How to: Entwicklungshilfe

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ThorsHamar
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

relativ hat geschrieben:(24 Mar 2017, 14:23)

Eben, Afrika ist groß und deshalb beschreibst du eben nicht Afrika und 2 denkst du Aufgrund dieser "erlebten Vorkommnisse" lohnt es sich nicht zu helfen. Ich sehe dies nicht so, schon aus Eigeninteresse (Flüchtlingsbewegung) nicht.
Das Eigeninteresses muss sein, die Ursachen für die gesellschaftliche Rückständigkeit mal ehrlich und politisch unabhängig zu benennen. Wenn das nicht endlich mal passiert, sind alle anderen Aktionen Blödsinn ....
Es gibt fast keine Staatsgebilde in Afrika, welche als Partner überhaupt relevant sein können!!
Die eigenen Ansprüche von Menschenrechten und Gleichberechtigung können bei einem so gigantischen Gefälle an Zivilisation niemals eingehalten werden, weder dort noch hier.
Das Einzige, was wir als Hilfe machen könnten, ist, dass jeder Bedürftige in Afrika ein Konto von der Deutschen Bank bekommt und sich dort jeden Monat Geld abholt und damit machen kann, was er will, Hauptsache, er bleibt zu Hause.
Das hätte den gleichen Effekt wie hierherzukommen und nichts zu tun, wäre aber ungefährlicher.
Alles Andere ist Neo-Kolonialismus ....
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Quatschki
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Quatschki »

odiug hat geschrieben:(24 Mar 2017, 09:07)

Ich meine damit vor allem, dass man damit aufhoeren muss, Afrika mit unsren Abfaellen zuzuscheissen.
Kein Bauer in Ghana kann gegen Schlachtabfaelle aus Niedersachsen konkurrieren, kein Textilunternehmen in Ghana gegen Altkleidersammlungen aus Baden Wuertenberg.
Afrika hat 1 Milliarde Einwohner
Glaubst du wirklich, dass die paar Kleiderspenden oder ein paar tausend Tonnen Geflügelfleisch da allein schon von der Größenordnung her relevant sein können?
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
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Boraiel
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Boraiel »

Vielleicht am besten gar nicht.
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(24 Mar 2017, 07:52)

Wenn die Leute vor Ort solche Sorgen umtreiben, dann benötigen sie ja gar keine Hilfe. Andere Bedürftige suchen, die die Hilfe zu schätzen wissen.
Da haben nun Sie mich missverstanden. Diese Kritik habe ich vor Ort in den "Nehmerländern" auch noch nicht gehört, sie kommt von hier. Es sei ein unzulässiger Eingriff in die Souveränität der Entwicklungsstaaten. Habe ich sogar hier im Forum schon gelesen.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

odiug hat geschrieben:(24 Mar 2017, 09:07)

Ich meine damit vor allem, dass man damit aufhoeren muss, Afrika mit unsren Abfaellen zuzuscheissen.
Kein Bauer in Ghana kann gegen Schlachtabfaelle aus Niedersachsen konkurrieren, kein Textilunternehmen in Ghana gegen Altkleidersammlungen aus Baden Wuertenberg.
relativ hat geschrieben:(24 Mar 2017, 09:49)

Nunja, daß wäre dann ungefähr so, als wenn du ein Schwergewichtsboxer gegen ein Fliegengewichtsboxer antreten lässt.
Entscheidender für mich wäre es zuerst in den afrikanischen Ländern den Binnenmarkt und die staatliche Fürsorge zu stärken. D.h. bekämpfung der Korruption, Stärkung der demokratische Kräfte, Stärkung der nationalen Einheit in den Ländern wo vielerorts der Clan noch vor dem Staat kommt.
Marmelada hat geschrieben:(24 Mar 2017, 13:00)

Fairen Handel
So optimistisch wie Müller sehe ich das aber nicht. Die Zwischenhändler lassen sich nicht so einfach ausschalten. Bei einigen Projekten, wo das lokal versucht wurde, gab es dann auch Tote.

Das ist ein Punkt, über den sich viele nicht klar sind. Alle denkbaren Produkte zu möglichst günstigen Schnäppchenpreisen geht einher mit Verarmung der Erzeuger, was Fluchtbewegungen verursacht.
Es geht also darum, die afrikanischen Binnenmärkte zu schützen vor Dumping-Produkten aus Europa und anderswo. Das bedeutet höhere Importzölle, sonstige Barrieren oder freiwillige Selbstbeschränkung der EU und anderer.

Gleichzeitig, das ist auch eine Aussage von Müller aus dem Link zum "Fairen Handel", sollen "die afrikanischen Länder ohne Zölle und sonstige Handelsbarrieren Zugang zum europäischen Markt erhalten". Das ist sicher genauso wichtig, um deren Exporte zu fördern.

Daraus folgt aber, das möchte ich gerne mal auf den Punkt bringen, die Forderung einer asymmetrischen Bevorzugung der afrikanischen Länder. Sie sollen frei zu uns exportieren können, aber wir nicht dorthin. Ist das gemeint, wenn im Kontext der Dritten Welt von "Fairem Handel" gesprochen wird?

Es kann sein, dass das richtig und wichtig und notwendig ist, weil die Drittweltstaaten anders nicht vom Fleck kommen. Man kann dies auch als insofern fair ansehen, als es das ökonomische Ungleichgewicht sozusagen ausgleicht - die EU und andere sollen mit Handicap spielen. Ich habe trotzdem Störgefühle bei solchen Forderungen.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von odiug »

Brainiac hat geschrieben:(24 Mar 2017, 18:32)

Es geht also darum, die afrikanischen Binnenmärkte zu schützen vor Dumping-Produkten aus Europa und anderswo. Das bedeutet höhere Importzölle, sonstige Barrieren oder freiwillige Selbstbeschränkung der EU und anderer.

Gleichzeitig, das ist auch eine Aussage von Müller aus dem Link zum "Fairen Handel", sollen "die afrikanischen Länder ohne Zölle und sonstige Handelsbarrieren Zugang zum europäischen Markt erhalten". Das ist sicher genauso wichtig, um deren Exporte zu fördern.

Daraus folgt aber, das möchte ich gerne mal auf den Punkt bringen, die Forderung einer asymmetrischen Bevorzugung der afrikanischen Länder. Sie sollen frei zu uns exportieren können, aber wir nicht dorthin. Ist das gemeint, wenn im Kontext der Dritten Welt von "Fairem Handel" gesprochen wird?

Es kann sein, dass das richtig und wichtig und notwendig ist, weil die Drittweltstaaten anders nicht vom Fleck kommen. Man kann dies auch als insofern fair ansehen, als es das ökonomische Ungleichgewicht sozusagen ausgleicht - die EU und andere sollen mit Handicap spielen. Ich habe trotzdem Störgefühle bei solchen Forderungen.
Stoergefuehle hat wohl jeder.
Ist auch nicht einfach ... die Entwicklungshelfer sind ja nicht bloed.
Auch die wollen was bewirken und auch sie sind an Nachhaltigkeit interessiert.
Keiner will, dass seine Arbeit wieder den Bach herunter geht ... auch Entwicklungshelfer nicht.
Ich weiss ... persoenliche Erfahrungen sind immer fragwuerdige Zeugen, weil es geht ja um das Grosse und Ganze, aber mein Opa arbeitete mal fuer die deutsche Botschaft in Ghana.
Er bekam da einen Auftrag die Gebaeude betreffend.
Er stellte sich ein paar Ghanaer ein und lernte sie an.
Mit deutscher Gruendlichkeit und Puenklichkeit.
Ab 12 Uhr Mittags waren die Arbeiter weg und kamen nicht mehr vor 5 Uhr Abends, was meinen Opa, alte Schule was Zuverlaessigkeit betrifft, auf die Palme brachte ... standen auch genug herum da.
Das ging eine Woche so, bis er selbst fast Zusammen brach auf der Arbeit, er erlitt einen Hitzschlag.
Er merkte, es hat einen Grund, warum Ghanaer nicht am Nachmittag in der Hitze arbeiten ...
Das gesagt, gibt es viele Beispiele, wo man einfach mal schauen sollte, was gibt es denn in Afrika was funktioniert.
ZB. Bei einem Bericht ueber afrikanische Landwirtschaft kam ein einheimischer Experte zu Wort, der witziger weise in Weihnstephan studierte und berichtete ueber einheimische Gemuesesorten, die mit einem Bruchteil des Wassers auskommen, aber heute nahezu vergessen sind, weil natuerlich wir Europaeer immer alles besser wissen wie was ao zu funktionieren hat.
Sei es nun als Kolonialist auf der Plantage, oder als Entwicklungshelfer mit schlechtem Gewissen wegen des Kolonialismus.
Aehnliche Projekte, einheimische Sorten, die von der kolonialen oder industriellen Landwirtschaft verdraengt wurden, auf ihren spezifischen Nutzen zu untersuchen, gibt es auch in Indien und das auch erfolgreich.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

relativ hat geschrieben:(24 Mar 2017, 09:49)

Zur Entwicklungshilfe und wie sie gestaltet werden sollte.
Zuerst sollte man Entwicklungshilfe natürlich differenziert betrachten, da sie sich natürlich sehr veilschichtig gestaltet.
Da hätten wir die reine Nothilfe, die im eigentlich Sinne keine Entwicklungshilfe ist. Da ist die staatliche Entwickliungshilfe um zu Wissen wie sie arbeitet sollte man erstmal wissen auf welchen Säulen diese steht.
Da sind die technischen, die finanziellen und die personellen Säulen, die aus GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit), die KfW die als Kridit und Geldgeber fingiert und die DED, die spezielles Personal und Freiwillige stellt.
Dies sind schon mal 3 ziemliche Bürokratiemonster, die natürlich hier Geld binden, aber eben auch Arbeitsplätze hier schaffen. Dazu kommt noch, daß sie bei größeren projekten wie z.B. in Afghanistan eine riesige Logistik und Personaldecke aufbauen.
Ich hab das Hauptquartier in Afghanistan gesehen. Wichtig ist zu wissen, daß vorwiegend natürlich die örttliche Bauindustrie temporär von zig Baumaßnahmen profitiert hat, aber ich wenig erkennen konnte, wo dies Nachhaltig eine Industrie aufbauen kann, mit der sich Afghanistan selber hätte wieder erneuern können.
Für mich wäre die Landwirtschaft ein erster und relativ einfacher Schritt gewesen, nur hat dies unter anderem die FAO mit ihren billigen Nahrungsmittelverteilung nahezu für jeden Bauer unmöglich gemacht. Was macht der bauer also um seine Familie zu ernähren? Er baut weiter Drogen für die Warlords an.

Neben der staatlichen Entwicklungshilfe gibt es noch unzählige NGO, die aber auch zum großen Teil von öffentlchen Geldern leben die z.B. die KfW verteilt. Das ist eine ganze Industrie und nicht nur in Deutschland.
In Kabul kamen zum Aufbau der Krankenhäuser ganze Containerladungen von Teils modernen, Teils gebrauchten deutschen Knwo how an. Da kann man natürlich nicht pauschal sagen dies wäre alles unsinnig, aber unbestritten ist, daß der große Teil dieser Gelder natürlich in die deutschen Industrie zurückfließen.
Wirklich nachhaltige Entwicklungshilfe zu späteren Selbsthilfe habe ich nicht erkennen können. Brückenbau, Schulbau, also Aufbau der Infrastruktur gehört zwar auch zur Hilfe, aber eben nicht zu einer wirtschaftlichen Hilfe zur Selbsthilfe. Da habe ich manchmal den Eindruck, daß dies gar nicht so gewollt ist, bzw. in letzter Konsequenz nicht durchgezogen wird.
Danke für die konkreten Details. Das kling für mich aber alles eher wie eine Beschreibung, wie man es besser nicht machen sollte.
Für Afrika ist es erst mal ganz wichtig, daß die Staaten dort stabilisert werden, so daß dort auch von Ausland investiert werden kann. Erst dann kann auch ein know how Austausch gewährleistet werden und die Bevölkerung kann sich entwickeln.
Da sollte m.M., neben der Nothilfe, der entwicklungstechnische Schwerpunkt liegen.
Wie erreicht man das am besten, "die Stabilisierung von Staaten"?
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(24 Mar 2017, 14:12)

Gerade WEIL ich nicht vergesse, dass wir die Kolonialzeit an der Backe haben, sehe ich die Realität !!
Ich frage mich, wem Du wie helfen willst, wenn Du Kindersoldaten gegenüberstehst, kleinen Jungs .... Ich habe das erlebt ...
Ich frage mich, wo Deine helfende Hand bleibt, wenn Du in Ruanda ein paar Frauen, Männer und ihre Kinder erlebst, die gerade eben 3 Tutsis, also schwarzen Nachbarn, mit einem Küchenmesser den Kopf abgeschnitten haben und dabei stolz und lächelnd fotografiert werden wollen ....
Ja, Afrika ist gross .... wie der Hass unter den Stämmen der Steinzeit .... mit Kalaschnikow und Brotmesser .... :mad:
Darf ich mal fragen, hast du eigentlich nur desillusionierende und furchtbare Erlebnisse dort unten gehabt?
Oder gab es auch Situationen, die positiv waren, wo etwas funktioniert hat, wo etwas voran ging, wo du dachtest: "Hey! so müsste es doch eigentlich laufen..."?
Und wenn ja, wie war das?
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

Brainiac hat geschrieben:(24 Mar 2017, 19:52)

Darf ich mal fragen, hast du eigentlich nur desillusionierende und furchtbare Erlebnisse dort unten gehabt?
Oder gab es auch Situationen, die positiv waren, wo etwas funktioniert hat, wo etwas voran ging, wo du dachtest: "Hey! so müsste es doch eigentlich laufen..."?
Und wenn ja, wie war das?
Nein, der grösste Teil waren positive Ereignisse, Gastfreundschaft, Herzlichkeit, gute Zusammenarbeit, gemeinsame Erfolgserlebnisse.
Das zählt aber letztlich nicht, wenn diese positive Stimmung fast unmittelbar nach Abreise und Übergabe der Verantwortung stirbt.
Und das ist es doch, worüber wir hier sprechen, oder?
Was ich fast überall bemerkt habe, ist das Unverständnis für ein gemeinsames, grösseres Staatswesen als Notwendigkeit für Zukunftsplanung.
Es waren erstaunlich wenige Menschen, welche diesen Part begreifen wollten. Es gab aber ein paar ....
Und die sind nach relativ kurzer Zeit ausgewandert, ich habe immerhin in den US zwei der Kollegen getroffen.
Sie hatten die Nase voll von der Unfähigkeit von Regierungen, von der Korruption, von der Dummheit mit Macht gepaart, auch von der Beschränktheit ihrer Landsleute und somit der Unmöglichkeit, als Inländer vernünftige Bedingungen zur Arbeit zu erhalten.
Deshalb gehen viele Projekte eben den sprichwörtlichen Bach runter ...
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(24 Mar 2017, 20:24)

Nein, der grösste Teil waren positive Ereignisse, Gastfreundschaft, Herzlichkeit, gute Zusammenarbeit, gemeinsame Erfolgserlebnisse.
Das zählt aber letztlich nicht, wenn diese positive Stimmung fast unmittelbar nach Abreise und Übergabe der Verantwortung stirbt.
Und das ist es doch, worüber wir hier sprechen, oder?

Richtig.

Das heißt also, alles was gut lief, lief nicht mehr gut, wenn die Helfer weg waren? Wie kann man überhaupt darüber einen vollständigen Überblick behalten?
Was ich fast überall bemerkt habe, ist das Unverständnis für ein gemeinsames, grösseres Staatswesen als Notwendigkeit für Zukunftsplanung.
Es waren erstaunlich wenige Menschen, welche diesen Part begreifen wollten. [...]

Mir ist nicht ganz klar, was du mit "gemeinsames, grösseres Staatswesen" meinst. Dieses gibt es ja vielfach schon, oftmals in Form überbordernder Bürokratie.

Du meinst vielleicht ein "effizientes und gut funktionierendes, nicht korruptes Staatswesen" . Demnach wäre das dein Hauptansatzpunkt. Und dein Kritikpunkt wäre, dass die Bedeutung dessen zu wenigen bewusst ist.

Das kann ich aber nicht bestätigen. Nach meinen Erfahrungen (die sicher geringer sind als deine) ist sehr vielen Menschen dieses Manko durchaus bewusst. Sie wissen nur nicht so recht, was sie dagegen, gegen schlechte Regierungsführung und Korruption, tun können. Ausser Politiker oder Parteien zu wählen, die dagegen vorgehen wollen (falls es die gibt *).

*) Nachtrag; Wie z.B. EllenJohnson Sirleaf in Liberia.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

Brainiac hat geschrieben:(24 Mar 2017, 20:42)

Mir ist nicht ganz klar, was du mit "gemeinsames, grösseres Staatswesen" meinst. Dieses gibt es ja vielfach schon, oftmals in Form überbordernder Bürokratie.

Du meinst vielleicht ein "effizientes und gut funktionierendes, nicht korruptes Staatswesen" . Demnach wäre das dein Hauptansatzpunkt. Und dein Kritikpunkt wäre, dass die Bedeutung dessen zu wenigen bewusst ist.

Das kann ich aber nicht bestätigen ....
Musst Du auch nicht, ich meine etwas Anderes.
Ich meine eine Gesellschaft, welche als Staat die Interessen der verschiedenen Stämme als Ansprechpartner vertritt, als Koordinator für die Zukunftsplanung, eine Verwaltungsebene, die als Vertretung tatsächlich akzeptiert wird.
Das ist imho unmöglich, weil kein einziger Stamm von seinen eigenen Pfründen abgeben will. Der Hass der Schwarzen untereinander, der ganz besondere Rassismus ist hier kaum bekannt. Was meinst Du, warum praktisch jeder Stamm in der Gegend um Zentralafrika in einen oder mehrere Kriege verwickelt ist?
Hier mal 'n Hinweis zum Thema http://www.spiegel.de/politik/ausland/s ... 10917.html

"23 von 53 Staaten seien in diesem Zeitraum in Konflikte verwickelt gewesen, die ihre Entwicklung behinderten. "

Genau das meine ich.

Nachtrag: http://www.n-tv.de/politik/Banden-ersch ... 64175.html
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von H2O »

Brainiac hat geschrieben:(24 Mar 2017, 18:16)

Da haben nun Sie mich missverstanden. Diese Kritik habe ich vor Ort in den "Nehmerländern" auch noch nicht gehört, sie kommt von hier. Es sei ein unzulässiger Eingriff in die Souveränität der Entwicklungsstaaten. Habe ich sogar hier im Forum schon gelesen.
Ok, habe ich tatsächlich so verstanden; das hatte aber auch einen Hintergrund. Natürlich gab es Kritik vor Ort, daß die Geber unverschämterweise auf die Landespolitik Einfluß nähmen. Mir fällt nun nicht sofort das abschreckendste Beispiel dazu ein. Aber das wird sich ändern, denn mein Gedächtnis ist leider etwas langsamer geworden.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(24 Mar 2017, 23:32)

Musst Du auch nicht, ich meine etwas Anderes.
Ich meine eine Gesellschaft, welche als Staat die Interessen der verschiedenen Stämme als Ansprechpartner vertritt, als Koordinator für die Zukunftsplanung, eine Verwaltungsebene, die als Vertretung tatsächlich akzeptiert wird.
Das ist imho unmöglich, weil kein einziger Stamm von seinen eigenen Pfründen abgeben will. Der Hass der Schwarzen untereinander, der ganz besondere Rassismus ist hier kaum bekannt. Was meinst Du, warum praktisch jeder Stamm in der Gegend um Zentralafrika in einen oder mehrere Kriege verwickelt ist?
Hier mal 'n Hinweis zum Thema http://www.spiegel.de/politik/ausland/s ... 10917.html

"23 von 53 Staaten seien in diesem Zeitraum in Konflikte verwickelt gewesen, die ihre Entwicklung behinderten. "

Genau das meine ich.

Nachtrag: http://www.n-tv.de/politik/Banden-ersch ... 64175.html
Ok. Ja, die inneren ethnischen und sonstigen Konflikte sind ein furchtbares Hindernis für die Entwicklung, sehe ich auch so. Aber wären zur Verhinderung bzw. Beendigung der Bürgerkriege nicht vor allem eine funktionierende Staatsgewalt und die Durchsetzung von Recht und Gesetz erforderlich? Womit wir wieder bei dem von mir ausgeführten Punkt wären.

Unter deinem "gemeinsamen Staatswesen" als "Verwaltungsebene" und übergreifender "Koordinator zur Zukunftsplanung" kann ich mir nicht so recht was vorstellen. Vielleicht magst du das ein wenig ausführen oder etwas verlinken? Jedenfalls würde das ja bedeuten, dass sich die Stämme freiwillig einer Verwaltungsinstanz unterwerfen, was Konfliktparteien in Bürgerkriegen natürlich selten von selbst tun. Oder geht es um etwas Schwächeres und Unverbindlicheres, sozusagen eine Art "Runder Tisch" als Anfang?
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von JJazzGold »

Brainiac hat geschrieben:(25 Mar 2017, 08:45)

Ok. Ja, die inneren ethnischen und sonstigen Konflikte sind ein furchtbares Hindernis für die Entwicklung, sehe ich auch so. Aber wären zur Verhinderung bzw. Beendigung der Bürgerkriege nicht vor allem eine funktionierende Staatsgewalt und die Durchsetzung von Recht und Gesetz erforderlich? Womit wir wieder bei dem von mir ausgeführten Punkt wären.

Unter deinem "gemeinsamen Staatswesen" als "Verwaltungsebene" und übergreifender "Koordinator zur Zukunftsplanung" kann ich mir nicht so recht was vorstellen. Vielleicht magst du das ein wenig ausführen oder etwas verlinken? Jedenfalls würde das ja bedeuten, dass sich die Stämme freiwillig einer Verwaltungsinstanz unterwerfen, was Konfliktparteien in Bürgerkriegen natürlich selten von selbst tun. Oder geht es um etwas Schwächeres und Unverbindlicheres, sozusagen eine Art "Runder Tisch" als Anfang?

Vielleicht meint ThorsHamar etwas wie die AU, African Union. Die existiert als Nachfolger der OAU schon ein paar Jahre, scheint aber nicht so recht voran zu kommen?
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

JJazzGold hat geschrieben:(25 Mar 2017, 10:09)

Vielleicht meint ThorsHamar etwas wie die AU, African Union. Die existiert als Nachfolger der OAU schon ein paar Jahre, scheint aber nicht so recht voran zu kommen?
Ja, auch sowas meine ich.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

Brainiac hat geschrieben:(25 Mar 2017, 08:45)

Ok. Ja, die inneren ethnischen und sonstigen Konflikte sind ein furchtbares Hindernis für die Entwicklung, sehe ich auch so. Aber wären zur Verhinderung bzw. Beendigung der Bürgerkriege nicht vor allem eine funktionierende Staatsgewalt und die Durchsetzung von Recht und Gesetz erforderlich? Womit wir wieder bei dem von mir ausgeführten Punkt wären.

Unter deinem "gemeinsamen Staatswesen" als "Verwaltungsebene" und übergreifender "Koordinator zur Zukunftsplanung" kann ich mir nicht so recht was vorstellen. Vielleicht magst du das ein wenig ausführen oder etwas verlinken? Jedenfalls würde das ja bedeuten, dass sich die Stämme freiwillig einer Verwaltungsinstanz unterwerfen, was Konfliktparteien in Bürgerkriegen natürlich selten von selbst tun. Oder geht es um etwas Schwächeres und Unverbindlicheres, sozusagen eine Art "Runder Tisch" als Anfang?
Ich fasse es mal kurz zusammen als die Bereitschaft, angesichts der Lage, funktionierende Nationalstaaten mit Verantwortlichkeit zu unterstützen, bzw. sich bewusst zu sein, ein Nationalstaat zu sein, sich einer grösseren gesellschaftlichen Einheit ein -oder unterordnen zu müssen.
Hilfe und Problemlösungen sind unmöglich, wenn es tausende verschiedene Splitter gibt.
Diese Bereitschaft müssen die Menschen von sich aus bringen, aber sie sind bislang offensichtlich grossteilig nicht in der Lage, die Situation überhaupt zu begreifen und so die richtigen Schlüsse zu ziehen.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Ger9374 »

Die AU ist mehr militärisch aktiv wenn sich die
Staaten auf einen Einsatz einigen.
Das wirtschaftliche Problem der Afrikaner ist so komplex das da Entwicklungshilfe ein Punkt von sehr vielen ist. In absehbarer Zeit werden da keine
Besseren Ansätze entstehen da die Rahmenbedingungen in Afrika zu desolat sind.
Alles was an Infrastruktur aufgebaut wird verrottet weil noch nicht Mal die Instandhaltung funktioniert.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

Als jemand, der in dieser globalisierten, digitalisierten Welt Staatenbünde, Kooperationen und Integrationsbestrebungen generell befürwortet, halte ich auch die AU, oder vergleichbare Initiativen, für den richtigen Weg. Dies vor allem aufgrund der oftmals recht willkürlichen Grenzziehungen auf diesem Kontinent mit eigentlich (m.E.) zu vielen einzelnen Staaten, die gemeinsam definitiv stärker wären.

Der Einigungsprozess setzt aber m.E. zunächst funktionierende Einzelstaaten voraus. Mir fehlt die Vorstellung, wie eine AU an den Nationalstaaten vorbei etwas bewerkstelligen soll, sei es ethnische Konfliktlösung, Aufbau von Good Governance oder wirtschaftliche Entwicklung. Kompetenzen, die man national gar nicht hat, kann man auch nicht an die AU übertragen.

Oder müsste man eine "AU der Stämme" gründen, die von, angenommen es gäbe diese, führenden Vertretern von Hausa, Yeruba, Bantu, Tuareg, Berber etc. und den hunderten kleineren Ethnien besetzt würde, und die dann - nach entsprechender Einigung und Zukunftsplanung - auf die Menschen in den verschiedenen Ländern mehr Einfluss nehmen könnten, als die Nationalstaaten dazu in der Lage sind? Das klingt äußerst utopisch. :|
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

Brainiac hat geschrieben:(25 Mar 2017, 14:54)

Als jemand, der in dieser globalisierten, digitalisierten Welt Staatenbünde, Kooperationen und Integrationsbestrebungen generell befürwortet, halte ich auch die AU, oder vergleichbare Initiativen, für den richtigen Weg. Dies vor allem aufgrund der oftmals recht willkürlichen Grenzziehungen auf diesem Kontinent mit eigentlich (m.E.) zu vielen einzelnen Staaten, die gemeinsam definitiv stärker wären.

Der Einigungsprozess setzt aber m.E. zunächst funktionierende Einzelstaaten voraus. Mir fehlt die Vorstellung, wie eine AU an den Nationalstaaten vorbei etwas bewerkstelligen soll, sei es ethnische Konfliktlösung, Aufbau von Good Governance oder wirtschaftliche Entwicklung. Kompetenzen, die man national gar nicht hat, kann man auch nicht an die AU übertragen.

Oder müsste man eine "AU der Stämme" gründen, die von, angenommen es gäbe diese, führenden Vertretern von Hausa, Yeruba, Bantu, Tuareg, Berber etc. und den hunderten kleineren Ethnien besetzt würde, und die dann - nach entsprechender Einigung und Zukunftsplanung - auf die Menschen in den verschiedenen Ländern mehr Einfluss nehmen könnten, als die Nationalstaaten dazu in der Lage sind? Das klingt äußerst utopisch. :|
Ja, eben. Das klingt nicht nur utopisch, das ist utopisch.
Wir ignorieren aus politisch-ideologischen Gründen die tatsächliche Relevanz von gesellschaftlicher Evolution.
Entweder mischen wir uns endlich mal konsequent in die Entwicklung ein, was voraussetzt, dass erstmal offiziell eine Unterentwicklung konstatiert wird, oder wir vermeiden jegliche Einmischung in die Entwicklung von Gesellschaften aus der Steinzeit.
Diese gegenwärtige, halbherzige Kleckerpolitik ermöglicht noch mehr Mord und Totschlag, weil wir von hier aus sog. Rebellen definieren und unterstützen, welche vor Ort aber die Arschlöcher sein können ..... aber dann mit unseren Waffen .... und nächstes Jahr sind es dann die Anderen ....
Btw. ist auch genau Das, was das eigentlich Gefährliche an der sog. Flüchtlingspolitik ist. Die politische Verfolgung betrifft praktisch alle Seiten ....

Die einzig vernünftige, allerdings unmachbare Lösung ist, den Stämmen ihre Gebiete zuzuweisen, ohne Staatengrenzen, und die Menschen ihre Erfahrungen selbst machen zu lassen!
Irgendwann kommen sie auf die Idee, dass ihre Kinder besser leben, wenn auch die Kinder ihrer "Gegner" besser leben können ....
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(25 Mar 2017, 16:28)

Ja, eben. Das klingt nicht nur utopisch, das ist utopisch.
Wir ignorieren aus politisch-ideologischen Gründen die tatsächliche Relevanz von gesellschaftlicher Evolution.
Entweder mischen wir uns endlich mal konsequent in die Entwicklung ein, was voraussetzt, dass erstmal offiziell eine Unterentwicklung konstatiert wird,

Letzteres, die Konstatierung der Unterentwicklung, wird doch getan, mehr als deutlich. :?:

Und mit dem "konsequent Einmischen" meinst du...
oder wir vermeiden jegliche Einmischung in die Entwicklung von Gesellschaften aus der Steinzeit.
Diese gegenwärtige, halbherzige Kleckerpolitik ermöglicht noch mehr Mord und Totschlag, weil wir von hier aus sog. Rebellen definieren und unterstützen, welche vor Ort aber die Arschlöcher sein können ..... aber dann mit unseren Waffen .... und nächstes Jahr sind es dann die Anderen ....
Btw. ist auch genau Das, was das eigentlich Gefährliche an der sog. Flüchtlingspolitik ist. Die politische Verfolgung betrifft praktisch alle Seiten ....

Die einzig vernünftige, allerdings unmachbare Lösung ist, den Stämmen ihre Gebiete zuzuweisen, ohne Staatengrenzen, und die Menschen ihre Erfahrungen selbst machen zu lassen!
Irgendwann kommen sie auf die Idee, dass ihre Kinder besser leben, wenn auch die Kinder ihrer "Gegner" besser leben können ....
... diesen Ansatz?

Das ist natürlich auch utopisch, wie du schon selbst sagst, wir können ja nicht von hier aus 54 Nationalstaaten auflösen, ohne das Völkerrecht auf drn Kopf zu stellen.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

Brainiac hat geschrieben:(25 Mar 2017, 18:53)

Letzteres, die Konstatierung der Unterentwicklung, wird doch getan, mehr als deutlich. :?:
Ich sehe das nicht, weil, wie auch hier im Forum zu bemerken, "Unterschiede in der gesellschaftlichen Entwicklung" zu dicht an "Sozialdarwinismus" ist.
Und das darf man nicht sagen.
Dass der nette Terminus "Entwicklungshilfe" selbstredend diesen Unterschied und auch genau das entwicklungsmässige Ranking der Protagonisten impliziert, wird dabei schon verdrängt ....
Einer ist Master und einer ist Student.
In anderem Kontext heisst sowas Rassismus. Deshalb, so meine ich, wird die Problematik immer irgendwie umschrieben.

Fakt ist: Gesellschaften verschiedener Epochen treffen aufeinander und die Moderne muss bestimmen, ansonsten schreiten wir zurück in der Zeit!!
Und mit dem "konsequent Einmischen" meinst du...
und
Das ist natürlich auch utopisch, wie du schon selbst sagst, wir können ja nicht von hier aus 54 Nationalstaaten auflösen, ohne das Völkerrecht auf drn Kopf zu stellen.
Ja, aber es ist doch der Weg, den wir beschreiten, wenn wir dem putzigen Indio am Xingu seine kleine Welt lassen, also ein Reservat, von dem er gar nichts weiss, und ihm leise und wissenschaftlich amüsiert beim Kiffen in der Vorsteinzeit zuschauen.
In Afrika funktioniert das nicht mehr, mal davon abgesehen, dass die Entwicklung ja auch nicht homogen passierte.
Dort müssen wir klar machen, dass es Anweisungen gibt, deren Beachtung Fortschritt, also erst mal Frieden und Ende des Hungers bedeutet und deren Missachtung mit Kürzungen der Zuwendung oder völligem Rückzug bestraft werden.
Anders gibt es keinen Lernprozess, welcher hunderte und tausende Jahre überspringen kann.
Erinnert mich oft an Captain Kirk .....
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(25 Mar 2017, 23:30)

Ich sehe das nicht, weil, wie auch hier im Forum zu bemerken, "Unterschiede in der gesellschaftlichen Entwicklung" zu dicht an "Sozialdarwinismus" ist.
Und das darf man nicht sagen.
Dass der nette Terminus "Entwicklungshilfe" selbstredend diesen Unterschied und auch genau das entwicklungsmässige Ranking der Protagonisten impliziert, wird dabei schon verdrängt ....
Einer ist Master und einer ist Student.
In anderem Kontext heisst sowas Rassismus. Deshalb, so meine ich, wird die Problematik immer irgendwie umschrieben.

"Umschrieben" ist schon nicht ganz falsch. Daher auch der moderne Euphemismus "Entwicklungszusammenarbeit", den ich nicht verwende. Es ist eben keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wie man es auch dreht und wendet.

Es wird doch aber generell aus allen politischen Richtungen, rechts wie links, deutlich benannt, dass die Dritte Welt unter teilweise miserablen Lebensbedingungen leidet und deutlich zurückhinkt.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Dritte_Welt

Das zu benennen, ist selbstverständlich kein Rassismus und ich wüsste nicht, dass das hier schon mal so bezeichnet worden wäre. Rassistisch (oder von mir aus auch "kulturalistisch") wird es dann, wenn den Menschen dort pauschal die Befähigung zur Verbesserung der Zustände abgesprochen wird, aufgrund genetischer, ethnischer oder sonstiger unveränderlicher Zugehörigkeitsmerkmale, nach dem Motto, "die können es einfach nicht". Sie können es schon, das beweisen viele Beispiele, nur in Summe reicht es nicht, weil systemische Gesellschaftszusammenhänge und deren Trägheit (wie Traditionalismus, Besitzstandwahrung der Oberschicht, etc) dem entgegenstehen, was aber nicht in der Verantwortung einzelner heute lebender Menschen liegt.
Fakt ist: Gesellschaften verschiedener Epochen treffen aufeinander und die Moderne muss bestimmen, ansonsten schreiten wir zurück in der Zeit!!


und


Ja, aber es ist doch der Weg, den wir beschreiten, wenn wir dem putzigen Indio am Xingu seine kleine Welt lassen, also ein Reservat, von dem er gar nichts weiss, und ihm leise und wissenschaftlich amüsiert beim Kiffen in der Vorsteinzeit zuschauen.
In Afrika funktioniert das nicht mehr, mal davon abgesehen, dass die Entwicklung ja auch nicht homogen passierte.
Dort müssen wir klar machen, dass es Anweisungen gibt, deren Beachtung Fortschritt, also erst mal Frieden und Ende des Hungers bedeutet und deren Missachtung mit Kürzungen der Zuwendung oder völligem Rückzug bestraft werden.[...]
Da würde ich in der Hinsicht mitgehen, dass es nur dann Mittel für Projekte gibt, wenn diese Projekte auch nachvollziehbar konsequent geplant, durchgeführt und nachgehalten werden. Ich wäre aber vorsichtig mit "Anweisungen", die zu sehr, implizit oder explizit, auf unserer Geschichte oder unserem Werteverständnis basieren. Beispiel: Das Stammeskonflikte schädlich sind, dürfte ausser Frage stehen - dass aber Stammestraditionen abgeschafft werden müssten (weil es die bei uns auch nicht mehr gibt), hielte ich für zu weitgehend. Afrika wird es irgendwann packen, und dann wird man sehen, dass der Weg dorthin teilweise ähnlich, teilweise aber auch anders war, als unserer.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

Brainiac hat geschrieben:(26 Mar 2017, 09:01)

"Umschrieben" ist schon nicht ganz falsch. Daher auch der moderne Euphemismus "Entwicklungszusammenarbeit", den ich nicht verwende. Es ist eben keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wie man es auch dreht und wendet.
Eben.
Es wird doch aber generell aus allen politischen Richtungen, rechts wie links, deutlich benannt, dass die Dritte Welt unter teilweise miserablen Lebensbedingungen leidet und deutlich zurückhinkt.
Das ist klar, aber darum geht es gar nicht.
Es geht um die Benennung der Gründe für diesen Ist - Zustand, nicht um den Status Quo selbst.
Nimm doch mal Deutschland als Beispiel, also eine Analyse des offensichtlich vorhandenen Gefälles zwischen Ost -und West.
Was ist Jedem klar, und zwar sofort? Richtich, ein Entwicklungsabstand von 40 Jahren und unser "West -Status" wird als Norm definiert. Deshalb ja Beitritt ...
Die "technische" Seite der Probleme zu benennen, ist kein Problem und wurde ja auch ziemlich schnell aufgeholt und, wenn ich den Strassenbau so bemerke, überholt.
Rassismus passiert aber dann, wenn es Befindlichkeiten wie "die Ossis" ...."..usw .... gibt.
Und wir reden hier von nur 40 Jahren Unterschied und Jahrhunderten Gemeinsamkeit.
So, und nun betrachten wir mal 100, 200 oder 500 Jahre und dann sogar 10 000 oder noch mehr Jahre Unterschied in der gesellschaftlichen Entwicklung.
Und da ist die Nähe zwischen dem Gefälle gesellschaftlicher Evolution und dem nazistischen "Untermenschen" eben ganz offensichtlich bei der Hand.
Um eben nicht auch nur dem Verdacht ausgesetzt zu sein, Sozialdarwinist zu sein, das wäre ja praktisch Nazi, wird alles Mögliche erfunden, um die Problematik zu umschreiben und zu verwässern.
Das zu benennen, ist selbstverständlich kein Rassismus und ich wüsste nicht, dass das hier schon mal so bezeichnet worden wäre. Rassistisch (oder von mir aus auch "kulturalistisch") wird es dann, wenn den Menschen dort pauschal die Befähigung zur Verbesserung der Zustände abgesprochen wird, aufgrund genetischer, ethnischer oder sonstiger unveränderlicher Zugehörigkeitsmerkmale, nach dem Motto, "die können es einfach nicht".
Richtig, siehe mein Beispiel Deutschland.
Sie können es schon, das beweisen viele Beispiele, nur in Summe reicht es nicht, weil systemische Gesellschaftszusammenhänge und deren Trägheit (wie Traditionalismus, Besitzstandwahrung der Oberschicht, etc) dem entgegenstehen, was aber nicht in der Verantwortung einzelner heute lebender Menschen liegt.
Ja, richtig, aber was, bitte, bleibt denn real von der Eingangsbehauptung in der Summe übrig?
"Sie können es schon, das beweisen viele Beispiele, nur in Summe reicht es nicht...." Das heisst ehrlich, sie können es NICHT!
Das folgende "weil" ist richtig, aber bei der Analyse des Status' Quo wenig hilfreich.
"Weil" ist dann wichtig für die Konzipierung der notwendigen Hilfe. Es bliebt aber, dass "sie es nicht können" und dieser Zustand eben durch Hilfe abgestellt werden soll!

Und das zu erkennen, gilt vornehmlich für die Afrikaner !!! Sie müssen einsehen wollen, was falsch läuft und geändert werden muss, wenn sie sich verbessern wollen!!
( wieder Beispiel Deutschland )
Erst jetzt beginnt nämlich ein vernünftiges, effektives Verhältnis Schüler - Lehrer, ohne Schulpflicht als Ziel, wenn Du verstehen möchtest.
Es geht um EIGENE Erkenntnis!!

Da würde ich in der Hinsicht mitgehen, dass es nur dann Mittel für Projekte gibt, wenn diese Projekte auch nachvollziehbar konsequent geplant, durchgeführt und nachgehalten werden. Ich wäre aber vorsichtig mit "Anweisungen", die zu sehr, implizit oder explizit, auf unserer Geschichte oder unserem Werteverständnis basieren. Beispiel: Das Stammeskonflikte schädlich sind, dürfte ausser Frage stehen - dass aber Stammestraditionen abgeschafft werden müssten (weil es die bei uns auch nicht mehr gibt), hielte ich für zu weitgehend. Afrika wird es irgendwann packen, und dann wird man sehen, dass der Weg dorthin teilweise ähnlich, teilweise aber auch anders war, als unserer.
Wenn nicht endlich mit Anweisungen begonnen wird, also der Pflicht zu Bildung, sozusagen Schulpflicht, um das Beispiel von oben nochmal aufzunehmen, wird, wie in der Vergangenheit, nichts passieren als klagen und Wanderung nach den Quellen von vermeintlichem Reichtum ....
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von watisdatdenn? »

Brainiac hat geschrieben:(24 Mar 2017, 20:42)
Sie wissen nur nicht so recht, was sie dagegen, gegen schlechte Regierungsführung und Korruption, tun können. Ausser Politiker oder Parteien zu wählen, die dagegen vorgehen wollen (falls es die gibt *).

*) Nachtrag; Wie z.B. EllenJohnson Sirleaf in Liberia.
warum klappt es mit der "good governance" und wirtschaftlichen aufschwung in südkorea/china mit leichtigkeit und in afrika praktisch gar nicht?

welche ursachen hat das? was unterscheidet südkorea/china so maßgeblich von afrikanischen ländern?
die antwort ist meiner ansicht nach einfach: die menschen die dort leben.

jetzt ist die kritische frage was ist an den menschen unterschiedlich?
kultur?
genetik?

jetzt wirds so oder so heikel (kulturalismus oder rassismus) und ich denke nicht mehr weiter..
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

watisdatdenn? hat geschrieben:(26 Mar 2017, 13:46)

warum klappt es mit der "good governance" und wirtschaftlichen aufschwung in südkorea/china mit leichtigkeit und in afrika praktisch gar nicht?

welche ursachen hat das? was unterscheidet südkorea/china so maßgeblich von afrikanischen ländern?
die antwort ist meiner ansicht nach einfach: die menschen die dort leben.

jetzt ist die kritische frage was ist an den menschen unterschiedlich?
kultur?
genetik?

jetzt wirds so oder so heikel (kulturalismus oder rassismus) und ich denke nicht mehr weiter..
Eben das meinte ich weiter oben.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

Ich gehe ja mit, dass die afrikanischen Gesellschaften große Mühe haben, den Entwicklungsrückstand aufzuholen. "Sie können es nicht" ist aber trotzdem falsch.

Erstens, eine Gesellschaft besteht zwar natürlich aus den Menschen, die sie konstituieren, ist aber mehr als die Summe ihrer Teile (der zugehörigen Menschen). Eine Gesellschaft kann z.B. träge sein (im übertragenen Sinne) und wenig dynamisch hinsichtlich notwendiger Veränderungen. Das heisst aber nicht, dass die in ihr lebenden Menschen, jeder einzelne, zwangsläufig so sind. Ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, ThorsHamar oder watisdatdenn? wären nicht hier geboren, sondern im Babyalter in irgendein Land der Subsahara transformiert worden und seien dort aufgewachsen. Hätten sie das Ruder herumgerissen, die Gesellschaft vorangebracht? Vermutlich nicht. Sie hätten sich den dortigen Gebräuchen angepasst, rein schon um zu überleben und nicht als Outlaw dazustehen (Abweichungen von der Norm werden in vielen afrikanischen Gesellschaften sehr kritisch gesehen und mit Ausgrenzung bestraft - und die Zugehörigkeit zur Community ist wichtig, wichtiger als bei uns).

Zweitens sollte man mal eine grössere zeitliche Perspektive einnehmen. Wie ich schon schrieb, bin ich überzeugt, dass die Afrikaner es irgendwann packen werden - nur wird das womöglich sehr lange dauern. Damit wird aus dem "sie können es nicht" ein "sie sind langsam", von mir aus auch "langsamer als die anderen".

Die Epoche von 500 bis 1500 n. Chr., in unseren Breiten, wird gern als "finsteres Mittelalter" bezeichnet. Das ist zwar wohl, wie man heute weiss, teilweise ein Vorurteil und dem (aufgrund spärlicher Überlieferungen) geringen Wissen über diese Epoche geschuldet. Dennoch dürfte unstreitig sein, dass es in diesem langen Zeitraum, mit heutigen Maßstäben gesehen, relativ wenig technologischen Fortschritt bzw. Verbesserungen der Lebensbedingungen gab. Waren die Menschen damals deswegen "dümmer" und "konnten es nicht"? Und wenn ja, welche Zauberkraft hat das geändert?

Drittens, bevor wir das alles zu sehr an den Menschen in Afrika fest machen, es gibt auch noch ein paar andere Entwicklungsregionen in der Welt. Mittelamerika zB, denken wir nur an Haiti. Warum jetzt Afrika - im Gegensatz zu anderen Kontinenten - so relativ homogen und geschlossen hinterher hinkt, bleibt dabei natürlich die spannende Frage. Ich erkläre es mir im Mangel an geographisch nahen erfolgreichen Vorbildern, mit denen ein Austausch stattfindet und die einen mitziehen. Jeder andere Kontinent hat diverse hochentwickelte oder zumindest hochdynamische und an der Schwelle zur Industrienation stehende Staaten (oder anders gesagt, G20-Mitglieder), nur Afrika hat diese kaum. Bis auf Südafrika, dessen Einfluss aufgrund der Randlage zu gering ist. Stuck together in misery.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von H2O »

Brainiac hat geschrieben:(25 Mar 2017, 14:54)

Als jemand, der in dieser globalisierten, digitalisierten Welt Staatenbünde, Kooperationen und Integrationsbestrebungen generell befürwortet, halte ich auch die AU, oder vergleichbare Initiativen, für den richtigen Weg. Dies vor allem aufgrund der oftmals recht willkürlichen Grenzziehungen auf diesem Kontinent mit eigentlich (m.E.) zu vielen einzelnen Staaten, die gemeinsam definitiv stärker wären.

Der Einigungsprozess setzt aber m.E. zunächst funktionierende Einzelstaaten voraus. Mir fehlt die Vorstellung, wie eine AU an den Nationalstaaten vorbei etwas bewerkstelligen soll, sei es ethnische Konfliktlösung, Aufbau von Good Governance oder wirtschaftliche Entwicklung. Kompetenzen, die man national gar nicht hat, kann man auch nicht an die AU übertragen.

Oder müsste man eine "AU der Stämme" gründen, die von, angenommen es gäbe diese, führenden Vertretern von Hausa, Yeruba, Bantu, Tuareg, Berber etc. und den hunderten kleineren Ethnien besetzt würde, und die dann - nach entsprechender Einigung und Zukunftsplanung - auf die Menschen in den verschiedenen Ländern mehr Einfluss nehmen könnten, als die Nationalstaaten dazu in der Lage sind? Das klingt äußerst utopisch. :|
Warum nicht das Nächstliegende versuchen: Dort wo Gute Regierungsführung klar erkennbar für Ordnung und Gerechtigkeit sorgt, ob nun Staat oder Region, bietet man Hilfe zur Selbsthilfe an; im wesentlichen technische Ausbildung, Ausbildung von Verwaltungsfachleuten, Ausbildung von Bauingenieuren, Tiefbauingenbieuren, Wasserbauern, Energietechnikern. Man liefert eine Erstausrüstung mit der Auflage, daß der Empfänger selbst für Ersatz zu sorgen hat. In einer Übergangszeit von vielleicht 5 Jahren macht man es ihm damit leicht... danach kostet das sein Geld.

Vielleicht noch ein Schutzbündnis gegen marodierende Räuberbanden, mit denen man wohl zu rechnen hat, wenn da etwas zu holen ist. Irgendwann sind diese Leute dann wohl selbst in der Lage, sich solche Strolche vom Hals zu halten.

Und in völlig gescheiterten Staaten tut man gar nichts, weil jede Hilfe dort verdampft und zerstört wird oder in falsche Hände gerät. Wie ein Staat in Afrika oder auch Südamerika oder Asien tickt, das werden die deutschen Botschafter schon berichten.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

H2O hat geschrieben:(26 Mar 2017, 19:32)

Warum nicht das Nächstliegende versuchen: Dort wo Gute Regierungsführung klar erkennbar für Ordnung und Gerechtigkeit sorgt, ob nun Staat oder Region, bietet man Hilfe zur Selbsthilfe an; im wesentlichen technische Ausbildung, Ausbildung von Verwaltungsfachleuten, Ausbildung von Bauingenieuren, Tiefbauingenbieuren, Wasserbauern, Energietechnikern. Man liefert eine Erstausrüstung mit der Auflage, daß der Empfänger selbst für Ersatz zu sorgen hat. In einer Übergangszeit von vielleicht 5 Jahren macht man es ihm damit leicht... danach kostet das sein Geld.

Vielleicht noch ein Schutzbündnis gegen marodierende Räuberbanden, mit denen man wohl zu rechnen hat, wenn da etwas zu holen ist. Irgendwann sind diese Leute dann wohl selbst in der Lage, sich solche Strolche vom Hals zu halten.

Und in völlig gescheiterten Staaten tut man gar nichts, weil jede Hilfe dort verdampft und zerstört wird oder in falsche Hände gerät. Wie ein Staat in Afrika oder auch Südamerika oder Asien tickt, das werden die deutschen Botschafter schon berichten.
So ungefähr, wobei ich noch weniger ideenmässig vorgeben würde. Ich hatte dazu schon im Eingangsbeitrag was gesagt.

Vor allem fragen. Wie und mit welchen Massnahmen wollt ihr euer Land voranbringen? Wenn plausible Ansätze kommen, unterstützen. Wenn diese tatsächlich konsequent umgesetzt und nachgehalten werden, weiter unterstützen. Wenn gesagt wird: Wir wissen es nicht so genau, wie wir Problem X am besten lösen, könnt ihr nicht Vorschläge machen, dann Vorschläge machen. Könnt ihr einige von uns in der Technologie Y ausbilden, dann im Y ausbilden. Aber es muss ihr Ding bleiben.

Nun ja. Diese Sichtweise wird sich kaum durchsetzen, weil man die Fortschritte so nämlich nicht planen kann. Das will man aber, wenn man Entwicklungsbudgets aufgetrieben hat oder auftreiben will.

Nachtrag: Auch Failed States und deren Menschen sollte man zumindest humanitäre Hilfe zukommen lassen. Ich nehme mal an, das sehen Sie auch so und meinten mit "gar nichts tun" die eigentliche Entwicklungshilfe.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von H2O »

Brainiac hat geschrieben:(26 Mar 2017, 19:56)

So ungefähr, wobei ich noch weniger ideenmässig vorgeben würde. Ich hatte dazu schon im Eingangsbeitrag was gesagt.

Vor allem fragen. Wie und mit welchen Massnahmen wollt ihr euer Land voranbringen? Wenn plausible Ansätze kommen, unterstützen. Wenn diese tatsächlich konsequent umgesetzt und nachgehalten werden, weiter unterstützen. Wenn gesagt wird: Wir wissen es nicht so genau, wie wir Problem X am besten lösen, könnt ihr nicht Vorschläge machen, dann Vorschläge machen. Könnt ihr einige von uns in der Technologie Y ausbilden, dann im Y ausbilden. Aber es muss ihr Ding bleiben.

Nun ja. Diese Sichtweise wird sich kaum durchsetzen, weil man die Fortschritte so nämlich nicht planen kann. Das will man aber, wenn man Budgets aufgetrieben hat oder auftreiben will.
Ihren Vorschlag, erst einmal den Empfänger um Hilfe bei der Lösung seiner Probleme fragen zu lassen, halte ich für sehr sinnvoll... vorausgesetzt eben die Gute Regierungsführung. Man sollte dazu auch gemischte Projektmannschaften bilden, wobei die einheimischen Mitarbeiter nur bei entsprechender Qualifikation in Führungsverantwortung gelangen sollten. Das Ziel sollte sein, daß qualifizierte einheimische Kräfte in die anstehenden Aufgaben hinein wachsen, so daß sie das Projekt später eigenständig in Gang halten können. Man könnte auch daran denken, über Stipendien das fehlende Fachpersonal aus zu bilden... mit dem gleichen Ziel. Das kann ja nur funktionieren, wenn die anfordernde Regierung nicht von Eitelkeit geplagt wird.

Solche Projekte kann man vor Ort auch in allen Einzelheiten und Absichten erklären, um die Menschen dafür zu gewinnen.

Ich halte gar nichts davon, mit der Gießkanne unser Steuergeld zu möglichst großem Wohlwollen der 3. Welt zu streuen. Dann muß die Sache "sich rechnen", und auch das kann man ehrlich sagen. Aber die zuvor genannte Hilfe muß frei von solchen Nützlichkeitsgedanken bleiben. Nur diese Mittel würde ich auch "Entwicklungshilfe" nennen, die übrigen Mittel sind Eintrittsgelder. Na ja, ohne geht's wohl nicht.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von immernoch_ratlos »

Nun ja, meine eigenen Erfahrungen sind inzwischen "verjährt". Es gibt mit Sicherheit große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten. Hier mal eine Info : WIKI "Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC - Southern African Development Community) Die Quelle GIZ "Deutschland weitet bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit SADC aus" oder hier GIZ "Botsuana" oder CIM - Centrum für internationale Migration und Entwicklung Programm Integrierte Fachkräfte (IF-Programm), das sich an deutsche und EU-Fach- und Führungskräfte richtet, die einen Einsatz im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit suchen. Genau das habe ich in den "80ern" insgesamt 6 Jahre getan - 3 davon in Botswana. Als "Beamter auf Zeit" für das dortige Ministry of Education. Aufbau von Berufsschulen (Fachbereiche) - Schulung einheimischer Lehrkräfte - Aufbau eines dualen Systems - HoD - Vermittlung von Ausbildungsplätzen in lokaler Betrieben in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium.

An den Leuten dort liegt es nun wirklich nicht. Eher an den (noch) fehlenden Strukturen "Henne / Ei Prinzip" und notwendige Anpassung eigener Vorstellungen an die lokale Wirklichkeit.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

immernoch_ratlos hat geschrieben:(27 Mar 2017, 19:13)

Nun ja, meine eigenen Erfahrungen sind inzwischen "verjährt". Es gibt mit Sicherheit große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten. Hier mal eine Info : WIKI "Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC - Southern African Development Community) Die Quelle GIZ "Deutschland weitet bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit SADC aus" oder hier GIZ "Botsuana" oder CIM - Centrum für internationale Migration und Entwicklung Programm Integrierte Fachkräfte (IF-Programm), das sich an deutsche und EU-Fach- und Führungskräfte richtet, die einen Einsatz im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit suchen. Genau das habe ich in den "80ern" insgesamt 6 Jahre getan - 3 davon in Botswana. Als "Beamter auf Zeit" für das dortige Ministry of Education. Aufbau von Berufsschulen (Fachbereiche) - Schulung einheimischer Lehrkräfte - Aufbau eines dualen Systems - HoD - Vermittlung von Ausbildungsplätzen in lokaler Betrieben in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium.

An den Leuten dort liegt es nun wirklich nicht. Eher an den (noch) fehlenden Strukturen "Henne / Ei Prinzip" und notwendige Anpassung eigener Vorstellungen an die lokale Wirklichkeit.
Für das CIM wäre ich mal fast tätig geworden, leider kam das Projekt nicht zustande.

Henne/Ei-Problem - weil die Strukturen (noch) fehlen, können sie nur schwer "aus dem Nichts" aufgebaut werden, meinst du das so?

Und kannst du dich an Projekte erinnern, die in dieser Hinsicht besser liefen als die meisten anderen, und wenn ja, was war dort anders?
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

http://www.n-tv.de/politik/Warum-die-Hu ... 64888.html

"Die Dürre war vorhersehbar. Es sind die Kriege, die die Landwirtschaft zerstören und Lebensmittelverteilung verhindern. Südsudans Regierung kauft lieber Waffen statt Nahrungsmittel."

Eben ....
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von relativ »

ThorsHamar hat geschrieben:(28 Mar 2017, 11:04)

http://www.n-tv.de/politik/Warum-die-Hu ... 64888.html

"Die Dürre war vorhersehbar. Es sind die Kriege, die die Landwirtschaft zerstören und Lebensmittelverteilung verhindern. Südsudans Regierung kauft lieber Waffen statt Nahrungsmittel."

Eben ....
Ne die Landwirtschaft leidet in vielen Staaten Afrikas hauptsächlich unter der Dürre und die hat ihren Ursprung eben nicht bei Kriegen.
Das Problem der Vertreibung durch Kriege und Machthaben kommt häufig noch oben drauf. Daher wundere ich mich ja auch immer über deinen pauschalen Schuldzuweisungen gegen die normalen Menschen dort. Ein normaler Mensch kann bei solchen Bedingungen mit seinen Mitteln fast nix mehr tun, ausser flüchten , oder selber Verbrecher zu werden.
Lebensmittelverteilung kommt ja erst, wenn das Kind eh schon in den Brunnen gefallen ist.
Der weltweite Waffenverkauf/handel ist einer der Kataylasoren, in fast allen Konflikten mit Despoten weltweit.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von ThorsHamar »

relativ hat geschrieben:(28 Mar 2017, 11:16)

..... Daher wundere ich mich ja auch immer über deinen pauschalen Schuldzuweisungen gegen die normalen Menschen dort. Ein normaler Mensch kann bei solchen Bedingungen mit seinen Mitteln fast nix mehr tun, ausser flüchten , oder selber Verbrecher zu werden.
Das hat schon was Komisches .... Und "ein normaler Mensch" und dessen (fast) einzige Alternativen klingt ja fast wie 'ne Pauschalisierung.
Der weltweite Waffenverkauf/handel ist einer der Kataylasoren, in fast allen Konflikten mit Despoten weltweit.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von relativ »

ThorsHamar hat geschrieben:(28 Mar 2017, 11:49)

Das hat schon was Komisches .... Und "ein normaler Mensch" und dessen (fast) einzige Alternativen klingt ja fast wie 'ne Pauschalisierung.
Ja die meisten Menschen sind eben "die Normalen", ich kenne diesbezüglich keine bessere Beschreibung aus der Ferne, für Menschen die man persönlich nicht kennt. Da ich ja nicht davon ausgehe, daß bei denen etwas in den "Persönlichkeitsgenen" ist, was der "Normale" andere Weltenbürger nicht hat.
Ein Katalysator allein ist ungefährlich ....
Aber wohl kaum in Gebieten mit bestimmten Vorraussetzungen.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Marmelada »

Brainiac hat geschrieben:(24 Mar 2017, 18:32)

Es geht also darum, die afrikanischen Binnenmärkte zu schützen vor Dumping-Produkten aus Europa und anderswo. Das bedeutet höhere Importzölle, sonstige Barrieren oder freiwillige Selbstbeschränkung der EU und anderer.

Gleichzeitig, das ist auch eine Aussage von Müller aus dem Link zum "Fairen Handel", sollen "die afrikanischen Länder ohne Zölle und sonstige Handelsbarrieren Zugang zum europäischen Markt erhalten". Das ist sicher genauso wichtig, um deren Exporte zu fördern.

Daraus folgt aber, das möchte ich gerne mal auf den Punkt bringen, die Forderung einer asymmetrischen Bevorzugung der afrikanischen Länder.
Nur wenn man die Subventionen für die europäische Agrarwirtschaft außer acht lässt, die Afrika für die eigene Agrarwirtschaft nicht leisten kann.
Sie sollen frei zu uns exportieren können, aber wir nicht dorthin. Ist das gemeint, wenn im Kontext der Dritten Welt von "Fairem Handel" gesprochen wird?
Gemeint sind auch Standards, was die Behandlung der Arbeiter vor Ort betrifft. Diese Standards sind hier inzwischen selbstverständlich, fielen aber nicht vom Himmel, sondern mussten erkämpft werden. Dort sind sie nicht selbstverständlich und wer etwas erkämpfen will, spielt mit seinem Leben. Also ist der Faire Handel bestrebt, faire Standards durchzusetzen. Der Fairnessgedanke dabei ist, dass der Kaffeepflücker in der "Dritten Welt" (annähernd) so fair behandelt wird wie der europäische Arbeitnehmer, der den Kaffee später konsumiert.
Es kann sein, dass das richtig und wichtig und notwendig ist, weil die Drittweltstaaten anders nicht vom Fleck kommen. Man kann dies auch als insofern fair ansehen, als es das ökonomische Ungleichgewicht sozusagen ausgleicht - die EU und andere sollen mit Handicap spielen. Ich habe trotzdem Störgefühle bei solchen Forderungen.
Momentan sieht die Situation so aus:

http://www.zeit.de/2015/51/afrika-eu-ha ... ettansicht
Warum die europäische Handelspolitik diesen Bauern schadet, versteht man, wenn man den Acker von Kojo Ebeneku verlässt und dem Weg der Tomaten folgt. Zu den Märkten und Straßenhändlern in Ghana, die keine heimischen Tomaten verkaufen, sondern Tomaten aus dem Ausland. Zu den riesigen Agrarkonzernen in Süditalien, die diese Tomaten produzieren und im großen Stil exportieren. Zu den Menschen, die diese Tomaten ernten. Am Ende wird man auf ghanaische Flüchtlinge treffen, die Tausende Kilometer weit gereist sind, die die Wüste durchquert und das Meer bezwungen haben, um in Europa genau dasselbe zu tun wie zu Hause: Tomaten zu pflücken. Dieselben Tomaten, die schließlich nach Afrika verschifft werden und dort die Preise drücken. Wollte die EU nicht alles besser machen?
Die exportstarke europäische Agrarindustrie wird gestützt von milliardenschweren Subventionen. Mehr als ein Drittel des gesamten Budgets der Europäischen Union fließt in Agrarsubventionen. Allein Italien erhält zwischen 2014 und 2020 insgesamt 10.444.380.767 Euro – knapp 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Das sind die Kräfteverhältnisse, die dem Handelsabkommen zwischen Europa und Afrika zugrunde liegen: auf der einen Seite eine hoch subventionierte Agrarindustrie mit Hightech-Fabriken. Auf der anderen Seite verrottete Fabrikhallen und winzige Äcker wie der von Kojo Ebeneku.
Man will einerseits mit hochsubventionierten Produkten und ohne Handelsbarrieren die afrikanischen Märkte abgrasen, andererseits sollen hier bitteschön keine Armutsflüchtlinge einlaufen. Sicher kann das Störgefühle verursachen. Sie sind dem Prinzip "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" geschuldet.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

Marmelada hat geschrieben:(29 Mar 2017, 21:14)

Nur wenn man die Subventionen für die europäische Agrarwirtschaft außer acht lässt, die Afrika für die eigene Agrarwirtschaft nicht leisten kann.
Ich bin auch kein Freund der europäischen Agrarsubventionen (sorry, Welfenprinz), jedenfalls nicht in der derzeitigen Höhe. Und ja, Ziele der Entwicklungshilfe können damit konterkariert werden, wenn solcherart subventionierte Erzeugnisse im freien Markt mit afrikanischen Produkten konkurrieren. Man sollte für ein vollständiges Bild aber auch folgende Aspekte betrachten:

1. Die Landwirtschaft Afrikas wird ebenfalls subventioniert - durch Entwicklungshilfe, wovon ein erheblicher Teil in landwirtschaftliche Projekte fliesst (den genauen Anteil kenne ich leider selbst nicht, wenn ich was finde reiche ich es noch nach). In Summe geht jährlich ein zweistelliger Milliardenbetrag an ODA nach Afrika. https://en.wikipedia.org/wiki/Official_ ... _aid_given
2. Die EU-Agrarsubventionen dienen auch zur Abdeckung der Produktionskosten der europäischen Landwirte. Diese dürften, vor allem für kleinere Betriebe, um ein Vielfaches höher sein als in Afrika.
3. Viele afrikanischen Staaten profitieren aufgrund der Importzölle in erheblichem Masse monetär von den EU-Importen. D.h. gäbe es diese Importe nicht, würden finanzielle Probleme auftreten.
4. Mir ist nicht klar, in welchem Umfang die oben beschriebene Konkurrenz subventionierter Agrarprodukte der EU mit afrikanischen Erzeugnissen tatsächlich stattfindet. Es wird gerne behauptet, die EU-Billigexporte machten die afrikanische Landwirtschaft kaputt, ich kenne aber keine konkreten quantitativen Analysen dazu, also, welchen lokalen Marktanteil in den afrikanischen Ländern die Importe aus der EU, seien es Geflügel, Milchpulver oder Tomaten, tatsächlich haben. Es gibt das Beispiel des importierten Geflügels in Ghana, das die lokale Produktion marginalisiert habe. Das ist aber nur ein Land und ein Produkt und die Frage ist, ob das tatsächlich einem generellen Muster folgt. Hier wäre ich an jeglichen Quellen sehr interessiert.
Gemeint sind auch Standards, was die Behandlung der Arbeiter vor Ort betrifft. Diese Standards sind hier inzwischen selbstverständlich, fielen aber nicht vom Himmel, sondern mussten erkämpft werden. Dort sind sie nicht selbstverständlich und wer etwas erkämpfen will, spielt mit seinem Leben. Also ist der Faire Handel bestrebt, faire Standards durchzusetzen. Der Fairnessgedanke dabei ist, dass der Kaffeepflücker in der "Dritten Welt" (annähernd) so fair behandelt wird wie der europäische Arbeitnehmer, der den Kaffee später konsumiert.
Das Ziel dahinter ist sicher löblich, ich bin allerdings nicht sicher, ob das der richtige Weg ist.

Einer der wenigen Vorteile Afrikas sind nun mal die sehr niedrigen Produktionskosten für ihre Produkte. Dass diese so niedrig sind, kann sicher teilweise auch mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen zusammenhängen, vielfach ist es aber auch einfach das Ergebnis des geringen dortigen Lohnniveaus. Die Umsatzmöglichkeiten tragen eben auch keine höheren Löhne. Ein ansonsten arbeitsloser Afrikaner wird vielleicht froh sein über einen Job, der hierzulande als Ausbeutung bezeichnet würde. Ich finde es daher schwierig, von hier aus so etwas verhindern zu wollen. Kommt aber sicher auch darauf an, wie die Einflussnahme geschieht.
Momentan sieht die Situation so aus:

http://www.zeit.de/2015/51/afrika-eu-ha ... ettansicht
Man will einerseits mit hochsubventionierten Produkten und ohne Handelsbarrieren die afrikanischen Märkte abgrasen, andererseits sollen hier bitteschön keine Armutsflüchtlinge einlaufen. Sicher kann das Störgefühle verursachen. Sie sind dem Prinzip "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" geschuldet.
Falls du mit hiermit unterstellen wolltest, meine oben geäußerten "Störgefühle" hätten diesen Hintergrund (Afrika ausbeuten und gleichzeitig hier keine Flüchtlinge mehr haben wollen), liegst du schief. Ich will, dass es den Menschen dort besser geht. Ich bin nur nicht sicher, ob Handelsbarrieren, gleich welcher Art, dazu der richtige Weg sind. Die Entwicklung eines Landes entsteht immer aus sich selbst heraus, und ein Faktor dazu ist, zu erkennen, wo man steht, und dazu ist Transparenz vonnöten, was die eigenen Produkte, hier und woanders, tatsächlich wert sind. Die verschiedenen Handelsbarrieren und Zölle verzerren dieses Bild, daher mein Störgefühl. Es kann aber durchaus sein, dass diese notwendig sind, weil Afrika anders einfach nicht vom Fleck kommt -schrieb ich oben schon. Ich habe einfach keine ganz klare Meinung dazu.

Aus deinem Link:
Mirjam van Reisen, Professorin für Internationale Politik in den Niederlanden, hat die WPA-Verhandlungen als unabhängige Beraterin begleitet. Grundsätzlich hält sie die Idee, Entwicklung durch Handel zu fördern, für richtig. "Die Absichten der EU-Kommission waren nicht vollständig falsch", sagt sie. "Aber es ist unrealistisch, auf Augenhöhe zu verhandeln, wenn die Partner so ungleich sind."
Wie gesagt, das ist möglicherweise so. Dann bedeutet "Fairer Handel" eben, das ökonomische Ungleichgewicht durch Handelsbarrieren auszugleichen. Die zu bekämpfende Unfairness liegt aber nicht im Handelssystem selbst, sondern im ökonomischen Ungleichgewicht der Handelspartner.
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Brainiac
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Brainiac »

Als ich damals diesen Strang eröffnet und mitdiskutiert habe, hatte ich ganz vergessen, dass ich selbst mal live einen funktionierendes Verfahren für Entwicklungshilfe miterlebt habe. Es war allerdings ein Verfahren von Afrikanern für Afrikaner, aber ich sehe keinen prinzipiellen Grund, warum nicht auch Europäer oder Amerikaner so vorgehen könnten:

Eine nigerianische NGO führt "Community Development Projects" durch. Das läuft so ab, dass eine Delegation dieser NGO irgendein Dorf bereist und dort - natürlich in Abstimmung mit den dortigen "oberen Zehntausend" - öffentliche Hearings veranstaltet, was in dem Dorf verbessert werden sollte. Ergebnis ist zB der Bau einer Schule oder eines Krankenhauses.

Sodann unterstützt die NGO das Dorf mit Know-How zu Planung, Technik, Abstimmung mit Regierungsbehörden etc., aber NICHT finanziell. Erst gegen Ende des Projekts erfolgt eine finanzielle Zuwendung (das wird von Anfang an so angekündigt), beispielsweise in Form des Dachs oder der Fenster der Schule, jedenfalls irgendetwas, was ohne die Vorarbeiten keinen Sinn ergibt. ;)

Die meisten dieser Projekte werden m.w. erfolgreich fertiggestellt.
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Boraiel »

Brainiac hat geschrieben:(27 Sep 2017, 20:28)

Als ich damals diesen Strang eröffnet und mitdiskutiert habe, hatte ich ganz vergessen, dass ich selbst mal live einen funktionierendes Verfahren für Entwicklungshilfe miterlebt habe. Es war allerdings ein Verfahren von Afrikanern für Afrikaner, aber ich sehe keinen prinzipiellen Grund, warum nicht auch Europäer oder Amerikaner so vorgehen könnten:

Eine nigerianische NGO führt "Community Development Projects" durch. Das läuft so ab, dass eine Delegation dieser NGO irgendein Dorf bereist und dort - natürlich in Abstimmung mit den dortigen "oberen Zehntausend" - öffentliche Hearings veranstaltet, was in dem Dorf verbessert werden sollte. Ergebnis ist zB der Bau einer Schule oder eines Krankenhauses.

Sodann unterstützt die NGO das Dorf mit Know-How zu Planung, Technike, Abstimmung mit Regierungsbehörden etc., aber NICHT finanziell. Erst gegen Ende des Projekts erfolgt eine finanzielle Zuwendung (das wird von Anfang an so angekündigt), beispielsweise in Form des Dachs oder der Fenster der Schule, jedenfalls irgendetwas, was ohne die Virarbeiten keinen Sinn ergibt.. ;)

Die meisten dieser Projekte werden m.w. erfolgreich fertiggestellt.
Das erscheint mir auf den ersten Blick ein richtig gutes Konzept zu sein.
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
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Re: How to: Entwicklungshilfe

Beitrag von Tom Bombadil »

Brainiac hat geschrieben:(27 Sep 2017, 20:28)

Die meisten dieser Projekte werden m.w. erfolgreich fertiggestellt.
Sehr interessant! Die Akzeptanz dürfte auch ungleich höher sein als bei Maßnahmen von Außen.
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