Selina hat geschrieben:(26 Sep 2018, 08:14)
Naja, ich gehöre schon auch zu denen, die die Dinge beim Namen nennen. Das sollte man als Antifaschist, Humanist und Demokrat auch tun. Selbst, wenn ich sage, dass man daraus kein reines ostdeutsches Problem machen sollte, kommt das nicht einer Bagatellisierung gleich. Im Gegenteil. Da gehts eher um eine Aufforderung, zu schauen, wo die Wurzeln liegen. Und dieses rechtsradikale Potential, auch wenn es gerade im Osten lauter und widerlicher geäußert wird im Moment, gibt es nun mal in ganz Deutschland, in ganz Europa und in Amerika. Der Rechtsruck ist ein globales Problem. Schau dir zum Beispiel diesen rechtsextremen amerikanischen Bannon an, der nun extra ne rechte Stiftung gründet, um in Europa weiter zu zündeln. Dieses martialische Chemnitzer Marschieren ist nur die eine offene sichtbare Erscheinung dabei. Das rechtsradikale, fremdenfeindliche und rassistische Denken jedoch ist viel weiter verbreitet, als es den Anschein hat. Die Rechtsintellektuellen, die im Hintergrund die Fäden ziehen, sind genauso gefährlich, wenn nicht noch gefährlicher. Und wenn du dann noch einen Verfassungsschutz hast, der nichts tut, um gegen den Rechtsextremismus im Lande entschieden vorzugehen, der auf dem rechten Auge schon jahrzehntelang blind ist, dann macht mir das schon alles große Sorgen.
Da triffst Du die Sache sehr gut und ich kann Dir voll zustimmen.
Zur Zeit kommen einfach mehrere Dinge zusammen, die die Menschen (über die schon immer da gewesenen und harmlosen 5%) an dem System FDGO, das uns über 70 Jahre Wohlstandsentwicklung (ich schreibe jetzt mal nicht Wohlstand, da es schon noch ein paar Lücken gibt) und Frieden (weitestgehend) zweifeln lassen:
Entwicklung:
- Rasante Entwicklungen in Technik und Kommunikation, die „altes Wissen“ teilweise entwerten und die Kompetenzhierarchie häufig von alt auf jung drehen (Und da ist evtl. der Osten -Erbe des real existierenden Sozialismus - noch stärker betroffen, als der Westen)
- Ökonomische, aber vor allem auch ökologische Notwendigkeit,in immer größerem Rahmen zu denken - Globalisierung.
- Gegenbewegung sind nationalistische-abgrenzende Bewegungen, aber auch religiöser Fanstismus (auf den ich hier nicht weiter eingehe, der aber genauso schlimm ist). Die AfD war nicht umsonst eine EU/Euro-Hasserpartei, bevor sie das One-and-only-Thema Flüchtlinge entdeckte und ist es auch heute noch.
Vergessen:
- die Generation, die die letzte Totalpleite des Nationalismus/Faschismus erleben musste, ist inzwischen tot (im Gegensatz zum Sozialismus, der muss noch 40 Jahre warten)
- breite Schichten der heutigen Generation weisen erhebliche Mängel in Geschichtwissen auf
Ideologie:
- Waren früher Nazis ein spinnender, das tausendjährige Reich verherrlichender Haufen in Springerstiefeln ohne geistigen Hintergrund, gibt es heute eine Menge intelligenter aber gleichermaßen amoralischer Vordenker (hier mal besonders betont - in West und Ost), die unhaltbare faschistische Thesen abwerfen und andere intellektuell unterbauen,
- historische faschistische Denker wie Schmitt oder Iljin werden wieder aufgenommen und als Wegweiser für heute adaptiert.
Macht:
- Faschistische/Nationalistische Länder wie Russland, Polen, Ungarn oder die USA (teilweise, da gibt es noch Widerstand) zeigen Teilerfolge, vor allem für die passende Clientel, die oft dank gleichgeschalteter Presse bzw. Internetfabriken entsprechend gepushed werden.
Und wegen all diesen Fakten wird es nicht ganz einfach, wenn wir unseren Kindern die freiheitlich demokratische Welt weitergeben wollen, die unsere Eltern nach der letzten flächendeckenden Epoche des Nationalismus/Faschismus aufgebaut haben.