Terror nach Ferdinand von Schirach

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Schuldig oder nicht schuldig ?

Umfrage endete am Do 20. Okt 2016, 21:42

Schuldig
14
40%
Nichtschulding
21
60%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 35
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ThorsHamar
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Keoma hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:44)

Mag sein, dass er juristisch recht hat, so genau kenne ich das deutsche Rechtssystem nicht, er ist jedenfalls sehr von sich eingenommen und die Hiebe in Richtung Schirach à la "Karl May" sind nicht sehr seriös.
Er wird es aushalten .... :cool:
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.
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ThorsHamar
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:41)

Die Menschenwürde ist sehr wohl definiert. .....
Aber nicht als einklagbar!
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

relativ hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:46)

Wieso sollte er auch intensiv auf die Stadionbesucher eingehen. Was hätte er denn von ihnen denn erfahren können, daß sie es gut finden , daß eine Maschine mit unschuldigen Menschen abgeschossen wurde, damit sie gerettet werden konnten? Er hat es doch beschrieben, daß dies bei der Einschätzung der Rechtswidrigkeit gar keine Rolle spielt, wohl auch nicht bei der Frage ob schuldig oder unschuldig.
Weil es die Bejahung des entschuldigenden Notstandes verlangt. Und der entschuldigende Notstand befindet sich, wie seine Bezeichnung ja schon aussagt, nicht mehr auf der Prüfungsebene der Rechtswidrigkeit, sondern kann nur schuldbefreiend wirken. Rechtswidrig bleibt die Tat dann trotzdem. Der entschuldigende Notstand ist auf nahestehende Personen beschränkt, weil er das daraus entstehende moralische Dilemma schützt. Er schützt aber nicht die Rettung von dem Täter vollkommen unbekannter Personen. Und das sind die Zuschauer im Stadion: Sie haben überhaupt kein Verhältnis zum Piloten des Kampfjets, sie sind weder mit ihm verwandt noch stehen sie ihm besonders nahe. Der Pilot kann sich also nicht auf den Notstand berufen, da seine Voraussetzungen gar nicht vorliegen. Und das unterschlägt Fischer einfach.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:49)

Aber nicht als einklagbar!

Natürlich ist sie einklagbar über den Weg der Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr. 4a GG:

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:
[...]
4a. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;

Die Behauptung, durch eine Maßnahme des Staates in der eigenen Menschenwürde verletzt zu sein, reicht aus, § 92 BVerfGG:

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
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relativ
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von relativ »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:54)

Weil es die Bejahung des entschuldigenden Notstandes verlangt. Und der entschuldigende Notstand befindet sich, wie seine Bezeichnung ja schon aussagt, nicht mehr auf der Prüfungsebene der Rechtswidrigkeit, sondern kann nur schuldbefreiend wirken. Rechtswidrig bleibt die Tat dann trotzdem. Der entschuldigende Notstand ist auf nahestehende Personen beschränkt, weil er das daraus entstehende moralische Dilemma schützt. Er schützt aber nicht die Rettung von dem Täter vollkommen unbekannter Personen. Und das sind die Zuschauer im Stadion: Sie haben überhaupt kein Verhältnis zum Piloten des Kampfjets, sie sind weder mit ihm verwandt noch stehen sie ihm besonders nahe. Der Pilot kann sich also nicht auf den Notstand berufen, da seine Voraussetzungen gar nicht vorliegen. Und das unterschlägt Fischer einfach.
Wieso, er unterschlägt es doch gar nicht. Er weisst doch daruf hin, wie ein Schuld bzw. Unschuldfrage bei der Straffindung definiert ist.
Wo liegt die Lösung des Falls? Wir finden sie dort, wo uns weder der Autor Schirach noch der Film auch nur ansatzweise hinführen: Im (Straf)Recht und in der Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld. "Ist Pilot K. schuldig?", fragt das Stück Terror ein ums andere Mal, befasst sich dann aber, zur angeblichen Klärung dieser Frage, überhaupt kein bisschen mit der Schuld des Angeklagten, also der Frage, ob er PERSÖNLICH, in seiner Situation und Lage, mit seinen Kenntnissen, Irrtümern und Voraussetzungen, die rechtswidrige Handlung hätte vermeiden können.
Die Lösung des Falles aber, und die "Gerechtigkeit" gegenüber dem fiktiven Angeklagten, liegt auf einer ganz anderen Ebene, nämlich derjenigen der persönlichen Zumutbarkeit. Über diese Frage muss von Strafgerichten entschieden werden; sie stellte sich dem Bundesverfassungsgericht gar nicht.
Was für Herrn Piloten Koch "gerecht" ist, finden wir ebenfalls im Recht: Es könnte ein "Entschuldigungsgrund" vorliegen, der sich in einer entsprechenden Anwendung des Paragrafen 35 Strafgesetzbuch findet:
"Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige (!) Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. (…)"

Schuldlosigkeit des einzelnen trotz Rechtswidrigkeit seiner Tat, auf der Grundlage einer umfassenden Bewertung seiner individuellen (!), persönlichen (!) Lage und der Zumutbarkeit (!) rechtmäßigen Verhaltens. Das ist die Möglichkeit, die das Recht (!) bietet und nahelegt. In der Strafrechtswissenschaft heißt die Lösung "übergesetzlicher Notstand". Er ist an enge rechtliche (!) Voraussetzungen gebunden und entschuldigt den konkreten Täter, obwohl seine Handlung rechtswidrig ist. Pilot Koch könnte also, wenn die Voraussetzungen vorliegen, ohne weiteres freigesprochen werden. Er könnte auch verurteilt werden, zum Beispiel wenn sich herausstellte, dass er die Maschine nur deshalb abschießt, weil darin sein steinreicher Erbonkel sitzt, dass er die Lage also nur für persönliche Zwecke ausnutzt.
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Der General
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Der General »

jorikke hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:32)

Ich lese Fischers Kommentare immer sehr gerne, scheint er doch ein recht unabhängiger (juristischer)Denker zu sein.
In diesem Fall war ich von seiner Einseitigkeit beeindruckt. Er scheint auf v. Schirach schon lange einen juristischen Groll zu hegen.
Ich bin juristisch viel zu ungebildet um seinen Einwänden im Einzelnen beizupflichten oder sie abzulehnen.
Ich kann aber sehr wohl beurteilen wenn sich jemand an einer Thematik (Theater, Fiktionen, Phantasie) zusätzlich versucht und dabei einen rechten Unsinn verzapft.
Um mich selber zu "prüfen" habe ich mir mehrere Kommentare anderer guter Kommentatoren (Prachtl, SD u.a.) auch reingezogen.
Überall Lob, wo Fischer mosert.
...wäre er Philosoph geblieben.
Danke für den link. habe ich mir gerade mal durchgelesen.

Selbstverständlich hat Fischer da in vielen Punkten Recht und es ist auch gut, dass sich so einer zu Wort meldet. Allerdings ist seine Kritik dann schon ein wenig übertrieben.

Er spricht davon das "Die Leute verarscht werden". Da glaube ich schon das die Mehrheit nicht ganz so doof ist um nicht selber einschätzen zu können, dass es sich um ein Theaterstück handelt nach Vorgabe eines Autors!

Finde das Ganze ansich eigentlich für eine sehr gut gemachte Unterhaltung, tausendmal besser als irgenwelche düsteren und ewig Langweiligen Krimiserien der ARD.

Vielleicht sehen wir ja tatsächlich noch einmal so ein Stück. Chefarzt muß entscheiden wem er ein Spendenorgan gibt, liebe Patienten entscheiden Sie jetzt :D
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

relativ hat geschrieben:(19 Oct 2016, 14:02)

Wieso, er unterschlägt es doch gar nicht. Er weisst doch daruf hin, wie ein Schuld bzw. Unschuldfrage bei der Straffindung definiert ist.
Du verstehst nach wie vor nicht, worauf ich hinauswill:
Was für Herrn Piloten Koch "gerecht" ist, finden wir ebenfalls im Recht: Es könnte ein "Entschuldigungsgrund" vorliegen, der sich in einer entsprechenden Anwendung des Paragrafen 35 Strafgesetzbuch findet:
"Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige (!) Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. (…)"
Nein, eben nicht, der Tatbestand dieses konkreten Entschuldigungsgrundes ist nicht erfüllt!
Schuldlosigkeit des einzelnen trotz Rechtswidrigkeit seiner Tat, auf der Grundlage einer umfassenden Bewertung seiner individuellen (!), persönlichen (!) Lage und der Zumutbarkeit (!) rechtmäßigen Verhaltens. Das ist die Möglichkeit, die das Recht (!) bietet und nahelegt. In der Strafrechtswissenschaft heißt die Lösung "übergesetzlicher Notstand". Er ist an enge rechtliche (!) Voraussetzungen gebunden und entschuldigt den konkreten Täter, obwohl seine Handlung rechtswidrig ist. Pilot Koch könnte also, wenn die Voraussetzungen vorliegen, ohne weiteres freigesprochen werden. Er könnte auch verurteilt werden, zum Beispiel wenn sich herausstellte, dass er die Maschine nur deshalb abschießt, weil darin sein steinreicher Erbonkel sitzt, dass er die Lage also nur für persönliche Zwecke ausnutzt.
Der übergesetzliche Notstand ist niemals in irgendeiner Form irgendwo normiert und definiert bzw. abgegrenzt worden, es gibt nur vereinzelt Rechtsprechung des Reichsgerichts und des OGH für die Britische Besatzungszone dazu, die sich aber auf alte, nicht mehr existente Entschuldigungs-§§ des StGB beziehen. Er ist hochumstritten. Das Ergebnis mag im Endeffekt richtig sein (ich sehe es genauso), doch der Weg dahin ist nicht so leicht, wie Fischer es darstellt. Ein Urteil in so einem Fall wäre ein Meilenstein der Rechtsprechung und sicherlich nicht leicht.
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relativ
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von relativ »

Der General hat geschrieben:(19 Oct 2016, 14:13)

Danke für den link. habe ich mir gerade mal durchgelesen.

Selbstverständlich hat Fischer da in vielen Punkten Recht und es ist auch gut, dass sich so einer zu Wort meldet. Allerdings ist seine Kritik dann schon ein wenig übertrieben.

Er spricht davon das "Die Leute verarscht werden". Da glaube ich schon das die Mehrheit nicht ganz so doof ist um nicht selber einschätzen zu können, dass es sich um ein Theaterstück handelt nach Vorgabe eines Autors!

Finde das Ganze ansich eigentlich für eine sehr gut gemachte Unterhaltung, tausendmal besser als irgenwelche düsteren und ewig Langweiligen Krimiserien der ARD.

Vielleicht sehen wir ja tatsächlich noch einmal so ein Stück. Chefarzt muß entscheiden wem er ein Spendenorgan gibt, liebe Patienten entscheiden Sie jetzt :D
Nunja das Ergebniss der Bürgerentscheide wird ihn wohl mächtig gewurmt haben. Volkes "uninformierte" Stimme über so einen komplexen Sachverhalt im ÖRF zu einfach dargestellt , wurmt einen Juristen vom Fach wohl schon enorm, weil es natürlich auch seine Arbeit und die von anderen Juristen konterkariert
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Kritikaster »

Der General hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:29)

OK, ich glaube Dir und ja ich erinnere mich jetzt auch wieder. Der Zeitliche Ablauf ging von dem Warnschuß aus, stimmt.

Also brauchen wir da jetzt nicht weiter drüber diskutieren, denn 15 Kilometer vor den Ziel in den Sinkflug zu gehen ist ja ein Witz. War der Autor dann doch nicht so gut.
Zustimmung!
Der General hat geschrieben:Mir schon, denn ein vergleichbares Scenario gab es ja noch nicht.
Abgesehen von 9/11 eben. :cool: Aber da folgst Du ja lieber kruden Verschwörungstheorien, weshalb wir auch an dieser Stelle nicht weiter zu diskutieren brauchen.
Der General hat geschrieben:Du warst es doch der sich korrigiert hat nicht ich ;)
Nachdem ich mich zuvor auf die falschen Angaben in Deinem Beitrag verlassen hatte, die einer Überprüfung eben nicht standhielten. Mithin korrigierte ich letzlich das, was Du gepostet hattest. ;)
Der General hat geschrieben:Ach so verstehe. Wie oft bist DU denn schon mit Deinem PC Spiel in die Allianz Arena geflogen ?
Ich bin kein kranker Terrorist, Herr General. :rolleyes:

Aber unabhängig davon haben Dich meine dort erworbenen Kenntnisse doch vollständig überzeugt. Wenn ich erinnern darf:
Der General hat geschrieben:Alles korrekt ausgeführt, freut mich das sich einer auskennt. :thumbup:
Daher verstehe ich nicht, weshalb Du jetzt versuchst, das ins Lächerliche zu ziehen. :?
Der am höchsten entwickelte Sinn ist der Unsinn. (Peter E. Schumacher)
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von relativ »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 14:19)

Du verstehst nach wie vor nicht, worauf ich hinauswill:



Nein, eben nicht, der Tatbestand dieses konkreten Entschuldigungsgrundes ist nicht erfüllt!



Der übergesetzliche Notstand ist niemals in irgendeiner Form irgendwo normiert und definiert bzw. abgegrenzt worden, es gibt nur vereinzelt Rechtsprechung des Reichsgerichts und des OGH für die Britische Besatzungszone dazu, die sich aber auf alte, nicht mehr existente Entschuldigungs-§§ des StGB beziehen. Er ist hochumstritten. Das Ergebnis mag im Endeffekt richtig sein (ich sehe es genauso), doch der Weg dahin ist nicht so leicht, wie Fischer es darstellt. Ein Urteil in so einem Fall wäre ein Meilenstein der Rechtsprechung und sicherlich nicht leicht.
Wo liegt der Fehler des Herrn Fischers, er schrieb doch könnte so aussehen und nicht müsste.
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odiug

Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 12:58)

Thomas Fischer von BGH in Strafsachen hält von dem Kammerspiel jedenfalls nichts: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansicht
Scheinbar nicht ... nein :p
Das ist ein sehr schoener Verriss :thumbup:
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

relativ hat geschrieben:(19 Oct 2016, 14:21)

Wo liegt der Fehler des Herrn Fischers, er schrieb doch könnte so aussehen und nicht müsste.
Nein, es könnte nicht so aussehen, weil eine Berufung auf § 35 StGB rechtswidrig wäre. In seinem eigenen (!) Kommentar zum StGB schreibt Fischer:

"Die Gefahr muss [...] für eine dem Täter tatsächlich nahe stehende [...] Person [bestehen], dh einen Menschen, der dem Täter so verbunden ist, dass er eine Gefahr für jenen auch für sich selbst als Drucksituation empfinden kann; z. B. Verwandte [...]; Lebensgefährten; nahe Freunde [...]; Hausgenossen [...]." Fischer, Strafgesetzbuch Kommentar, 62. Auflage, § 35 Randnummer 7.

Soweit er also sagt, § 35 StGB sei anwendbar, widerspricht er seinem eigenen Kommentar (und der herrschenden Meinung). Die Situation ist höchstens vergleichbar, für eine analoge Anwendung ist auch kein Raum in der Formulierung.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von relativ »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 14:54)

Nein, es könnte nicht so aussehen, weil eine Berufung auf § 35 StGB rechtswidrig wäre. In seinem eigenen (!) Kommentar zum StGB schreibt Fischer:

"Die Gefahr muss [...] für eine dem Täter tatsächlich nahe stehende [...] Person [bestehen], dh einen Menschen, der dem Täter so verbunden ist, dass er eine Gefahr für jenen auch für sich selbst als Drucksituation empfinden kann; z. B. Verwandte [...]; Lebensgefährten; nahe Freunde [...]; Hausgenossen [...]." Fischer, Strafgesetzbuch Kommentar, 62. Auflage, § 35 Randnummer 7.

Soweit er also sagt, § 35 StGB sei anwendbar, widerspricht er seinem eigenen Kommentar (und der herrschenden Meinung). Die Situation ist höchstens vergleichbar, für eine analoge Anwendung ist auch kein Raum in der Formulierung.
Deshalb ja könnte, weil der konstruierte Fall dies gar nicht hergibt, genau diese Ungenauigkeit kritisiert er ja auch.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Nathan »

Eines wird jedenfalls sehr deutlich: Eine Demokratie, die auf die hoch emotionale Reaktion der Bürger und ad hoc Bürgerentscheide aufgebaut wäre stünde auf tönernen Füßen.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von relativ »

Nathan hat geschrieben:(19 Oct 2016, 15:09)

Eines wird jedenfalls sehr deutlich: Eine Demokratie, die auf die hoch emotionale Reaktion der Bürger und ad hoc Bürgerentscheide aufgebaut wäre stünde auf tönernen Füßen.
So sieht es aus, wichtig ist, daß der Bürger eben auch die Möglichkeit hat seine emotional gefühlten Rechte/Gerechtigkeitsgefühl einzufordern, ob er auch Recht bekommt, steht auf einen anderen Blatt.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

relativ hat geschrieben:(19 Oct 2016, 15:01)

Deshalb ja könnte, weil der konstruierte Fall dies gar nicht hergibt, genau diese Ungenauigkeit kritisiert er ja auch.
Dann betreibt er aber Sachverhaltsquetsche, weil es ja der Sachverhalt nicht hergibt :D ...
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Der General »

relativ hat geschrieben:(19 Oct 2016, 14:20)

Nunja das Ergebniss der Bürgerentscheide wird ihn wohl mächtig gewurmt haben. Volkes "uninformierte" Stimme über so einen komplexen Sachverhalt im ÖRF zu einfach dargestellt , wurmt einen Juristen vom Fach wohl schon enorm, weil es natürlich auch seine Arbeit und die von anderen Juristen konterkariert
Ja, dass ist ziemlich klar heraus zu lesen, dass er sich darüber geärgert hat. Ist aber auch verständlich finde ich.

Man sollte das Ganze nicht überbewerten. Für mich war das Thema als solches interessant und auch Unterhaltsam.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Der General »

Firlefanzdetektor hat geschrieben:(19 Oct 2016, 14:21)

Zustimmung!

Abgesehen von 9/11 eben. :cool: Aber da folgst Du ja lieber kruden Verschwörungstheorien, weshalb wir auch an dieser Stelle nicht weiter zu diskutieren brauchen.

Nachdem ich mich zuvor auf die falschen Angaben in Deinem Beitrag verlassen hatte, die einer Überprüfung eben nicht standhielten. Mithin korrigierte ich letzlich das, was Du gepostet hattest. ;)

Ich bin kein kranker Terrorist, Herr General. :rolleyes:

Aber unabhängig davon haben Dich meine dort erworbenen Kenntnisse doch vollständig überzeugt. Wenn ich erinnern darf:

Daher verstehe ich nicht, weshalb Du jetzt versuchst, das ins Lächerliche zu ziehen. :?
Sorry, war nicht meine Absicht irgendwas ins Lächerliche zu ziehen und das Du ein kranker Terrorist bist, wollte ich auch nicht damit ausdrücken.

Es ist nur so, dass ich vor vielen Jahren in einem anderen Forum das Argument hörte, dass ebend jemand mit seiner PC Simulation es schaffte in die Türme zu fliegen und somit überzeugt war es sei sogar relativ einfach gewesen.

Und ja, ich kenne den Microsoft Simulator auch und ist auch nicht schlecht gemacht. In Real aber nicht mehr als ein Spielzeug.

Tipp: Besuche mal einen "echten" Simulator, dann weißt Du was ich meine.

Frage: Wie hast Du eigentlich abgestimmt? Schuldig oder nicht Schuldig?
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Kritikaster »

Der General hat geschrieben:(19 Oct 2016, 15:54)

Sorry, war nicht meine Absicht irgendwas ins Lächerliche zu ziehen und das Du ein kranker Terrorist bist, wollte ich auch nicht damit ausdrücken.
Gut. Danke für die Klarstellung!
Der General hat geschrieben:Es ist nur so, dass ich vor vielen Jahren in einem anderen Forum das Argument hörte, dass ebend jemand mit seiner PC Simulation es schaffte in die Türme zu fliegen und somit überzeugt war es sei sogar relativ einfach gewesen.
Mir ist vollkommen klar, dass das nicht zu vergleichen ist. Was allerdings die theoretischen Grundlagen angeht, kann man offensichtlich auch daraus bereits eine ganze Menge lernen - wenn man will! ;)
Der General hat geschrieben:Und ja, ich kenne den Microsoft Simulator auch und ist auch nicht schlecht gemacht. In Real aber nicht mehr als ein Spielzeug.
Tipp: Besuche mal einen "echten" Simulator, dann weißt Du was ich meine.
Wie gesagt, des Unterschiedes bin ich mir durchaus bewusst.
Der General hat geschrieben:Frage: Wie hast Du eigentlich abgestimmt? Schuldig oder nicht Schuldig?
Die Frage werde ich Dir beantworten. Mich würde allerdings interessieren, ob Du es für möglich hältst, mich dazu einzuschätzen.
Was denkst Du also, habe ich "entschieden" (falls ich mich überhaupt an der Abstimmung beteiligt habe).
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von schelm »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 12:58)

Thomas Fischer von BGH in Strafsachen hält von dem Kammerspiel jedenfalls nichts: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansicht
Ja, danke für den Link, sehr aufschlussreich. Gerade als ich dachte, jetzt hab ich das Anliegen des Bundesrichter verstanden, die im Film fehlende Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und persönlicher Schuld, da las ich dies hier, und war wieder komplett verwirrt :

" Tatsächlich könnte die Lösung des Falls wie folgt gehen: Die Tötung ist selbstverständlich rechtswidrig (außer der des Terroristen; die ist durch Nothilfe gerechtfertigt). ( ... ) "

Nothilfe für wen ? Der Terrorist ist nicht einzeln zu töten, ohne die Passagiere der Maschine auch zu töten. Also kann die Tötung des Terroristen durch die einzige organisatorische Möglichkeit, nämlich den Beschuss des Flugzeuges, da der zu Lasten der Passagiere geht, nicht " gerechtfertigt " sein, wenn man das Wort im Sinne seiner praktischen Bedeutung versteht. Also würde, wenn überhaupt, durch die Tötung des Terroristen Nothilfe für die Besucher im Stadion geleistet, die aber wiederum durch das Urteil des BVerG rechtswidrig wäre. Also, wie denn nun ? :?:

Mich deucht, der Richter betrachtet hier eine Einzelnorm, ohne die Fallumstände zu beachten.
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.
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ThorsHamar
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:59)

Natürlich ist sie einklagbar über den Weg der Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr. 4a GG:

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:
[...]
4a. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;

Die Behauptung, durch eine Maßnahme des Staates in der eigenen Menschenwürde verletzt zu sein, reicht aus, § 92 BVerfGG:

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
Ich bleibe dabei, dass in Deutschland oder sonstwo kein normaler Mensch sein "Recht" auf Menschenwürde einklagen kann.
Ausserdem ist das sowieso nur eine nachgeordnete Ebene.
Die viel wichtigere ist nämlich die direkt staatliche Ebene selbst, in welcher der Staat in Artikel 1 GG sich selbst verpflichtet, die Menschenwürde nicht anzutasten, aber gleichzeitig die Menschenwürde von Kindern, Kranken und alten Menschen aus finanziellen Gründen massiv verletzt .... Das ist nur ein Beispiel ...
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Perdedor »

schelm hat geschrieben: Wie viele Postings muss ich schreiben, bis du auf den Unterschied zum Opa eingehst ? Opa greift nicht an.
Das habe ich doch nun schon mehrfach erklärt.
Die Geisel greifen auch nicht an. Und sie spielen für den Angriff auch keine Rolle. Auch ohne die Geiseln könnte der Terrorist das Flugzeug in das Stadion lenken. Sie stehen lediglich der Neutralisierung der Waffe im Weg. Genau, wie das Leben des Opas der lebensrettenden Organtransplantation im Weg steht.
Wenn du den Geiseln in irgendeinerweise Verantwortung an dem Tod der 70000 geben willst (wieso sonst willst du ihnen weniger Rechte zugestehen als dem Opa?), dann musst du dies auch dem Opa vorwerfen, dessen Weigerung sich töten zu lassen ebenso mehrere Leben kostet.

Irgendwer brachte oben ein anderes Beispiel, das es dir vielleicht klarer macht:
Ein Selbstmordattentäter will sich in einer großen Menschenmenge in die Luft sprengen. Scharfschützen der Polizei sind in Position und man kann sich sicher sein, dass ein finaler Rettungsschuss das Zünden des Sprengstoffs verhindern würde. Leider befinden sich einige unbeteiligte (und unwissende) Menschen im Schussfeld. Man könnte die Schussbahn freiräumen, wenn man auch diese erschießt. Moralisch gerechtfertigt?
[Ich will jetzt keinen Blödsinn hören, von wegen man könnten denen ja einfach in die Beine schießen. Es geht hier im das moralische Dilemma und nicht um Schützenvereins-Fachsimpeleien.]

Ich will mal auf den Punkt kommen, auf den ich eigentlich hinaus wollte (ich hätte nicht gedacht, dass bereits über die Grundlagen Uneinigkeit herrschen könnte). @Amtsschimmel erwähnte oben bereits das Fette-Mann-Problem.
https://de.wikipedia.org/wiki/Trolley-Problem
Es ist gut geeignet zu vedeutlichen, dass es moralisch verboten ist einen Menschen zu töten, wenn dessen Tod lediglich als Mittel zum Zweck dient. Siehe auch
https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzip_der_Doppelwirkung
Das ist es letztendlich wohl auch, was das Verfassungsgericht meinte, als es das Gesetz zum Abschuss für ungültig erklärte, da die Passagiere nur als Objekte betrachtet werden.
Die Frage, welche ich mir stelle ist allerdings, ob die Passagiere wirklich dem fetten Mann entsprechen oder dem Mann auf dem Nebengleis. Einerseits werden sie in der Tat gezielt getötet (im Gegensatz zum Mann auf dem Nebengleis), andererseits wäre ihr Tod nicht prinzipiell notwendig um die 70000 zu retten, der Abschuss wäre nämlich auch wirkungsvoll, wenn sie nicht an Bord wären (im Gegensatz zum fetten Mann).
Arbeit. Leben. Zukunft.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 12:42)

Die Dienstpflicht ist definiert und in Ausnahmesituationen heisst das Stichwort "Verantwortlichkeit für Entscheidungen".
Wenn an der Stelle etwas passiert, was man als Fehler sehen könnte, so ist trotzdem keine Straftat passiert, sondern ein Irrtum in einer aussergewöhnlichen Dienstsituation.
Das MUSS ich als Staatsbürger so sehen. Es ist nämlich mein Grundvertrauen in die Exekutive des Rechtsstaates, an welchem ich seit Jahrzehnten mitarbeite.
Nein, das sehe ich anders.

Ich habe auch Vertrauen in unseren Rechtsstaat und unsere Exekutive. Es gründet sich allerdings, neben vielem anderen, auch auf den Umstand, dass eben auch ein Polizist sich strafbar machen kann, wenn er in vermeintlicher Ausübung der Dienstpflicht - und das kann er ja immer behaupten - unnötig Menschen tötet.

Selbst in den USA, die man in dieser Hinsicht wohl kaum als zu gutmenschlich/bürgerliberal ansehen kann, ist das so.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

schelm hat geschrieben:(19 Oct 2016, 16:14)

Ja, danke für den Link, sehr aufschlussreich. Gerade als ich dachte, jetzt hab ich das Anliegen des Bundesrichter verstanden, die im Film fehlende Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und persönlicher Schuld, da las ich dies hier, und war wieder komplett verwirrt :

" Tatsächlich könnte die Lösung des Falls wie folgt gehen: Die Tötung ist selbstverständlich rechtswidrig (außer der des Terroristen; die ist durch Nothilfe gerechtfertigt). ( ... ) "

Nothilfe für wen ? Der Terrorist ist nicht einzeln zu töten, ohne die Passagiere der Maschine auch zu töten. Also kann die Tötung des Terroristen durch die einzige organisatorische Möglichkeit, nämlich den Beschuss des Flugzeuges, da der zu Lasten der Passagiere geht, nicht " gerechtfertigt " sein, wenn man das Wort im Sinne seiner praktischen Bedeutung versteht. Also würde, wenn überhaupt, durch die Tötung des Terroristen Nothilfe für die Besucher im Stadion geleistet, die aber wiederum durch das Urteil des BVerG rechtswidrig wäre. Also, wie denn nun ? :?:

Mich deucht, der Richter betrachtet hier eine Einzelnorm, ohne die Fallumstände zu beachten.
Für die Tötung des Terroristen dürfte der Betroffene nicht bestraft werden, da hat Fischer schon recht. Es ist in der Anklage genau zu bezeichnen, wessen Tötung bestraft werden soll. Nun mag man sagen können: 164 oder 165, wenn interessiert das? Stimmt aber nicht; eine Verurteilung wegen der Tötung auch des Terroristen ergäbe einen Grund für das Gericht der nächsten Instanz, das Urteil aufzuheben. Dass die Tötung nur in Verbindung mit der Tötung der anderen funktioniert, ist dabei irrelevant. Jeder Tote wird gedanklich einzeln betrachtet und behandelt. Und nur in Bezug auf den Terroristen betrachtet ist der Abschuss des Flugzeugs durch Nothilfe für die Stadionbesucher gerechtfertigt.
ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 16:37)

Ich bleibe dabei, dass in Deutschland oder sonstwo kein normaler Mensch sein "Recht" auf Menschenwürde einklagen kann.
Ausserdem ist das sowieso nur eine nachgeordnete Ebene.
Die viel wichtigere ist nämlich die direkt staatliche Ebene selbst, in welcher der Staat in Artikel 1 GG sich selbst verpflichtet, die Menschenwürde nicht anzutasten, aber gleichzeitig die Menschenwürde von Kindern, Kranken und alten Menschen aus finanziellen Gründen massiv verletzt .... Das ist nur ein Beispiel ...
Ich habe Dir doch jetzt eine genaue Norm genannt, nach der Du das Recht auf Menschenwürde vom Staat gerichtlich einklagen kannst. Dass man vor Gericht auch Unrecht bekommen kann, gehört zur Natur eines Gerichtsverfahrens. Dann heißt das aber nicht, dass Deine Menschenwürde verletzt ist, sondern dass Deine Ansicht darüber, in Deinen Rechten verletzt zu sein, einfach nicht zutrifft. Nur weil man sich ungerecht behandelt fühlt, wird man noch lange nicht tatsächlich ungerecht behandelt. Heutzutage scheint aber jedermann zu denken, gerade er sei Opfer eines ganz besonders großen Unrechts. Nur weil Du der Meinung bist, dass Hartz IV die Menschenwürde verletzt, muss das nicht stimmen - und es stimmt auch nicht. Hartz IV verletzt niemanden in seinen Rechten. Vielleicht solltest Du das einfach einsehen und nicht über Grundrechtsverletzungen philosophieren, die in jeglicher Hinsicht nicht vorliegen.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Zunder »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:36)

Der Passus lautet definitiv: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" .
Das ist in der gesellschaftlichen Praxis eine Falschbehauptung.
Eine korrekte Formulierung könnte sein: Das höchste Gut in unserem Rechtsstaat ist die Menschenwürde.
Ein solche Formulierung krankt zwar immer noch an der Nichtdefinition von "Menschenwürde", macht aber wenigstens keine falschen Versprechungen nach Einklagbarkeit eines Rechtes.
Bei dieser Formulierung handelt es sich um eine rhetorische Figur, mit der das Postulat "Die Würde des Menschen hat als unantastbar zu gelten" zu einem nicht hinterfragbaren Axiom verstärkt wird.
Eine empirische Feststellung kann sie ja nun wirklich nicht sein.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 16:37)

Ich bleibe dabei, dass in Deutschland oder sonstwo kein normaler Mensch sein "Recht" auf Menschenwürde einklagen kann.
Ausserdem ist das sowieso nur eine nachgeordnete Ebene.
Die viel wichtigere ist nämlich die direkt staatliche Ebene selbst, in welcher der Staat in Artikel 1 GG sich selbst verpflichtet, die Menschenwürde nicht anzutasten, aber gleichzeitig die Menschenwürde von Kindern, Kranken und alten Menschen aus finanziellen Gründen massiv verletzt .... Das ist nur ein Beispiel ...
Das aber nicht zieht, da die Ressourcen des Staates nicht unendlich sind. Er kann nicht die Menschenwürde aller beliebig hoch halten und es ist unbillig, das von ihm zu verlangen. Was man von ihm verlangen kann, ist, alles zu tun, um der Menschenwürde aller nach Kräften möglichst gut zu dienen. Und so ist Art. 1 GG in etwa gemeint.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

schelm hat geschrieben:(19 Oct 2016, 16:14)

Ja, danke für den Link, sehr aufschlussreich. Gerade als ich dachte, jetzt hab ich das Anliegen des Bundesrichter verstanden, die im Film fehlende Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und persönlicher Schuld, da las ich dies hier, und war wieder komplett verwirrt :

" Tatsächlich könnte die Lösung des Falls wie folgt gehen: Die Tötung ist selbstverständlich rechtswidrig (außer der des Terroristen; die ist durch Nothilfe gerechtfertigt). ( ... ) "

Nothilfe für wen ? Der Terrorist ist nicht einzeln zu töten, ohne die Passagiere der Maschine auch zu töten. Also kann die Tötung des Terroristen durch die einzige organisatorische Möglichkeit, nämlich den Beschuss des Flugzeuges, da der zu Lasten der Passagiere geht, nicht " gerechtfertigt " sein, wenn man das Wort im Sinne seiner praktischen Bedeutung versteht. Also würde, wenn überhaupt, durch die Tötung des Terroristen Nothilfe für die Besucher im Stadion geleistet, die aber wiederum durch das Urteil des BVerG rechtswidrig wäre. Also, wie denn nun ? :?:

Mich deucht, der Richter betrachtet hier eine Einzelnorm, ohne die Fallumstände zu beachten.
Jeder, der 164 Toten ist ein Mord.
Einer davon war der Terrorist.
Also waeren es nur 163 Mordanklagen.
Darauf wird in dem Stueck nicht eingegangen, aber so verstehe ich das.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Amtsschimmel »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 13:36)

Der Passus lautet definitiv: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" .
Das ist in der gesellschaftlichen Praxis eine Falschbehauptung.
Eine korrekte Formulierung könnte sein: Das höchste Gut in unserem Rechtsstaat ist die Menschenwürde.
Ein solche Formulierung krankt zwar immer noch an der Nichtdefinition von "Menschenwürde", macht aber wenigstens keine falschen Versprechungen nach Einklagbarkeit eines Rechtes.
Du verstehst die Bedeutung nicht. Unantastbar bedeutet, dass ein Eingriff in die Menschenwürde nicht möglich ist. Es gibt natürlich in der Realität tatsächlich "Eingriffe", aber die Formulierung hat programmatischen Charakter: Damit wird nur gesagt, dass ein Mensch genau genommen seiner Würde nicht beraubt werden kann, egal was mit ihm passiert. Klagen wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde werden nicht abgewiesen, weil der Eingriff gerechtfertigt ist (wie das bei anderen Grundrechten geht), sondern weil schon gar kein Eingriff vorliegt. Liegt ein Eingriff in die Garantie hingegen vor, so ist diese immer ungerechtfertigt.

Aus der Menschenwürde ergibt sich im Übrigen kein Recht darauf, genauso viel Vermögen wie andere zu haben. Der Reiche hat nicht "mehr" Würde als der Arme. Das Grundrecht knüpft an die Eigenschaft als Mensch an und nicht an seinen materiellen Besitz.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Brainiac »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 12:58)

Thomas Fischer von BGH in Strafsachen hält von dem Kammerspiel jedenfalls nichts: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansicht
Ein zum Kotzen arrogante Polemik, aber seiner Argumentation und "Lösung" würde ich in etwa folgen. Deine Einwände zum aus deiner Sicht nicht vorliegenden entschuldigen Notstand mal aussen vor, da kenne ich mich nicht aus. Aber vielleicht kann man die Straffreiheit noch anders begründen?
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Brainiac hat geschrieben:(19 Oct 2016, 17:49)

Nein, das sehe ich anders.

Ich habe auch Vertrauen in unseren Rechtsstaat und unsere Exekutive. Es gründet sich allerdings, neben vielem anderen, auch auf den Umstand, dass eben auch ein Polizist sich strafbar machen kann, wenn er in vermeintlicher Ausübung der Dienstpflicht - und das kann er ja immer behaupten - unnötig Menschen tötet.

Selbst in den USA, die man in dieser Hinsicht wohl kaum als zu gutmenschlich/bürgerliberal ansehen kann, ist das so.
Natürlich ist das so. Ich redete von "Die Dienstpflicht ist definiert und in Ausnahmesituationen heisst das Stichwort "Verantwortlichkeit für Entscheidungen" und "Wenn an der Stelle etwas passiert, was man als Fehler sehen könnte, so ist trotzdem keine Straftat passiert, sondern ein Irrtum in einer aussergewöhnlichen Dienstsituation."
Natürlich kann man untersuchen, ob diese Situation tatsächlich in der Dienstpflicht steht.Wenn ja, so gibt es keine Straftat, denn das widerspäche der Dienstdefinition.
Eine "vermeintliche Ausübung der Dienstpflicht" gibt es nämlich nicht.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Zunder hat geschrieben:(19 Oct 2016, 17:55)

Bei dieser Formulierung handelt es sich um eine rhetorische Figur, mit der das Postulat "Die Würde des Menschen hat als unantastbar zu gelten" zu einem nicht hinterfragbaren Axiom verstärkt wird.
Eine empirische Feststellung kann sie ja nun wirklich nicht sein.
Ja, das ist mir schon klar.
Aber die Würde des Menschen IST eben NICHT unantastbar!
Zuletzt geändert von ThorsHamar am Mi 19. Okt 2016, 19:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Amtsschimmel hat geschrieben:(19 Oct 2016, 18:03)

Du verstehst die Bedeutung nicht. Unantastbar bedeutet, dass ein Eingriff in die Menschenwürde nicht möglich ist. Es gibt natürlich in der Realität tatsächlich "Eingriffe", aber die Formulierung hat programmatischen Charakter: Damit wird nur gesagt, dass ein Mensch genau genommen seiner Würde nicht beraubt werden kann, egal was mit ihm passiert. Klagen wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde werden nicht abgewiesen, weil der Eingriff gerechtfertigt ist (wie das bei anderen Grundrechten geht), sondern weil schon gar kein Eingriff vorliegt. Liegt ein Eingriff in die Garantie hingegen vor, so ist diese immer ungerechtfertigt.

Aus der Menschenwürde ergibt sich im Übrigen kein Recht darauf, genauso viel Vermögen wie andere zu haben. Der Reiche hat nicht "mehr" Würde als der Arme. Das Grundrecht knüpft an die Eigenschaft als Mensch an und nicht an seinen materiellen Besitz.
Ach so? ;)
Bitte sehr, Du darfst davon ausgehen, dass ich weiss, worüber ich hier diskutiere.
Der Artikel im GG ist imho der am meisten missachtete Passus im gesamten GG. Schon in diesem Thema wird das deutlich, denn es wird abgewogen, wessen Würde "wichtiger" wäre ....
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Zunder »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 18:57)

Ja, das ist mir schon klar.
Aber die Würde des Menschen IST aber NICHT unantastbar!
Sag ich doch.
Die Formulierung ist ein verschärftes Postulat.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Zunder hat geschrieben:(19 Oct 2016, 19:03)

Sag ich doch.
Die Formulierung ist ein verschärftes Postulat.
Ja, sag ich ja auch. Und dieses Postulat ist angesichts der Realität sinnlos ...
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Zunder »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 19:05)

Ja, sag ich ja auch. Und dieses Postulat ist angesichts der Realität sinnlos ...
Nein, es ist notwendig.
Kein: Du sollst nicht.......
Sondern: Die Würde ist für dich tabu.
Das hat durchaus etwas (säkular-)sakrales.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Zunder hat geschrieben:(19 Oct 2016, 19:20)

Nein, es ist notwendig.
Kein: Du sollst nicht.......
Sondern: Die Würde ist für dich tabu.
Das hat durchaus etwas (säkular-)sakrales.
Ja, genau diese quasi-religiotische Verlogenheit ist es doch, welche ich kritisiere ....
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Brainiac »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 18:55)

Natürlich ist das so. Ich redete von "Die Dienstpflicht ist definiert und in Ausnahmesituationen heisst das Stichwort "Verantwortlichkeit für Entscheidungen" und "Wenn an der Stelle etwas passiert, was man als Fehler sehen könnte, so ist trotzdem keine Straftat passiert, sondern ein Irrtum in einer aussergewöhnlichen Dienstsituation."
Natürlich kann man untersuchen, ob diese Situation tatsächlich in der Dienstpflicht steht.Wenn ja, so gibt es keine Straftat, denn das widerspäche der Dienstdefinition.

Und wenn nein? Darum geht es hier doch.
Eine "vermeintliche Ausübung der Dienstpflicht" gibt es nämlich nicht.
Subjektiv, aus Sicht des Beamten, schon. Ich weiss ja nicht, was du dir unter "Dienstpflicht" eines Polizeibeamten vorstellst. Es dürfte klar sein, dass da nur allgemeine Prinzipien enthalten sein können wie z.B. (§54 Polizeigesetz) "Schußwaffen dürfen gegen einzelne Personen nur gebraucht werden, um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer rechtswidrigen Tat zu verhindern, die[...]"

Wann ist das erfüllt? Es bedarf immer der subjektiven Interpretation auf die konkrete Situation hin, und die kann grob fahrlässig oder böswillig falsch sein, und das muss halt, mindestens theoretisch, strafbar sein und bleiben.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Zunder »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 19:25)

Ja, genau diese quasi-religiotische Verlogenheit ist es doch, welche ich kritisiere ....
Das sehe ich grundsätzlich anders.
Dieses Quasi-Tabu entspringt ja keiner Pfaffenfantasie, um die Schäfchen unter Kontrolle zu halten. Es ist eine durch und durch vernünftige Konsequenz aus den Erfahrungen mit einem der übelsten Verbrecherstaaten, die es jemals gegeben hat.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Zunder hat geschrieben:(19 Oct 2016, 19:46)

Das sehe ich grundsätzlich anders.
Dieses Quasi-Tabu entspringt ja keiner Pfaffenfantasie, um die Schäfchen unter Kontrolle zu halten. Es ist eine durch und durch vernünftige Konsequenz aus den Erfahrungen mit einem der übelsten Verbrecherstaaten, die es jemals gegeben hat.
Ich sehe hier gar keinen grundsätzlichen Dissens bei uns, was den theoretischen Sinn dieser Floskel betrifft.
Ja, der Spruch ist geboren aus den Erfahrungen.
Aber was liest ein junger Mensch heute?
Die Menschenwürde ( was ist das überhaupt?) ist unantastbar, das heisst, theoretisch, denn dass diese Maxime täglich verletzt wird, sieht man in Deutschland und auch dort, wo Deutschland Krieg führt.
Wenn es also mal zur Verletzung dieser Grundprämisse durch professionelle Politiker kommen sollte, so kann man ja klagen, so die Botschaft.
Ja, das ist immerhin eine theoretische Möglichkeit, abhängig von Geldbeutel, Lobby, Durchhaltevermögen überhaupt, nämlich gegen die deutsche Bürokratie zu kämpfen ...

Aber was ich meine, ist viel weiter vorne angesiedelt, nicht erst bei der Möglichkeit, zu klagen:
Es ist die Unverfrorenheit der Politik, die Grundprämisse des GG überhaupt ungestraft beschädigen zu dürfen!!
DAS ist mein Frust! Und das ist auch der Kern dieser Lüge von der Unantastbarkeit ....
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Bielefeld09 »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 20:39)

Ich sehe hier gar keinen grundsätzlichen Dissens bei uns, was den theoretischen Sinn dieser Floskel betrifft.
Ja, der Spruch ist geboren aus den Erfahrungen.
Aber was liest ein junger Mensch heute?
Die Menschenwürde ( was ist das überhaupt?) ist unantastbar, das heisst, theoretisch, denn dass diese Maxime täglich verletzt wird, sieht man in Deutschland und auch dort, wo Deutschland Krieg führt.
Wenn es also mal zur Verletzung dieser Grundprämisse durch professionelle Politiker kommen sollte, so kann man ja klagen, so die Botschaft.
Ja, das ist immerhin eine theoretische Möglichkeit, abhängig von Geldbeutel, Lobby, Durchhaltevermögen überhaupt, nämlich gegen die deutsche Bürokratie zu kämpfen ...

Aber was ich meine, ist viel weiter vorne angesiedelt, nicht erst bei der Möglichkeit, zu klagen:
Es ist die Unverfrorenheit der Politik, die Grundprämisse des GG überhaupt ungestraft beschädigen zu dürfen!!
DAS ist mein Frust! Und das ist auch der Kern dieser Lüge von der Unantastbarkeit ....
Wo hat das Bundesverfassungsgericht diesen ersten Artikel angegriffen?
Er hat ihn bestätigt.
Sonst nix.
Worüber schreibst du hier?
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Bielefeld09 hat geschrieben:(19 Oct 2016, 20:48)

Wo hat das Bundesverfassungsgericht diesen ersten Artikel angegriffen?
Er hat ihn bestätigt.
Sonst nix.
Worüber schreibst du hier?
... allgemein, ergab sich aus dem Verlauf der Gespräche hier.
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von odiug »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 20:39)

Ich sehe hier gar keinen grundsätzlichen Dissens bei uns, was den theoretischen Sinn dieser Floskel betrifft.
Ja, der Spruch ist geboren aus den Erfahrungen.
Aber was liest ein junger Mensch heute?
Die Menschenwürde ( was ist das überhaupt?) ist unantastbar, das heisst, theoretisch, denn dass diese Maxime täglich verletzt wird, sieht man in Deutschland und auch dort, wo Deutschland Krieg führt.
Wenn es also mal zur Verletzung dieser Grundprämisse durch professionelle Politiker kommen sollte, so kann man ja klagen, so die Botschaft.
Ja, das ist immerhin eine theoretische Möglichkeit, abhängig von Geldbeutel, Lobby, Durchhaltevermögen überhaupt, nämlich gegen die deutsche Bürokratie zu kämpfen ...

Aber was ich meine, ist viel weiter vorne angesiedelt, nicht erst bei der Möglichkeit, zu klagen:
Es ist die Unverfrorenheit der Politik, die Grundprämisse des GG überhaupt ungestraft beschädigen zu dürfen!!
DAS ist mein Frust! Und das ist auch der Kern dieser Lüge von der Unantastbarkeit ....
Wo wurde deine Menschenwuerde denn verletzt und vor allem, von wem ?
Dass es ein Harzler nicht leicht hat, gut ... aber was hat das mit seiner Menschenwuerde zu tun ?
Wenn wir zB sagen, die Menschenwuerde verlangt eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und das geht ueber das blosse Existenzminimum hinaus, womit ich dir recht gebe, dann stellt sich die Frage, ab wo dem genuege getan ist.
Und natuerlich sind das Verteilungskaempfe, die ausgetragen werden muessen und damit wird der Begriff Menschenwuerde immer wieder neu ausgewogen.
Aber dass die Definition von Menschenwuerde sich in einem gesellschaftlichen Diskurs wandelt, bedeutet noch lange nicht, dass er dadurch zur "hohlen Phrase" wird, auch wenn dir die Richtung, in die dieser Diskurs im Moment geht nicht gefaellt.
Zuletzt geändert von odiug am Mi 19. Okt 2016, 21:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Bielefeld09 »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 20:52)

... allgemein, ergab sich aus dem Verlauf der Gespräche hier.
Ja, das habe ich auch gelesen.
Aber das erklärt keine Einzelfallentscheidung.
Die Gleichung lautet so für den Piloten:
1 Terrorist, 163 Unschuldige Tote, mindestens 40 000 Unschuldige mögliche Tote im Stadion.
Er hat die Verantwortung und die Schuld für 163 Tote.
Aber er trägt auch die Verantwortung für die nicht Gestorbenen.
Was ist daran diskutabel?
Ich begreife das nicht.
Und komm mir keiner mit anderen Beispielen.
Hier geht es nicht um Verfassung,
Hier geht es um einen detailiert beschriebenen Vorfall.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

odiug hat geschrieben:(19 Oct 2016, 21:02)

Wo wurde deine Menschenwuerde denn verletzt und vor allem, von wem ?
Dass es ein Harzler nicht leicht hat, gut ... aber was hat das mit seiner Menschenwuerde zu tun ?
Wenn wir zB sagen, die Menschenwuerde verlangt eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und das geht ueber das blosse Existenzminimum hinaus, womit ich dir recht gebe, dann stellt sich die Frage, ab wo dem genuege getan ist.
Und natuerlich sind das Verteilungskaempfe, die ausgetragen werden muessen und damit wird der Begriff Menschenwuerde immer wieder neu ausgewogen.
Aber dass die Definition von Menschenwuerde sich in einem gesellschaftlichen Diskurs wandelt, bedeutet noch lange nicht, dass er dadurch zur "hohlen Phrase" wird, auch wenn dir die Richtung, in die dieser Diskurs im Moment geht nicht gefaellt.
Es ist hier nicht ganz das Thema, deshalb möchte ich an dieser Stelle keine Grundsatzdiskussion über den Umgang mit Menschenwürde in Deutschland führen.
Diskussionen über die finanzielle Ausstattung als Ausdruck des Wertschätzung des Staates für die Menschenwürde bei den Themen Bildung, Schulen, Kultur, medizinische Versorgung und Altenheime gibt es sicherlich an anderer Stelle hier.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Bielefeld09 hat geschrieben:(19 Oct 2016, 21:10)

Ja, das habe ich auch gelesen.
Aber das erklärt keine Einzelfallentscheidung.
Die Gleichung lautet so für den Piloten:
1 Terrorist, 163 Unschuldige Tote, mindestens 40 000 Unschuldige mögliche Tote im Stadion.
Er hat die Verantwortung und die Schuld für 163 Tote.
Aber er trägt auch die Verantwortung für die nicht Gestorbenen.
Was ist daran diskutabel?
Ich begreife das nicht.
Und komm mir keiner mit anderen Beispielen.
Hier geht es nicht um Verfassung,
Hier geht es um einen detailiert beschriebenen Vorfall.
Ja, iss ja gut ....
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Bielefeld09 »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 22:17)

Ja, iss ja gut ....
Du, und keine Worte mehr zum Thema: Terror nach Ferdinand von Schirach.
Du hast eben ein Problem mit diesem Thema.
Iss ja gut, das du das akzeptierst.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Bielefeld09 hat geschrieben:(19 Oct 2016, 22:26)

Du, und keine Worte mehr zum Thema: Terror nach Ferdinand von Schirach.
Du hast eben ein Problem mit diesem Thema.
Iss ja gut, das du das akzeptierst.
Hm?
Ich habe weiter vorne schon geschrieben, was ich von diesem ganz speziellen "Thema" halte, nämlich nichts.
Daran hat sich nichts geändert. Ein idiotisches Fernsehspiel mit einem albernen Test für direkte Volksmeinung, wenn man nur die richtig falsche Frage stellt .... :cool:
Herr Fischer hat das ganz passabel dargestellt.
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Bielefeld09 »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 22:32)

Hm?
Ich habe weiter vorne schon geschrieben, was ich von diesem ganz speziellen "Thema" halte, nämlich nichts.
Daran hat sich nichts geändert. Ein idiotisches Fernsehspiel mit einem albernen Test für direkte Volksmeinung, wenn man nur die richtig falsche Frage stellt .... :cool:
Herr Fischer hat das ganz passabel dargestellt.
Es geht hier aber nicht um Herrn Fischer.
Es geht um einen dargestellten Fall und um die Entscheidung des Piloten.
Wo ist eigentlich das hier diskutierte Problem?
Das jeder Pilot jederzeit die Möglichkeit hat,
so ein Verbrechen zu begehen.
So ist das eben.
Und unschuldig bleibt keiner.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von ThorsHamar »

Bielefeld09 hat geschrieben:(19 Oct 2016, 22:50)

Es geht hier aber nicht um Herrn Fischer.
Es geht um einen dargestellten Fall und um die Entscheidung des Piloten.
Wo ist eigentlich das hier diskutierte Problem?
Das jeder Pilot jederzeit die Möglichkeit hat,
so ein Verbrechen zu begehen.
So ist das eben.
Und unschuldig bleibt keiner.
Es geht eben nicht um Schuld ....
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Re: Terror nach Ferdinand von Schirach

Beitrag von Bielefeld09 »

ThorsHamar hat geschrieben:(19 Oct 2016, 22:56)

Es geht eben nicht um Schuld ....
Doch, der Pilot ist einfach nur schuldig des 163 fachen Mordes.
Die Frage ist, ob ein Staat diesen Menschen verurteilt.
Das allerdings entscheidet ein unabhängiges Gericht.
Nicht ich und du auch nicht.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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