Ich verstehe dich schon.palulu » So 10. Jan 2016, 02:21 hat geschrieben:Du verstehst nicht, worauf ich hinaus möchte in dieser Debatte, worauf ich verweise - und das überrascht mich nicht. Diese Diskussion endet immer in der gleichen Sackgasse, wenn ich mit EuropäerInnen oder AmerikanerInnen darüber diskutiere; Verständnis schlägt mir eher von MuslimInnen, AsiatInnen, AfrikanerInnen oder - und das nicht selten - von IranerInnen entgegen.
Ich habe gar nicht dir widersprochen, was Lebensqualität und Luxus nach Aufhebung der Sanktionen angeht. Mein Augenmerk liegt auf etwas anderem, das Du anscheinend nicht verstehst oder willens bist zu verstehen, aber für Schwellen- und Entwicklungsländer und deren Gesellschaften nicht nur einen materielle Relevanz darstellt, sondern auch auch eine symbolische.
Der Iran vergisst, dass die eigene Produktion nicht mit westlichen Waren konkurrieren kann und öffnet überstürzt und hastig den eigenen Markt und hat es z.B. laut deinen Links in Sachen EE-Industrie bereits gründlich verkackt. Es gibt keinen Plan, keine Strategie, keine Vision - man möchte zunächst in den Genuss westlicher Güter kommen, ohne an das Morgen zu denken; nicht unähnlich zu einigen EU-Staaten.
Die Sanktionen - das wird dir fast jeder Mensch aus dem Nahen Osten bestätigten - haben dem Iran geschadet, ihn aber auch vorangebracht und zwar nicht zu wenig.
Dem Land fehlt es schlicht an einer Privatwirtschaft, um in einem Wettbewerb standzuhalten oder Produkte zu entwickeln, die auf westlichen Märkten konkurrenzfähig wären. Das Ende des Sanktionsregimes wird den Iran technologisch und wissenschaftlich nur dann - gesetzt dieses Falles - voranbringen, wenn das Land gleichzeitig in eine liberale Marktwirtschaft übergeht. Andernfalls wird der Iran seinen Status als KonsumentInnenmarkt zementieren. Denn die IranerInnen mögen Raketen haben und sie sind auch in einigen wissenschaftlichen Disziplinen beachtenswert, aber es fehlt etwas Elementares: die Rückbindung zur Privatwirtschaft, ohne die sie nicht einmal die modernste Technologie in Geld umsetzen können.
Der Iran ist im Begriff, Wohlstand zu gewinnen, aber langfristige technologisch-wissenschaftliche Entwicklung zu verlieren - auch deshalb, weil westliche Firmen kaum bis gar nicht Wissen liefern - im Gegensatz zu asiatischen. Der Iran wollte eigentlich mit China ein Hochgeschwindigkeitsnetz aufziehen - jetzt aber doch mit den Deutschen (Siemens), die einen Scheiß an Knowhow (ToT) herausrücken werden.
Das ist in meinen Augen eine Saudisierung des Irans. Die größten Unternehmen gehören ohnehin schon den regimnahen Menschen und Verbänden. Wenn erst einmal Milliarden Öldollar ins Land fließen, werden sie mehr denn je ihre Pfründe schützen und Entwicklung bremsen.
Es verhält sich nicht so, wie du es darstellst. Wir sprechen nicht über eine Krabbenpuhlfabrik z.B. in Marokko, wo Nordseekrabben hinverschifft werden und dort einfach nur gepuhlt werden, um dann wieder den Weg hierher zu finden. Also, die marokkanischen Krabbenpuhlerinnen nur zum Krabben puhlen gut sind.
Der Iran wird natürlich Technologie erhalten. Wenn Mercedes wieder größer zurückkommt, dann z.B. mit Produktionsstandorten im Iran. Das bedeutet Technologietransfer und Ausbildung qualifiziertem Personals vor Ort. Das hat auch Synergieeffekte für Zulieferer vor Ort und den Berufsschulen, dem Bildungssystem. Wenn dadurch das Personal höher als bisher qualifiziert wird und höherwertige Produkte produziert werden können, mit besserer Technologie, Effizienz und Logistik ist das immer vorzuziehen. Wir sprechen nicht nur von Endprodukten, die gekauft werden. Sondern von Produktionsstandorten im Iran.
China kann deshalb einigermassen zu gebrauchende Kampfflugzeuge bauen, weil sie die Technologie durch Lizenz aus Russland bekommen haben. Sie bauen jetzt ihren ersten Träger, weil sie einen russischen kaufen konnten. Huawei gibt es, weil US-Firmen, wie Apple ihre Produkte in China fertigen lassen. Ohne technologischen Austausch, mit Sanktionen wäre das nie gegangen. Und das war/ist dem Iran verwehrt. Aus gutem Grund. Damit wollte man u.a. verhindern, daß diese Technologie z.B. dual-use in die Rüstung geht. Der Iran gehört nicht zu den Staaten, die nur als Werkbank dienen. Sie lassen diese Technologie in ihre Produktionszyklen einfliessen. Bekommt der Iran nur eine Gasultrazentrifuge in die Hand, wie geschehen, dann baut er die nach und entwickelt sie weiter. Deshalb wurde dies sanktioniert. Keinen Technologietransfer. Er hat sich diese dann schwarz beschafft. Inzwischen sind die Zentrifugen x-mal so effizient geworden.
Das Beispiel mit den Kampfpanzern von dir hinkt. Es macht einfach keinen Sinn eine teure Panzerentwicklung zu unterhalten, wenn anschliessend etwas dabei herauskommt, das einfach nicht Massentauglich ist. Das teuer ist und im Feld im Ernstfall völlig vergeigt. Nicht effizient ist. Wenn z.B. dann Spanien, Norwegen, die Niederlande, die Schweiz, Indien oder der Iran sagen, daß man lieber Panzer (Flugzeuge, Schiffe...) aus XY kauft und in Lizenz produziert (gilt auch für den Iran), dann ist das weder dumm, eine Katastrophe, noch eine Schande. Der Iran baut russische Panzer in Lizenz. Und wenn der T-90 kommen sollte, dann wird das vermutlich ähnlich laufen. In den iranischen Panzerwerken, mit besserer Technologie als bisher möglich. Welcher Staat kann denn heute alles im zivilen und militärischen Bereich selbst aus eigener Kraft entwickeln und produzieren? Ein Mercedes besteht doch fast komplett aus Teilen, die weltweit entwickelt und produziert worden sind. Am Ende kommt der Stern dran und fertig. Der US-Abrams Panzer hat eine dt. Rheinmetallkanone. Die Europäer brauchen einander um Raketen ins All zu schiessen. Der Iran braucht den Austausch, wie jeder andere Staat auch. Sonst kommt man nicht vorwärts. Er braucht Technologietransfer, Wirtschaftskontakte uvm. um weiterzukommen. Die iranischen IT-Startups brauchen das. Die iranische Gesellschaft braucht das.
Wenn durch den Wegfall der Sanktionen im Iran erstmal Produkte verschwinden, wie einst nach der Wiedervereinigung in der DDR, dann ist das so. Letztendlich wird es besser fürs Land sein, wie im Falle der DDR. Die iranischen Hardliner fürchten, daß nicht nur iranische Produkte, sondern auch sie verschwinden bzw. an Bedeutung verlieren könnten. Dann ist das so.
Der Gedanken eines Ausverkaufs Irans, wie unter dem Schah beschrieben existiert. Nur, es muß nicht so laufen. Oder ist das in der Türkei auch so? In China? Oder Indien? Ist das von Nachteil ohne Sanktionen zu sein? Für die Wirtschaft und Technologie? Wäre mir neu. Wie gesagt, der Iran ist auch nicht Bangladesch oder Marokko. Und wie es bis jetzt läuft, ist keine besonders charmante Zukunftsversion. Davon erzählen die Millionen ausgewanderten IranerInnen. Das ist keine Alternative.