eine absolute Mehrheit für eine Partei. Für die CDU unter Adenauer. Ansonsten gab es immer Koalitionen. Und insgesamt wird man wohl behaupten können, daß D damit sehr gut gefahren ist.

Es geht nicht um die Tatsache der Kompromisse an sich, es geht um die Art der Kompromisse. Sonst hätte nicht Jamaika durchaus vieleFürsprecher gehabt. Denn das hätte noch mehr Kompromisse bedeutet.
Vielleicht hilft ein Blick auf die Verteilung der Unzufriedenheit in Deutschland. Wir erkennen doch, daß abgehängte Regionen sich Parteien zuwenden, die ihnen Besserung versprechen, weniger ein beharrliches "Weiter so". Der Aufbau Ost ist nicht gelungen, wenn wir an gute Arbeit in weiten Bereichen dieser Regionen denken. Die jungen mit gesuchten Fähigkeiten wandern ab in die boomenden Ballungsgebiete.

Die Politik hat es versäumt, diese boomenden Kräfte um zu lenken dahin, wo die Menschen abwandern. Das ist keine einfache Sache, weil die Boomregionen politisch mächtig sind und ihren wachsenden Besitzstand mit Klauen und Zähnen verteidigen.

Die Folgeprobleme "bezahlbarer Wohnraum", Fernpendler, verbrauchte Infrastruktur lassen nicht auf sich warten.

Dumm gelaufen!
Benutzeravatar
Boraiel
Beiträge: 4040
Registriert: Di 25. Feb 2014, 02:25
user title: Let’s rule the world.
Wohnort: Deutschland/Niederlande

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Boraiel »

Guten Abend,
Ich möchte mal die Frage in den Raum stellen, was geschehen wäre, wenn Deutschland ein Mehrheitswahlrecht hätte, das schon zu einem De-facto-Zweiparteiensytsem geführt hätte. Es gäbe also nur zwei wichtige Parteien, sagen wie Republikaner und Demokraten. Merkel wäre 2013 Chefin der Demokraten gewesen und wurde damals zur Kanzlerin gewählt. Wäre Merkel bei diesem Wahlrecht und diesen Verhältnissen, bei der Poltik, die sie in den letzten vier Jahren gemacht hat, wieder gewählt worden, oder hätte die zweite große Partei die Mehrheit errungen? Was haltet ihr für wahrscheinlich?
Ist das Verhältniswahlrecht in Deutschland besser oder das amerikanische Mehrheitswahlrecht?
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47101
Registriert: Sa 4. Apr 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von frems »

Der Vorteil wäre, dass bei solch einem System Merkel seit 2013 im Ruhestand gewesen wäre. Aber die Geschichte ist leider nicht zu korrigieren. Ansonsten halte ich aber nichts von einem Mehrheitswahlsystem, weil einfach zu viele Stimmen rausfliegen. Es kommt ja auch hinzu die Frage, ob man den Kanzler oder den Bundestag so wählt. Bei letzterem fände ich es noch schlechter. Dann hätten die beiden Volksparteien wohl über 95% der Sitze mit etwas über 50% der Stimmen.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
Boraiel
Beiträge: 4040
Registriert: Di 25. Feb 2014, 02:25
user title: Let’s rule the world.
Wohnort: Deutschland/Niederlande

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Boraiel »

frems hat geschrieben:(16 Dec 2017, 21:50)

Der Vorteil wäre, dass bei solch einem System Merkel seit 2013 im Ruhestand gewesen wäre. Aber die Geschichte ist leider nicht zu korrigieren. Ansonsten halte ich aber nichts von einem Mehrheitswahlsystem, weil einfach zu viele Stimmen rausfliegen. Es kommt ja auch hinzu die Frage, ob man den Kanzler oder den Bundestag so wählt. Bei letzterem fände ich es noch schlechter. Dann hätten die beiden Volksparteien wohl über 95% der Sitze mit etwas über 50% der Stimmen.
Würden sich die anderen Parteien nicht mit der Zeit mehr oder weniger auflösen und ihre Mitglieder die Politik der zwei großen Parteien mitprägen, sodass nach einiger Zeit diese auch fast alle Stimmen repräsentieren?
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
Benutzeravatar
Boraiel
Beiträge: 4040
Registriert: Di 25. Feb 2014, 02:25
user title: Let’s rule the world.
Wohnort: Deutschland/Niederlande

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Boraiel »

Und wieso wäre Merkel dann seit 2013 im Ruhestand?
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47101
Registriert: Sa 4. Apr 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von frems »

Boraiel hat geschrieben:(16 Dec 2017, 21:59)

Und wieso wäre Merkel dann seit 2013 im Ruhestand?
Weil man in den USA nach dem dortigen Wahlsystem nur zweimal Präsident sein darf. Überträgt man dies auf das deutsche Kanzleramt, hätte die CDU 2013 bei der Wahl einen anderen Kandidaten ins Rennen schicken müssen.
Boraiel hat geschrieben: Würden sich die anderen Parteien nicht mit der Zeit mehr oder weniger auflösen und ihre Mitglieder die Politik der zwei großen Parteien mitprägen, sodass nach einiger Zeit diese auch fast alle Stimmen repräsentieren?
Funktioniert in Ländern wie Großbritannien nicht. Nehmen wir die dortigen Wahlen von 2015.

Die Tories erzielten 36,8% der Wählerstimmen und 50,8% der Abgeordnetensitze -> Alleinregierung
SNP bekam 4,7% der Stimmen und 8,6% der Sitze
Ukip hatte 12,6% der Stimmen und bekam gerade so einen der 650 Sitze, also 0,2%. Und das halt, weil sie nur in einem Wahlkreis eine knappe Mehrheit bekamen.

Und nicht falsch verstehen: mir ist eine SNP deutlich lieber als Ukip. Aber sonderlich demokratisch finde ich es nicht.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
Der Neandertaler
Beiträge: 2694
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 03:48
user title: Experimentální králíci

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Boraiel.
Der Unterschied ist, wie Du selber festgestellt hast, daß in einem Mehrheitswahlsystem (mehr oder weniger) nur zwei oder allenfalls drei Parteien im jeweiligen Parlament sitzen.
  • (s.: USA - Republikaner, Demokraten und zwei Unabhängige)
Somit wäre auch eine Regierungsmehrheit unter Umständen eindeutiger.

Wir (Deutschland u.a.) haben uns aber nunmal dafür entschieden, weitgehend ein Abbild der Gesellschaft in die Parlamente zu tragen. Deshalb haben wir uns für das Verhältniswahlsystem entschieden. Gleichzeitig soll aber auch der (mehrheitlich) gewählte vorort-Abgeordnete bedacht werden, deshalb ist das Verhältniswahlsystem mit Teilen eines Merheitswahlsystems nuanciert (Erststimme).

Nun kann und soll jeder selber entscheiden, was letztendlich bessser ist. Wobei aber immer die Frage zuerst gestellt werden sollte, was damit (mit der Wahl oder mit einer Änderung des Wahlsystems) erreicht werden soll? Wollen wir eine eindeutigere und leichtere (schnellere) Regierungsbildung = Merheitswahlsystem oder soll (weitgehend) die Gesellschaft abgebildet ... deren Meinung im Parlamet sitzen = Verhältniswahlsystem.

Ich bin für die Beibehaltung des jetzigen Systems, Reformen sollte es aber dennoch geben.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
Benutzeravatar
imp
Beiträge: 16690
Registriert: Fr 14. Jul 2017, 20:37
user title: Freiheit ist unser Ideal.

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von imp »

Ihr kennt euch halt nicht aus. Weder Frankreich noch Engeland haben bloß drei Parteien.
"Don't say words you gonna regret" - Eric Woolfson
Benutzeravatar
Boraiel
Beiträge: 4040
Registriert: Di 25. Feb 2014, 02:25
user title: Let’s rule the world.
Wohnort: Deutschland/Niederlande

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Boraiel »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(20 Dec 2017, 15:12)

Ihr kennt euch halt nicht aus. Weder Frankreich noch Engeland haben bloß drei Parteien.
Ich bezog mich auch extra auf die Lage in den USA und da gibt es nur 2 relevante Parteien, der Rest dümpelt vor sich hin.
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
Benutzeravatar
Boraiel
Beiträge: 4040
Registriert: Di 25. Feb 2014, 02:25
user title: Let’s rule the world.
Wohnort: Deutschland/Niederlande

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Boraiel »

Der Neandertaler hat geschrieben:(17 Dec 2017, 10:52)

Hallo Boraiel.
Der Unterschied ist, wie Du selber festgestellt hast, daß in einem Mehrheitswahlsystem (mehr oder weniger) nur zwei oder allenfalls drei Parteien im jeweiligen Parlament sitzen.
  • (s.: USA - Republikaner, Demokraten und zwei Unabhängige)
Somit wäre auch eine Regierungsmehrheit unter Umständen eindeutiger.

Wir (Deutschland u.a.) haben uns aber nunmal dafür entschieden, weitgehend ein Abbild der Gesellschaft in die Parlamente zu tragen. Deshalb haben wir uns für das Verhältniswahlsystem entschieden. Gleichzeitig soll aber auch der (mehrheitlich) gewählte vorort-Abgeordnete bedacht werden, deshalb ist das Verhältniswahlsystem mit Teilen eines Merheitswahlsystems nuanciert (Erststimme).

Nun kann und soll jeder selber entscheiden, was letztendlich bessser ist. Wobei aber immer die Frage zuerst gestellt werden sollte, was damit (mit der Wahl oder mit einer Änderung des Wahlsystems) erreicht werden soll? Wollen wir eine eindeutigere und leichtere (schnellere) Regierungsbildung = Merheitswahlsystem oder soll (weitgehend) die Gesellschaft abgebildet ... deren Meinung im Parlamet sitzen = Verhältniswahlsystem.

Ich bin für die Beibehaltung des jetzigen Systems, Reformen sollte es aber dennoch geben.
Leichtere Regierungsbildung ist auch wichtig, was aber noch wichtiger ist und weswegen ich den Wechsel zum amerikanischen Mehrheitswahlrecht für richtig halte, ist die Regierungsabwahl. Ich halte es für verkehrt, dass Frau Merkel nach solchen Verlusten bei der Bundestagswahl wohl weiterhin Kanzlerin bleiben kann.
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
Benutzeravatar
imp
Beiträge: 16690
Registriert: Fr 14. Jul 2017, 20:37
user title: Freiheit ist unser Ideal.

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von imp »

Boraiel hat geschrieben:(20 Dec 2017, 15:22)

Ich bezog mich auch extra auf die Lage in den USA und da gibt es nur 2 relevante Parteien, der Rest dümpelt vor sich hin.
Deutschland ist aber viel mehr wie Europa.
"Don't say words you gonna regret" - Eric Woolfson
Benutzeravatar
Der Neandertaler
Beiträge: 2694
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 03:48
user title: Experimentální králíci

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Boraiel.
Unser Wahlsystem ist, wie bekannt, ein Zwitter. Ein Verhältniswahlsystem mit einem Teil, dem Hauptteil vom Mehrheitswahlsystem. Und so wie unser Wahlsystem durch die Prozenthürde eingeschränkt ist, kann ich dies auch noch weiter einschränken - durch Einführung einer Wahlperiode des Kanzlers.

Die Einschränkung der Wiederwahl eines Kanzlers ist nämlich keine Zwangsläufigkeit des Mehrheitswahlsystems - es ist ein Zusatz.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
Benutzeravatar
Boraiel
Beiträge: 4040
Registriert: Di 25. Feb 2014, 02:25
user title: Let’s rule the world.
Wohnort: Deutschland/Niederlande

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Boraiel »

Der Neandertaler hat geschrieben:(20 Dec 2017, 17:20)

Hallo Boraiel.
Unser Wahlsystem ist, wie bekannt, ein Zwitter. Ein Verhältniswahlsystem mit einem Teil, dem Hauptteil vom Mehrheitswahlsystem. Und so wie unser Wahlsystem durch die Prozenthürde eingeschränkt ist, kann ich dies auch noch weiter einschränken - durch Einführung einer Wahlperiode des Kanzlers.

Die Einschränkung der Wiederwahl eines Kanzlers ist nämlich keine Zwangsläufigkeit des Mehrheitswahlsystems - es ist ein Zusatz.
Es geht mir nicht um die Verhinderung der Wiederwahl des Kanzlers, sondern um bessere Abwahlmöglichkeiten. Wenn es weitanzutreffende Unzufriedenheit mit der letzten Regierung gibt, dann sollte unser Wahlsystem auch dafür sorgen, dass die letzte Regierung und besonders ihr Oberhaupt nicht wieder in Amt und Würden kommt.
Wie könnnen wir dafür besser Sorge tragen als mit einem Mehrheitswahlrecht? :?:
P.s.: Es muss ja auch einen Gegenspieler geben, der Machtpotenzial hat. Jemand von einer 10%-Partei hat das nicht.
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
Benutzeravatar
Der Neandertaler
Beiträge: 2694
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 03:48
user title: Experimentální králíci

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Boraiel.
Laut unserem Wahlsystem wählen wir primär Parteien - keine Personen. Deshalb können wir den oder die Person nicht abwählen - diies ist nur den jeweiligen Parteigremien überlassen. So stellen auch Parteien quasi als Service (um zu wissen, wen man bokommt, wenn diese Partei gewinnt) einen (Kanzler-) Kandidaten auf.

So hatten wir diesmal die Auswahl zwischen Frau Merkel und Herrn Schulz. Da aber offenbar für die Wähler das Parteiprogramm der ein oder anderen Partei besser und daher letztlich wichtiger war als der Kandidat der Gegnerpartei, so hat eben die CDU gewonnen ... und wir bekommen nun Frau Merkel. Aber ob wir aber wirklich Frau Merkel als Regierungschefin bekommen, ist aber noch nicht gesagt. Denn vielleicht ist es ja eine Forderung von der SPD:
  • ... nur ohne Frau Merkel!
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
Benutzeravatar
Helmuth_123
Beiträge: 8632
Registriert: Sa 31. Mär 2012, 19:51
Wohnort: Thüringen

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Helmuth_123 »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(20 Dec 2017, 15:12)

Ihr kennt euch halt nicht aus. Weder Frankreich noch Engeland haben bloß drei Parteien.
Nicht nur das. Im Kaiserreich gab es auch ein Mehrheitswahlrecht. Und im Reichstag waren mehrere Parteien vertreten. Ein Mehrheitswahlrecht muss nicht zwangsläufig zu einen Zwei-Parteien-System führen.
Benutzeravatar
Boraiel
Beiträge: 4040
Registriert: Di 25. Feb 2014, 02:25
user title: Let’s rule the world.
Wohnort: Deutschland/Niederlande

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Boraiel »

Helmuth_123 hat geschrieben:(20 Dec 2017, 19:39)

Nicht nur das. Im Kaiserreich gab es auch ein Mehrheitswahlrecht. Und im Reichstag waren mehrere Parteien vertreten. Ein Mehrheitswahlrecht muss nicht zwangsläufig zu einen Zwei-Parteien-System führen.
Welche anderen Stellschrauben haben denn dazu geführt, dass wir in den USA ein Defacto-Zweiparteinensystem haben in anderen Ländern aber nicht?
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
Benutzeravatar
jorikke
Beiträge: 8968
Registriert: Sa 30. Mai 2009, 10:05

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von jorikke »

Dampflok94 hat geschrieben:(12 Dec 2017, 09:43)

Das ist sicherlich nicht der Grund. Seir Bestehen der Bundesrepublik gab es genau für vier Jahre eine absolute Mehrheit für eine Partei. Für die CDU unter Adenauer. Ansonsten gab es immer Koalitionen. Und insgesamt wird man wohl behaupten können, daß D damit sehr gut gefahren ist.

Es geht nicht um die Tatsache der Kompromisse an sich, es geht um die Art der Kompromisse. Sonst hätte nicht Jamaika durchaus vieleFürsprecher gehabt. Denn das hätte noch mehr Kompromisse bedeutet.
1957 hatte Adenauer zwar mit 50,2% die absolute Mehrheit. Dennoch bildete er mit der DP eine Koalitionsregierung um aus den eigenen Reihen Querschüsse zu vermeiden.
...auch deshalb: "Der alte Fuchs."
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 46981
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von H2O »

Der Neandertaler hat geschrieben:(20 Dec 2017, 18:53)

...
... nur ohne Frau Merkel!
Solche Grundsatzfragen sollte dann doch der Wähler entscheiden! CDU/CSU < 20% und alles ist klar.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 46981
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von H2O »

Das französische Wahlrecht mit zwei Durchläufen finde ich sinnvoller als unser Wahlrecht, das "bis in den Promillebereich" den Wählerwillen im Parlament vorschreibt. So haben wir jetzt einen entscheidungsunfähigen Bundestag mit 709 Abgeordneten aus einem Wahlgang.

Das französische Wahlsystem zeigt in einem ersten Wahlgang, wie die Zustimmung der Wähler zum Angebot der Parteien paßt. Dann hat der Wähler aber zwei Wochen Zeit, die Auswirkungen dieser Zustimmungsverteilung zu betrachten und zu diskutiern; den Parteien geht es ebenso: Sie werden schon vor dem zweiten Wahlgang versuchen, Bündnisse zu schließen, indem die eine Partei einen besonders aussichtsreichen Bewerber dort aufstellt, wo die andere dann bewußt verzichtet. Damit hat der Wähler sogar noch Einfluß auf Wahlbündnisse... er muß ja dem angebotenen Bündnis nicht zustimmen.

Auch das Wahlergebnis ist schon am Wahlabend klar: Der Bewerber mit der höchsten Stimmenzahl gewinnt den Wahlkreis. Da ist nichts mit "höherer Mathematik", Überhang und Ausgleich... alles Dinge, auf die der deutsche Wähler schon gar keinen Einfluß mehr ausüben kann. Da rattert ein Regelwerk ab, dessen Ergebnis vor der Wahl niemand vorhersagen kann.
Benutzeravatar
Der Neandertaler
Beiträge: 2694
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 03:48
user title: Experimentální králíci

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo H2O.
H2O hat geschrieben:Solche Grundsatzfragen sollte dann doch der Wähler entscheiden! CDU/CSU < 20% und alles ist klar.
Auch wenn die Parteien uns quasi eine Personenwahl suggerieren, ... wir wählen primär Parteien und keine Personen ... zumindest können wir nicht per Wahl bestimmen, wer Bundeskanzler wird.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
Benutzeravatar
Helmuth_123
Beiträge: 8632
Registriert: Sa 31. Mär 2012, 19:51
Wohnort: Thüringen

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Helmuth_123 »

Boraiel hat geschrieben:(20 Dec 2017, 21:56)

Welche anderen Stellschrauben haben denn dazu geführt, dass wir in den USA ein Defacto-Zweiparteinensystem haben in anderen Ländern aber nicht?
Zur historischen Entwicklung des Parteiensystems in den USA gibt es sicherlich Literatur. Ich selbst weiß darüber eigentlich nichts. Ich weiß aber, dass ein Mehrheitswahlrecht nicht zwangsläufig zu einen Zweiparteiensystem führen muss (Beispiel Wahlrecht im Deutschen Kaiserreich). Wobei man hier sicherlich auch berücksichtigen muss, dass die Parteien des Kaiserreichs Honoratiorenparteien waren (Ausnahme SPD vielleicht) und eine andere Bedeutung hatten, als die heutigen Parteien der Bundesrepublik.
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 46981
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von H2O »

Der Neandertaler hat geschrieben:(27 Dec 2017, 10:02)

Hallo H2O.Auch wenn die Parteien uns quasi eine Personenwahl suggerieren, ... wir wählen primär Parteien und keine Personen ... zumindest können wir nicht per Wahl bestimmen, wer Bundeskanzler wird.
Das ist richtig! Die Mehrheitspartei stellt meist den Kanzler, der auch gar nicht dem Bundestag angehören muß. Bei CDU < 20 % wird es vielleicht eine andere Partei geben, die die Mehrheit
errungen hat.

Durch die indirekte Wahl des Kanzlers und der Regierungsmitglieder ist auch deren Anzahl an Wiederwahlen nur durch das Parlament begrenzt... und ihre natürliche Lebensdauer.

Unser politischer Alltag wird aber überwiegend vom Bekanntheitsgrad der auftretenden Politiker und der Zustimmung der Wähler zu ihnen und ihren Parteien bestimmt. Deshalb lächeln uns diese Politiker eben von allen Wahlplakaten an, begleitet von ziemlich schlichten Sprüchen: "Mehr für alle!" :D
Benutzeravatar
Der Neandertaler
Beiträge: 2694
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 03:48
user title: Experimentální králíci

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Der Neandertaler »

H2O hat geschrieben:Das französische Wahlrecht ... sinnvoller als unser Wahlrecht, das ...
Es mag Dir sinnvoller erscheinen, aber ist es in der Praxis auch?
  • ... in der Praxis des Regierens
Es ist nämlich selten hilfreich, nur einen Teil von etwas Ganzem herauszunehmen und dieses eins zu eins irgendwo hinzuzufügen. Und sich so, mit Teilen einiger anderer Systeme, mit denen man ebenso verfährt, etwas Neues zu bauen. Wenn schon, muß ich das Ganze betrachten und auch adäquat so beurteilen.
  • Der französische Präsident wird in allgemeiner und direkter Wahl gewählt - in höchstens zwei Wahlgängen ... RICHTIG!
  • Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre - höchstens zwei Amtszeiten dürfen direkt aufeinander folgen ... auch RICHTIG!
Trotzdem ist eine Wiederwahl beliebig oft möglich.

Die Wahl zur Nationalversammlung findet ebenfalls alle fünf Jahre in allgemeiner und direkter Wahl statt. Aber deren Amtszeit ist eben nicht begrenzt oder beeinträchtigt.
Das heißt aber:
  • was geschieht, wenn der "Präsident der Republik" nicht der Mehrheitspartei angehört oder er keine 'direkte' Mehrheit in der Nationalversammlung hat?
Er muß sich diese suchen. Er muß mit jedem einzelnen Abgeordneten reden, ihn versuchen zu überzeugen und sich so jeweils seine Mehrheit zurecht stricken.

Àpropos:
  • nur jeweils die Hälfte der Senatsmitglieder wird jeweils neu gewählt - nach einem "Mehrheitswahlrecht" ebenfalls in zwei Wahlgängen. Die Amtszeit der Senatoren beträgt sechs Jahre. Was die Sache nicht unbedingt einfacher macht.
Wenn also schon etwas für gut oder für besser befunden wird, sollte das Ganze betrachtet werden ... besonders im Kontext.
H2O hat geschrieben:Auch das Wahlergebnis ist schon am Wahlabend klar: Der Bewerber mit der höchsten Stimmenzahl gewinnt den Wahlkreis.
Insofern steht das Ergebnis (zumnindest im Trend) bei uns ebenso "schon am Wahlabend" fest. Nur eben nicht "mit 'höherer Mathematik', Überhang und Ausgleich... ".

Aber eine Wahl, "dessen Ergebnis vor der Wahl" schon feststeht, nenne ich nicht unbedingt eine faire, geheime und demokratische Wahl!
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
Benutzeravatar
Der Neandertaler
Beiträge: 2694
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 03:48
user title: Experimentální králíci

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Der Neandertaler »

H2O hat geschrieben:Das ist richtig! Die Mehrheitspartei stellt meist den Kanzler, der auch gar nicht dem Bundestag angehören muß.
Wenn Du erlaubst:
  • dies ist nicht ganz richtig ... zumindest der erste Teil nicht ganz!
Jeder Partei des Parlamentes ist es überlassen, zu einer Kanzlerwahl einen (Gegen-) Kandidaten aufzustellen, oder die Regierungsmehrheit kann einen anderen Kandidaten ernennen oder bevorzugen, der nicht der Mehrheitspartei angehören muß.

So war etwa Ludwig Erhard bei der Wahl (zum zweiten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland) 1963 vorerst parteilos. Er war zwar als Wirtschaftsminister und Bundestagsabgeordneter seit 1949 ausschließlich für die CDU aktiv, aber er war vor 1966 nie formales Parteimitglied der CDU.

Wenn jemand, der theoretisch nicht die nötige Mehrheit hat, so kann er trotzdem zufälliger Weise gewählt werden, wenn einzelne Abgeordnete etwa mit dem Regierungs-Mehrheits-Vorschlag nicht einverstanden sind. Unabhängig davon, daß der Bundespräsident "dem Deutschen Bundestag einen Kandidaten als Bundeskanzler zur Wahl vor"schlägt.

Fazit:
  • wenn sich SPD, GRÜNEN und Linkspartei einig wären, könnte also auch ein SPD-Kandidat Bundeskanzler werden ... eventuell mit Hilfe einiger Nicht-Linker.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 46981
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von H2O »

Der Neandertaler hat geschrieben:(27 Dec 2017, 11:58)

Es mag Dir sinnvoller erscheinen, aber ist es in der Praxis auch?
  • ... in der Praxis des Regierens
Es ist nämlich selten hilfreich, nur einen Teil von etwas Ganzem herauszunehmen und dieses eins zu eins irgendwo hinzuzufügen. Und sich so, mit Teilen einiger anderer Systeme, mit denen man ebenso verfährt, etwas Neues zu bauen. Wenn schon, muß ich das Ganze betrachten und auch adäquat so beurteilen.
  • Der französische Präsident wird in allgemeiner und direkter Wahl gewählt - in höchstens zwei Wahlgängen ... RICHTIG!
  • Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre - höchstens zwei Amtszeiten dürfen direkt aufeinander folgen ... auch RICHTIG!
Trotzdem ist eine Wiederwahl beliebig oft möglich.

Die Wahl zur Nationalversammlung findet ebenfalls alle fünf Jahre in allgemeiner und direkter Wahl statt. Aber deren Amtszeit ist eben nicht begrenzt oder beeinträchtigt.
Das heißt aber:
  • was geschieht, wenn der "Präsident der Republik" nicht der Mehrheitspartei angehört oder er keine 'direkte' Mehrheit in der Nationalversammlung hat?
Er muß sich diese suchen. Er muß mit jedem einzelnen Abgeordneten reden, ihn versuchen zu überzeugen und sich so jeweils seine Mehrheit zurecht stricken.

Àpropos:
  • nur jeweils die Hälfte der Senatsmitglieder wird jeweils neu gewählt - nach einem "Mehrheitswahlrecht" ebenfalls in zwei Wahlgängen. Die Amtszeit der Senatoren beträgt sechs Jahre. Was die Sache nicht unbedingt einfacher macht.
Wenn also schon etwas für gut oder für besser befunden wird, sollte das Ganze betrachtet werden ... besonders im Kontext.Insofern steht das Ergebnis (zumnindest im Trend) bei uns ebenso "schon am Wahlabend" fest. Nur eben nicht "mit 'höherer Mathematik', Überhang und Ausgleich... ".

Aber eine Wahl, "dessen Ergebnis vor der Wahl" schon feststeht, nenne ich nicht unbedingt eine faire, geheime und demokratische Wahl!
Sicher kann man ein einfaches und klares Konzept nach Belieben aufblasen. Mir ging es um die Wahl der Bundestagsabgeordneten. Einen Ersatzkönig möchte ich deshalb aber nicht haben. Ist das Ersatzkönigtum mit dem bevorzugten Mehrheitswahlrecht zwingend verknüpft? Ich meine: Nein.
Benutzeravatar
Dampflok94
Beiträge: 13204
Registriert: Mo 2. Jun 2008, 17:59
user title: ex-Betriebsrat
Wohnort: Berlin

Re: Mehrheitswahlrecht

Beitrag von Dampflok94 »

jorikke hat geschrieben:(26 Dec 2017, 22:09)

1957 hatte Adenauer zwar mit 50,2% die absolute Mehrheit. Dennoch bildete er mit der DP eine Koalitionsregierung um aus den eigenen Reihen Querschüsse zu vermeiden.
...auch deshalb: "Der alte Fuchs."
Und wo war die DP (dann als GPD) 1961? ;)
Leute kauft mehr Dampflokomotiven!!!
Antworten