eluveitie hat geschrieben:Der Streit um Ideologien, strukturelle Feindbilder oder die schlichten Zusammenhänge der Finanzkrise haben mich veranlasst, über Letztbegründungen in der Politik nachzudenken. Gibt es letzte Gründe in der Politik, die ihrerseits keine weiteren Gründe bedürfen, also synthetische Urteile, die a priori gültig sind?
Das Grundgesetz formuliert immerhin mindestens einen Satz, der wie letztbegründet anmutet, da für seine Geltung keine weiteren Gründe angeführt werden, nämlich: Die Menschenwürde ist unantastbar - einen Satz, den ich übrigens für nicht letztbegründet halte.
Doch was bedeutet das für die praktische Politik? Wenn es letztbegründete Sätze gibt, so können diese logisch immerhin nicht widersprüchlich sein. Wenn Satz A b impliziert und Satz C non-b, so ist offensichtlich, dass nicht beide Sätze letztbegründet sein können.
Was muss für einen Satz gelten, der letztbegründet zu sein beansprucht?
Ein Satz habe dann als letztbegründet zu gelten, wenn er (a) nicht ohne pragmatischen Widerspruch bestritten und (b) nicht ohne dass seine Geltung vorausgesetzt würde, bewiesen werden kann.
Wie komme ich auf diese Diskussion? Wenn es letztbegründete Sätze in der Politik gäbe, so wären diese Sätze qualifiziert, Normen für die Politik zu begründen, die unhintergehbar sind und notwendig alle von ihnen abweichenden politischen Handlungsalternativen als normativ schlechter, d.h. unmoralisch, auszeichnen.
Mit dieser Diskussion einher geht natürlich die
Problematik des Münchhausentrilemmas. Zumindest also die User, die bei der Umfrage mit 'ja' gestimmt haben, müssen sich überlegen, wie sie den drei Behauptungen des Trilemmas entgehen, wonach der Anspruch einer Letztbegründung entweder zum infiniten Regress, zu einem zirkelschlüssigen Argument oder zu einem Dogma degeneriert.
Meine etwas vulgäre Antwort, da ich mit 'ja' abgestimmt habe, lautet, dass der Satz 'Es gibt keine Letztbegründungen' eine Unmöglichkeit behauptet, für die er Wahrheit beansprucht. Unmöglichkeitsbehauptungen lassen sich jedoch logisch in Notwendigkeitsbehauptungen transformieren. 'Es ist unmöglich, dass a' ist identisch mit 'Es ist notwendig, dass nicht-a'; oder mit anderen Worten 'Es ist letztbegründet, dass es keine Letztbegründungen gibt'. Der dialektische Widerspruch ist offensichtlich.
Natürlich interessieren mich die Meinungen der Philosophie-Experten; aber ebenso spannend ist die Frage, auf welche Weise sich verschiedene Politiken rechtfertigen lassen, wenn die Ebene rational eigennützig handelnder Akteure verlassen wird.