Glaube und Erkenntnis

Moderator: Moderatoren Forum 7

Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 21967
Registriert: Fr 7. Aug 2009, 08:08
user title: From Hell

Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Dark Angel »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 14:36)

Natürlich ist Kreationismus nicht naturwissenschaftlich. Darum geht es ja auch nicht. Der naturwissenschaftliche Zugang zur Welt ist ein Zugang. Es gibt andere Zugänge und Ansätze sich die Welt zu erklären. Und es gibt verschiedene Erklärungsmodelle, von denen halt manche naturwissenschaftlich sind (Evolutionstheorie), andere nicht metaphysisch (Kreationismus) etc.

Ich finde das sollte in einer Schule immer begleitend diskutiert und erklärt werden.
Doch darum geht es und nur darum.

Nein - es gibt keine verschiedenen Erklärungen.
Glaube ist keine Erklärung!
Erklärungen sind nachvollziehbar, an und in der Realität überprüfbar und sie sind falsifizierbar.
Erklärungen basieren auf Beobachtungen.
All das kann Glaube nicht liefern und darum ist Glaube auch kein Erklärungsansatz
Zuletzt geändert von Brainiac am Sa 10. Mär 2018, 16:27, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: [MOD] Grundsatzdiskussion aus Strang zu "Kreationismus an dt. Schulen" ausgelagert
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Charles
Beiträge: 1124
Registriert: Fr 17. Apr 2015, 19:29

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Charles »

Dark Angel hat geschrieben:(09 Mar 2018, 14:47)
All das kann Glaube nicht liefern und darum ist Glaube auch kein Erklärungsansatz
Er ist ein Erklärungsansatz, aber halt kein naturwissenschaftlicher.

Man sollte sich mal davon lösen, dass man nur noch naturwissenschaftliche Erklärungen gelten lässt und andere Erkenntnisquellen per se abqualifiziert.
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 91425
Registriert: Do 17. Nov 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Alexyessin »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:14)

Man sollte sich mal davon lösen, dass man nur noch naturwissenschaftliche Erklärungen gelten lässt und andere Erkenntnisquellen per se abqualifiziert.
Warum?
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
Keoma
Beiträge: 18417
Registriert: Mi 25. Jun 2008, 13:27
user title: Drum Legend
Wohnort: Österreich

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Keoma »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:14)

Er ist ein Erklärungsansatz, aber halt kein naturwissenschaftlicher.

Man sollte sich mal davon lösen, dass man nur noch naturwissenschaftliche Erklärungen gelten lässt und andere Erkenntnisquellen per se abqualifiziert.
Kreationismus ist eine Erkenntnisquelle?
Der Gescheitere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

Marie von Ebner-Eschenbach
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Ein Terraner »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:14)

Er ist ein Erklärungsansatz,
Nein ist es nicht, es ist einfach nur eine Geschichte die durch jede X Beliebige austauschbar ist. Gott oder pupsendes Einhorn, erklärt ist damit gar nichts.
Charles
Beiträge: 1124
Registriert: Fr 17. Apr 2015, 19:29

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Charles »

Keoma hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:21)
Kreationismus ist eine Erkenntnisquelle?
Subjektives Erleben ist eine Erkenntnisquelle für die Person, die es erlebt. Und dazu gehört religiöser Glaube.
Charles
Beiträge: 1124
Registriert: Fr 17. Apr 2015, 19:29

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Charles »

Alexyessin hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:19)
Warum?
Weil Naturwissenschaft nicht die "Wahrheit" ist. Das behaupten echte Naturwissenschaftler auch gar nicht.
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 91425
Registriert: Do 17. Nov 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Alexyessin »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:40)

Weil Naturwissenschaft nicht die "Wahrheit" ist.
Die Wahrheit ist etwas, das ein wenig übertrieben klingt, wenn es um irrationale Vorstellungen wie Gottesbilder geht.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:35)

Subjektives Erleben ist eine Erkenntnisquelle für die Person, die es erlebt. Und dazu gehört religiöser Glaube.
Ich nehme an, du meinst, dass religiöser Glaube, spirituelles Erleben eine von mehreren möglichen Erlebensformen ist und nicht, dass religiöser Glaube Voraussetzung für Erkenntnis durch Erleben überhaupt ist ....

Erkenntnistheorie, die Frage nach den Voraussetzungen für Erkenntnis und dem Zustandekommen von Wissen ist eines der Hauptgebiete der Philosophie. Und zumindest in meinem beschränkten Verständnis ist es klar, dass eine Wissenskreierungsmaschinerie wie die Naturwissenschaften diese grundsätzliche Frage logischerweise nicht selbst beantworten kann sondern dass dazu eine Metatheorie nötig ist. Die Naturwissenschaften können sich nicht selbst von außen betrachten. Nur von einem philosophischen Standpunkt kann ein Vergleich zwischen Erkenntnis aus religiösem Glauben und Erkenntnis aus Wissenschaft gezogen werden.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Ein Terraner »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:40)

Weil Naturwissenschaft nicht die "Wahrheit" ist. Das behaupten echte Naturwissenschaftler auch gar nicht.
Das liegt darin das Naturwissenschaften nicht nach Wahrheit suchen sondern nach dem was ist, mit Wahrheiten brüsten sich nur Religionen.
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 91425
Registriert: Do 17. Nov 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Alexyessin »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:35)

Subjektives Erleben ist eine Erkenntnisquelle für die Person, die es erlebt. Und dazu gehört religiöser Glaube.
Das wäre mir aber neu. Aber ohne eigentlich auch keine Frage für diesen Thread.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 21967
Registriert: Fr 7. Aug 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Dark Angel »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:14)

Er ist ein Erklärungsansatz, aber halt kein naturwissenschaftlicher.

Man sollte sich mal davon lösen, dass man nur noch naturwissenschaftliche Erklärungen gelten lässt und andere Erkenntnisquellen per se abqualifiziert.
Welche anderen "Erkenntnisquellen" gibt es denn, die die Kriterien nachvollziehbar, überprüfbar und falsifizierbar erfüllen?
Erklär mal!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
Selina
Beiträge: 17527
Registriert: Do 29. Sep 2016, 15:33

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:50)

Ich nehme an, du meinst, dass religiöser Glaube, spirituelles Erleben eine von mehreren möglichen Erlebensformen ist und nicht, dass religiöser Glaube Voraussetzung für Erkenntnis durch Erleben überhaupt ist ....

Erkenntnistheorie, die Frage nach den Voraussetzungen für Erkenntnis und dem Zustandekommen von Wissen ist eines der Hauptgebiete der Philosophie. Und zumindest in meinem beschränkten Verständnis ist es klar, dass eine Wissenskreierungsmaschinerie wie die Naturwissenschaften diese grundsätzliche Frage logischerweise nicht selbst beantworten kann sondern dass dazu eine Metatheorie nötig ist. Die Naturwissenschaften können sich nicht selbst von außen betrachten. Nur von einem philosophischen Standpunkt kann ein Vergleich zwischen Erkenntnis aus religiösem Glauben und Erkenntnis aus Wissenschaft gezogen werden.
Selbstverständlich ist das so. Eigentlich ne Binse ;)
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 21967
Registriert: Fr 7. Aug 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:50)

Ich nehme an, du meinst, dass religiöser Glaube, spirituelles Erleben eine von mehreren möglichen Erlebensformen ist und nicht, dass religiöser Glaube Voraussetzung für Erkenntnis durch Erleben überhaupt ist ....

Erkenntnistheorie, die Frage nach den Voraussetzungen für Erkenntnis und dem Zustandekommen von Wissen ist eines der Hauptgebiete der Philosophie. Und zumindest in meinem beschränkten Verständnis ist es klar, dass eine Wissenskreierungsmaschinerie wie die Naturwissenschaften diese grundsätzliche Frage logischerweise nicht selbst beantworten kann sondern dass dazu eine Metatheorie nötig ist. Die Naturwissenschaften können sich nicht selbst von außen betrachten. Nur von einem philosophischen Standpunkt kann ein Vergleich zwischen Erkenntnis aus religiösem Glauben und Erkenntnis aus Wissenschaft gezogen werden.
Du hast wirklich ein sehr beschränktes Verständnis, vor allem von Naturwissenschaften und dem, was sie leisten.
Stell dir mal vor, es ist gar NICHT Aufgabe der Naturwissenschaften, sich "von außen zu betrachten", ihre Aufgabe ist es Erklärungen (Antworten) zu liefern und zwar nachvollziehbare, überprüfbare und falsifizierbare. Und dieser Aufgabe werden die Naturwissenschaften gerecht.
Philosophie hingegen liefert gar nichts!
Du überschätzt die Philosophie maßlos, räumst ihr einen Stellenwert ein, den sie schon lange nicht mehr hat!
Es gibt nichtmal DIE Erkenntnistheorie, sondern zig verschiedene in den letzten Jahrhunderten. Welche ist denn die Richtige?
Son Quatsch "braucht Methatheorie" - braucht es gar nicht und schon gar nicht braucht es einen ".
Aus religiösem Glauben werden keine Erkenntnisse gezogen, darum heißt das ja Glaube
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Charles
Beiträge: 1124
Registriert: Fr 17. Apr 2015, 19:29

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Charles »

schokoschendrezki hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:50)
Ich nehme an, du meinst, dass religiöser Glaube, spirituelles Erleben eine von mehreren möglichen Erlebensformen ist und nicht, dass religiöser Glaube Voraussetzung für Erkenntnis durch Erleben überhaupt ist ....
Richtig.

Wenn ich verliebt bin, dann ist das meine Erkenntnis, die ich gewonnen habe, ganz ohne irgendwelche naturwissenschaftlichen Versuche/Experimente/Bücher whatever. Ähnlich läuft es, wenn ein Mensch im Gebet oder aus sonstigem Erleben Gott erkennt.

Die Reduzierung des Menschen auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse halte ich für falsch.
Charles
Beiträge: 1124
Registriert: Fr 17. Apr 2015, 19:29

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Charles »

Ein Terraner hat geschrieben:(09 Mar 2018, 15:51)
Das liegt darin das Naturwissenschaften nicht nach Wahrheit suchen sondern nach dem was ist, mit Wahrheiten brüsten sich nur Religionen.
Zumindest würde kein seriöser Naturwissenschaftler behaupten, dass es keinen Gott gibt oder dass Gott die Welt/den Menschen geschaffen hat. Mit sowas beschäftigt sich ein Naturwissenschaftler überhaupt nicht.

Der beschränkt sich allein darauf zu beschreiben, was er durch Beobachtung und Experimente in der Natur erkennen kann und erstellt daraus Theorien, mit denen er dann arbeitet.

Dieser Ansatz hat natürlich seine Berechtigung, aber hat eben nicht den ultimativen Absolutheitsanspruch auf die reine "Wahrheit" über die Welt, das Dasein etc.
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Ein Terraner »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 20:47)

Zumindest würde kein seriöser Naturwissenschaftler behaupten, dass es keinen Gott gibt oder dass Gott die Welt/den Menschen geschaffen hat. Mit sowas beschäftigt sich ein Naturwissenschaftler überhaupt nicht.
Stimmt, die sagen aber auch nur: Überall wo wir nachgesehen haben war keiner und auch nicht das kleinste Anzeichen dafür, eher das Gegenteil ist der Fall. Desto mehr wir verstehen, desto unwahrscheinlicher wird aktuell die These Gott.
Benutzeravatar
Michi
Beiträge: 378
Registriert: Mo 17. Okt 2016, 17:57
user title: Bundesadrenochrombeauftragter
Kontaktdaten:

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Michi »

Sobald die alternativen Erkenntnisquellen auf dem Mond landen, bin ich gerne bereit, sie ernst zu nehmen.
Meinungsfreiheit bedeutet, dass deine Meinung nicht illegal ist. Beknackt ist sie trotzdem.
Charles
Beiträge: 1124
Registriert: Fr 17. Apr 2015, 19:29

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Charles »

Ein Terraner hat geschrieben:(09 Mar 2018, 20:59)
Stimmt, die sagen aber auch nur: Überall wo wir nachgesehen haben war keiner und auch nicht das kleinste Anzeichen dafür, eher das Gegenteil ist der Fall. Desto mehr wir verstehen, desto unwahrscheinlicher wird aktuell die These Gott.
Ob es übernatürliche Wesen/Kräfte gibt, die auf die Natur einwirken oder diese beherrschen, das kann man naturwissenschaftlich überhaupt nicht herausfinden und damit beschäftigt sich auch kein Naturwissenschaftler. Deshalb würde auch kein seriöser Naturwissenschaftler behaupten, die These Gott sei unwahrscheinlich.
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Kreationismus in deutschen Schulen?

Beitrag von Ein Terraner »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 21:28)

Ob es übernatürliche Wesen/Kräfte gibt, die auf die Natur einwirken oder diese beherrschen, das kann man naturwissenschaftlich überhaupt nicht herausfinden und damit beschäftigt sich auch kein Naturwissenschaftler. Deshalb würde auch kein seriöser Naturwissenschaftler behaupten, die These Gott sei unwahrscheinlich.
So funktioniert das auch gar nicht, sondern es geht mehr in die Richtung das für nichts was im Universum beobachtet werden kann in irgend einer weise ein Gott notwendig wäre um die Beobachtung zu erklären.

P.S. Und was ein seriöser Wissenschaftler sagt oder wer einer ist, liegt bestimmt nicht bei dir.
Benutzeravatar
Watchful_Eye
Beiträge: 3129
Registriert: Sa 7. Jun 2008, 12:13
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Watchful_Eye »

Charles hat geschrieben:(09 Mar 2018, 21:28)

Ob es übernatürliche Wesen/Kräfte gibt, die auf die Natur einwirken oder diese beherrschen, das kann man naturwissenschaftlich überhaupt nicht herausfinden und damit beschäftigt sich auch kein Naturwissenschaftler. Deshalb würde auch kein seriöser Naturwissenschaftler behaupten, die These Gott sei unwahrscheinlich.
Meines Erachtens liegt der Denkfehler auch an einer ganz anderen Stelle: Ja, es kann absolut sein, dass es irgendeine Art von Gott gibt. Aber das, was Gott ist, kann alles mögliche sein. Es kann auch so etwas sein wie ein "Konzept". Der Gott, wie es die Bibel beschreibt, ist nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten, sich einen Gott vorzustellen. Daher verdient diese Vorstellung im Bildungssystem keine Sonderbehandlung.

Das Bildungssystem sollte nicht deshalb gegenüber Religionen neutral sein, weil die Atheisten definitiv recht haben. Sondern, weil es keinen Grund dafür gibt, daran zu glauben. Wenn ich mir einen Gott ausdenke, ist der genau so wahrscheinlich wie das, was in der Bibel steht.
"In a world where I feel so small, I can't stop thinking big." (Rush - Caravan)
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Ein Terraner »

Watchful_Eye hat geschrieben:(09 Mar 2018, 22:00)

Wenn ich mir einen Gott ausdenke, ist der genau so wahrscheinlich wie das, was in der Bibel steht.
Denn wie schon in der Bibel steht, Es gibt keinen Gott. :D
Benutzeravatar
Watchful_Eye
Beiträge: 3129
Registriert: Sa 7. Jun 2008, 12:13
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Watchful_Eye »

Ein Terraner hat geschrieben:(09 Mar 2018, 22:03)

Denn wie schon in der Bibel steht, Es gibt keinen Gott. :D
Gut möglich. Aber das mit den Gottesvorstellungen ist durchaus ernst gemeint. Wenn man Gott nicht irgendwelche Moral zuschreibt, sondern ihn einfach nur als "unbewegten Beweger" sieht, ist die Existenz eines Gottes meines Erachtens genau so wahrscheinlich wie dessen Nichtexistenz bzw. uns fehlt so dermaßen viel Wissen, dass wir überhaupt kein Urteil darüber treffen können. Nur diese niedlichen Geschichten drumrum, wie sie von den großen Weltreligionen vertreten werden, sind halt in sich widersprüchlicher Mumpitz.
"In a world where I feel so small, I can't stop thinking big." (Rush - Caravan)
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Ein Terraner »

Watchful_Eye hat geschrieben:(09 Mar 2018, 22:14)

Gut möglich. Aber das mit den Gottesvorstellungen ist durchaus ernst gemeint. Wenn man Gott nicht irgendwelche Moral zuschreibt, sondern ihn einfach nur als "unbewegten Beweger" sieht, ist die Existenz eines Gottes meines Erachtens genau so wahrscheinlich wie dessen Nichtexistenz bzw. uns fehlt so dermaßen viel Wissen, dass wir überhaupt kein Urteil darüber treffen können. Nur diese niedlichen Geschichten drumrum, wie sie von den großen Weltreligionen vertreten werden, sind halt in sich widersprüchlicher Mumpitz.
Ja ich weiß, Gottes letztes Schlupfloch, jenseits unseres Universums, unseres Verstehens und Begreifens, da wird der Feigling auch nicht mehr rauskommen. :)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Ein Terraner hat geschrieben:(09 Mar 2018, 21:34)
So funktioniert das auch gar nicht, sondern es geht mehr in die Richtung das für nichts was im Universum beobachtet werden kann in irgend einer weise ein Gott notwendig wäre um die Beobachtung zu erklären.
Außer vielleicht für die Existenz des Universums selbst. Bislang jedenfalls.

Und für bestimmte Grundparameter. Die Stärke der vier bekannten physikalischen Wechselwirkungstypen (Gravitation, Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkung) scheint genau so dimensioniert zu sein, dass sie die Entstehung von Leben befördert. Insbesondere die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung in Form der dimensionslosen sommerfeldschen Feinstrukturkonstante von rund 1/137. [Die Dimensionslosigkeit ist hier natürlich ganz entscheidend]. Solange man kein Gleichungssystem, keine Problemstellung findet, dessen Lösung genau diese mystische Zahl ergibt, bleibt es ein offenes und fragliches Problem, warum diese Konstante genau diese Größe hat. Wäre sie nur geringfügig kleiner oder größer, wäre unter anderem die Basis für die Entstehung von organischer Chemie auf Kohlenstoff-Basis nicht mehr gegeben. Außer einer ziemlich simplen Begründung ... nämlich, dass es zig Universen mit zig verschiedenen Feinstrukturkonstanten gibt und wir als vernunftbegabte Wesen eben nur in diesem einen richtig dimensionierten entstehen konnten ... gibts bislang keine naturwissenschaftliche Begründung dafür.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Sa 10. Mär 2018, 06:23, insgesamt 2-mal geändert.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Watchful_Eye hat geschrieben:(09 Mar 2018, 22:00)

Meines Erachtens liegt der Denkfehler auch an einer ganz anderen Stelle: Ja, es kann absolut sein, dass es irgendeine Art von Gott gibt. Aber das, was Gott ist, kann alles mögliche sein. Es kann auch so etwas sein wie ein "Konzept". Der Gott, wie es die Bibel beschreibt, ist nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten, sich einen Gott vorzustellen. Daher verdient diese Vorstellung im Bildungssystem keine Sonderbehandlung.
Die Relevanz der verschiedenen religiösen Schöpfungsmythen für Bildungsinstitutionen wie Schule liegt auch nicht in ihrer erkenntnistheoretischen sondern in ihrer ideengeschichtlichen Bedeutsamkeit. Und das Problematische neuerer Ideologien und Bewegungen wie der des Szientismus oder des "Neuen Atheismus" liegt nicht in der Unlogik der Argumentation sondern in der Unkultiviertheit. In der Negation ideengeschichtlich entstandener Gedankengebäude.

Ich kann mir kaum etwas Unkultivierteres vorstellen als die Herabwürdigung, Ignorierung, Geringschätzung von Philosophie und Geisteswissenschaften.

Wie die meisten -ismen laufen sowohl Szientismus wie auch Kreationismus auf die Essenzialisierung einer bestimmten Vorstellung hinaus. Es soll nichts anderes mehr gelten. Ich habe wenig bis gar keine Ahnung von Pädagogik. Aber ein nichts-sonst und nur-das dürfte in jedem Fall einer Förderung freien und offenen Denkens entgegenstehen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Ein Terraner »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2018, 05:40)

Außer vielleicht für die Existenz des Universums selbst. Bislang jedenfalls.
Ja, aber auch hier gibt es schon Ansätze.
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 21967
Registriert: Fr 7. Aug 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2018, 05:40)

Außer vielleicht für die Existenz des Universums selbst. Bislang jedenfalls.

Und für bestimmte Grundparameter. Die Stärke der vier bekannten physikalischen Wechselwirkungstypen (Gravitation, Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkung) scheint genau so dimensioniert zu sein, dass sie die Entstehung von Leben befördert. Insbesondere die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung in Form der dimensionslosen sommerfeldschen Feinstrukturkonstante von rund 1/137. [Die Dimensionslosigkeit ist hier natürlich ganz entscheidend]. Solange man kein Gleichungssystem, keine Problemstellung findet, dessen Lösung genau diese mystische Zahl ergibt, bleibt es ein offenes und fragliches Problem, warum diese Konstante genau diese Größe hat. Wäre sie nur geringfügig kleiner oder größer, wäre unter anderem die Basis für die Entstehung von organischer Chemie auf Kohlenstoff-Basis nicht mehr gegeben. Außer einer ziemlich simplen Begründung ... nämlich, dass es zig Universen mit zig verschiedenen Feinstrukturkonstanten gibt und wir als vernunftbegabte Wesen eben nur in diesem einen richtig dimensionierten entstehen konnten ... gibts bislang keine naturwissenschaftliche Begründung dafür.
Nein - auch dafür braucht es keinen Gott.
Diese ganze "Warum"- Fragerei zum Universum, seiner Existenz und Beschaffenheit, ist nichts weiter als anthropozentrische Nabelschau.
Nur aus dieser anthropozentrischen Nabelschau - dass alles unbedingt einen ganz bestimmten Sinn haben muss, dass etwas (die Entstehung von Leben/des Menschen) "vorherbestimmt" ist/sein muss, ziehen Religion(en) und Philosophie ihre Existenzberechtigung. Antworten/Erklärungen liefern und/oder zum Erkenntnisgewinn beitragen, können beide nicht.

Und nur weil Naturwissenschaften bisher keine hinreichend genauen Erklärungen liefern können, bedeutet das noch lange nicht, dass eine "höhere Macht" notwendig wäre oder "die Hände im Spiel" hat.
Das bedeutet nur, dass Mensch(en) sich sich viel zu wichtig nehmen und sich mit einem "ich weiß es nicht" nicht abfinden können/wollen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Ein Terraner hat geschrieben:(10 Mar 2018, 09:05)

Ja, aber auch hier gibt es schon Ansätze.
Klar. Auch die Feinjustierung der Naturkonstanten kann - neben der höchst spekulativen Erklärung durch ein Multiversum - völlig und absoluter Zufall und eben auch absolut zufällig auf eine Begünstigung der Entstehung von Leben auf Kohlenstoffbasis hin sein. Und dennoch gibt es zahlreiche Publikationen und zahlreiche auch seriöse Physiker, die - neben diesen beiden Erklärungen - ein (schwaches oder starkes) anthropisches Prinzip oder sogar ein "Designtes Universum" für möglich halten.

Ich persönlich glaube das übrigens nicht, sondern vermute, dass die Differentialgleichung oder allgemeiner die Optimierungsaufgabe, dessen Lösung die Stärken dieser Wechselwirkungen sind, nur noch nicht gefunden wurde. Und ganz speziell, dass es eine (noch unbekannte) Parallele zwischen dem in der Physik universellen Prinzip der kleinsten Wirkung und einer Feinabstimmung dieser Konstanten in Richtung auf die Entstehung komplexer Strukturen (wie "Leben") gibt.

Der "schlechte Ruf" solcher Spekulationen hat zu einem nicht geringen Teil damit zu tun, dass ganz grundlegende naturwissenschaftliche Erkenntnisse (u.a. von Sigmund Freud) völlig zurecht als "Kränkungen" identifiziert wurden: Das heliozentrische Weltbild, die Darwinsche Evolutionstheorie und schließlich die Erkenntnis des Einflusses unbewusster psychologischer Antriebe. Mit allen drei Erkenntnissen musste der Mensch das Selbstbild einer Sonderstellung in der Welt ein Stück weit aufgeben, Mit den entsprechenden erwartbaren WIderständen.

Aber genau die Verinnerlichung und das Begreifen dieser Zusammenhänge befreit den Menschen andererseits vor einem reflexhaften und zwanghaften Zurückweichen vor Weltmodellen, die solche anthropischen Prinzipien zumindest nicht grundsätzlich ausschließen. DIe eine (nach Nietzsche) "fröhliche Wissenschaft" erlauben. Ohne Denkverbote und selbstauferlegte Umzäunungen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
H2O
Moderator
Beiträge: 46989
Registriert: So 13. Sep 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von H2O »

Hallo, hier geht's weiter in der Wahrheitssuche mit geänderter Strangüberschrift.
Skeptiker

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Skeptiker »

Dark Angel hat geschrieben:(10 Mar 2018, 10:29)
Nein - auch dafür braucht es keinen Gott.
Diese ganze "Warum"- Fragerei zum Universum, seiner Existenz und Beschaffenheit, ist nichts weiter als anthropozentrische Nabelschau.
Nur aus dieser anthropozentrischen Nabelschau - dass alles unbedingt einen ganz bestimmten Sinn haben muss, dass etwas (die Entstehung von Leben/des Menschen) "vorherbestimmt" ist/sein muss, ziehen Religion(en) und Philosophie ihre Existenzberechtigung. Antworten/Erklärungen liefern und/oder zum Erkenntnisgewinn beitragen, können beide nicht.

Und nur weil Naturwissenschaften bisher keine hinreichend genauen Erklärungen liefern können, bedeutet das noch lange nicht, dass eine "höhere Macht" notwendig wäre oder "die Hände im Spiel" hat.
Das bedeutet nur, dass Mensch(en) sich sich viel zu wichtig nehmen und sich mit einem "ich weiß es nicht" nicht abfinden können/wollen.
Absolut treffend, wie ich finde. Für mich war schon immer der wichtigste Grund gegen das Konzept eines Gottes, die Natur des Menschen selber.

Gott existiert in den Köpfen der Menschen, aber eben nur dort - ohne Menschen kein Gott. Gott äußert sich in der Natur nirgendwo. Nichts, absolut nichts, deutet auf seine reale Existenz hin. Insofern bleibt als einzige Ursache die Psychologie des Menschen übrig. Die liefert viele Gründe an der Vorstellung eines Gottes festzuhalten. Daher ist es weitaus wahrscheinlicher, dass Gott ein psychologisches Phänomen ist, als dass Gott Teil oder Schöpfer der Natur ist - jedenfalls aus der logischen Perspektive gesehen.

Wer dem einzig ein "ich nehme das anders wahr, ich fühle dass es Gott gibt" entgegensetzt, dem muss man leider sagen, dass die Sinne des Menschen keine Wahrheitsorgane, sondern Wahrnehmungsorgane sind. Wer glaubt wissenschaftlicher Systematik Gefühle gleichwertig gegenüberstellen zu können, der sollte mit einem Praktikum in der Psychiatrie mal sein Wissen über Sinnesfehlleistungen erweitern. Unsere Sinne sind alles andere als genau. Es kommt nur auf die richtige Droge an und es kann einem jeder Gott geliefert werden den man braucht.
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 91425
Registriert: Do 17. Nov 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Alexyessin »

Ein Terraner hat geschrieben:(09 Mar 2018, 22:17)

Ja ich weiß, Gottes letztes Schlupfloch, jenseits unseres Universums, unseres Verstehens und Begreifens, da wird der Feigling auch nicht mehr rauskommen. :)
Witzigerweise ist, soweit ich es im Kopf habe, diese Prima Causa Idee ihren Ursprung bei Aristoteles. Der Grundstein alles Seins, der philosophische Versuch der Erklärung von Beginn an.
Hm, also kehrt unsere Gottesvorstellung der letzten Möglichkeit zurück in das Stadium, aus dem es einst ein griechisch-makedonischer Philosoph hineingedacht hat.
Wow, knapp 2300 Jahre sind wir in der Theologie da, wo man angfangen haben :)
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Mar 2018, 20:07)
Wer dem einzig ein "ich nehme das anders wahr, ich fühle dass es Gott gibt" entgegensetzt, dem muss man leider sagen, dass die Sinne des Menschen keine Wahrheitsorgane, sondern Wahrnehmungsorgane sind.
Lieber Skeptiker. Um auf die Erkenntnis zu kommen, dass selbst eine geringfügige Änderung der Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung in Form der Feinstrukturkonstante nach oben oder unten, die Entstehung komplexer Moleküle auf C-Basis verunmöglicht, ist sehr viel mehr als ein vages Gefühl und anstelle dessen harte, schweißtreibende wissenschaftliche Arbeit nötig.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Skeptiker

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Skeptiker »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2018, 20:25)
Lieber Skeptiker. Um auf die Erkenntnis zu kommen, dass selbst eine geringfügige Änderung der Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung in Form der Feinstrukturkonstante nach oben oder unten, die Entstehung komplexer Moleküle auf C-Basis verunmöglicht, ist sehr viel mehr als ein vages Gefühl und anstelle dessen harte, schweißtreibende wissenschaftliche Arbeit nötig.
Ich rätsel etwas darüber, was Du mir damit sagen willst.

Es ist doch klar, dass die Veränderung von Naturkonstanten unmittelbar die Dinge aus den Fugen werfen würde. Als Mathematiker weißt Du doch auch, dass in einem Gleichungssystem mit 10 Gleichungen und 10 Unbekannten ein Koeffizient auch nur auf der tausendsten Stelle hinter dem Komma verändert werden muss, um Dir die Lösung um die Ohren fliegen zu lassen. Das ist aber doch kein Grund das Konzept von Gleichungssystemen in Frage zu stellen und an deren Stelle "gefühlte Lösungen" als diskussionswürdig zu erachten.

Wissenschaft strebt danach die Welt modellhaft zu beschreiben. Es geht dabei immer um einen fairen falsifizierbaren Wettbewerb der Lösungsansätze. Auch Lösungen die nicht erklärbar sind, aber empirisch nachgewiesen werden, haben die Chance in die Lehrmeinung überzugehen (wenn sich eben kein besserer Ansatz findet).

Ich finde es inakzeptabel durch nichts belegbare Theorien (= Religionen) in irgendeiner Form den wissenschaftlichen Lehrmeinungen (= Modell welches aktuell belegbar am besten die Realität beschreibt) auf die gleiche Stufe zu stellen. Aus eben diesem Grunde hat man die Pastafari ins Leben gerufen, nämlich um zu verdeutlichen, dass einer Religion grundsätzlich der größte erfundene Unsinn gleichwertig entgegengesetzt werden könnte.
Benutzeravatar
BingoBurner
Beiträge: 4455
Registriert: Sa 17. Jan 2015, 12:15
user title: Irgendwas mit Würde

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von BingoBurner »

Dark Angel hat geschrieben:(09 Mar 2018, 14:47)

Doch darum geht es und nur darum.

Nein - es gibt keine verschiedenen Erklärungen.
Glaube ist keine Erklärung!
Erklärungen sind nachvollziehbar, an und in der Realität überprüfbar und sie sind falsifizierbar.
Erklärungen basieren auf Beobachtungen.
All das kann Glaube nicht liefern und darum ist Glaube auch kein Erklärungsansatz

Pantheismus .........was sagst du den dazu ?

Dieser hebt zumindest deine Kritik zwischen "Glauben" und "Erkenntnis" auf.

Oder anders....Wahrheit ist ein philosophischer/religöser/esoterischer/was auch immer Begriff. Weisheit würde ich z.b. nicht dazu zählen.

Erkenntnis ist ein Naturwissentschaftlicher......eben ein Modell der Wirklichkeit.

Ich bin übrigens Agnostiker. Just my two cents..........
Dont take your organs to heaven !
Heaven knows we need them here !

Dinge, die Impfgegner sagen : https://www.facebook.com/impfgegnerzitate/

Sleep On The Floor https://www.youtube.com/watch?v=v4pi1LxuDHc
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 21967
Registriert: Fr 7. Aug 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2018, 13:53)

Klar. Auch die Feinjustierung der Naturkonstanten kann - neben der höchst spekulativen Erklärung durch ein Multiversum - völlig und absoluter Zufall und eben auch absolut zufällig auf eine Begünstigung der Entstehung von Leben auf Kohlenstoffbasis hin sein. Und dennoch gibt es zahlreiche Publikationen und zahlreiche auch seriöse Physiker, die - neben diesen beiden Erklärungen - ein (schwaches oder starkes) anthropisches Prinzip oder sogar ein "Designtes Universum" für möglich halten.
Tja - shit happens - auch das allgemein, schwache und starke anthropische Prinzip ist nur eine anthropozentrische Nabelschau, die auf eine besondere Stellung des Menschen im Universum hinausläuft.
Die Tatsache dass das anthropische Prinzip von Physikern wie Brandon Carter, John Barrow, Frank Tippler u.a. postuliert und vertreten wird, macht es noch lange nicht zu einem wissenschaftlichen Prinzip.
Ist es nämlich nicht, ganz im Gegenteil - es steht unter heftiger Kritik, weil es hochspekulativ und nicht falsifizierbar ist und damit ein wichtiges Kriterium für eine wissenschaftliche Hypothese/Theorie nicht erfüllt.
Auch seriöse Wissenschaftler sind nicht dagegen gefeit, unwissenschaftliche Thesen von sich zu geben.
Das anthropische Prinzip ist nichts weiter als eine Tautologie!

schokoschendrezki hat geschrieben:(10 Mar 2018, 13:53)Aber genau die Verinnerlichung und das Begreifen dieser Zusammenhänge befreit den Menschen andererseits vor einem reflexhaften und zwanghaften Zurückweichen vor Weltmodellen, die solche anthropischen Prinzipien zumindest nicht grundsätzlich ausschließen. DIe eine (nach Nietzsche) "fröhliche Wissenschaft" erlauben. Ohne Denkverbote und selbstauferlegte Umzäunungen.
Eben - Menschen haben ein Problem damit, zu akzeptieren, dass sie keine Sonderstellung einnehmen, dass sie nichts besonderes sind.
Da werden keine Zusammenhänge begriffen, sondern konstruiert. Mit Wissenschaft haben derartige Spekulationen nicht das geringste zu tun. Das anthropische Prinzip hat keinen anderen Zweck, als das Podest zu sichern, das Mensch für sich selbst gebaut und auf das er sich gestellt hat.
Das anthropische Prinzip findet bei Vertretern des Kreationismus und Intelligent Design ja so großen Zuspruch, nicht weil es wissenschaftlich ist, sondern weil es unwissenschaftlich (quasi religiös) ist.
Im Grunde besagt dieses Prinzip nichts anderes, als dass das Universum, so wie es existiert, nicht zufällig entstanden sein kann, sondern, dass es so "konstruiert" wurde, DAMIT Leben, DAMIT der Mensch entstehen konnte und existieren kann.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(10 Mar 2018, 21:50)

Ich rätsel etwas darüber, was Du mir damit sagen willst.

Es ist doch klar, dass die Veränderung von Naturkonstanten unmittelbar die Dinge aus den Fugen werfen würde. Als Mathematiker weißt Du doch auch, dass in einem Gleichungssystem mit 10 Gleichungen und 10 Unbekannten ein Koeffizient auch nur auf der tausendsten Stelle hinter dem Komma verändert werden muss, um Dir die Lösung um die Ohren fliegen zu lassen. Das ist aber doch kein Grund das Konzept von Gleichungssystemen in Frage zu stellen und an deren Stelle "gefühlte Lösungen" als diskussionswürdig zu erachten.
In der Frage der Feinabstimmung der Naturkonstanten ist an keiner Stelle irgendwas von "Gefühltheit" oder "Glauben" im Spiel. Das Gleichungssystem oder allgemeiner die Fragestellung, deren Lösung diese Naturkonstanten ergeben, ist nur noch nicht gefunden worden. Und solange das der Fall ist, ist das schwache und das starke anthropische Prinzip eine der möglichen Erklärungshypothesen. Es ist völlig normal, dass man bei Nichtvorliegen einer befriedigenden Erklärung eine Reihe von Hypothesen aufstellt. Und diese versucht in Einklang mit Beobachtungen und vorliegendem Wissen zu bringen oder sie nachvollziehbar zu widerlegen.

Die "Fugen", um es mit deinen Worten zu sagen, bestehen darin, dass im Inneren von Sternen die Fusionsreaktion von Heliumkernen zu Kohlenstoff in einer solchen Weise begünstigt wird, dass selbst bei einer minimalen Variation dieser Naturkonstanten dies nicht mehr der Fall wäre. Das Problem ist - genau umgekehrt! - die rationale Annahme, dass es dem Universum eigentlich egal sein müsste, welche Arten von chemischen Elementen - und ob überhaupt welche - entstehen. Das Universum ist aber, und nochmal: Das ist keine Glaubensfrage - auf die Entstehung von organischer Chemie hin justiert. Das kann man ignorieren. Man kann aber auch versuchen, eine mögliche Erklärung dafür zu finden.

Ich selbst und persönlich halte dieses anthropische Prinzip für sehr viel weniger wahrscheinlich als einen systematischen Zusammenhang, der nur eben noch unbekannt ist. Dass es eine Fragestellung gibt, deren Lösung beides gleichzeitig ergibt: Die Größe der Naturkonstanten so wie sie eben sind und ihre Feinabstimmung auf die Entstehung komplexer Strukturen hin. Dass ein Stein nach unten fällt ist einfach die Lösung einer Optimierungsaufgabe nach dem Hamilton-Prinzip der kleinsten Wirkung. Etwas in dieser Art stelle ich mir vor. Ein Extremalprinzip, das dazu führt, dass Materie ganz allgemein die Eigenschaft hat, eine Selbstwahrnehmung herbeizuführen. Ein solcher Ansatz käme dann ganz ohne Gott und Religion aus.


Oder, andere Möglichkeit: Einfach nur purer Zufall und Willkürlichkeit.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Teeernte
Beiträge: 32036
Registriert: Do 11. Sep 2014, 18:55
user title: Bedenkenträger

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Teeernte »

Alexyessin hat geschrieben:(10 Mar 2018, 20:18)

Witzigerweise ist, soweit ich es im Kopf habe, diese Prima Causa Idee ihren Ursprung bei Aristoteles. Der Grundstein alles Seins, der philosophische Versuch der Erklärung von Beginn an.
Hm, also kehrt unsere Gottesvorstellung der letzten Möglichkeit zurück in das Stadium, aus dem es einst ein griechisch-makedonischer Philosoph hineingedacht hat.
Wow, knapp 2300 Jahre sind wir in der Theologie da, wo man angfangen haben :)

[youtube][/youtube]

Bisher bestand die meiste "Entwicklung" nicht auf Wissenschaft ....sondern auf MUP .......die "Methode des Unbekümmerten Probierens"...


Unser Abbild der Welt.....auch WISSENSCHAFT genannt .....ist "GEIST". (Verbesserungen - ja da kommt der Anteil WISSENSCHAFT)

Manchen fällt ein Apfel auf den Kopf >> für eine Erkenntnis...

(Nur Nebenbei - ich bin Atheist..)
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 21967
Registriert: Fr 7. Aug 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Mar 2018, 06:03)

In der Frage der Feinabstimmung der Naturkonstanten ist an keiner Stelle irgendwas von "Gefühltheit" oder "Glauben" im Spiel.
Doch, da ist Glaube im Spiel - nämlich in Form der Vorstellung, die Naturkonstanten seien aufeinander abgestimmt, stünden in irgendeinem Zusammenhang zueinander bzw stünden aus einem ganz bestimmten Grund (Ziel, Zweck) in einem Zusammenhang zueinander.
Tun sie aber nicht. Naturkonstanten sind schlicht physikalische Größen, deren Werte nicht beeinflussbar sind und die sich weder räumlich noch zeitlich verändern. Nicht mehr und nicht weniger.
schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Mar 2018, 06:03)
Das Gleichungssystem oder allgemeiner die Fragestellung, deren Lösung diese Naturkonstanten ergeben, ist nur noch nicht gefunden worden. Und solange das der Fall ist, ist das schwache und das starke anthropische Prinzip eine der möglichen Erklärungshypothesen.
Nein - das ist nicht der Fall! Naturkonstanten basieren auf der Beobachtung, dass sich deren Werte nirgends im Universum verändern und dass sie nicht beeinflussbar sind. Naturkonstanten müssen nicht zwingend zueinander in Beziehung bzw in einem Zusammenhang stehen und sie müssen sich auch nicht aus einer Gleichung ergeben. Dass dies so ist, ist ein Glaubenssatz.
Das anthropische Prinzip ist KEINE mögliche Erklärungshypothese, weil es auf eine Sonderstellung der Menschen im Universum abzielt.
schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Mar 2018, 06:03)
Es ist völlig normal, dass man bei Nichtvorliegen einer befriedigenden Erklärung eine Reihe von Hypothesen aufstellt. Und diese versucht in Einklang mit Beobachtungen und vorliegendem Wissen zu bringen oder sie nachvollziehbar zu widerlegen.
Ja genauso "normal", wie es "normal" ist bei fehlender (befriedigender) Erklärung ein godditit heranzuziehen.

Die "Fugen", um es mit deinen Worten zu sagen, bestehen darin, dass im Inneren von Sternen die Fusionsreaktion von Heliumkernen zu Kohlenstoff in einer solchen Weise begünstigt wird, dass selbst bei einer minimalen Variation dieser Naturkonstanten dies nicht mehr der Fall wäre. Das Problem ist - genau umgekehrt! - die rationale Annahme, dass es dem Universum eigentlich egal sein müsste, welche Arten von chemischen Elementen - und ob überhaupt welche - entstehen.[/quote]
Das IST dem Universum auch egal, weil das Universum KEINE denkende Entität ist, die irgendein bestimmtes Ziel verfolgt!
schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Mar 2018, 06:03)
] Das Universum ist aber, und nochmal: Das ist keine Glaubensfrage - auf die Entstehung von organischer Chemie hin justiert. Das kann man ignorieren. Man kann aber auch versuchen, eine mögliche Erklärung dafür zu finden.
Doch - genau das ist es - es IST eine Glaubensfrage, dass das Univiersum "justiert" sein könnte, dass es einen ganz bestimmten Zweck erfüllen könnte, ein bestimmtes Ziel verfolgen könnte.
Aus der Tatsache, dass wir Sternentstehung, die Entstehung von organischen Makromolekülen beoabchten können und daraus bestimmte Regelmäßigkeiten (Naturgesetze) ableiten, bedeutet noch lange nicht, dass das Universum genau darauf "abgestimmt" bzw "justiert" sein könnte.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
Dark Angel
Moderator
Beiträge: 21967
Registriert: Fr 7. Aug 2009, 08:08
user title: From Hell

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Dark Angel »

BingoBurner hat geschrieben:(10 Mar 2018, 21:51)

Pantheismus .........was sagst du den dazu ?

Dieser hebt zumindest deine Kritik zwischen "Glauben" und "Erkenntnis" auf.

Oder anders....Wahrheit ist ein philosophischer/religöser/esoterischer/was auch immer Begriff. Weisheit würde ich z.b. nicht dazu zählen.

Erkenntnis ist ein Naturwissentschaftlicher......eben ein Modell der Wirklichkeit.

Ich bin übrigens Agnostiker. Just my two cents..........
Ob nun Pantheismus, Polytheismus, Henotheismus oder Monotheismus läuft auf's gleiche raus.
Alle Formen von Theismus sind Glaubensformen, die eine höhere Macht als "Lenker und Gestalter" postulieren.
Dabei ist es egal ob man sich ein oder mehrere "höhere Wesen" vorstellt oder ob man sich die Natur/das Universum als beseeltes Wesen vorstellt, welches ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt.
Das allgemeine, starke und schwache anthropische Prinzip haben in gewisser Weise Pantheismus als Grundlage.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Benutzeravatar
BlueMonday
Beiträge: 3794
Registriert: Mo 14. Jan 2013, 17:13
user title: Waldgänger&Klimaoptimist

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von BlueMonday »

Das Pan in Pantheismus verneint ja gerade einen übergeordneten, getrennten Gott. Pan=allumfassend. Gott ist alles. Alles ist Gott. Also wenn es eine vollständige Auflösung des Gottesbegriffs gibt, dann ist es der Pantheismus (und nicht der Atheismus). Auflösung durch umfassende Aneignung => Ein Begriff ist nur Begriff, wenn er trennt/teilt/unterscheidet, also wenn er durch sein Umfassen etwas anderes ausschließt.

Ich meine, ohne eine Metaphysik, also einen Glauben kommt niemand aus. Andernfalls hätte man nur gehaltlose Begriffssysteme.
Alles logische Schließen setzt voraus, dass es identische Fälle gibt. Die gibt es aber nicht. Jede Identität ist ein Zurechtmachen und der Glaube an die Richtigkeit dieser Zurechtmachung bzw die Verdrängung, dass es eine Zurechtmachung ist.
Jeder Begriff überhaupt ist eine Zurechtmachung und entspricht nicht der Realität vor diesem Begriff.

Nietzsche: "Bevor »gedacht« wird, muß schon »gedichtet« worden sein; das Zurechtbilden zu identischen Fällen, zur Scheinbarkeit des gleichen ist ursprünglicher als das Erkennen des gleichen."

Die wissenschaftliche Methode, die Empirie sucht das Gleiche im Unterschiedlichen, das sich Wiederholende, die Gesetzmäßigkeit in der beobachtbaren Umwelt.

Aber:
“Allgemein gesprochen setzt Ähnlichkeit – und somit auch Wiederholung stets die Einnahme ‘eines Standpunkts’ voraus: manche Ähnlichkeiten oder Wiederholungen werden uns auffallen, wenn wir uns für ein bestimmtes Problem interessieren, andere, wenn wir uns für eine anderes Problem interessieren.”

“Man kann hinzufügen, daß sich für jede gegebene endliche Gruppe oder Mengen von Dingen, mag sie noch so regellos zusammengestellt sein, bei einiger Geschicklichkeit Standpunkte finden lassen, von denen auf alle zu der Menge gehörenden Dinge ähnlich (oder teilweise gleich) sind. Das bedeutet, daß jedes beliebige Ding oder Ereignis als “Wiederholung” jedes beliebigen anderen angesehen werden, wenn man nur den geeigneten Standpunkt einnimmt.”

Karl Popper, Logik der Forschung, Tübingen 1989, S. 376
So gesehen ist jede "Gesetzmäßigkeit" ein kreativer Akt, der nicht unbeingt so und nicht anders abzulaufen hat. Letztlich ist es nur eine Denkform, für die man sich mehr oder weniger bewusst entschieden hat.
So ist auch Kausalität nicht beobachtbar, sondern letztlich nur eine Denkgewohnheit (Hume).

Wissenschaftlich hat man immer nur Korrelationen in irgendwelchen Datensets vorliegen. Also ein für sich allein genommen sinnloser Zusammenfall von Ereignissen, die man auf irgendeine Weise quantifiziert.
Nachträglich kann man dann allenfalls Bildunsgregeln (Funktionen mit Konstanten) finden, mit der man Werte aus einem Teil des Datenset andere Teile des Datensets berechnen kann.
Wobei man unendlich viele dieser Bildungsregeln finden könnte. Strenggenommen hat man aber nur ein Datenset, das die Vergangenheit betrifft, kompakter darstellt. Datenkompression sozusagen :). Alles, was darüberhinaus geht, also die Zukunft betrifft, unterliegt dem Induktionsproblem, und das kann nur durch eine spekulative Komponente, einen Glauben, eine Überzeugung oder dergl. überwunden werden.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
Benutzeravatar
Provokateur
Beiträge: 12535
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 16:44
user title: Alpha by choice&Liberalpatriot
Wohnort: जर्मनी

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Provokateur »

Was mir als Agnostiker immer auffällt, sind die Argumentationsmuster der Extremgläubigen.

Exemplarisch:
"Alles, was in der Bibel steht, ist wahr!"
"Im 3. Buch Mose 11,13-19 steht, dass Fledermäuse Vögel sind. Fledermäuse sind aber Säugetiere."
"Es, äh, ist nur ein Gleichnis!"

Es geht immer so.

Glaube ist Glaube. Er hat keine Auswirkungen auf die beobachtbare Realität - außer seine Anhänger leisten ihm Folge. Noch nie ist einem Atheisten ein Wunder geschehen, nie hat ein Hindu Maria erblickt.

Wissenschaft beschreibt etwas, das uns allen widerfährt - die beobachtbare Realität. Deswegen sind wissenschaftliche erkenntnisse auch wesentlich besser geeignet, die Realität zu erforschen.

Ob hinter allem ein puppenspielender Gott wartet, ist erst einmal egal, denn die Wissenschaft erläutert die seiner Regeln, die in diesem Universum für alle Dinge - ob lebend, ob tot, ob nie lebend gewesen - gelten.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
twitter.com/Provokateur_Tom
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(11 Mar 2018, 14:37)
Glaube ist Glaube.
Und Glauben ist Glauben. Die deutsche Sprache ist so klug, zwischen "Der Glaube" und "Das Glauben" zu unterscheiden.
Unter Glauben versteht man ein Fürwahrhalten ohne methodische Begründung. Glauben in diesem Sinne bedeutet, dass ein Sachverhalt für scheinbar (hypothetisch) wahr oder wahrscheinlich gehalten wird. Darin unterscheidet sich „Glauben“ im weiteren Sinne einerseits vom religiösen Glauben im engeren Sinne, der stets auf dem Willen zum Glauben beruht und die absolute Wahrheit des Glaubensinhalts (z. B. der Existenz Gottes) unterstellt; andererseits unterscheidet sich Glauben von Wissen, das als wahre und gerechtfertigte Tatsache verstanden werden kann.

Glauben im alltäglichen Sprachgebrauch ist also eine Vermutung oder Hypothese, welche die Wahrheit des vermuteten Sachverhalts zwar annimmt, aber zugleich die Möglichkeit einer Widerlegung offenlässt, falls sich die Vermutung durch Tatsachen oder neue Erkenntnisse als ungerechtfertigt herausstellen sollte.
Der letzte Satz ist der entscheidende. Nicht falsifizierbare hypothetische Aussagen sind wissenschaftlich wertlos. Religiöse Glaubenssätze sind per se nicht falsifizierbar. Ein Glauben an einen vermuteten Zusammenhang als falsifizierbare Aussage jedoch nicht zwangsläufig.
Provokateur hat geschrieben:(11 Mar 2018, 14:37)
Wissenschaft beschreibt etwas, das uns allen widerfährt - die beobachtbare Realität. Deswegen sind wissenschaftliche erkenntnisse auch wesentlich besser geeignet, die Realität zu erforschen.

Ob hinter allem ein puppenspielender Gott wartet, ist erst einmal egal, denn die Wissenschaft erläutert die seiner Regeln, die in diesem Universum für alle Dinge - ob lebend, ob tot, ob nie lebend gewesen - gelten.
Wenn man es wirklich wörtlich so nimmt, macht man damit die Wissenschaft - ob nun wissentlich oder nicht - zur Religion. Die Grundregel, dass nicht falsifizierbare Aussagen wertlos sind, bedeutet selbstverständlich, dass auch wissenschaftliche Aussagen, die man als sicher, bewiesen, verifiziert. bestätigt ansieht, unbedingt falsifizierbar bleiben müssen. Die Newtonsche Mechanik ist in ihrer Allgemeingültigkeit widerlegt, weil sie nur für Geschwindigkeiten weit unterhalb der Lichtgeschwindigkeit gilt. Deshalb ist sie als praktisches Modell dennoch nicht irrelevant. Die Äthertheorie ist selbstverständlich WIssenschaft. Aber sie ist vollständig widerlegt. Heißt also: Der WIssenschaftsbetrieb im Allgemeinen "erzählt" nicht etwas, sondern versucht hypothetische Annahmen, bis zu ihrer WIderlegung oder der Einschränkung ihrer Allgemeingültigkeit als plausibel darzustellen.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am So 11. Mär 2018, 22:21, insgesamt 1-mal geändert.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Provokateur
Beiträge: 12535
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 16:44
user title: Alpha by choice&Liberalpatriot
Wohnort: जर्मनी

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Provokateur »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Mar 2018, 22:03)

Und Glauben ist Glauben. Die deutsche Sprache ist so klug, zwischen "Der Glaube" und "Das Glauben" zu unterscheiden.

Der letzte Satz ist der entscheidende. Nicht falsifizierbare hypothetische Aussagen sind wissenschaftlich wertlos. Religiöse Glaubenssätze sind per se nicht falsifizierbar. Ein Glauben an einen vermuteten Zusammenhang als falsifizierbare Aussage jedoch nicht zwangsläufig.
Es ist dennoch nicht belegbar, dass Glaube/n an sich eine Auswirkung auf die Realität hätte - außer für den Glaubenden.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
twitter.com/Provokateur_Tom
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(11 Mar 2018, 22:16)

Es ist dennoch nicht belegbar, dass Glaube/n an sich eine Auswirkung auf die Realität hätte - außer für den Glaubenden.
Die Auswirkung einer Erkenntnis oder eines Glaubens auf die Realität ist sowieso nochmal ein ganz anderes Thema. VIelleicht eher ein wissenschaftspolitisches. Ob die Erkenntnis des Klimawandels der Erde eine Auswirkung auf die Realität hat, hängt davon ab, ob und inwieweit die Spezies Mensch, diesem Wandel entgegenwirkt oder ihn vielleicht sogar beschleunigt, Die Auswirkung der Erkenntnis, dass es ziemlich wahrscheinlich Schwarze Löcher im Universum gibt, auf die Realität, ist bislang wohl ziemlich gleich Null.Die politische Auswirkung der Renaissance der Religionen auf die (politische) Realität ist dagegen für jedermann deutlich sichtbar.

Dass Glaube im Sinne von nicht falsizierbaren oder auch per Anweisung nicht zu falsifizierenden Aussagen wie in Religionen, nichts zu systematischen Aussagen über die Welt beitragen, dem würde ich schon eher zustimmen. Das wollen sie aber vermutlich auch gar nicht.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Skeptiker

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Skeptiker »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Mar 2018, 06:03)
In der Frage der Feinabstimmung der Naturkonstanten ist an keiner Stelle irgendwas von "Gefühltheit" oder "Glauben" im Spiel. Das Gleichungssystem oder allgemeiner die Fragestellung, deren Lösung diese Naturkonstanten ergeben, ist nur noch nicht gefunden worden. Und solange das der Fall ist, ist das schwache und das starke anthropische Prinzip eine der möglichen Erklärungshypothesen. Es ist völlig normal, dass man bei Nichtvorliegen einer befriedigenden Erklärung eine Reihe von Hypothesen aufstellt. Und diese versucht in Einklang mit Beobachtungen und vorliegendem Wissen zu bringen oder sie nachvollziehbar zu widerlegen.

Die "Fugen", um es mit deinen Worten zu sagen, bestehen darin, dass im Inneren von Sternen die Fusionsreaktion von Heliumkernen zu Kohlenstoff in einer solchen Weise begünstigt wird, dass selbst bei einer minimalen Variation dieser Naturkonstanten dies nicht mehr der Fall wäre. Das Problem ist - genau umgekehrt! - die rationale Annahme, dass es dem Universum eigentlich egal sein müsste, welche Arten von chemischen Elementen - und ob überhaupt welche - entstehen. Das Universum ist aber, und nochmal: Das ist keine Glaubensfrage - auf die Entstehung von organischer Chemie hin justiert. Das kann man ignorieren. Man kann aber auch versuchen, eine mögliche Erklärung dafür zu finden.

Ich selbst und persönlich halte dieses anthropische Prinzip für sehr viel weniger wahrscheinlich als einen systematischen Zusammenhang, der nur eben noch unbekannt ist. Dass es eine Fragestellung gibt, deren Lösung beides gleichzeitig ergibt: Die Größe der Naturkonstanten so wie sie eben sind und ihre Feinabstimmung auf die Entstehung komplexer Strukturen hin. Dass ein Stein nach unten fällt ist einfach die Lösung einer Optimierungsaufgabe nach dem Hamilton-Prinzip der kleinsten Wirkung. Etwas in dieser Art stelle ich mir vor. Ein Extremalprinzip, das dazu führt, dass Materie ganz allgemein die Eigenschaft hat, eine Selbstwahrnehmung herbeizuführen. Ein solcher Ansatz käme dann ganz ohne Gott und Religion aus.

Oder, andere Möglichkeit: Einfach nur purer Zufall und Willkürlichkeit.
Zu dem von Dir immer wieder herangezogenen anthropischem Prinzip kann ich Dir leider nicht allzuviel schreiben. Ich selber verstehe es recht trivial als reine Tautologie. Wenn dem eine größere Bedeutung nachkäme, dann bin ich wohl zu einfach gestrickt das wahrzuhaben.

Was Dein Beispiel mit der Naturkonstante angeht, so bin ich der Meinung, dass die Natur nicht nach unserem Handbuch über die Natur handelt. Sie funktioniert nach Gesetzen die wir nur versuchen abzubilden. Das bedeutet aber logischerweise, dass solange wir die Natur nicht vollständig exakt beschreiben können, selbstverständlich die Naturkonstanten ungenau sind. Das ist der Natur aber egal, weil sie das Original ist, und wir nur mit der verlustbehafteten Kopier ihrer arbeiten (die sich Wissenschaft nennt).

Ich hatte das Beispiel mit dem Gleichungssystem bewußt genannt. Ich bin überzeugt, dass die Naturgesetze (die echten, nicht diejenigen die wir aus ihr ableiten) ein vollständig gelöstes System bilden. Wir sollten uns nicht davon irritieren lassen, dass wir dessen Koeffizienten nicht genau kennen. Unsere mangelhafte Ergründbarkeit der Natur sollten wir ihr nicht zum Nachteil auslegen indem wir Schwankungen in natürliche Prozesse hineinkonstruieren, welche die Natur garnicht besitzt. Die wahre Natur wirkt immer exakt gleich, es ist nur unsere Beobachtungsfähigkeit die ungenau ist. Eben genauso wie ein entsprechendes Gleichungssystem immer eine exakte Lösung hat, die wir aber in vielen Fällen unmöglich exakt beschreiben können.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(11 Mar 2018, 22:44)
Was Dein Beispiel mit der Naturkonstante angeht, so bin ich der Meinung, dass die Natur nicht nach unserem Handbuch über die Natur handelt. Sie funktioniert nach Gesetzen die wir nur versuchen abzubilden. Das bedeutet aber logischerweise, dass solange wir die Natur nicht vollständig exakt beschreiben können, selbstverständlich die Naturkonstanten ungenau sind. Das ist der Natur aber egal, weil sie das Original ist, und wir nur mit der verlustbehafteten Kopier ihrer arbeiten (die sich Wissenschaft nennt).

Ich hatte das Beispiel mit dem Gleichungssystem bewußt genannt. Ich bin überzeugt, dass die Naturgesetze (die echten, nicht diejenigen die wir aus ihr ableiten) ein vollständig gelöstes System bilden. Wir sollten uns nicht davon irritieren lassen, dass wir dessen Koeffizienten nicht genau kennen. Unsere mangelhafte Ergründbarkeit der Natur sollten wir ihr nicht zum Nachteil auslegen indem wir Schwankungen in natürliche Prozesse hineinkonstruieren, welche die Natur garnicht besitzt. Die wahre Natur wirkt immer exakt gleich, es ist nur unsere Beobachtungsfähigkeit die ungenau ist. Eben genauso wie ein entsprechendes Gleichungssystem immer eine exakte Lösung hat, die wir aber in vielen Fällen unmöglich exakt beschreiben können.
Das nun verstehe ich wiederum nicht. Gerade die Feinstrukturkonstante, die die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkungen wiedergibt, lässt sich sehr genau und verlässlich bestimmen. Das ist gar nicht das Problem. Und sie ergibt bei verschiedenen Vorgängen immer den gleichen Wert. Weshalb sie überhaupt als Naturkonstante auffassbar ist. Aber so wie das Verhältnis der Stärke der Wechselwirkungskräfte die Ursache dafür ist, dass in dem sogenannten Drei-Alpha-Prozess Heliumkerne zu Kohlenstoffatomen fusioniert werden können, so ist der genaue Wert der Feinstrukturkonstanten die Ursache dafür, dass chemische Bindungen eine Größenordnung haben, die den Aufbau komplexer organischer Strukturen wie DNA überhaupt erst möglich machen.

Es gibt nun grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Werte dieser Konstanten rein zufällig und einfach nur "gegeben" und nicht irgendwie als Lösung von etwas anderem herleitbar. Dann ist ihre genaue Abstimmung hin auf die Entstehung organischer Chemie ein sehr sehr erstaunlicher Zufall. Aber gut. Als solcher eben hinzunehmen. Oder es gibt eben doch einen Zusammenhang irgendeiner Art. Sämtliche vermuteten Zusammenhänge sind hochspekulativ. Insbesondere der eines anthropischen (auf die Entstehung von wahrnehmenden Strukturen und speziell Menschen) hin gerichteten Natur-Prinzips. Nach einem rationalen Verständnis, das die naturinterpretierende Tätigkeit des Menschen eher skeptisch ansieht, ist die erste Möglichkeit wesentlich wahrscheinlich. Dass es also überhaupt keine Gleichung gibt, deren Lösung die Werte der Wechselwirkungskonstanten sind. Weder in den Köpfen von Menschen noch in der Natur selbst. Sondern dass diese einfach eine nicht weiter hinterfragbare Größe haben.

Im Übrigen sind all diese Überlegungen ja keineswegs neu. Über die Frage der Feinabstimmung der Naturkonstanten ist schon eine beträchtliche Menge diskutiert und geschrieben worden.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Provokateur
Beiträge: 12535
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 16:44
user title: Alpha by choice&Liberalpatriot
Wohnort: जर्मनी

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von Provokateur »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Mar 2018, 08:22)
Es gibt nun grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Werte dieser Konstanten rein zufällig und einfach nur "gegeben" und nicht irgendwie als Lösung von etwas anderem herleitbar. Dann ist ihre genaue Abstimmung hin auf die Entstehung organischer Chemie ein sehr sehr erstaunlicher Zufall.
Gemäß der meisten Theorien über das Multiversum gibt es unendlich viele andere Universen, in denen die Naturkonstanten andere Werte haben; und auch unendlich viele, in denen etwas ganz anderes herrscht als die von uns erfahrbaren Realitätsfragmente.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
twitter.com/Provokateur_Tom
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(11 Mar 2018, 14:04)
Ich meine, ohne eine Metaphysik, also einen Glauben kommt niemand aus. Andernfalls hätte man nur gehaltlose Begriffssysteme.
Alles logische Schließen setzt voraus, dass es identische Fälle gibt. Die gibt es aber nicht. Jede Identität ist ein Zurechtmachen und der Glaube an die Richtigkeit dieser Zurechtmachung bzw die Verdrängung, dass es eine Zurechtmachung ist.
Jeder Begriff überhaupt ist eine Zurechtmachung und entspricht nicht der Realität vor diesem Begriff.
Ja. Und die in den Naturwissenschaften mit Abstand wichtigste "Zurechtmachung" ist die zahlenmäßige Quantifizierung, die Mathematisierung. Die Zurechtmachung setzt mit dem Zählen und Messen ein. Aus nach unten fallenden Steinen werden gedachte Massenpunkte mit soundsoviel Kilogramm, Anfangsgeschwindigkeit und Entfernung von einem anderen gravitativ wirkenden Objekt.

Der Tatsache, dass die Welt schon vor dieser Mathematisierung verstehbar - oder genauer: ahnbar - ist, wird viel zu wenig Beachtung geschenkt. Dass es für venunftbegabte Wesen auch so ahnbar ist, dass ein Stein, den man in der Höhe loslässt, nach unten fallen wird. Aber nicht diese Tatsache isoliert von der Ahnungsmöglichkeit ist erstaunlich, sondern nur beides zusammen. Dass die Welt ahnbar ist und dass es zugleich ahnende Wesen gibt. Genau das, beides zusammen, ist eine wesentliche und vollkommen nichttriviale Eigenschaft der Welt.

Es mag ein Zufall (oder auch nicht?) sein, dass beinahe zeitgleich mit diesem Diskussionsstrang in der Reihe "Essay und Diskurs" ein Beitrag erschien, der sich genau diesem Thema widmet: "Gefühlte Wahrheiten. Über Ahnungen, Vermutungen und Gespür ." Deshalb will ich den einleitenden Absatz hier einmal komplett zitieren.
Ahnungen, Vermutungen und Gespür sind Eingebungen, die natürliche Erkenntnisse liefern. Sie lassen sich nicht vom Wissen übertreffen - weder in der Biologie, noch der Physiologie oder Psychologie. Welche Rolle spielen Ahnungen in unserem Leben, in der Informationsgesellschaft?

Metaphysik des Wissens

Wir leben in einer Welt, die nur noch eine Form des Wissens anerkennt: formalisierbares Wissen.

Alle Formen des Wissens, die nicht formal produziert werden können, sind aus dem Erkenntnisregister entfernt und abgewertet worden.

Die Produktion von formalisierbarem Wissen beruht auf Rationalität - auf einer Rationalität freilich, die nur das Zerrbild dessen ist, was ratio im Sinne von Vernunft ursprünglich einmal bedeutet hat.

"Vernunft kommt von: vernehmen - altgriechisch: nous".

Vernehmen, erschnüffeln, erspüren.

Ahnen.

Sind all diese epistemischen Haltungen erkannt als das, was sie sind: Möglichkeiten des Wissens und der Erkenntnis?

Der seichte Rationalismus der Aufklärung versteht unter Vernunft Regelgebrauch und Problemlösungsverfahren, mit anderen Worten: Mathematik und Berechenbarkeit.

Eigentlich beginnt Vernunft aber eben nicht mit dem Rechnen, sondern dann, wenn man vor dem unermesslichen Reichtum des Seins in ehrfürchtiges Staunen versetzt wird.
http://www.deutschlandfunk.de/gefuehlte ... _id=407865

Ich persönlich bin nichteinmal so sehr überzeugt von dem, was da von dem Autor Thomas Palzer geschrieben wurde und hänge noch immer der klassischen Auffassung an, dass Erkenntnisse grundsätzlich vom Konkreten zum Allgmeinen verlaufen und dass dabei eine Mathematisierung unvermeidlich ist. Aber dass er einerseits nicht einer Wiederkehr der Religionen das Wort redet, andererseits aber diametral um 180 Grad gegen den herrschenden rationalistischen Zeitgeist der anderen Hälfte der Menschheit argumentiert, finde ich ... nun ja: In seiner Couragiertheit absolut großartig.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Glaube und Erkenntnis

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(12 Mar 2018, 08:40)

Gemäß der meisten Theorien über das Multiversum gibt es unendlich viele andere Universen, in denen die Naturkonstanten andere Werte haben; und auch unendlich viele, in denen etwas ganz anderes herrscht als die von uns erfahrbaren Realitätsfragmente.
Ja klar. In einer solchen Welt ist die Erkenntnis der Feinabstimmung der Naturkonstanten durch intelligente Wesen völlig trivial, denn diese können eben nur in diesem einen Universum (von vielen anderen) entstanden sein. Diese Erklärung erkauft man sich aber mit der extremen Spekulativität sämtlicher VIele-Welten, Parallelwelten und Multiversum-Hypothesen. Sie folgern aus keinerlei empirischer Beobachtung und wurden vor allem aufgestellt, um die Unverständlichkeit von Quantenphänomenen (für den Menschen) verständlicher zu machen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Antworten