Die "Mitte der Gesellschaft" und die "Politische Mitte" ist erstmal mal zweierlei. Auch wenn beides sicher einiges miteinander zu tun hat.
Rein begrifflich bezeichnet "Mitte" den Ort eines irgendwie Ganzen, der in irgendeiner Art eine möglichst gleiche oder auch genau gleiche Entfernung zu allen Randpunkten hat. Das heißt, diese ominöse Mitte definiert sich durch das, was sie eben
nicht ist. Wie es in ein einem guten Artikel zum Thema heißt. ("Der Sehnsuchtsort, den es nicht gibt: Die deutschen Leitmedien fürchten um die gesellschaftliche Mitte: Sie rücke nach rechts, erodiere gar. Was die Mitte ist, weiß niemand.",
http://www.taz.de/!5258816/)
Hinter dieser sehr häufigen Bezugnahme auf irgendeine "Mitte" stehe die Sehnsucht nach einem homogenen Gesellschaftskern. Den es jedoch so gar nicht gibt. Und die ständige Möglichkeit, sich von Extremismen abzusetzen. "Rassismus, der aus der Mitte kommt, wird als „legitime Angst“ deklariert, die man ernst nehmen müsse".
Wie wärs mit einer umgekehrten positiven Sicht: Einer Mindestmenge von Übereinkünften. Dafür bietet sich naheliegenderweise die Verfassung an. Der Zusammenhalt und das Funktionieren der Gesellschaft wird nicht von einer ominösen "Mitte" gewährleistet sondern von denen, die sich zur Verfassung bekennen. Die dann aber auch einen politischen Bias in irgendeiner Richtung aufweisen können, ohne dass ihnen irgendein Extremismus vorgeworfen wird. "Mitte" ist nicht nur langweilig sondern in vielen Fällen auch ohne Potenzial und Wirkung.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)