Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

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Der Neandertaler
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Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von Der Neandertaler »

Seit Anbeginn ihrer Karriere hat Frau Dr. Merkel sich ihrer Männer entledigt - Merkel und ihre Männer, alle weg! Nur Sauer durfte bleiben. Ob er sonst sauer geworden wäre?

Angefangen hat wohl alles mit ihrem Ziehvater:
  • Dr. Helmut Kohl
Er hat Angela Merkel 1991 überraschend als Frauen- und Jugendministerin in sein Kabinett geholt. Mit den Worten: "Jetzt wird das Mädchen erstmals halbwegs mit dem Ernst des Lebens konfrontiert", drängte er sie 1993 sogar, den CDU-Landesvorsitz von Mecklenburg-Vorpommern zu übernehmen. 1994 machte er sie zur Umweltministerin, aber als Merkel 1994 in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Kohl vorwarf, der Partei mit der Spendenaffäre "Schaden zugefügt" zu haben, zerbrach das Verhältnis. Der Weg als CDU-Chefin war für Merkel vollends frei, als 2000 wegen der Spenden des Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber auch noch der Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble abtrat.

Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der seinerzeit die Vorzügen der Magnetschwebebahn-Strecke beschrieb, wurde nach Brüssel weggelobt. Er startete wohl vom Hauptbahnhof in München. Ohne, daß er am Flughafen noch einchecken mußte, nahm er also, mit zehn minütiger Verspätung, am Hauptbahnhof in München Minuten einen Flug in Richtung Freiheit. Nachdem er sich von den Strapazen wohl erholt hatte, meldete er sich nun wieder zu Wort. Als Grund für die schwachen CSU-Umfrage- und Wahlergebnisse bei der Landtagswahl 2018 fand er eine durchaus originelle, logische und zugige Erklärung:
  • "In den vergangenen Jahren hat es aufgrund unseres wirtschaftlichen Erfolgs eine einzigartige Wanderungsbewegung nach Bayern gegeben. [...] Aus allen Teilen Deutschlands sind in den letzten zehn Jahren mehr als eine Million Menschen zu uns kommen. Und nicht jeder von ihnen kann wissen, welchen großen Anteil die CSU am Erfolg Bayerns hat."
Nun wurde Stoiber wohl nicht primär wegen seiner "Stammel-Rede", mit der er der Magnetschwebebahn zum Erfolg verhalf und mit der er Internet-Geschichte schrieb, ... er wurde bestimmt nicht deshalb abgeheftet, sondern wohl auch, weil er 2002 als Kanzlerkandidat keiner Union-Wahlerfolg verbuchen konnte. Obwohl: ...
  • CSU-Kandidaten, so scheint es, werden wohl vornehmlich in Krisenzeiten benannt. Als Franz Josef Strauß 1980 Kanzlerkandidat der Union wurde, befand sich die CDU ebenso in einer Krise, wie auch 2002, als Edmund Stoiber dazu benannt wurde.
Ein anderer entledigter Kandidat hat sich auch wieder zurück gemeldet. Der frühere Umweltminister und NRW-Ministerpräsident-Kandidat Norbert Röttgen - Muttis Klügster. Wobei, ... vollkommen weg war er wohl nie - er blieb Vorsitzender des Auswärtigen Ausschußes. Im Oktober 2018 gab er dem Magazin "Der Spiegel" ein Interview. Darin bemerkte er, daß sich politisch in Deutschland etwas verändern müsse. Die Systemkrise werde sich verschärfen, wenn Merkel ihre Methode nicht ändere. "Es passiert aber nichts!", war sein Resümee.

Der aufstrebende Nachwuchspolitiker Roland Koch nervte seinerzeit die Bundespartei mit Forderungen nach weitreichenden Reformen. 1999 wurde er mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft Landtagswahlsieger und somit jüngster Ministerpräsident. Überstand 2000 eine Schwarzgeldaffäre der Landespartei unbeschadet und galt daraufhin als kommender Kanzlerkandidat. Untermauerte hat er dies mit Opposition gegenüber der CDU-Chefin Merkel und einer absoluten Mehrheit in Hessen bei der Wahl 2003. Nach langer und heftiger Rivalität mit Merkel - wohl auch mangels bundespolitischer Perspektive, kündigte er 2010 seinen Rückzug aus der Politik an. Fortan arbeitet er beim Baukonzern Bilfinger Berger. Aber wohl nur kurz:
  • 2011 bis 2014
Der Möchtegern-Sozi Jürgen Rüttgers wurde durch die "Einzelgespräche", die die CDU gegen Geld anbot, wesentlich bekannter. "Rent a Rüttgers" war das Stichwort. Er warf Merkel mangelnde Rücksicht auf Arbeitnehmerinteressen vor, kritisierte die Unschärfe der Merkel-Politik, verlor daraufhin bei der Wahl zehn Prozentpunkte und arbeitet seither als Anwalt und schreibt Bücher.

Dem gegelten Karl-Theodor zu Guttenberg - der Sinatrakopie, jüngster Bundeswirtschaftsminister in der Geschichte der Bundesrepublik und später auch im Verteidigungsressort, ... ihm hat Merkel recht schnell ihr Vertrauen ausgesprochen, angesichts seiner Doktorarbeit und nachfolgendem Plagiatsvorwurf, wie später auch Frau Dr. Schavan. Karl-Theodor zu Guttenberg trat trotzdem von allen politischen Ämtern zurück, hat Deutschland den Rücken gekehrt, lebt mit der Familie im US-Bundesstaat Connecticut und berät seit Ende 2011 die Europäische Kommission sinnvoller Weise in Internetfragen.

Nachdem Friedrich "Bierdeckel" Merz schon von 2000 an zwei Jahre lang die Fraktion geführt hatte, ... nachdem er sich selbst als Kanzlerkandidaten in's Spiel brachte (was vielleicht zum Machtkampf mit Merkel führte und zu seinem Abschwung), ... nachdem er 2007 ankündigte, eine Pause von der Politik zu machen, schickt sich aber nun an, noch mals CDU-Vorsitzender zu werden. Nachdem Merkel eine Entscheidung getroffen hat, nicht mehr Fraktionvorsitzende sein zu wollen ... und auch später nicht mehr zur Bundeskanzlerwahl nicht mehr anzutreten, wirkt sie befreit. Leidenschaft, Kampfgeist, sogar ein Hauch von Pathos - klingt ungewohnt im gewohnten Merkel-Ton etwas mit. Ob im EU-Parlament:
  • Protest der Rechtspopulisten entbrandete, als sie von den 1,5 Millionen Flüchtlingen sprach, die Deutschland "in einer dramatischen Situation" aufgenommen habe und sie unter tosendem Beifall in diese Richtung fragte:
    • "Glauben Sie eigentlich, daß das etwas ist, was uns in die Handlungsunfähigkeit bringen kann?
Als Alice Weidel in der Generaldebatte die eigene Spendenaffäre ausgebreitet hatte, betonte Merkel, daß das Schöne an freiheitlichen Debatten sei, "daß jeder über das spricht, was er für das Land für wichtig hält". Es scheint so, als sich nicht nur die CDU (und Politik) von Merkel entledigt, sondern Merkel auch von der Partei.

Die Frage ist nur:
  • Was macht die AfD?
Sie hat ja, angesichts der "Flüchtlingskrise" und an Merkel gerichtet, immer erklärt:
  • "Wir schaffen das nicht! Sie haben Deutschland gespalten!"... und mit eifrigem Nachdruck gefordert:
    • "Wann treten Sie zurück!"
Merkels neue Freiheit! ... und nun?
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imp
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von imp »

Ein toller Beitrag. Aber 1994? Da hast du dich wohl um eine Dekade vertan?
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Der Neandertaler
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von Der Neandertaler »

imp hat geschrieben:(04 Dec 2018, 18:38)

Ein toller Beitrag. Aber 1994? Da hast du dich wohl um eine Dekade vertan?
https://www.sueddeutsche.de/politik/ang ... .1623073-7
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von imp »

Der Link macht's leider noch doller. Dort wird von Distanz 1994 geschrieben und auf einen Artikel weiter verwiesen, der nach der Wahlniederlage 98 und der Spendenaffäre 99 spielt.
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Der Neandertaler
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von Der Neandertaler »

imp hat geschrieben:(04 Dec 2018, 18:38)

Ein toller Beitrag. Aber 1994? Da hast du dich wohl um eine Dekade vertan?
Sei's drum: schönen Dank für die Anerkennung!
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imp
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von imp »

Der Neandertaler hat geschrieben:(04 Dec 2018, 19:26)

Sei's drum: schönen Dank für die Anerkennung!
Ja, die Kritik ändert nichts am tollen Beitrag. Das Bild von der Männerfresserin beruht meiner Meinung nach auf zwei Tatsachen:

Die Generation der zweiten Reihe, die unter Kohl aufstieg, war nie in der Lage, ihn zu überragen - das gelang seiner Zeit auch nicht CSU-Stoiber, Schäuble oder Geissler, nur Merkel. Und Männer, ja, das waren sie allesamt. Führende, mehrheitsfähige Frauen im passenden Alter waren rar in der Union. Trotz aktiver Personalpolitik Merkels sind sie das noch immer.
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von firlefanz11 »

- und ihr Shitstorm :D

https://www.n-tv.de/panorama/Mit-diesem ... 58149.html

Die Gute hätte sich vllt mal die n-tv.de Kolmune "Der Denglische Patient" reinziehen sollen, dann wär das nicht passiert... :D
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Der Neandertaler
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo imp.
imp hat geschrieben:Die Generation der zweiten Reihe, die unter Kohl aufstieg, war nie in der Lage, ihn zu überragen - das gelang seiner Zeit auch nicht CSU-Stoiber, Schäuble oder Geissler, nur Merkel. Und Männer, ja, das waren sie allesamt. Führende, mehrheitsfähige Frauen im passenden Alter waren rar in der Union. Trotz aktiver Personalpolitik Merkels sind sie das noch immer.
Kohl hat es wissentlich verpaßt oder nicht gewollt, einen Nachfolger aufzubauen. Etwa war Kurt Biedenkopf in den siebziger Jahren ein enger Vertrauter des CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl. Zudem war er von 1973 bis 1977 Generalsekretär der CDU. Nachfolgend war er von 1977 bis 1986 Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Westfalen-Lippe und anschließend bis 1987 Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Es wurde gemunkelt, daß er Helmut Kohl nicht ganz geheuer war und Helmut Kohl deshalb Norbert Blüm als CDU-Landesvorsitzender von NRW bevozugte und durchsetzte.

Angela Merkel hat sehr viel von Helmut Kohl gelernt ... und das sehr gut: "Entscheident ist, was hinten 'raus kommt!", insofern ist ihre Haltung schon verständlich.

"mehrheitsfähige Frauen im passenden Alter"?
Annette Schavan wäre so eine gewesen - aber sie hatte sich nur dummerweise beim Schummeln erwischen lassen. Nun muß es Annegret Kramp-Karrenbauer richten. Ich glaube:
  • Sie macht es!
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imp
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von imp »

Man baut keine Nachfolger auf. Der Nachfolger muss sich schon durchsetzen können.
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firlefanz11
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von firlefanz11 »

Der Neandertaler hat geschrieben:(07 Dec 2018, 14:17)
Angela Merkel hat sehr viel von Helmut Kohl gelernt ... und das sehr gut: "Entscheident ist, was hinten 'raus kommt!",...
Ja, bei Beiden: SCHEISSE! :thumbup:
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von Der Neandertaler »

imp hat geschrieben:(07 Dec 2018, 14:31)

Man baut keine Nachfolger auf. Der Nachfolger muss sich schon durchsetzen können.
zumindest muß man zulassen und akzeptieren, daß Andere hochkommen.
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Re: Merkel und ihre Männer - ihre neue Freiheit? ... in Krisenzeiten?

Beitrag von imp »

Der Neandertaler hat geschrieben:(07 Dec 2018, 16:35)

zumindest muß man zulassen und akzeptieren, daß Andere hochkommen.
Aber erst, wenn man muss. Denn jenseits der Partei wartet die Koalition, die Wahl und das Ausland. Lieber Gewinner als Prinzen.
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