http://www.sueddeutsche.de/politik/nied ... -1.2185303Eine Geisteshaltung, die einst die Weltläufe formte, zieht sich zurück: der Konservatismus. Selbst dessen Gegner sollte das nicht freuen - machtpolitisch gesehen, sind die Folgen bedenklich.
Konservative gehen zum Debattieren in ein Wirtshaus neben dem Grab von Strauß; sie essen Milzwurst, und eines ihrer Themen währenddessen ist die Abschiebung von Asylbewerbern. Das sind erstens viel zu viele Klischees für einen einzigen Satz, und zweitens gab es diese Woche genau so ein CSU-Konservativen-Treffen, in Rott am Inn in Oberbayern.
Ist es gewissermaßen das, was übrig geblieben ist von einer Geisteshaltung, die einst die Weltläufte formte? Wer sich selbst für alles andere als konservativ hält, wer dem Konservatismus noch nie etwas abgewinnen konnte - der mag wenig Bedauern verspüren, dass dessen Anhänger mittlerweile so abgemeldet sind; dass CDU und CSU zwar noch Wert auf die Stimmen, aber nicht mehr ernsthaft Wert auf die Meinung von Konservativen legen. Eine solche Schadenfreude wäre recht dämlich. [...]
CDU und CSU stehen vor einem besonderen Problem: Wollen sie mehrheitsfähig bleiben, müssen sie Schritt halten mit diesem Lebensgefühl der Mitte, das tendenziell zugleich das Lebensgefühl der Stadt ist. Zum Wesen ihres Parteimilieus gehört jedoch die Skepsis vor allzu viel gesellschaftlichem Fortschritt. Daher kann eine CDU-Vorsitzende kaum anders, als zu moderieren statt zu dekretieren. Nur dass die verbliebenen Konservativen über der Entwicklung trotzdem verloren gegangen sind - entweder sie ziehen in den Winkel, nach Rott am Inn, oder sie gründen unter dem Titel AfD eine Alternative zu Merkel. [...]
Von Roland Koch, dem Konservativen im einstweiligen Ruhestand, stammt der einordnende Satz dazu: "Konservative Grundsätze sind so etwas wie die Leitplanken für die ungestümen Chancen der Freiheit." Sie werden ebenso gebraucht wie die Unbekümmertheit der Liberalen und der Gerechtigkeitsdrang der Sozialisten. Nur machen sich derzeit wenige Konservative Gedanken über Leitplanken. Asylbewerber, Schwule, Frauenquote, Ausländermaut; das sind stattdessen ihre Themen. So geraten sie in die Meckerecke der Republik.
Speziell an jene, die sich für konservativ halten bzw. einschätzen: Was macht der Begriff für Euch aus? Verbindet Ihr damit -- vergleichbar mit der Religionszugehörigkeit, die ja damit oft Hand in Hand geht -- eine reine Privatangelegenheit bzw. eine Orientierung an "alten" Werten für das eigene Leben? Oder resultiert daraus auch die Notwendigkeit ins Leben anderer (z.B. mittels Politik) einzugreifen und sie ggf. einzuschränken?
Oder steht es für etwas ganz anderes, z.B. daß städtische Strukturen und "Lebensstile" nicht weniger konservativ seien? Oder migrantische Milieus? Oder daß der Autor irrt und diese Krise bzw. zurückgehende Bedeutung so gar nicht vorhanden ist? Oder, oder, oder ...
Freu mich über Eure Definitionen bzw. Meinungen. (Gilt natürlich auch für jene, die mit dem Konservatismus persönlich wenig anfangen können.)