Kommt der Westen zur Vernunft?

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Europa2050
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Europa2050 »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 May 2018, 10:14)

"'America First' is 'Deutschland uber alles' in the english language" ... Bis zu der Passage habe ich ungefähr die ersten 30 Minuten des Vortrags gehört. Und dann festgestellt, dass er im Wesentlichen das sagt, was er in seinem neuesten Buch "The Road To Unfreedom" schreibt (das im September als "Der Weg in die Unfreiheit" auch auf Deutsch erscheinen wird)

Der Kerngedanke ist, dass die Gegenwart heute von einer "Politik der Unvermeidlichkeit" zu einer "Politik der Ewigkeit" übergehe. Mit "Politik der Unvermeidlichkeit" (politics of inevitablilty) ist der Glaube an zwangsläufige historische Abfolgen gemeint. Und das interessante ist, dass er sie sowohl in marxistisch geprägtem Denken sieht - als Abfolge von Gesellschaftsordnungen, die infolge von Klassenwidersprüchen entstehen und vergehen und mit der "historischen Mission der Arbeiterklasse" schließlich gesetzmäßig im Kommunismus münden. Als auch in westlich-liberalem Denken: Dass die Marktmechanismen als unsichtbare Hand uns schon auf den richtigen Weg bringen. Und insbesondere als Legende, die Idee der EU sei eine Konsequenz aus der Katastrophe des 2. Wetlkriegs. Er sieht den 2. WK eher als den letzten Kolonialkrieg. Nämlich den Deutschlands, um so wie England, Spanien, Frankreich usw. ein Weltimperium zu errichten. Und dann natürlich der hochinteressante Gedanke, dass die EU nicht etwa die Nationen beseitigte sondern - im Gegenteil - einen Rahmen für das Weiterbestehen der endgültig zusammengebrochenen ehemaligen Kolonialimperien als Nationen ermöglichte. Die "Politik der Unvermeidlichkeit" ist vor allem auch eine Politik des Nichtstuns und der Schicksalsergebenheit. Die politischen Entwicklungen wie auch die wirtschaftlichen und technologischen finden einfach statt. Und Aufgabe des Menschen ist es lediglich, Konformitäten dazu zu leisten und herzustellen.

So. Das war die Vergangenheit bis jüngst. Der "Politik der Unvermeidlichkeit" setzt er eine "Politik der Ewigkeit" (politics of eternity) entgegen. Die erstens grundsätzlich auf Vergangenheit rekurriert: "Make America great again". "Mütterchen Russland". "Das osmanische Reich". Hindu-Nationalismus. Sarkozy und die Gallier. Kosovo, die Serben und die Schlacht auf dem Amselfeld. Das "christliche Abendland" Usw. Usf. Und die zweitens auf einer jeweils populistischen Figur basiert. Die für die anderen denkt und lenkt.

Während ich den ersten Teil schlüssig und nachvollziehbar finde, bin ich mir beim zweiten Ansatz nicht so sicher, ob mit der "Ewigkeit" das Wesentliche erfasst wird. Ich würde es eher als eine "Politik des Essentialismus" nennen. Dass immer irgendetwas abgeblich essentiell und prägend für die Menschen sein soll. Das können natürlich religiöse, kulturelle, ethnische Vergangenheitsbezüge sein. Aber auch ein modernistischer Technik-Essentialismus führt aus meiner Sicht in den Weg der Unfreiheit.
Ja, natürlich, er bespricht ja auch sein Buch. Ich dachte aber, dass das hier eher angenommen wird als ein aktuell noch ausschließliches englisch verfügbares Buch. Ich hab zuerst die Vorstellung geyoutubed und mir dann das Buch gekauft und gelesen.

Seine Erläuterungen bergen eine gewisse Schlüssigkeit und sind deshalb für einen Vertreter des Liberslismus/Antinationalismus/Antifaschismus wie mich so erschreckend. Die letzte Wahrheit sind sie, wie viele andere sicher auch nicht. Dennoch scheint mir diese „Politics of eternity“ schon griffig, wenn ich mir die ganzen Vergangenheitserhöher so anschaue. Nur deren Motivation - Freiheit von Rechenschaft für eigene Bereicherung und Misswirtschaft - habe ich noch nie so schlüssig gelesen.

Ich habe schon mehrere, auch ältere Bücher von Snyder gelesen, seine Ausblicke erstrecken sich meist auf maximal fünf Jshre, wenn überhaupt. Daher ist der von dir eingebrachte Technik-Existenzialismus hier eher kein Thema.

Da ist - wenn wir schon bei Buchtips sind - „Homo Deus“ von Harari eher ideengebend/ gruselnd ...
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schokoschendrezki
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Europa2050 hat geschrieben:(29 May 2018, 16:10)
Ja, natürlich, er bespricht ja auch sein Buch. Ich dachte aber, dass das hier eher angenommen wird als ein aktuell noch ausschließliches englisch verfügbares Buch. Ich hab zuerst die Vorstellung geyoutubed und mir dann das Buch gekauft und gelesen.
Ich hab' auch dieses Buch nicht gelesen sondern (eher zufällig) zwei Rezensionen dazu ...

Auf jeden Fall: Der Traum von einem Ende der Geschichte durch gesetzmäßige Verbreitung und Durchsetzung von Demokratie, Liberalismus und Marktwirtschaft ist - wie auch schon im Eingangsbeitrag des Threads festgestellt - ausgeträumt. Es war nicht mehr als ein kurzer historischer Augenblick der Illusion nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftssystems.

Ich lese noch einmal den zweiten Beitrag:
Tom Bombadil hat geschrieben:(15 Apr 2018, 12:11)
Entweder wird man in den westlichen Demokratien wieder härter und ist bereit, sich und seine Kultur zu verteidigen oder man wird untergehen.
Eine solche Aussage ist im Grunde genommen so ziemlich das, was Snyder mit "politics of eternity" meint. Der reflexartige Blick auf die Vergangenheit. "Westliche Demokratie" nicht als etwas zu Machendes und zu Lebendes sondern als "Kultur", statisch, als Gegebenheit und Eingeprägtheit, als zu verteidigender Bestand.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 May 2018, 09:18)

Ich hab' auch dieses Buch nicht gelesen sondern (eher zufällig) zwei Rezensionen dazu ...

Auf jeden Fall: Der Traum von einem Ende der Geschichte durch gesetzmäßige Verbreitung und Durchsetzung von Demokratie, Liberalismus und Marktwirtschaft ist - wie auch schon im Eingangsbeitrag des Threads festgestellt - ausgeträumt. Es war nicht mehr als ein kurzer historischer Augenblick der Illusion nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftssystems.

Ich lese noch einmal den zweiten Beitrag:


Eine solche Aussage ist im Grunde genommen so ziemlich das, was Snyder mit "politics of eternity" meint. Der reflexartige Blick auf die Vergangenheit. "Westliche Demokratie" nicht als etwas zu Machendes und zu Lebendes sondern als "Kultur", statisch, als Gegebenheit und Eingeprägtheit, als zu verteidigender Bestand.

Ich nenne solche Einstellungen einfach nur Rückwärts gewandt.
Gerade wenn sie dann noch mit Wortfetzen wie Verteidigen, oder auch Feind lokalisieren ect.pp. garniert sind, wie hier im thread geschehen.
Dieses rückwärtige Denken wird uns keinen Meter weiter bringen, die Menschheit zu einer Gemeinschaft zu machen, die gemeinsam Probleme lösen kann. Aber irgendwann muss man damit mal anfangen, sonst bleibt die Menschheit weiter gefangen in dieser Endlosschleife aus Gewalt, Hass, Misstrauen und Missgunst.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Adam Smith »

relativ hat geschrieben:(30 May 2018, 09:44)

Ich nenne solche Einstellungen einfach nur Rückwärts gewandt.
Gerade wenn sie dann noch mit Wortfetzen wie Verteidigen, oder auch Feind lokalisieren ect.pp. garniert sind, wie hier im thread geschehen.
Dieses rückwärtige Denken wird uns keinen Meter weiter bringen, die Menschheit zu einer Gemeinschaft zu machen, die gemeinsam Probleme lösen kann. Aber irgendwann muss man damit mal anfangen, sonst bleibt die Menschheit weiter gefangen in dieser Endlosschleife aus Gewalt, Hass, Misstrauen und Missgunst.
Und was soll jetzt in Bezug auf Russland konkret passieren?
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

Adam Smith hat geschrieben:(30 May 2018, 09:49)

Und was soll jetzt in Bezug auf Russland konkret passieren?
Bei diesem Prozess geht es z.B. nicht darum jeden Rückschlag als Ausstiegsformel und /oder Steigerung des Nationalismus zu missbrauchen.
Man muss diesen Weg stoisch weiter gehen und immer wieder den Dialog suchen, um Wege zu finden wie man wieder auf den richtigen Pfad kommt.
Steinmeier hat es ha richtig beschrieben., Wieder mehr miteinander, statt übereinander zu reden.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

relativ hat geschrieben:(30 May 2018, 09:44)

Ich nenne solche Einstellungen einfach nur Rückwärts gewandt.
Gerade wenn sie dann noch mit Wortfetzen wie Verteidigen, oder auch Feind lokalisieren ect.pp. garniert sind, wie hier im thread geschehen.
Dieses rückwärtige Denken wird uns keinen Meter weiter bringen, die Menschheit zu einer Gemeinschaft zu machen, die gemeinsam Probleme lösen kann. Aber irgendwann muss man damit mal anfangen, sonst bleibt die Menschheit weiter gefangen in dieser Endlosschleife aus Gewalt, Hass, Misstrauen und Missgunst.
... "die" Menschheit ist ein rein philosophischer, idealisierender Terminus und hatte für den überwältigend grössten Teil aller jemals existierenden Menschen keinerlei Bedeutung. Es fehlt die Möglichkeit, im "täglichen Leben", im trivialen Überlebenskampf eine emotionale Ebene für diesen Gedanken zu generieren.
Das Problem war/ist/wird sein, dass sich die "unbewaffneten" Idealisten bewaffneten Pragmatikern gegenüber sehen.
Also müssen sich die Idealisten ebenfalls bewaffnen oder sterben ...
Wenn sie aber bewaffnet sind, separieren sie ebenfalls "die" Menschheit, indem sie Feinde der Menschheit definieren.... usw.....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 10:31)

... "die" Menschheit ist ein rein philosophischer, idealisierender Terminus und hatte für den überwältigend grössten Teil aller jemals existierenden Menschen keinerlei Bedeutung. Es fehlt die Möglichkeit, im "täglichen Leben", im trivialen Überlebenskampf eine emotionale Ebene für diesen Gedanken zu generieren.
Es fehlt bei dem ein oder anderen noch der impuls, aber est ist nicht unmöglich. Diese Utopie ist für mich keine, denn der Mensch kann dies umsetzen, wenn er denn will.
Das Problem war/ist/wird sein, dass sich die "unbewaffneten" Idealisten bewaffneten Pragmatikern gegenüber sehen.
Weil der Mensch zwar durch Digitalisierung und Co. auf seinen kleinen Globus naäher zusammenwächst, aber immer noch viel zu viele unterschiedliche Ziele verfolgt.
Also müssen sich die Idealisten ebenfalls bewaffnen oder sterben ...
meine Hoffung ist es diesen Prozess ohne gewalt einzuläuten, Gewalt ist immer die schlechteste aller Überzeugungsargumente.
Wenn sie aber bewaffnet sind, separieren sie ebenfalls "die" Menschheit, indem sie Feinde der Menschheit definieren.... usw.....
Wie ich schon sagte der Prozess darf/sollte m.M. nicht mit Gewalt anfangen bzw. erzwungen werden.
Der Impuls muss der der Überzeugung sein. Dafür braucht es vermutlich/befürchte ich ein aussergewöhnliches Zeichen für die Menschheit. Die Endeckung fremden int. Lebens in unser Galaxie wäre z.B. evtl. so eins, oder eine globale Sicherheitskrise im Zuge unseren handelns.
Das Banale braucht man nicht zu schälen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

relativ hat geschrieben:(30 May 2018, 10:50)

Es fehlt bei dem ein oder anderen noch der impuls, aber est ist nicht unmöglich. Diese Utopie ist für mich keine, denn der Mensch kann dies umsetzen, wenn er denn will.
Das bezweifle ich grundsätzlich. Ich meine, es geht hier um emotionale SELBST-Erfahrung. Ansonsten bleibt es eine oberflächliche, durch Lehren oder ideologische Indoktrination implantierte "Information".
Ich hatte es an anderer Stelle schon mal angeführt:
Wenn ich viele Monate oder sogar Jahre im aussereuropäischen Ausland bin und dort irgendeinen Europäer treffe, erfahre ich ab diesem Zeitpunkt emotional, was der Gedanke "Europa" überhaupt bedeutet, was mich mit diesem Europäer verbindet.
Das kann man mir tausend mal vorher vorbeten und ich bin auch gewillt, das zu glauben. Aber verinnerlicht und zu Wissen wird es erst durch emotionales Begreifen.
Und das ist bei "die Menschheit" praktisch nur dann möglich, wenn es eine übergeordnete Bedrohung gibt.
Weil der Mensch zwar durch Digitalisierung und Co. auf seinen kleinen Globus naäher zusammenwächst, aber immer noch viel zu viele unterschiedliche Ziele verfolgt.
meine Hoffung ist es diesen Prozess ohne gewalt einzuläuten, Gewalt ist immer die schlechteste aller Überzeugungsargumente.
Es geht ja nicht um Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Meinung, sondern es geht um Gewalt zur Verteidigung der eigenen Meinung gegen Gewalt zum Zweck der Vernichtung der eigenen Meinung.

Der Impuls muss der der Überzeugung sein. Dafür braucht es vermutlich/befürchte ich ein aussergewöhnliches Zeichen für die Menschheit. Die Endeckung fremden int. Lebens in unser Galaxie wäre z.B. evtl. so eins, oder eine globale Sicherheitskrise im Zuge unseren handelns.
Ja, eben. Und selbst da werden sich nicht alle Menschen beteiligen ....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 10:31)

... "die" Menschheit ist ein rein philosophischer, idealisierender Terminus und hatte für den überwältigend grössten Teil aller jemals existierenden Menschen keinerlei Bedeutung. Es fehlt die Möglichkeit, im "täglichen Leben", im trivialen Überlebenskampf eine emotionale Ebene für diesen Gedanken zu generieren.
Die Ebene "Menschheit" ist vielleicht wirklich eine Stufe zu abstrakt. Fakt ist aber, dass Phänomene wie Terrorismus, Nationalismus, religiöser Fanatismus immer erst dann auftreten können, wenn die Menschen eben gerade nicht mit existenziellen Lebensfragen befasst sind. Jemand, der nicht weiß, was er am nächsten Tag essen soll, wird eine Antwort darauf sicher nicht in der Bibel oder im Koran suchen.

Fakt ist auch, dass der Anteil der Menschen in der Welt, die mit existenziellen Problemen zu kämpfen hat, in den letzten Dekaden gesunken ist.

Und dann hat sich der Zugang zu digitalen Vernetzungen, Medien usw. erst in allerjüngster Zeit weltweit und auch in weniger entwickelten Regionen durchgesetzt.

Das heißt: Was schon immer so war, muss noch lange nicht so bleiben. Die Bewusstwerdung irgendeiner gemeinsamen Menschheitlichkeit als Massenphänomen setzt gerade erst ein.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 May 2018, 11:54)

Die Ebene "Menschheit" ist vielleicht wirklich eine Stufe zu abstrakt.
:cool: mein Reden ...
Fakt ist aber, dass Phänomene wie Terrorismus, Nationalismus, religiöser Fanatismus immer erst dann auftreten können, wenn die Menschen eben gerade nicht mit existenziellen Lebensfragen befasst sind. Jemand, der nicht weiß, was er am nächsten Tag essen soll, wird eine Antwort darauf sicher nicht in der Bibel oder im Koran suchen.
Doch, gerade dann tut er das, als Trost und Hoffnung auf bessere Zeiten und erfährt in diesen Büchern, dass es keine Menschheit gibt, sondern eine geführte Glaubensgemeinschaft und die Ungläubigen, die auf die eine oder andere Art und Weise vernichtet werden.
Fakt ist auch, dass der Anteil der Menschen in der Welt, die mit existenziellen Problemen zu kämpfen hat, in den letzten Dekaden gesunken ist.
Das widerspricht der sog. Fluchtbewegung ...
Und dann hat sich der Zugang zu digitalen Vernetzungen, Medien usw. erst in allerjüngster Zeit weltweit und auch in weniger entwickelten Regionen durchgesetzt.
Das heißt: Was schon immer so war, muss noch lange nicht so bleiben. Die Bewusstwerdung irgendeiner gemeinsamen Menschheitlichkeit als Massenphänomen setzt gerade erst ein.
Auf der Erde gibt es momentan Menschen, die in der Vorsteinzeit leben, im Mittelalter und in der Moderne.
Der Bewusstseins-Ausgleich dieser Jahrhunderte und Jahrtausende Unterschied kann nur unter einer Art Führung der Moderne passieren.
Und das bedeutet, angesichts der Unterschiede im Bewusstsein, Positionierung, Opposition, Konfrontation, Krieg ...
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Europa2050 »

Adam Smith hat geschrieben:(30 May 2018, 09:49)

Und was soll jetzt in Bezug auf Russland konkret passieren?
Gar nichts.

Wenn ein Großteil der Bevölkerung dort sich von seinem faschistischen Führungspersonal einreden lässt, dass das heilige Vaterland von homosexuellen, Liberalen und unchristlichen Westlern unterwandert werden soll und zur Verteidigung so Dinge wie „Rechtsstaat“ unwichtig sind, dann ist das halt so. Den Oligarchen taugts, so hinterfragt schon keiner ihre Legitimität, und wenn, ist er vom schwulen, dekadenten (gelegentlich auch jüdischen) Westen verseucht. Und der Erlöser - Vladimir - steht eh über allem. Da ist Hopfen und Malz verloren, wie der Bayer sagen würde.

Wir sollten unseren Weg der Rechtsstaatlichkeit weiter gehen. Und trotz Rückschlägen (Trump, das A...) aber auch die schleichende Errodierung des Rechtsstaates im Internet oder die Probagierte Abschaffung von Menschenrechten in Zusammenhang mit Flüchtlingen aus Angst vor Verlust unserer christlichen Werte.
Und unserer EU, dem zur Zeit weltweit größten auf rechtsstaatlichen Prinzipien gegründeten Gebilde mehr vertrauen, als irgendwelchen Übervolkungsphantasien und *.first Parolen nachzurennen.

Faschistisches Gedankengut, 1945 eigentlich von der Menschheit getilgt (mit ein paar minimalen Ausnahmen) ist wieder salonfähig geworden. Da hilft nicht, mit gleicher Münze zurück zahlen zu wollen, da hilft ein deutliches Bekenntnis zum Rechtsstaat, auch wenn‘s im Einzelfall abstrengend ist.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Adam Smith »

Christliche Werte sind eh unsinnig. Auch ohne Flüchtlinge weiss die Mehrheit der Bevölkerung nicht was an Pfingsten oder Fronleichnam gefeiert wird. Und das ist auch gut so.
Das ist Kapitalismus:

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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von relativ »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 11:53)

Das bezweifle ich grundsätzlich. Ich meine, es geht hier um emotionale SELBST-Erfahrung. Ansonsten bleibt es eine oberflächliche, durch Lehren oder ideologische Indoktrination implantierte "Information".
Ich hatte es an anderer Stelle schon mal angeführt:
Wenn ich viele Monate oder sogar Jahre im aussereuropäischen Ausland bin und dort irgendeinen Europäer treffe, erfahre ich ab diesem Zeitpunkt emotional, was der Gedanke "Europa" überhaupt bedeutet, was mich mit diesem Europäer verbindet.
Das kann man mir tausend mal vorher vorbeten und ich bin auch gewillt, das zu glauben. Aber verinnerlicht und zu Wissen wird es erst durch emotionales Begreifen.
Und das ist bei "die Menschheit" praktisch nur dann möglich, wenn es eine übergeordnete Bedrohung gibt.
Das bestreite ich ja gar nicht, nur ich bin der Meinung, der Mensch könnte es schaffen, daß er sich überall so zu Hause fühlt, daß er nicht völlig Fremd ist. Dazu Bedarf es aber mehrerer Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Kulturen und Völkern. Emotional bleibt der Mensch ja sowieso unterschiedlich.

Es geht ja nicht um Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Meinung, sondern es geht um Gewalt zur Verteidigung der eigenen Meinung gegen Gewalt zum Zweck der Vernichtung der eigenen Meinung.
Nunja in meiner Vorstellung ist dies eben nicht mehr notwendig unabhängig davon, daß Menschen sich noch Gewalt antun werden.



Ja, eben. Und selbst da werden sich nicht alle Menschen beteiligen ....
Ne satte Mehrheit wurde ja schon eine gute Basis sein. So wie wir in unseren Demokratien ja auch Nicht Demokraten leben
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 12:05)
Das widerspricht der sog. Fluchtbewegung ...
Nee. Tuts nicht. Unlängst erschien mit "La ruée vers l’Europe" ("Ansturm auf Europa") ein Buch des Journalisten und Afrikanisten Stephen Smith. Das für einiges Aufsehen gesorgt hat. Erstmal natürlich, weil es schon vom Titel her geradezu einlädt zur politischen Instrumentalisierung von Rechts. Und dann aber, weil es kein geringerer als der liberale Neuaufsteiger Macron gelobt und weiterempfohlen hat. Ein hartes Buch. Eigentlicher Kern ist, die Masseneinwanderung nach Europa (insbesondere aus Afrika) weder als Gottesstrafe noch als Erlösung sondern erstmal als eigentlich unvermeidlich und faktisch zu begreifen. Und sie damit überhaupt erst mal politisch gestaltbar zu machen. Und ein wichtiger Punkt dabei ist: Die sogenannte "Entwicklungshilfe" verhindert diesen Massenexodus nicht sondern heizt ihn noch an. Der Job in einem Entwicklungshilfeprojekt ist für einen jungen Afrikaner sehr häufig lediglich die Gelegenheit, sich das Anfangskapital für eine Überfahrt zusammenzuverdienen. Die meisten Menschen in Jemen sind so arm, dass für sie - trotz Bürgerkrieg - eine Flucht gar nicht in Frage kommt.

Will sagen: Das, womit wir hier in Europa direkt in Berührung kommen, rührt nicht aus sozialen Verhältnissen her, die von Existenzkampf geprägt sind sondern eher von der sich - aus welchen Gründen auch immer - ergebenden Chance, diesem entkommen zu sein. Wir sehen die berühmte Spitze des Eisbergs.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 May 2018, 13:24)

Nee. Tuts nicht. Unlängst erschien mit "La ruée vers l’Europe" ("Ansturm auf Europa") ein Buch des Journalisten und Afrikanisten Stephen Smith. Das für einiges Aufsehen gesorgt hat. Erstmal natürlich, weil es schon vom Titel her geradezu einlädt zur politischen Instrumentalisierung von Rechts. Und dann aber, weil es kein geringerer als der liberale Neuaufsteiger Macron gelobt und weiterempfohlen hat. Ein hartes Buch. Eigentlicher Kern ist, die Masseneinwanderung nach Europa (insbesondere aus Afrika) weder als Gottesstrafe noch als Erlösung sondern erstmal als eigentlich unvermeidlich und faktisch zu begreifen. Und sie damit überhaupt erst mal politisch gestaltbar zu machen. Und ein wichtiger Punkt dabei ist: Die sogenannte "Entwicklungshilfe" verhindert diesen Massenexodus nicht sondern heizt ihn noch an. Der Job in einem Entwicklungshilfeprojekt ist für einen jungen Afrikaner sehr häufig lediglich die Gelegenheit, sich das Anfangskapital für eine Überfahrt zusammenzuverdienen. Die meisten Menschen in Jemen sind so arm, dass für sie - trotz Bürgerkrieg - eine Flucht gar nicht in Frage kommt.

Will sagen: Das, womit wir hier in Europa direkt in Berührung kommen, rührt nicht aus sozialen Verhältnissen her, die von Existenzkampf geprägt sind sondern eher von der sich - aus welchen Gründen auch immer - ergebenden Chance, diesem entkommen zu sein. Wir sehen die berühmte Spitze des Eisbergs.
Das sage ich seit Jahren! Ich habe dort schliesslich gearbeitet ....
Trotzdem habe ich auf Dein "Fakt ist auch, dass der Anteil der Menschen in der Welt, die mit existenziellen Problemen zu kämpfen hat, in den letzten Dekaden gesunken ist." geantwortet.
Und die Bewertung der eigenen Existenz ist eine individuelle Angelegenheit.
Der "Sturm auf Europa" wird nicht von uns verhindert, in dem wir sagen: "Euch geht's doch in den letzten Dekaden gut oder besser .... "
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

relativ hat geschrieben:(30 May 2018, 13:12)

Das bestreite ich ja gar nicht, nur ich bin der Meinung, der Mensch könnte es schaffen, daß er sich überall so zu Hause fühlt, daß er nicht völlig Fremd ist. Dazu Bedarf es aber mehrerer Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Kulturen und Völkern. Emotional bleibt der Mensch ja sowieso unterschiedlich.
Sich zu Hause zu fühlen ist, wie der Name schon sagt, ein Gefühl, also eine emotionale Erfahrung. Die kann man nicht einfach theoretisieren ...
Ich kann Dich nicht darin unterrichten, Heidi Klum zu lieben ...
Nunja in meiner Vorstellung ist dies eben nicht mehr notwendig unabhängig davon, daß Menschen sich noch Gewalt antun werden.
Du kannst als intellektueller Pazifist gerne Twin Towers bauen. Ein Feind vernichtet die ganz einfach und unkonventionell, ja, richtig unfair, indem er keinen Krieg anfängt, sondern durch die Benutzung Deines Know How's ...
Ne satte Mehrheit wurde ja schon eine gute Basis sein. So wie wir in unseren Demokratien ja auch Nicht Demokraten leben
Es gibt keine satte Mehrheit, nicht mal angesichts der Gefahren, die es ja schon tatsächlich für die Menschheit gibt.
Und ich rede da nicht von mehr Ficken mit Kondom. Ich meine z.B. Supervulkane und Weltklimaveränderung und dessen Auswirkungen auf viele Wohngebiete ....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 13:32)
Und die Bewertung der eigenen Existenz ist eine individuelle Angelegenheit.
Das ist eine eher philosophische Frage, die doch ein wenig vom Thema wegführt ...

Und damit nochmal zurück zum Ausgangspunkt. Fukuyama. Ende der Geschichte. Nix Kommunismus. Anfang der Neunziger. Alles läuft nach Gottes Plan.

Was begann eigentlich in den Neunzigern. Wichtige Frage. Zum einen begannen sich radikalislamische Bewegungen zu organisieren. Die es natürlich auch schon vorher gab. Aber nicht so straff und ausgerichtet wie etwa die Taliban.

Zum anderen begann in der westlichen Welt die Banken-, Finanz- und Immobilienaufblaserei. Was immer da auch im Hintergrund strukturell lief: Die T-Aktie wurde zwischen Shampoo- und Auto-reklame beworben und das Wetten und Anlegen wurde Volkssport. Geschichte ist ja beendet. Kann ja nix passieren.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(30 May 2018, 14:26)

Das ist eine eher philosophische Frage, die doch ein wenig vom Thema wegführt ...
Ja, uns, aber nicht die Betroffenen ....
Und damit nochmal zurück zum Ausgangspunkt. Fukuyama. Ende der Geschichte. Nix Kommunismus. Anfang der Neunziger. Alles läuft nach Gottes Plan.

Was begann eigentlich in den Neunzigern. Wichtige Frage. Zum einen begannen sich radikalislamische Bewegungen zu organisieren. Die es natürlich auch schon vorher gab. Aber nicht so straff und ausgerichtet wie etwa die Taliban.

Zum anderen begann in der westlichen Welt die Banken-, Finanz- und Immobilienaufblaserei. Was immer da auch im Hintergrund strukturell lief: Die T-Aktie wurde zwischen Shampoo- und Auto-reklame beworben und das Wetten und Anlegen wurde Volkssport. Geschichte ist ja beendet. Kann ja nix passieren.
Ja, und?
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

ThorsHamar hat geschrieben:(30 May 2018, 15:52)
Ja, und?
Senexx hat geschrieben: Nun haben wir an allen Ecken und Kanten heftige Krisen. Die Frage ist nun, welche Schlussfolgerungen man nun daraus zieht?
Die wichtigste Schlussfolgerung aus meiner Sicht ist die, dass es stets Handlungsoptionen gibt. In zig Kommentaren wurde vor allem die Politik Merkels als "administrativer Nachvollzug ewig unentwirrbarer Geschichtszwänge" (cicero) kritisiert.

Der Titel des Threads ist so formuliert, dass der Threadersteller (vermutlich!) Antworten in Richtung auf "Wann endlich verteidigt der (sog.) Westen entschlossen seine Werte" erwartet. Ich erlaube mir dennoch, auch in andere Richtungen zu denken.

Ist die Tatsache, dass Lebensmittel unter allen Umständen so billig sein müssen, wie sie es hier sind, tatsächlich unausweichlich und alternativlos? Oder ist vielleicht auch eine völlig andere Agrarpolitik möglich?

Ist die automobilorientierte Verkehrs- und WIrtschaftspolitik tatsächlich unausweichlich und zwangsläufig? Oder hat man nicht vielleicht auch einfach andere optionen?
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2018, 09:07)

Die wichtigste Schlussfolgerung aus meiner Sicht ist die, dass es stets Handlungsoptionen gibt. In zig Kommentaren wurde vor allem die Politik Merkels als "administrativer Nachvollzug ewig unentwirrbarer Geschichtszwänge" (cicero) kritisiert.

Der Titel des Threads ist so formuliert, dass der Threadersteller (vermutlich!) Antworten in Richtung auf "Wann endlich verteidigt der (sog.) Westen entschlossen seine Werte" erwartet. Ich erlaube mir dennoch, auch in andere Richtungen zu denken.

Ist die Tatsache, dass Lebensmittel unter allen Umständen so billig sein müssen, wie sie es hier sind, tatsächlich unausweichlich und alternativlos? Oder ist vielleicht auch eine völlig andere Agrarpolitik möglich?

Ist die automobilorientierte Verkehrs- und WIrtschaftspolitik tatsächlich unausweichlich und zwangsläufig? Oder hat man nicht vielleicht auch einfach andere optionen?
Verstehe ...
Mein Ansatz ist eigentlich ganz ähnlich : Traut sich jemand, wieder zur (sozialen) Marktwirtschaft zurückzukehren ? Die von Dir angesprochenen Probleme sind dort nämlich beinhaltet ....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von BingoBurner »

Senexx hat geschrieben:(15 Apr 2018, 11:20)

Wir erleben derzeit eine Reihe von Krisen: Trump und die Frage des Protektionismus, Euro-Krise und EU-Krise, die neue Aggressivität von Putin-Russland, die Expansion Chinas mit seinem Aufkaufen der Welt und Aufbau globaler Militärmacht, das Wiedererwachen des Islams, den extremen Migrationsdruck.

Krisen sind nicht nur schlecht, sie haben auch eine positive Seite, denn sie zwingen zur Besinnung und können das Freimachen der Hirne von Flausen befördern.

Die westlichen Hirne sind voller Flausen.

Eine davon hat Francis Fukuyama befördert: Mit seiner naiven Vorstellung vom "Ende der Geschichte", der kindischen Vorstellung vom Siegeszug der liberalen westlichen Gesellschaft und der Freiheit. Dabei hat er nur aufgenommen, was man in vom Nachkriegssiegeszug der westlichen Gesellschaften verwirrten Gesellschaften so gedacht hat. Die postmodernistischen Strömungen wie die Grünen sind ein Ausfluss dieser Hybris. Antimodernismus kann nur gedeihen in saturierten sozialen Strata. Das dämliche Geschwätz von der "Friedensdividende" ist so eine Denkfigur, die zu falschen Entscheidungen geführt hat.

Nun haben wir an allen Ecken und Kanten heftige Krisen. Die Frage ist nun, welche Schlussfolgerungen man nun daraus zieht?
Ich denke, die Fragestellung ist schon obselt.

Den Westen" gibt es so nicht mehr........Ende......Aus und Vorbei

Trump hat alles eingerissen..........
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Senexx »

Schwachsinn.

Die Gesellschaften sind noch da.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

"Kommt der Westen zur Vernunft?"

Es sieht nicht danach aus.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

ThorsHamar hat geschrieben:(31 May 2018, 10:17)

Verstehe ...
Mein Ansatz ist eigentlich ganz ähnlich : Traut sich jemand, wieder zur (sozialen) Marktwirtschaft zurückzukehren ? Die von Dir angesprochenen Probleme sind dort nämlich beinhaltet ....
Traut sich jemand, die faktisch völlig sinnlose Finanz-Parallelwelt grundsätzlich zu entmachten?
Der Geist der Thatcher/Reagan-Ära ist tief in die westlichen Gesellschaften eingedrungen. Und einer der Prinzipien dieses Geists lautet: TINA. There Is No Alternative. Personifiziert in Kanzlerin Merkel. Snyder nennts halt "politics of inevitability" und siehts sicher in einem größeren, übergreifenden historischen Kontext. Man muss nur beachten, dass das (scheinbare) Gegenstück dazu, der Marxismus, es auch nicht anders sieht. Auch da ist/war ständig vom "gesetzmäßigen Übergang vom ... bla bla" die Rede. Voraussetzung dafür, dass Politik als eine bewusste bzw. demokratisch herbeigeführte Optionsauswahl und nicht ein möglichst reibungsfreier Nachvollzug scheinbarer Unvermeidlichkeiten betrieben werden kann, ist die Akzeptanz von rationalen Kosten/Nutzen-Betrachtungen. Soziale Marktwirtschaft, nachhaltige Landwirtschaft, lebenswerte Städte ohne Autowahnsinn usw. usf. ist als Option wählbar. Klar. Aber irgendwo an anderer Stelle ist ein entsprechender Preis zu bezahlen. Ich fühle mich häufig völlig für dumm verkauft, wenn angenommen wird, dass man mir die entsprechenden Preise unter keinen Umständen sagen dürfe, wenn man nochmal gewählt werden will.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von BingoBurner »

Senexx hat geschrieben:(31 May 2018, 10:38)

Schwachsinn.

Die Gesellschaften sind noch da.
Was ist daran Schwachsinn ? Mal die Überschriften der Tageszeitungen gelesen ?
Natürlich sind die Gesellschaften noch da.........nur die sind alle alt. Also im Sinne von alt.
Und was soll die EU den machen ?

Hoffen darauf das Trump nur zwei Amtszeiten hat ? Vergiss es.
Hoffen das die EU im momentanen Zustand mal eben seine Länder vereinigt, mit einer Stimme spricht.....
Ich weiß nicht.......ich stelle mir das gerade vor.

Trump sitzt auf seinen Stuhl......dann kommt Merkel.......dann Macron.........dann May. Der fragt sich auch.......Wat ? Dat soll die EU sein ?
Die Schlagzeilen sollten lauten :

Donald Trump reist nach Straßburg um Federica Mogherini zu treffen........
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Senexx »

Der Westen ist noch da. Die Frage war, ob er zur Vernunft kommt.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Senexx hat geschrieben:(31 May 2018, 14:08)

Der Westen ist noch da. Die Frage war, ob er zur Vernunft kommt.
Und es gab im Eingangsthread einen expliziten Verweis auf Fukuyama und das "Ende der Geschichte" (nach dem Zusammenbruch der SU). Vollzieht sich der Sieg von Liberalismus und Demokratie einfach nach einem quasimarktwirtischaftlichen System notwendig und "wie von selbst", wie von einer unsichtbaren Hand geleitet?

Dazu Fukuyama 2008
Democracy's only real competitor in the realm of ideas today is radical Islamism. Indeed, one of the world's most dangerous nation-states today is Iran, run by extremist Shiite mullahs.
Das ist zwar auch schon zehn Jahre her. Aber auch 2008 war es in der Welt überdeutlich sichtbar, dass der Islamismus nur die eine, vielleicht radikalste Form einer gliobal um sich greifenden Entdemokratisierung war und ist. Es ist in keinster Weise absehbar, dass der ökonomische und technologische Aufstieg Chinas ein vorläufiges Ende findet und ebensowenig, dass sich die Menschenrechtslage dort im selben Maße verbessert (oder auch nur nicht weiter verschlechtert). Da gibt es offenbar weder eine Kausalität noch eine Korrelation.

Es ist sicher kein Zufall, dass man im Zusammanhang mit Fukuyama immer wieder von dem Paradoxon liest, dass er mit marxistischen Methoden das Ende autoritärer Systeme voraussagen wolle. Indem er Gesetzmäßigkeiten sehe, die es - so einfach jedenfalls - nicht gibt.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Und gerad' in diesem Thread ist mir wieder mal so richtig klar geworden, wie unglaublich wichtig und entscheidend ein politischer Paradigmenwechsel wäre der Art "Weg von einem Nachvollzug scheinbarer Notwendigkeiten" und hin zu einer Politik der bewussten Optionswahl mit offenen Karten und unter schonungsloser und offener Nennung der Preise. Wollen wir dieses? Dann haben wir dies zu akzeptieren. Wollen wir jenes? Dann haben wir jenes in Kauf zu nehmen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2018, 13:36)

Der Geist der Thatcher/Reagan-Ära ist tief in die westlichen Gesellschaften eingedrungen. Und einer der Prinzipien dieses Geists lautet: TINA. There Is No Alternative. Personifiziert in Kanzlerin Merkel. Snyder nennts halt "politics of inevitability" und siehts sicher in einem größeren, übergreifenden historischen Kontext. Man muss nur beachten, dass das (scheinbare) Gegenstück dazu, der Marxismus, es auch nicht anders sieht. Auch da ist/war ständig vom "gesetzmäßigen Übergang vom ... bla bla" die Rede. Voraussetzung dafür, dass Politik als eine bewusste bzw. demokratisch herbeigeführte Optionsauswahl und nicht ein möglichst reibungsfreier Nachvollzug scheinbarer Unvermeidlichkeiten betrieben werden kann, ist die Akzeptanz von rationalen Kosten/Nutzen-Betrachtungen. Soziale Marktwirtschaft, nachhaltige Landwirtschaft, lebenswerte Städte ohne Autowahnsinn usw. usf. ist als Option wählbar. Klar. Aber irgendwo an anderer Stelle ist ein entsprechender Preis zu bezahlen. Ich fühle mich häufig völlig für dumm verkauft, wenn angenommen wird, dass man mir die entsprechenden Preise unter keinen Umständen sagen dürfe, wenn man nochmal gewählt werden will.
Das kann ich so unterschreiben ....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2018, 14:36)

Und gerad' in diesem Thread ist mir wieder mal so richtig klar geworden, wie unglaublich wichtig und entscheidend ein politischer Paradigmenwechsel wäre der Art "Weg von einem Nachvollzug scheinbarer Notwendigkeiten" und hin zu einer Politik der bewussten Optionswahl mit offenen Karten und unter schonungsloser und offener Nennung der Preise. Wollen wir dieses? Dann haben wir dies zu akzeptieren. Wollen wir jenes? Dann haben wir jenes in Kauf zu nehmen.
So ist es. Optionswahl wird aber eben durch ideologische Dogmen unmöglich gemacht ....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2018, 13:36)

Ich fühle mich häufig völlig für dumm verkauft, wenn angenommen wird, dass man mir die entsprechenden Preise unter keinen Umständen sagen dürfe, wenn man nochmal gewählt werden will.
So ist es nunmal, das Stimmvieh muss blöd gehalten werden, damit die Wiederwahl nicht gefährdet ist.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von BingoBurner »

Senexx hat geschrieben:(31 May 2018, 14:08)

Der Westen ist noch da. Die Frage war, ob er zur Vernunft kommt.
Nein,.......so leid mir das tut. Nee..........die Ordnung nach dem zweiten Weltkrieg löst sich gerade in Luft auf.........
Du glaubst doch nicht ernsthaft, das nach Trump........Putin und Erdogan und Co.........sich Aufgrund missbrauchten Vertrauens Vorteils gegenüber der EU, sich dieses das nicht zu Nutze machen werden ?

Ich meine, es gibt Leute dies ernsthaft der Meinung sind..........Deutschland z.b. wäre keine Demokratie.....
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

ThorsHamar hat geschrieben:(31 May 2018, 15:41)

So ist es. Optionswahl wird aber eben durch ideologische Dogmen unmöglich gemacht ....
Was wären solche "ideologischen Dogmen"?

Speziell in Deutschland rührt dieses Gefühl, dass demokratische Mitbestimmung nicht mehr "Optionswahl" bedeutet, sicher zu einem guten Teil von diesen häufigen und langen GroKo-Phasen her. Denn normalerweise sollten Parteien mit klar erkennbaren und vor allem auch unterscheidbaren programmatischen Profilen antreten und der Wähler durch seine Wahl eine Option wählen können.

Natürlich: Vor allem derzeitige Oppositionsparteien wie Grüne, Linke oder FDP pochen darauf, dass das "Gerede von der Ununterscheidbarkeit" Quatsch ist. (Grünen-Geschäftsführer Kellner). Klimaschutz, sozialer Ausgleich, humane Flüchtlingspolitik - dafür stünden die Grünen. Schaut man jedoch in ihr Parteiprogramm, sieht man nur und ausschließlich Versprechungen auf eine frohe Zukunft. "Zukunft wird aus Mut gemacht" heißt es da. Ich bin genau dafür: Klimaschutz, sozialer Ausgleich, humane Flüchtlingspolitik. Aber ich doch nicht dumm! Ich weiß doch ganz genau, dass für jedes dieser Ziele ein Preis zu zahlen ist. Nichts davon steht im Wahlprogramm. Was ich erwarte, ist eine Art von Risiko-Bewertungsanalyse. Das Verdienst der Grünen besteht vor allem darin, dass es überall blaue Tonnen gibt, in die man diese "Parteiprogramm" genannten Werbebroschüren entsorgen kann.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von ThorsHamar »

schokoschendrezki hat geschrieben:(01 Jun 2018, 08:14)

Was wären solche "ideologischen Dogmen"?
...z.B. egozentrische Definitionen von "links" und "rechts" und somit praktisch unüberwindliche Tabus ...
Die Erklärung dafür hast Du imho bestens vorgetragen
Speziell in Deutschland rührt dieses Gefühl, dass demokratische Mitbestimmung nicht mehr "Optionswahl" bedeutet, sicher zu einem guten Teil von diesen häufigen und langen GroKo-Phasen her. Denn normalerweise sollten Parteien mit klar erkennbaren und vor allem auch unterscheidbaren programmatischen Profilen antreten und der Wähler durch seine Wahl eine Option wählen können.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von zollagent »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2018, 13:36)

Der Geist der Thatcher/Reagan-Ära ist tief in die westlichen Gesellschaften eingedrungen. Und einer der Prinzipien dieses Geists lautet: TINA. There Is No Alternative. Personifiziert in Kanzlerin Merkel. Snyder nennts halt "politics of inevitability" und siehts sicher in einem größeren, übergreifenden historischen Kontext. Man muss nur beachten, dass das (scheinbare) Gegenstück dazu, der Marxismus, es auch nicht anders sieht. Auch da ist/war ständig vom "gesetzmäßigen Übergang vom ... bla bla" die Rede. Voraussetzung dafür, dass Politik als eine bewusste bzw. demokratisch herbeigeführte Optionsauswahl und nicht ein möglichst reibungsfreier Nachvollzug scheinbarer Unvermeidlichkeiten betrieben werden kann, ist die Akzeptanz von rationalen Kosten/Nutzen-Betrachtungen. Soziale Marktwirtschaft, nachhaltige Landwirtschaft, lebenswerte Städte ohne Autowahnsinn usw. usf. ist als Option wählbar. Klar. Aber irgendwo an anderer Stelle ist ein entsprechender Preis zu bezahlen. Ich fühle mich häufig völlig für dumm verkauft, wenn angenommen wird, dass man mir die entsprechenden Preise unter keinen Umständen sagen dürfe, wenn man nochmal gewählt werden will.
Wer bitte muß denn die Alternativen schaffen? Frau Merkel? Oder vielleicht nicht doch eher die, die mit ihr in politischer Konkurrenz stehen? Aus meiner Sicht ist Frau Merkels größte Stärke die Schwäche ihrer Widersacher. Wo sind sie, die Alternativen?
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

zollagent hat geschrieben:(12 Jun 2018, 20:03)

Wer bitte muß denn die Alternativen schaffen? Frau Merkel? Oder vielleicht nicht doch eher die, die mit ihr in politischer Konkurrenz stehen? Aus meiner Sicht ist Frau Merkels größte Stärke die Schwäche ihrer Widersacher. Wo sind sie, die Alternativen?
Ja, TINA, "Alternativlos", "Merkel" ... das gehört irgendwie bekanntermaßen zusammen. Und reiht sich nicht nur in die Reagan/Thatcher-Ära sondern auch in Schröders Basta-Politik ein. Gleichzeitig wird die Gesellschaft soziologisch, kulkturell ebenso bekanntermaßen immer fragmentierter. Wieso spiegelt sich das nicht in deutlicher differenzierten politischen Konzepten, Alternativen, Parteiprogrammen wieder? Ich weiß es auch nicht. Die einzige wirkliche Alternative ist die rechtsradikalisierte AfD. (Sieht man mal von einigen Exoten ab). Aus meiner ganz persönlichen Wahrnehmung heraus wäre der erste Punkt: Ich will Wähler und nicht Kunde einer Partei sein. Man soll Schwierigkeiten und fehlennde Lösungsansätze offen benennen. Und schon bin ich erstmal emotional viel näher dran. Man soll Parteiprogramme nicht von Werbeagenturen verfassen lassen. Man soll Diskrepanzen, Widersprüche, auch parteiinterne Widersprüche nicht zukleistern wollen. Das Sinnbild für diese Schiieflage ist für mich der neue CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer. Eine Art Style-Primus, der lauter glattes Zeug ablässt und sooo viel besser als Versicherungsvertreter aufgehoben wäre. Also zusammengefasst: Ist schon richtig. Die Widersacher machen keine Widersache.

Was ich nur absolut nicht abschätzen kann: Liegen die Berater, die den Parteien schöne geschmeidiige und glatte Programme nach außen verordnen, richtig? Ist eine Mehrheit tatsächlich nur mit einer solchen Programmatik zu bekommen? Ist ein offen zugegebenes "schwierig, komplex, ambivalent" tatsächlich so extrem unpopulär, dass die Parteien es meiden sollen?

Möglicherweise wird innerhalb der Parteien eine solche authentische Unverstelltheit und Direktheit schnell mal als "Unprofessionalität" abgetan. Nach dem Motto:: Lass das mal lieber Medienprofis machen. Ich weiß es nicht.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von zollagent »

Gut zusammengefaßt. Ich würde es kurz als das Unbehagen der Wähler bezeichnen, dem so ganz sicher nicht "beizukommen" ist. Stromlinienförmigkeit mag vor Angriffen bewahren, Charaktere wird sie nicht erzeugen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von easylocoman »

Tom Bombadil hat geschrieben:(31 May 2018, 18:23)

So ist es nunmal, das Stimmvieh muss blöd gehalten werden, damit die Wiederwahl nicht gefährdet ist.
Dem stimme ich zu, aber das Stimmvieh sind wir!
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Troh.Klaus »

easylocoman hat geschrieben:(07 Jul 2018, 17:24)
Dem stimme ich zu, aber das Stimmvieh sind wir!
Solange markige Sprüche wie "Mehr Brutto vom Netto" genügen, um Leute zur Wahl dieser Sprücheklopfer zu bewegen, obwohl sie selbst wegen zu geringen Einkommens praktisch keine Einkommensteuer zahlen und dabei nicht einmal merken, dass sie an anderer Stelle wegen des Zusammenstreichens von Sozialleistungen sogar drauflegen, solange machen die Parteistrategen mit ihrer Wahlwerbung offenbar alles richtig. Das "Stimmvieh" merkt vielleicht, dass es hinter die Fichte geführt wird, aber es ändert nicht sein Verhalten. Das gilt im Übrigen auch aktuell für die Wahlerfolge der AfD.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von easylocoman »

Troh.Klaus hat geschrieben:(07 Jul 2018, 17:44)
[...]Das "Stimmvieh" merkt vielleicht, dass es hinter die Fichte geführt wird, aber es ändert nicht sein Verhalten.[...]
Offensichtlich ist das so, keine Frage, aber umso wichtiger ist es doch, dass sich das ändert, denn als Stimmvieh tragen wir doch für unsere Politik und deren Auswirkung eine Verantwortung.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Hyde »

Senexx hat geschrieben:(15 Apr 2018, 11:20)

Wir erleben derzeit eine Reihe von Krisen: Trump und die Frage des Protektionismus, Euro-Krise und EU-Krise, die neue Aggressivität von Putin-Russland, die Expansion Chinas mit seinem Aufkaufen der Welt und Aufbau globaler Militärmacht, das Wiedererwachen des Islams, den extremen Migrationsdruck.

Krisen sind nicht nur schlecht, sie haben auch eine positive Seite, denn sie zwingen zur Besinnung und können das Freimachen der Hirne von Flausen befördern.

Die westlichen Hirne sind voller Flausen.

Eine davon hat Francis Fukuyama befördert: Mit seiner naiven Vorstellung vom "Ende der Geschichte", der kindischen Vorstellung vom Siegeszug der liberalen westlichen Gesellschaft und der Freiheit. Dabei hat er nur aufgenommen, was man in vom Nachkriegssiegeszug der westlichen Gesellschaften verwirrten Gesellschaften so gedacht hat. Die postmodernistischen Strömungen wie die Grünen sind ein Ausfluss dieser Hybris. Antimodernismus kann nur gedeihen in saturierten sozialen Strata. Das dämliche Geschwätz von der "Friedensdividende" ist so eine Denkfigur, die zu falschen Entscheidungen geführt hat.

Nun haben wir an allen Ecken und Kanten heftige Krisen. Die Frage ist nun, welche Schlussfolgerungen man nun daraus zieht?
Ich würde erstmal die Frage in den Raum werfen, ob wir heute wirklich mehr Krisen haben als früher? Oder nimmt man sie wegen der Globalisierung nur stärker wahr? Oder verklärt man im Rücktritt die Vergangenheit?

Selbst die Neunziger (das Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges) hatten doch genügend Krisen: Jugoslawien-Kriege, zweiter Golfkrieg, afghanischer Bürgerkrieg, tiefe Wirtschaftskrisen in Osteuropa und Asien, Flüchtlingskrisen und massive fremdenfeindliche Ausschreitungen in Deutschland, Massenarbeitslosigkeit (insbesondere in Ostdeutschland), generell Umbrüche nach der Wende, Völkermord in Ruanda, Hungersnot in Nordkorea mit Millionen Toten, etc.

Und im neuen Jahrtausend ging es dann gleich weiter mit Terroranschlägen, Irakkrieg, Rekord-Massenarbeitslosigkeit in Deutschland, etc.

In die Zeit vor dem Ende des Kalten Krieges will ich gar nicht erst zurückgehen, da stand die Welt ja sowieso oft genug am Abgrund.

Ich würde also sagen: Krisen hat es immer zur Genüge gegeben, und die Krisen werden uns auch in kommenden Jahrzehnten nicht ausgehen.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von Hyde »

schokoschendrezki hat geschrieben:(31 May 2018, 14:26)

Vollzieht sich der Sieg von Liberalismus und Demokratie einfach nach einem quasimarktwirtischaftlichen System notwendig und "wie von selbst", wie von einer unsichtbaren Hand geleitet?
Früher oder später ja, würde ich mal behaupten. Die Entwicklung ist nicht immer geradlinig, aber in der Tendenz eindeutig.
Bei technischem Fortschritt ist es ja so, dass jede neue Generation (an Wissenschaftlern, Ingenieuren etc) auf dem Wissen und den Errungenschaften der Vorgängergenerationen aufbaut - und so wird die Technik und Wissenschaft immer weiterentwickelt.

Ähnlich ist es auch im gesellschaftlichen Bereich. Jede Generation ist weiter entwickelt als die vorherige, weil sie auf vorherigen (sozialen) Errungenschaften aufbauen kann. Somit verbessert sich nicht nur die Technik immer weiter, sondern auch der Mensch verbessert sich immer weiter. Die heutige junge Generation ist weltoffener, toleranter, gebildeter, gewaltfreier, weniger homophob und weniger autoritär als die Elterngeneration. Und die Elterngeneration wiederum war schon toleranter, gebildeter und weniger autoritär als die Großelterngeneration, usw.

Damit werden die Voraussetzungen für demokratische Entwicklung von Generation zu Generation verbessert. So ein Prozess (zunehmende Demokratisierug) verläuft natürlich nie ganz geradlinig oder ohne Rückschläge (es wird immer temporäre Gegenbewegungen geben), aber die langfristige Richtung ist klar.

Es ist in keinster Weise absehbar, dass der ökonomische und technologische Aufstieg Chinas ein vorläufiges Ende findet und ebensowenig, dass sich die Menschenrechtslage dort im selben Maße verbessert (oder auch nur nicht weiter verschlechtert). Da gibt es offenbar weder eine Kausalität noch eine Korrelation.
Warten wir mal ab, es gibt eigentlich immer eine Korelation, dass mit steigendem Lebensstandard auch das Bedürfnis der Bevölkerung nach Partizipation und Menschenrechten steigt. Ist ja auch logisch: wenn man nicht mehr seine ganze Energie 24h am Tag auf die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse verwenden muss (überleben, genug zu Essen haben), dann hat man Zeit sich, auch um die sekundären Bedürfnisse mehr zu kümmern.

Übrigens, allein schon der Kapitalismus (bzw. die wirtschaftlichen Zwänge) sorgt für mehr gesellschaftlichen Fortschritt: denn Kapitalismus/Wirtschaft verlangt bestmögliche Bildung (und Bildung wiederum fördert Partizipation und Menschenrechte) und zum Beispiel verlangt er auch bestmögliche Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt, zwecks besserer ökonomischer Potentialnutzung.
In Saudi Arabien sieht man das gerade sehr gut, wie Kapitalismus und wirtschaftliche Zwänge geradezu zu gesellschaftlicher Modernisierung zwingen.

Je besser es China wirtschaftlich geht, umso schwieriger wird es also werden, die Bevölkerung gefügig und hörig zu halten. Denn Wohlstand geht mit dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung einher...die dann wiederum den Wohlstand weiter fördert. Das sind quasi positive gegenseitige Rückklopplungsprozesse.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Hyde hat geschrieben:(09 Jul 2018, 02:42)
Je besser es China wirtschaftlich geht, umso schwieriger wird es also werden, die Bevölkerung gefügig und hörig zu halten. Denn Wohlstand geht mit dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung einher...die dann wiederum den Wohlstand weiter fördert. Das sind quasi positive gegenseitige Rückklopplungsprozesse.
Aber genau das, dieses "Bedürfnis nach Selbstbestimmung", läuft logisch gesehen eigentlich einer Zwangsläufigkeit und dem Wirken einer "unsichtbaren Hand" entgegen. Dass materieller Wohlstand eine Befreiung von existenziellen Nöten bewirkt und damit überhaupt erst einen Freiraum für Bildung, Ingenieurwesen, Kunst etc. schafft, ist erstmal klar. Aber dann: Wenn der Mensch ab einem gewissen Wohlstands-Niveau tatsächlich die Frage nach der Selbstbestimmtheit stellt ... In einer Hochtechnologie-Gesellschaft wie der japanischen wollen die Menschen - mal vereinfacht gesagt - vorwiegend in Städten leben, keine Kinder mehr bekommen, keine ausländische Butter und keine ausländischen Arbeitskräfte sehen. Die Folge sind Absurditäten wie Butterrationierung und gleichzeitig Pflegeroboter aus der Welt von Übermorgen. Die gesellschaftliche Entwicklung ist nur noch sehr schwer prognostizierbar.
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Re: Kommt der Westen zur Vernunft?

Beitrag von schokoschendrezki »

Hyde hat geschrieben:(09 Jul 2018, 02:06)

Ich würde erstmal die Frage in den Raum werfen, ob wir heute wirklich mehr Krisen haben als früher? Oder nimmt man sie wegen der Globalisierung nur stärker wahr? Oder verklärt man im Rücktritt die Vergangenheit?

Selbst die Neunziger (das Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges) hatten doch genügend Krisen: Jugoslawien-Kriege, zweiter Golfkrieg, afghanischer Bürgerkrieg, tiefe Wirtschaftskrisen in Osteuropa und Asien, Flüchtlingskrisen und massive fremdenfeindliche Ausschreitungen in Deutschland, Massenarbeitslosigkeit (insbesondere in Ostdeutschland), generell Umbrüche nach der Wende, Völkermord in Ruanda, Hungersnot in Nordkorea mit Millionen Toten, etc.

Und im neuen Jahrtausend ging es dann gleich weiter mit Terroranschlägen, Irakkrieg, Rekord-Massenarbeitslosigkeit in Deutschland, etc.

In die Zeit vor dem Ende des Kalten Krieges will ich gar nicht erst zurückgehen, da stand die Welt ja sowieso oft genug am Abgrund.

Ich würde also sagen: Krisen hat es immer zur Genüge gegeben, und die Krisen werden uns auch in kommenden Jahrzehnten nicht ausgehen.
Das ist vollkommen richtig. Sowohl mit Leuten, die eher links wie auch mit Leuten, die eher rechts ticken streite ich mich um dieses Krisenwahrnehmungsthema. Zunächst einmal gilt es, ganz nüchtern und objektiv die weltweite Entwicklung bestimmter Phänomene zu erfassen. Welthunger und Gewalt weltweit werden als sehr bedrohlich wahrgenommen. Das sind sie auch. Und dennoch hat beides in den letzten 50 Jahren insgesamt abgenommen. Dass in Norwegen ein Rentnerehepaar möglicherweise irgendwann nicht zwei sondern nur ein Elektro-SUV besitzen wird ist eben mit dem Faktor 5 Millionen zu bewichten. Und dass es in China keine Massenhungerkatastrophen mehr gibt mit dem Faktor 1379 Millionen.

Das Ende ist nah. Und das ist erst der Anfang.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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