Marmelada hat geschrieben:(29 Mar 2017, 21:14)
Nur wenn man die Subventionen für die europäische Agrarwirtschaft außer acht lässt, die Afrika für die eigene Agrarwirtschaft nicht leisten kann.
Ich bin auch kein Freund der europäischen Agrarsubventionen (sorry, Welfenprinz), jedenfalls nicht in der derzeitigen Höhe. Und ja, Ziele der Entwicklungshilfe können damit konterkariert werden, wenn solcherart subventionierte Erzeugnisse im freien Markt mit afrikanischen Produkten konkurrieren. Man sollte für ein vollständiges Bild aber auch folgende Aspekte betrachten:
1. Die Landwirtschaft Afrikas wird ebenfalls subventioniert - durch Entwicklungshilfe, wovon ein erheblicher Teil in landwirtschaftliche Projekte fliesst (den genauen Anteil kenne ich leider selbst nicht, wenn ich was finde reiche ich es noch nach). In Summe geht jährlich ein zweistelliger Milliardenbetrag an ODA nach Afrika.
https://en.wikipedia.org/wiki/Official_ ... _aid_given
2. Die EU-Agrarsubventionen dienen auch zur Abdeckung der Produktionskosten der europäischen Landwirte. Diese dürften, vor allem für kleinere Betriebe, um ein Vielfaches höher sein als in Afrika.
3. Viele afrikanischen Staaten profitieren aufgrund der Importzölle in erheblichem Masse monetär von den EU-Importen. D.h. gäbe es diese Importe nicht, würden finanzielle Probleme auftreten.
4. Mir ist nicht klar, in welchem Umfang die oben beschriebene Konkurrenz subventionierter Agrarprodukte der EU mit afrikanischen Erzeugnissen tatsächlich stattfindet. Es wird gerne behauptet, die EU-Billigexporte machten die afrikanische Landwirtschaft kaputt, ich kenne aber keine konkreten quantitativen Analysen dazu, also, welchen lokalen Marktanteil in den afrikanischen Ländern die Importe aus der EU, seien es Geflügel, Milchpulver oder Tomaten, tatsächlich haben. Es gibt das Beispiel des importierten Geflügels in Ghana, das die lokale Produktion marginalisiert habe. Das ist aber nur ein Land und ein Produkt und die Frage ist, ob das tatsächlich einem generellen Muster folgt. Hier wäre ich an jeglichen Quellen sehr interessiert.
Gemeint sind auch Standards, was die Behandlung der Arbeiter vor Ort betrifft. Diese Standards sind hier inzwischen selbstverständlich, fielen aber nicht vom Himmel, sondern mussten
erkämpft werden. Dort sind sie nicht selbstverständlich und wer etwas erkämpfen will, spielt mit seinem Leben. Also ist der Faire Handel bestrebt, faire Standards durchzusetzen. Der Fairnessgedanke dabei ist, dass der Kaffeepflücker in der "Dritten Welt" (annähernd) so fair behandelt wird wie der europäische Arbeitnehmer, der den Kaffee später konsumiert.
Das Ziel dahinter ist sicher löblich, ich bin allerdings nicht sicher, ob das der richtige Weg ist.
Einer der wenigen Vorteile Afrikas sind nun mal die sehr niedrigen Produktionskosten für ihre Produkte. Dass diese so niedrig sind, kann sicher teilweise auch mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen zusammenhängen, vielfach ist es aber auch einfach das Ergebnis des geringen dortigen Lohnniveaus. Die Umsatzmöglichkeiten tragen eben auch keine höheren Löhne. Ein ansonsten arbeitsloser Afrikaner wird vielleicht froh sein über einen Job, der hierzulande als Ausbeutung bezeichnet würde. Ich finde es daher schwierig, von hier aus so etwas verhindern zu wollen. Kommt aber sicher auch darauf an, wie die Einflussnahme geschieht.
Momentan sieht die Situation so aus:
http://www.zeit.de/2015/51/afrika-eu-ha ... ettansicht
Man will einerseits mit hochsubventionierten Produkten und ohne Handelsbarrieren die afrikanischen Märkte abgrasen, andererseits sollen hier bitteschön keine Armutsflüchtlinge einlaufen. Sicher kann das Störgefühle verursachen. Sie sind dem Prinzip "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" geschuldet.
Falls du mit hiermit unterstellen wolltest, meine oben geäußerten "Störgefühle" hätten diesen Hintergrund (Afrika ausbeuten und gleichzeitig hier keine Flüchtlinge mehr haben wollen), liegst du schief. Ich will, dass es den Menschen dort besser geht. Ich bin nur nicht sicher, ob Handelsbarrieren, gleich welcher Art, dazu der richtige Weg sind. Die Entwicklung eines Landes entsteht immer aus sich selbst heraus, und ein Faktor dazu ist, zu erkennen, wo man steht, und dazu ist Transparenz vonnöten, was die eigenen Produkte, hier und woanders, tatsächlich wert sind. Die verschiedenen Handelsbarrieren und Zölle verzerren dieses Bild, daher mein Störgefühl. Es kann aber durchaus sein, dass diese notwendig sind, weil Afrika anders einfach nicht vom Fleck kommt -schrieb ich oben schon. Ich habe einfach keine ganz klare Meinung dazu.
Aus deinem Link:
Mirjam van Reisen, Professorin für Internationale Politik in den Niederlanden, hat die WPA-Verhandlungen als unabhängige Beraterin begleitet. Grundsätzlich hält sie die Idee, Entwicklung durch Handel zu fördern, für richtig. "Die Absichten der EU-Kommission waren nicht vollständig falsch", sagt sie. "Aber es ist unrealistisch, auf Augenhöhe zu verhandeln, wenn die Partner so ungleich sind."
Wie gesagt, das ist möglicherweise so. Dann bedeutet "Fairer Handel" eben, das ökonomische Ungleichgewicht durch Handelsbarrieren auszugleichen. Die zu bekämpfende Unfairness liegt aber nicht im Handelssystem selbst, sondern im ökonomischen Ungleichgewicht der Handelspartner.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.