schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Apr 2018, 22:02)
Zunächst muss ich in dieser internen Unterdiskussion eines mal klarstellen. Ich werde wohl hier nicht für Unpolitischsein (--> Marika Rökk) plädieren. Wie wohl auch, in einem Politik-Forum. Und auch keineswegs für "Wertelosigkeit" oder Werte-Indifferenz. Ich plädiere für politische Standpunkte und Werte, die man sich selbst erarbeitet oder aus freier Entscheidung und Anerkennung heraus - immer partiell - übernommen hat.
Der eigentliche Punkt kreist tatsächlich um den Begriff "Loyalität". Ursprünglich und vom Wort her "den Gesetzen folgend". Klar und positiv. Das Ideal einer individualistischen Persönlichkeit kann überhaupt nur auf der Basis unbedingter Gesetzesanerkennung funktionieren und ausgelebt werden. Dann aber hat der Begriff der "Loyalität" eine Wandlung erfahren. Von gesetzestreu hin zu
Die Frage ist, ob sich solch ein Loyalitätskonzept politisch halten lässt. Ich bestreite das. Und zwar vehement. Die "höheren Ziele" sind immer nur Brotkrumen hingeworfen für die Dummen. Die Konzepte von Loyalität im sozialen Mikrobereich (Familie, Freundschaften) sind einfach nicht auf den Makroibereich übertragbar. Loyalität gegenüber dem gegenwärtigen US-Präsidenten, der FIFA, dem VW-Konzern, der facebook-Unternehmenshierarchie? Die Lehre aus dem Loyalitätsmissbrauch innerhalb des realen Sozialismus ist für mich nicht etwa, meine Loyalität nun einem anderen System zu schenken, sondern sie generell zu verweigern. Und alle ganz aktuellen politischen Entwicklungen bestätigen mich in dieser Ansicht.
In dem Zitat ist eine etwas seltsame Formulierung enthalten - wie kann man Werte mit jemandem teilen, der diese nicht teilt? Man kann Meinungsverschiedenheiten haben, das ist klar, aber ein "übergeordneter Wert" schließt das doch ein.
Mikrobereich und Makrobereich sind schon verbindbar, sogar bis hin zum Supermakrobereich.
Und zwar ganz einfach deshalb, weil die Mikro-Gruppe (Familie, Nachbarn, Freunde, Sportverein) nicht in einem luftleeren Raum agiert. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Handballer verletzt sich leicht beim Sport, dann wird ein Sanitäter angerufen und dieser kümmert sich. Die beiden kennen sich gar nicht und doch besteht eine gewisse Verbindung - sei es durch die Versicherung des Vereins - und beide gehen in dem Moment von einem übergeordneten Wert aus, den man als Humanität oder Kameradschaftshilfe bezeichnen könnte. Der verletzte Handballer wird nicht davon ausgehen, einem Dr. Mengele gegenüber zu treten, mal ganz übertrieben gesagt, und mehr noch - er würde es nicht mal wollen (in der Regel).
Aber woher kommt das, wie kann das sein? Die Antwort liegt da schon im Makrobereich, wie wir das hier nennen, es fußt nicht allein auf der Idee einer eng befreundeten Kerngruppe.
Unser Beispiel der Geschwister Scholl ist da im Grunde ganz ähnlich. Wie die Flugblätter beweisen, dachten sie eben nicht nur in sehr engen Zusammenhängen, nicht nur an Freunde oder an einen Studenten-Club, sondern reflektierten vielmehr das Allgemeine - ethisch, politisch, historisch. Die "Weiße Rose" war personell eng begrenzt, deren "übergeordneten Werte" jedoch keinesfalls.
Die von dir genannten Loyalitätskonstrukte US-Präsident, FIFA, VW und Facebook sind keine Werte oder Prinzipien, sondern bloße Erscheinungen in einem sozialen Konstrukt.
Die westlichen - evtl. auch universell gebrauchbaren - Werte und Prinzipien beruhen auf einer über Jahrhunderte entwickelten Philosophie und Ethik sowie auf besondere geschichtliche Erfahrungen. Von daher unterscheidet sich der westliche Teil der Zivilisation (die Begrifflichkeit eines kulturell zu verstehenden "Westens" stammt aus der antiken Welt der Griechen) natürlich schon auch von den anzunehmenden "Werten" einer Horde, Sippschaft oder Bauerngemeinschaft der Jungsteinzeit.
Philosophie, Ethik und Geschichte, aus diesem Dreiklang lassen sich konkret folgende Werte und Prinzipien ableiten und erkennen: - Menschenwürde, – Freiheit, – Frieden, – Gerechtigkeit, – Gleichheit, – Solidarität und – Demokratie.
Überträgt man diese Werte oder Prinzipien nun auf den "Makrobereich" eines staatlichen Gebildes, so ergeben sich auch schon die "republikanischen Werte". Übeträgt man sie in den "Supermakrobereich", dann sind es eben die universellen Werte der Vereinten Nationen respektive der menschlichen Zivilisation im Singular.
Mit Kritiklosigkeit oder Meinungseinfalt hat dies überhaupt nichts zu tun.
Dazu wiederum ein praktisches Beispiel. Churchill war als scharfer und vorwitziger Redner bekannt und auch völlig anderer Ansicht als Chamberlain in durchaus wichtigen Angelegenheiten. Dennoch stellte sich Churchill aus Loyalitätsgründen hinter die Regierung, kurz bevor er selbst ins Amt kam.
Churchill und Chamberlain teilten ja im Prinzip den Wert von Freiheit, Demokratie und Frieden. Die erhebliche Meinungsverschiedenheit bezüglich der Appeasementpolitik ist bekannt, ändert aber nichts.