Ja, natürlich, er bespricht ja auch sein Buch. Ich dachte aber, dass das hier eher angenommen wird als ein aktuell noch ausschließliches englisch verfügbares Buch. Ich hab zuerst die Vorstellung geyoutubed und mir dann das Buch gekauft und gelesen.schokoschendrezki hat geschrieben:(29 May 2018, 10:14)
"'America First' is 'Deutschland uber alles' in the english language" ... Bis zu der Passage habe ich ungefähr die ersten 30 Minuten des Vortrags gehört. Und dann festgestellt, dass er im Wesentlichen das sagt, was er in seinem neuesten Buch "The Road To Unfreedom" schreibt (das im September als "Der Weg in die Unfreiheit" auch auf Deutsch erscheinen wird)
Der Kerngedanke ist, dass die Gegenwart heute von einer "Politik der Unvermeidlichkeit" zu einer "Politik der Ewigkeit" übergehe. Mit "Politik der Unvermeidlichkeit" (politics of inevitablilty) ist der Glaube an zwangsläufige historische Abfolgen gemeint. Und das interessante ist, dass er sie sowohl in marxistisch geprägtem Denken sieht - als Abfolge von Gesellschaftsordnungen, die infolge von Klassenwidersprüchen entstehen und vergehen und mit der "historischen Mission der Arbeiterklasse" schließlich gesetzmäßig im Kommunismus münden. Als auch in westlich-liberalem Denken: Dass die Marktmechanismen als unsichtbare Hand uns schon auf den richtigen Weg bringen. Und insbesondere als Legende, die Idee der EU sei eine Konsequenz aus der Katastrophe des 2. Wetlkriegs. Er sieht den 2. WK eher als den letzten Kolonialkrieg. Nämlich den Deutschlands, um so wie England, Spanien, Frankreich usw. ein Weltimperium zu errichten. Und dann natürlich der hochinteressante Gedanke, dass die EU nicht etwa die Nationen beseitigte sondern - im Gegenteil - einen Rahmen für das Weiterbestehen der endgültig zusammengebrochenen ehemaligen Kolonialimperien als Nationen ermöglichte. Die "Politik der Unvermeidlichkeit" ist vor allem auch eine Politik des Nichtstuns und der Schicksalsergebenheit. Die politischen Entwicklungen wie auch die wirtschaftlichen und technologischen finden einfach statt. Und Aufgabe des Menschen ist es lediglich, Konformitäten dazu zu leisten und herzustellen.
So. Das war die Vergangenheit bis jüngst. Der "Politik der Unvermeidlichkeit" setzt er eine "Politik der Ewigkeit" (politics of eternity) entgegen. Die erstens grundsätzlich auf Vergangenheit rekurriert: "Make America great again". "Mütterchen Russland". "Das osmanische Reich". Hindu-Nationalismus. Sarkozy und die Gallier. Kosovo, die Serben und die Schlacht auf dem Amselfeld. Das "christliche Abendland" Usw. Usf. Und die zweitens auf einer jeweils populistischen Figur basiert. Die für die anderen denkt und lenkt.
Während ich den ersten Teil schlüssig und nachvollziehbar finde, bin ich mir beim zweiten Ansatz nicht so sicher, ob mit der "Ewigkeit" das Wesentliche erfasst wird. Ich würde es eher als eine "Politik des Essentialismus" nennen. Dass immer irgendetwas abgeblich essentiell und prägend für die Menschen sein soll. Das können natürlich religiöse, kulturelle, ethnische Vergangenheitsbezüge sein. Aber auch ein modernistischer Technik-Essentialismus führt aus meiner Sicht in den Weg der Unfreiheit.
Seine Erläuterungen bergen eine gewisse Schlüssigkeit und sind deshalb für einen Vertreter des Liberslismus/Antinationalismus/Antifaschismus wie mich so erschreckend. Die letzte Wahrheit sind sie, wie viele andere sicher auch nicht. Dennoch scheint mir diese „Politics of eternity“ schon griffig, wenn ich mir die ganzen Vergangenheitserhöher so anschaue. Nur deren Motivation - Freiheit von Rechenschaft für eigene Bereicherung und Misswirtschaft - habe ich noch nie so schlüssig gelesen.
Ich habe schon mehrere, auch ältere Bücher von Snyder gelesen, seine Ausblicke erstrecken sich meist auf maximal fünf Jshre, wenn überhaupt. Daher ist der von dir eingebrachte Technik-Existenzialismus hier eher kein Thema.
Da ist - wenn wir schon bei Buchtips sind - „Homo Deus“ von Harari eher ideengebend/ gruselnd ...