Ist das Chancenkonto eine liberale Idee?

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Cadarr
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Ist das Chancenkonto eine liberale Idee?

Beitrag von Cadarr »

Hallo,

ich habe in den letzten Tagen viel über das vom Schulz vorgeschlagene Chancenkonto gelesen und gehört. Für mich ist das eine ziemlich liberale Idee. Ich wollte diesen Gedanken gerne mal diskutieren, vielleicht habe ich einen falschen Gedanken gefasst.

Also, in vielen Strömungen des Liberalismus geht es darum den Menschen so zu stärken, dass er eigenverantwortlich sein Leben in die Hand nehmen kann. Es wird Chancengleichheit angestrebt, so dass jeder die Möglichkeit besitzt gestaltend tätig zu werden. Leistung ist wichtiger denn Herkunft.

Der Staat soll um dieses Ziel zu erreichen möglichst schlanke Ansätze bieten, die den Menschen ihre Wege nicht vorschreiben und ihnen ihre Freiheit der Entscheidung lassen. Trotzdem liegt Stärken und Chancengleichheit in fast allen Liberalen Denkschulen auch im Aufgabengebiet des Staates.

Fast jedem Liberalen ist die Bildungspolitik enorm wichtig. Denn durch Bildung kommt man der Eigenverantwortung und der Chancengleichheit näher. Menschen die gebildet sind, lassen sich vom Staat nicht alles sagen. Sie können Verträge auf Augenhöhe abschließen, und werden nicht zu leicht über den Tisch gezogen. Eine liberale Gesellschaft ist eine gebildete Gesellschaft.

Das Bildung alleine eine solche Chancengleichheit herstellt ist aber zu bezweifeln. Viel deutet darauf hin, dass Herkunft und finanzieller familiärer Background sehr stark dazu beitragen wie viel der eigenen eingesetzten "Leistung" auch auf die Straße kommt.

Was braucht ein Mensch um seine Kraft im Leben entfalten zu können?

-> Bildung
-> Kapital um was wagen zu können
-> Soziale Netzwerke

Nach der Engpasstheorie ist die Kraft eines Menschen demnach erst dann voll umsetzbar, wenn keines dieser drei Faktoren limitiert ist.

Das als Grundlage.

Bildung ist jedem klar. Jeder ist für gute Bildung.
Beim Kapital hört es schon auf. Viele Menschen haben kein Kapital auf das sie zugreifen können. Sie müssen Sparen um sich z.B. selbstständig machen zu können (Kredit ohne Sicherheit kann man knicken). Sparen ist ein enormer Zeitaufwand.
Bei den Netzwerken ist es noch schwieriger. Wohlhabende Milieus neigen stark dazu sich zu vernetzten. Hier lernt man schon früh in jeder neuen Umgebung Netzwerke aufzubauen.

So langsam wird der Text lang. Daher jetzt darauf aufbauend der zentrale Gedanke:

Das Chancenkonto verringert den Engpass des Kapitals. Mit ihm wird es möglich seine Kraft besser auf die Straße zu bekommen. Es ist die Erbschaft oder Schenkung die man mit Mitte Zwanzig mit den Worten bekommt: "Probier deine Idee aus. Dann kannst du immer noch einen Job annehmen".

Ich finde 20k auch sehr gut gewählt. Das ist eine Summe, die ist groß genug wirklich Etwas wagen zu können, aber nicht so groß, dass sie dem Staat zu viel kosten würde.

Meine Meinung ist, dass z.B. die FDP bloß nicht gegen das Chancenkonto wettern sollte, sondern den Kerngedanken übernehmen sollte. Natürlich geht es hier um die Ausgestaltung, darüber will ich nicht streiten. Was wird bezahlt? Wie bürokratisch ist das? Ersetzt es Sozialleistungen? usw.

Soweit.

PS. Jemand eine Idee, wie man den Engpass der sozialen Netzwerke verringern könnte?
PPS. Sorry, dass der Text so lang wurde, ich hatte wenig Zeit. (frei nach x)
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imp
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Re: Ist das Chancenkonto eine liberale Idee?

Beitrag von imp »

Cadarr hat geschrieben:(17 Jul 2017, 08:16)

Hallo,

ich habe in den letzten Tagen viel über das vom Schulz vorgeschlagene Chancenkonto gelesen und gehört. Für mich ist das eine ziemlich liberale Idee.
Es ist in verschiedener Hinsicht eine staatsdirigistische Fehlsteuerung.
Statt Förderung von individuellen Problemen und Bedarfen abhängig zu machen, gibt es ein pauschaliertes Budget. Die konkrete Nutzung des Budgets drückt den Arbeitnehmer in die schwierige Lage, bei unerwarteten Entwicklungen kein Budget für dringend nötige Maßnahmen mehr zu haben. Anders herum kann der Arbeitnehmer zum Ende seiner Erwerbskarriere umfangreiche Mittel sorglos nutzen, ohne dass der Gesamtwirtschaft ein Vorteil entstünde oder dem Einzelnen bei einem Problem geholfen wäre. Das Geld ist für den Staat trotzdem weg, er holt es sich beim Steuerzahler. Liberal total?
Sie können Verträge auf Augenhöhe abschließen
Freiheit in der Wahl von Verträgen ist keine Frage des Lesenkönnens sondern eine Frage der tatsächlichen Verhältnisse. Da kannst du gebildet sein, wie du willst, wenn der andere die bessere Ausgangsposition hat.

Beim Kapital hört es schon auf. Viele Menschen haben kein Kapital auf das sie zugreifen können. Sie müssen Sparen um sich z.B. selbstständig machen zu können
Wer durch Sparen schafft, sich auch nur eine Pommesbude zu finanzieren, hat wahrscheinlich einen Job, in dem er keine Pommesbude braucht.

Das Chancenkonto verringert den Engpass des Kapitals.
Mit 5.000-20.000 Euro ist das Gerede vom Kapital doch ziemlich hohl. Zudem ist das auch wieder nur Geld, das der Staat dir monatlich wegnimmt mit der Steuer.
PS. Jemand eine Idee, wie man den Engpass der sozialen Netzwerke verringern könnte?
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