Zitiert von Wähler:
https://magazin.spiegel.de/SP/2017/51/1 ... centerpage
Spiegel 16. Dezember 2017
Das Musketier-Modell - Kapitel:Privatversicherte dagegen lassen sich beliebig schröpfen
Ein Viertel ihrer Praxiseinnahmen erzielen die Ärzte im Durchschnitt mit Privatversicherten, obwohl nur jeder zehnte Patient zu dieser Spezies gehört.
Bei diesem Satz denken viele: "Jaaa - da stützen die Privatversicherten unser
Gesundheitssystem. Denn sonst könnten viele Arztpraxen ja gar nicht existieren."
Genau dieser Gedanke ...
... wird von vielen Vorteilsnehmern und Verfechtern der PKVen
(=Privaten Krankenversicherung) immer wieder vorgebracht. Wie in einer
Endlosschleife. Dabei ist es genau anders herum:
Wenn sich die PKV egalitär an den Solidaritätskosten beteiligen würde, dann
könnten die Beiträge der GKV-Versicherten sinken - und/oder entsprechend die
GKV-Honorare für Ärzte steigen.
Darüberhinaus: Wenn jeder Arzt oder jede Klinik entweder nur gesetzlich
Versicherte oder nur privat Versicherte behandeln dürfte, wäre das private
System in kürzester Zeit am Ende. In einem solchen System wäre jede
Quersubvention ausgeschlossen, und schnell würde klar, in wie vielen
Bereichen das private System parasitär vom gesetzlichen lebt.
Gemeint sind hier nicht die Versicherten, sondern die Unternehmen: Sie wären
nicht in der Lage, eine Krankenhausversorgung für ihre Patienten auch nur im
Ansatz sicherzustellen. Sie nutzen die Infrastruktur der gesetzlichen Kassen und
bezeichnen das sie bewirtenden System auch noch als marode.
Mit einigen Zahlen: Für 2007 sind die Gesamteinnahmen der GKVen 145 Mrd.
Euro, die der PKVen 23 Mrd. Euro, das entspricht knapp 14% der
Gesamteinnahmen. Die Infrastrukur vor Ort (Krankenhäuser, Rettungsdienste
usw.) werden solidarisch von allen (dem Steuerzahler) bezahlt. Aber trotzdem
nutzt die unsolidarische PKV alle diese Anlagen und Großgeräte einfach mit.
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Die Aussage "die PKV-Versicherten" stützten das Gesundheitssystem ist
also entweder eine Aussage höchster Naivität oder extremst perfider
Verteidigung eines ungerechten unsolidarischen dualen Gesundheitssystems.
Weiter geht's:
Als Kranke werden die Kunden von Allianz, Debeka und HUK daher umworben – notfalls auch mit weicheren Sesseln. Das Gefühl der Zweiklassenmedizin gründet vor allem auf der Bezahlung der Ärzte.
Daher gäbe es gute Gründe, die Honorare anzugleichen. Dabei geht es auch darum, dafür zu sorgen, dass sich in jedem Landstrich genug Ärzte finden. Heute lassen sich Mediziner vorzugsweise in jenem Stadtteil nieder, in dem der Anteil an Privatpatienten hoch ist
Die Ungleichverteilung der Ärzte "Stadt-Land" sowie
"Reich-Arm" ist nur eine der negativen Auswirkungen der
Dualen Vergütung.
Wähler hat geschrieben:(14 Jan 2018, 18:51)
10% aller Patienten verursachen dank zwei- oder dreifachem Abrechnungssatz 25% der Kosten im Gesundheitssystem, obwohl die meisten Risikopatienten gesetzlich versichert sind. Kein Wunder, dass Deutschland überdurchschnittlich viel Geld für ein Gesundheitssystem aufbringt, welches unterdurchschnittliche Leistungen hervorbringt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesundhei ... Vergleiche
Das stimmt leider!
Das Deutsche Gesundheitssystem ist überdurchschnittlich teuer. Und
trotzdem sind die Leistungen eher schlecht.
Warum ist das so?
Aus meiner Sicht ist das Hauptproblem die sogenannte "
Fehlallokation".
Ich erläutere das mal an einem Beispiel:
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F E H L A L L O K A T I O N
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Ein bekannter Spitzenchirurg einer deutschen Universitätsklinik operiert
vor allem Leistenbrüche. Und zwar obwohl er sich auf Bauchspeicheldrüsenkrebs
spezialisiert hat. Statt nun alle Fälle mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Umfeld
zu operieren – was zeitlich gut ginge, da die Krankheit nur selten ist –
übernimmt er nur einen kleinen Teil davon und behandelt hauptsächlich
Leistenbrüche. Operiert er einen Bauchspeicheldrüsenkrebspatienten
der AOK, dann steigt sein persönliches Einkommen nicht um einen
einzigen Euro. Operiert er stattdessen in der gleichen Zeit 5 Privatpatienten
mit Leistenbruch, hat er zusätzlichen 3000 Euro verdient.
Dazu muss man wissen: Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine aggressive
Krankheit, 90% überleben das erste Jahr nicht. Bei einem Eingriff durch
einen erfahrenen Operateur ist die Sterbewahrscheinlichkeit direkt nach
dem Eingriff nur halb so groß (5,8%) wie bei Patienten, die von wenig
erfahrenen Ärzten operiert werden (12,9%).
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Ressourcen
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Die knappste Ressource in unserem Gesundheitssystem, die Zeit der
Superspezialisten, wird oft für Trivialeinsätze verschwendet, damit diese
Leute gut verdienen und die Privilegierten zu jedem Zeitpunkt die
bestmögliche Versorgung genießen. Diese Fehlallokation ist in fast
jedem Fachbereich. Es ist also kein marginales Problem, das mal auftritt.
Nein es ist die Regel - und führt zu erheblichen Verzerrungen und
Ineffizienzen des Gesundheitssystems.
Die Spezialisten verbringen einen überproportional großen Teil ihrer
Arbeitszeit mit den Erkrankungen privat Versicherter, statt sich um
die schweren Fälle aller Versicherten zu bemühen. Die Situation hat
sich noch verschlechtert, seit die privaten Krankenversicherungen
verlangen, dass der liquidierende Spezialist die Leistung auch selbst
erbracht haben muss, um abzurechnen, während in der Vergangenheit
oft die Arbeit von weniger qualifizierten Ärzten durchgeführt werden
konnte, und der Spezialist sie nur abgerechnet hat. Man stelle sich vor,
dass die besten Hochschullehrer nur die Kinder von Beamten oder
Einkommensstarken unterrichten würden (eine Situation, von der
wir aus anderen Gründen leider nicht weit entfernt sind).
Die Spezialisten sollten besser bezahlt werden auf der Grundlage der
Qualität ihrer Arbeit, nicht wegen des Anteils an Privatpatienten.
Dieses System hat in der Zwischenzeit sogar die Forschungsleistungen
der deutschen medizinischen Fakultäten deutlich reduziert,
Spitzenplätze werden in fast keinem Bereich der klinischen Forschung
mehr eingenommen (siehe dazu: Rothmund, M.: Die Stellung der
klinischen Forschung in Deutschland im internationalen Vergleich,
1997, Dtsch. Med. Wschr. 122, 1358-1362. Adams J, Benchmarking
international research. 1998, Nature 396, 615-
618. )
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Zusammenfassung
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Das heißt also: Die in allen Fachbereichen der Kliniken verbreitete
Fehlallokation bedingt Ressourcenknappheit für GKV-Versicherte -
und bedeutet damit mittelbar den Nicht-Zugang von GKV-lern zu
Spezialisten, wenn es um Leben und Tod geht.
Wir sehen: Die PKVen betreiben nicht nur ein höchst parasitäres
Geschäftsmodell - nämlich dadurch, dass sie sich in keiner Weise
an der Solidariät beteiligien. Die PKVen sorgen durch Fehlallokationen
sogar für Ineffizienzen, Ressourcenverschwendung(!) und verwehren
GKV-lern, die ja die Solidarität bezahlen (!), in besonders ernsten
Fällen die adäquate Behandlung durch Spezialisten.